Lothar Klemm
Sitzungen
Letzte Beiträge
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir müssen nicht ernsthaft darüber streiten, dass Hessen ein zentraler Wirtschaftsstandort in der Europäischen Union ist. Nur, die Rede damit zu beenden, dass Hessens Wirtschaft angesichts des Zahlenwerkes, über das wir verfügen, auf gutem Wege sei, ist lediglich eine Gesundbeterei. Das ist keine realistische Auseinandersetzung mit den Fakten.
Denn Hessen ist im Ranking irgendwo auf Platz vier oder fünf der nationalen Volkswirtschaften in Europa, was die Erwirtschaftung des Bruttoinlandproduktes angeht.Aber Hessen ist im Jahre 2005, was das Wachstum genau dieses Bruttoinlandproduktes angeht,auf dem Platz ganz hinten.
Hinter uns liegen Malta, die Niederlande, Portugal und Italien.Vor uns liegt eine ganze Menge.
Ich bestreite das doch gar nicht. Ich sage nur:Wer das ignoriert und sagt: „Wir sind auf gutem Weg“, der ist auf dem falschen Platz, wenn er für Hessen Wirtschaftspolitik macht.
Es geht in der Situation doch darum, wenigstens einmal die Fakten zur Kenntnis zu nehmen – egal, ob sie einem gefallen oder nicht gefallen.Das ist doch die Basis,mit der man sich auseinander setzen muss. Wenn die Debatte auf dem Niveau geführt wird, dass wir feststellen: „Hätten wir eine Mauer zu Rheinland-Pfalz, dann wäre die hessische Zahlenwelt schöner“,
dann ist das eine Dimension, die genau beschreibt, wo wir sind.
Wir leben in einer realen Welt. Diese reale Welt ist ein bisschen komplizierter. Wenn Sie jetzt vergleichen, was den Beginn der Debatte ausgemacht hat, dann reden wir darüber, dass Hessen in seiner Zuwachsrate unter dem Durchschnitt der deutschen Bundesländer liegt. Das müsste eigentlich ein Alarmsignal von allergrößter Bedeutung sein,
weil ein Land, das vom Spitzenplatz Europas kommt und sich jetzt nicht einmal mehr getraut, sich mit den wirtschaftsstarken westdeutschen Bundesländern zu vergleichen, sondern sich mit dem Durchschnitt aller deutschen Bundesländer vergleichen muss, die Frage aufwirft: Was ist das denn für ein Land? Was ist das für ein Selbstbewusstsein einer Wirtschaftspolitik in diesem wirtschaftsstarken Land?
Meine Damen und Herren, deshalb brauchen wir sehr dringend eine Diskussion darüber,wie wir in Hessen stark überdurchschnittliches Wachstum zu produzieren in der Lage sind – nicht bezogen auf den Durchschnitt aller deutschen Bundesländer, sondern bezogen auf die Messlatte Bayern und Baden-Württemberg, die Länder, die mit uns in der Bundesrepublik Deutschland über wirtschaftliche Spitzenpositionen verfügen.
Herr Wirtschaftsminister, Sie trauen sich nicht einmal, in diesen Vergleich einzutreten. Das zeichnet die Dimension der Debatte aus, über die wir hier reden.
Meine Damen und Herren, natürlich haben wir infolge der hessischen Wirtschaftsstruktur das Problem der extremen Dienstleistungsbetonung, was uns z. B. vom Standort Baden-Württemberg unterscheidet. Wir sind dort in unterschiedlicher südländischer Konjunktur mit Zahlen konfrontiert, die wir seit vielen Jahrzehnten kennen.Aber dazu gibt es zwei Möglichkeiten. Ich kann sagen: „Das ist halt so.“, oder ich kann sagen:Wir kommen in eine Situation, in der wir deutlicher handeln müssen.
Wir reden doch nicht darüber, dass wir jetzt einmal eine schlechte Zahl schreiben. Meine Damen und Herren, wir reden darüber, dass wir vier Jahre in Folge schlechter wachsen als der Durchschnitt Deutschlands. Dann kann ich doch nicht sagen: Immerhin sind wir noch mit dem Grundsockel, auf dem wir uns befinden, auf einem guten europäischen Platz. – Das wird auf die Dauer nicht ausreichen.
Deshalb brauchen wir eine Diskussion darüber. Die brauchen wir in diesem Land insgesamt. Man wird in diesem Land und in Deutschland nicht überdurchschnittlich wachsen können, wenn wir nicht ein starkes Gewicht darauf legen, dass Hessen auf Dauer die Drehscheibe der europäischen Wirtschaft bleibt. Das heißt, wir brauchen eine starke Betonung auf Mobilität in diesem Lande und auf Mobilität aus diesem Lande heraus. Das wird nicht anders gehen, als dass der Flughafen Frankfurt ausgebaut wird, und zwar so schnell wie möglich.
Es gibt dazu keine Alternative.
Ich kenne die Diskussion um CargoCity sehr gut und auch alle die, die ihre wertvollen Beiträge dazu geleistet haben. – Ich würde mir wünschen, dass neben der Sprech
blase auch das, was wichtig ist – das administrative Handeln –, jeden Tag so ist, dass das schnell geht.
Dazu stelle ich fest:Wenn das so richtig ist, haben wir Zeit verloren. Das hätte nicht sein müssen.
Zum Zweiten. Wir brauchen einen kontinentaleuropäischen Finanzplatz. Wenn wir dieses Wachstum erhalten und überdurchschnittliches Wachstum generieren wollen, brauchen wir an der Stelle die Entwicklung eines europäischen Finanzrahmens. Das ist nicht nur eine bundesdeutsche Aufgabe. Das ist eine Aufgabe der hessischen Standortpolitik, wo sich die Hessische Landesregierung einmischen muss.
Zum Dritten. Ich glaube, dass wir an diesem Finanzplatz eine starke öffentlich-rechtliche Säule sichern müssen. Das ist der Streit, den wir im Moment führen müssen. Die Sozialdemokraten sind in diesem Zusammenhang der Auffassung, dass das deutsche Sparkassenwesen auf Dauer ein öffentlich-rechtliches Sparkassenwesen bleiben soll, das der Privatisierung nicht zugänglich gemacht wird.
Ein dauerhafter Teil der drei Säulen – das ist die ganze Diskussion, die geführt wird – ist darum die Frage: Ist diese Gesetzesvorlage, die gemacht wurde, der Einstieg in einen Weg der schleichenden Privatisierung? – Den werden die Sozialdemokraten nicht mitgehen.
Wir brauchen in der Situation, in der wir uns befinden – das zeigen die Zahlen der Entwicklung im gewerblichen Bereich sehr deutlich –, stärker als das Hessen hat, ich gebe auch zu, stärker als das Hessen über viele Jahrzehnte hatte, eine eigenständige Industriepolitik, die an diesem Standort ein neues Fenster eröffnet. Wie sind wir in der Lage, mit dem Druck, dass drei Viertel unseres Bruttoinlandproduktes an diesem Standort aus dem Dienstleistungsbereich entstehen, mit dem Druck, der daraus auf Bodenpreise, auf Löhne und Gehälter, auf Wettbewerbsbedingungen im Verhältnis zu gewerblichen Einrichtungen erwächst, die anderenorts entstanden sind, umzugehen?
Wir brauchen ein klares Fenster, indem wir für Industriezukunft an diesem Standort sorgen. Wir dürfen nicht nur darüber reden. Wir müssen sie wollen. Wir müssen ein Stück deutlicher zeigen, wohin der Weg geht. Meine Damen und Herren, eines geht nicht: bei Zahlen, die sagen, wir sind in den absoluten Werten ganz vorne, und bei einem Verlust der Wachstumsdynamik über vier Jahre in Folge so zu tun, als sei in Hessen alles in Ordnung. Das ist nicht der Fall. Der Wirtschaftsminister, der das macht, führt das Land nicht richtig.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Minister Bouffier hat einen Satz gesagt, den jedenfalls ich unterschreiben würde. Er hat gesagt: Entweder werden wir gemeinsam bei dieser Auseinandersetzung erfolgreich sein, oder nicht.
Bei einer so grundsätzlichen Frage halte ich das in der Tat für entscheidend.
Aus meiner Sicht ergibt sich daraus die nächste Frage.Wir diskutieren das hier ja als ein juristisches Thema. Was macht Sie denn so sicher, dass Sie allein gegen den Rest der Mitglieder dieses Hauses im Besitz der allein juristisch richtigen Position sind?
Nun gebe ich allen Juristenkollegen hier im Hause, die Anwälte, Staatsanwälte oder Richter sind, zu bedenken,
dass in der juristischen Argumentation der Kollege Bouffier gerade sagte: Wollen wir zulassen, dass die Richterin das Kopftuch trägt? Das sagte er zum Begründungszusammenhang dieses Gesetzes.
Lieber Kollege Bouffier, die Amtstracht des Richters, des Staatsanwalts und des Rechtsanwalts ist abschließend geordnet. Dazu bedarf es dieser gesetzlichen Begründung nicht, die Sie hier gebracht haben.
Zu dem Thema Robe und zum Thema weißer Schlips des Strafverteidigers haben wir eine ganze Reihe von Entscheidungen. Mich macht sehr nachdenklich, dass diese einfache Wahrheit hier zur Verwirrung bei der CDU führt.
Schauen Sie sich die Rechtslage an, ehe Sie in eine solche Spaltung hineinkommen.
Ich verstehe eines nicht. Man weiß, dass es sich hier um ein schwieriges Thema handelt, bei dem es letzten Endes darum geht: Kriege ich eine Gesellschaft in einen Dialog auf dem Weg in eine friedlichere, gewaltfreiere, tolerantere Zukunft,oder stärke ich letzten Endes diejenigen,die darauf warten, dass Sie mit dem Kopf durch die Wand wollen, beim Verfassungsgericht scheitern und zum Schluss als die dastehen, die groß die Backen aufgeblasen, aber nichts hinbekommen haben?
Das wird das Ergebnis einer Politik sein, die sich mit den juristischen Fragen in Wirklichkeit nicht auseinander setzt, die darauf abzielt, Flugblätter zu verteilen und den Versuch zu machen, aus der Polarisierung parteipolitisch Kapital zu schlagen. Das ist scheinheilig und gehört sich nicht.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich empfinde den Verlauf der heutigen Debatte extrem interessant. Denn das, was ich bemerkenswert finde, hat Herr Posch gesagt. In der Debatte hat es eine klimatische Veränderung gegeben. Herr Boddenberg hat das noch einmal unterstrichen. Es geht nicht mehr nur darum, zu sagen, wie wir zum Ausbau kommen. Sie fangen an, eine Treppe aufzubauen, um Schuldzuweisungen für den Fall zu haben, dass Sie es nicht schaffen.
In der heutigen Debatte haben Sie etwas gesagt, was mich extrem überrascht hat. Der zuständige Genehmigungsminister hat hier erklärt, eigentlich befinde sich alles im grünen Bereich,
nur könne man den Zeitplan nicht mehr einhalten, obwohl alle davon ausgegangen sind,dass dessen Einhaltung für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes wichtig ist.
Nur eines von beiden kann stimmen.
Ich will Ihnen eines sagen. Seit August letzten Jahres erleben wir eine Zeit, die für Hessen neu ist. Das ist seit August letzten Jahres so. Das war früher anders. Darauf lege ich Wert. Möglicherweise hat das nichts mit den politischen Parteien zu tun. Aber es war anders. Seit August letzten Jahres ist Hessen Spitzenreiter bei der Zunahme der Arbeitslosigkeit.
Nach meinem Informationsstand ist die Bundesregierung für Hessen ebenso wie für Bayern, Baden-Württemberg und jedes andere Land Deutschlands zuständig.
Herr Wirtschaftsminister und Herr Ministerpräsident, offensichtlich kommen andere Länder der Bundesrepublik Deutschland unter den gleichmäßig wirkenden Bedingungen der Wirtschaftspolitik des Bundes besser mit den Schwierigkeiten zurecht, die Deutschland hat.
Ich sage Ihnen eines: In einer solchen Situation muss sich der Landtag stellen. Übrigens teile ich die Aussage, die Frau Wagner gemacht hat. Man muss beachten, dass es ganz unterschiedliche Kompetenzen gibt.Aber ich will Ih
nen noch eines sagen:Diese Erklärungen,warum das alles nicht funktioniert, sind relativ langweilig und unwichtig. Wir brauchen eine Wirtschafts- und Genehmigungspolitik mit Fortüne. Die haben wir in diesem Lande nicht.
Wir müssen endlich erkennen, dass es nicht darum geht, zu erklären, was in diesem Land alles nicht geht, was die Vertreter der SPD in der Regionalversammlung gemacht haben und welcher Wirtschaftsminister vor drei Jahren zuständig war. Sie wurden mit absoluter Mehrheit gewählt. Erledigen Sie Ihre Aufgabe. Sehen Sie zu, dass es das gibt, was das Land braucht. Das ist der Ausbau eines leistungsfähigen Flughafens.
Herr Präsident, meine Damen, meine Herren! Der Luftverkehr ist in unserer Zeit die Wachstumsbranche in der Weltwirtschaft. Er ist eine Wachstumsbranche für die deutsche Wirtschaft. In besonderer Weise ist dies natürlich für die wirtschaftliche Zukunft unseres Standorts hier in Hessen entscheidend.Denn das Wachstum dieser Branche bestimmt wie wenig andere Faktoren das Ausmaß der wirtschaftlichen Prosperität dieses Standorts. Ich möchte an die Diskussionen erinnern, die wir in dieser Plenarwoche und in der vorhergehenden Plenarwoche geführt haben. Es ist wichtig, dass wir uns Gedanken darüber ma
chen, wie wir uns für diese Branche so positionieren, dass auch morgen an dem heute so wichtigen Standort Hessen keiner vorbeigehen kann.
Die Luftverkehrsbranche hat sich in den vergangenen Jahrzehnten sehr stark auf die Technik fokussiert. Es ging dabei um die Schnelligkeit der Flugzeuge, die Größe der Flugzeuge und die Lärm- und Umweltbelastung.Das alles hat eine große Rolle gespielt.Von daher gibt es viele Einrichtungen, die sich mit den technischen Fragen des Luftverkehrs befassen.
Unter den Bedingungen der globalen Wirtschaft richtet sich der Fokus des heutigen Luftverkehrs sehr viel stärker auf andere Fragen. Dabei geht es darum: Wie kann ich kundengerechte attraktive Dienstleistungsangebote organisieren? Wie bin ich in der Lage, unter den globalen Wettbewerbsbedingungen eine Fluglinie betriebswirtschaftlich erfolgreich zu betreiben? Wie optimiere ich das Geschäft am Flughafen? Wie optimiere ich das Geschäft in der Luft? Der Fokus im Luftverkehr wendet sich also von der Technik ab. Fragen der Technik bleiben natürlich wichtig. Fragen der Organisation werden aber zunehmend wichtiger.
Das war der Hintergrund, weshalb sich die deutsche Luftverkehrswirtschaft zu einer Initiative für den Luftverkehr in Deutschland zusammengeschlossen hat. Sie haben zusammen mit dem Bundesverkehrsminister vor einigen Monaten ein Positionspapier vorgelegt. Dort ist eine Reihe von Aufgabenstellungen aufgeführt, denen man sich gemeinsam zuwenden will. Ein Punkt in diesem Papier lautet: Ein europäisches Luftverkehrskompetenzzentrum soll in Deutschland gegründet werden. – Dieses soll den qualitativ hochwertigen Standort Deutschland über die Vernetzung über die im Luftverkehr tätigen deutschen Unternehmen hinaus weltweit sichtbar repräsentieren und wissenschaftliche Forschung antreiben.
Jetzt stehen wir vor der Frage:Wo soll das in Deutschland entstehen? – Hinsichtlich des Standorts gibt es durchaus denkbare Alternativen.Wir haben diesen Antrag gemeinsam eingebracht, weil wir heute folgende Signale geben wollen.
Erstens. Hessen ist für dieses Kompetenzzentrum der richtige Standort.
Zweitens. Die hessische Politik will über die Parteigrenzen hinweg erreichen, dass Hessen Standort dieser europäischen Einrichtung wird.
Das ist der Hintergrund, weshalb wir diesen Antrag gestellt haben.
Ich will mich jetzt in wenigen Bemerkungen nur noch darauf konzentrieren, was dieses Zentrum für den Luftverkehr und für den Standort bedeuten kann. Dann will ich noch ein paar Sätze darauf verwenden, zu unterstreichen, warum ich glaube, dass es eine vernünftige Entscheidung wäre, Hessen als Standort zu wählen.
Das, was das Zentrum werden soll, verbindet sich am ehesten mit der Idee von Silicon Valley. Man kann es auch vergleichen mit dem, was hinsichtlich der Softwarezentren in Bangalore stattgefunden hat. Wenn wir Vergleiche in unserer Nähe suchen wollen, dann kann man es vielleicht am ehesten mit dem vergleichen, was sich in der Schweiz hinsichtlich der Finanzdienstleistungszentren
und der Einrichtungen, die dazu gehören, entwickelt hat. Dies sind Einrichtungen wissenschaftlicher Art, aber auch Dienstleistungszentren. Solche Einrichtungen führen zu neuen Ideen und zusätzlichen Initiativen.
Man sollte sich einmal anschauen, was den Erfolg solcher Initiativen, die immer auch politisch gestützt wurden, bestimmt hat. Der Erfolg hatte etwas damit zu tun, dass es dort anwendungsorientierte Forschung gab. Er hat aber auch etwas damit zu tun, dass es dort Aus- und Weiterbildungsangebote für die Branche gab. Das hat dann dazu geführt, dass sich die Branche auf einen solchen Standort fokussiert hat.Es muss dann aber auch Angebote über die gesamte Wertschöpfungskette des industriellen Prozesses geben. Das heißt: Angebote hinsichtlich der technischen Einrichtung und Angebote für Dienstleister für die Fluglinien und Dienstleister für die Flughäfen.
Darüber hinaus muss man die kritische Masse erreichen. Denn man muss eine Größenordnung erreichen, mit der man dann wirklich wahrgenommen wird.Man muss in der Lage sein, entsprechende Dienstleistungsangebote an solchen Standorten bereitzustellen. Zum Schluss möchte ich sagen, dass das Ganze aber auch in einem Umfeld geschehen muss,das so gestaltet ist,dass sich diejenigen,die dorthin gehen, sicher sein können, dass sie dort von der Politik gewollt sind. Sie dürfen dort nicht nur geduldet werden. Vielmehr müssen sie auf eine Szene stoßen, die die Bereitschaft hat, den Weg gemeinsam mitzugehen.
Es gibt solche Zentren des Luftverkehrs in der Welt. Es gibt sie in den USA, es gibt sie in England, es gibt sie in Frankreich.Alle diese Zentren sind aber technisch ausgerichtet. Es gibt kein Zentrum, das sich auf Dienstleistungen und Operationen ausrichtet. Darin liegt aus meiner Sicht die Chance.
Das Zentrum mit den attraktivsten Clusterbildungen ist im Übrigen in Toulouse. Dieses Zentrum in Toulouse zeichnet sich aus durch die Airbus-Industrie auf der einen Seite, durch entsprechende Raumfahrtunternehmen auf der anderen Seite. Das sind um die 35.000 Arbeitsplätze, die in dieser Region vorhanden sind, 500 Zulieferbetriebe, die auf diese Luftfahrt- und Raumfahrtindustrie ausgerichtet sind, und die bisher führende europäische Hochschule für die zivile Luftfahrt, bei der 25 % der Studenten aus dem Ausland kommen.
Ich komme ganz schnell zum Ende.– Wenn Sie dieses Beispiel auf die deutschen Standorte fokussieren, dann kommen Sie auf die Standorte Hamburg, Frankfurt und München.Die kritische Masse ist in Frankfurt am deutlichsten, ohne dass man die anderen Standorte schlechtreden muss. Am Standort Frankfurt haben Lufthansa 30.000, Fraport über 20.000, die Deutsche Flugsicherung 5.000 Arbeitsplätze. Das heißt, hier habe ich ein kreatives Umfeld zu bilden, und ich habe 18 Professoren an der Technischen Universität Darmstadt und weitere an der Universität Frankfurt, die dazu in der Lage sind.
Wenn wir heute diese Initiative sinnvoll aufgreifen und verstärken, dann ist das eine Chance für den Standort Hessen, um im Bereich von Dienstleistung und Operation eine Einrichtung zu schaffen, die sich im internationalen
Vergleich sehen lassen kann. Da die Initiative selbst davon ausgegangen ist, dass das nicht eine Forderung ist, die heißt: „Die Politik soll einmal für uns...“, sondern da man davon ausgeht, dass man das als eine Public Private Partnership entwickelt, glaube ich, ist das die Grundlage für eine gute Perspektive, am Standort Hessen deutlich zu machen: Wir sind heute ein wichtiger Standort für internationale Verkehrsdienstleistungen und wollen die Voraussetzungen dafür schaffen, dass wir es auch morgen bleiben.
Herr Präsident,meine Damen und Herren! Wir haben seit Monaten in Hessen, insbesondere im Rhein-Main-Gebiet, eine überproportional hohe Zunahme der Arbeitslosigkeit, gemessen an anderen vergleichbaren deutschen Regionen, an allen anderen deutschen Regionen. Darüber sind wir uns einig, das hat der Wirtschaftsminister hier auch eingeräumt.
Womit wir meines Erachtens nicht umgehen sollten, ist so ein Satz: Aber die Arbeitslosigkeit in Hessen liegt immer noch unter dem Durchschnitt der Bundesländer. – Das ist zu wenig.
Das ist Durchfallen. Wir reden hier über die modernste, über die wettbewerbsfähigste Region der Bundesrepublik Deutschland. Wir reden bei Rhein-Main nicht nur über den Wachstumsmotor Hessens, sondern wir reden über den Wachstumsmotor Deutschlands. Eine Wirtschaftspolitik,die sich dann mit Durchschnitt begnügt,leistet nichts. Sie leistet nicht das, was sie leisten muss.
Wenn Sie als Beleg dazu anführen, dass es eine Finanzplatzprofessur gibt, dann ist das gut, und ich begrüße das mit Nachdruck.Wir sollten uns aber nicht mit fremden Federn schmücken. Es war Ruth Wagner, die das gemacht hat. An dieser Stelle ist diejenige zu nennen, die es getan hat.
Das zeigt aber gleichzeitig unser Problem. Ich habe es nicht wegen des billigen Effekts gemacht, sondern ich sehe kein Konzept für eine Wirtschaftspolitik in einer Situation, die bedrohlich für das Land wird.
Das Problem sitzt hier. Wir haben einen Mann in diesem Kabinett, der Rhein-Main wirklich versteht. Das ist der Hessische Ministerpräsident. Das weiß ich aus vielen Debatten, und es gibt im Übrigen sehr viele sehr gute Zitate von Roland Koch als Fraktionsvorsitzender zu den Notwendigkeiten einer Neuorganisation in Rhein-Main. Er weiß, dass ich manche von diesen Zitaten für richtig halte.
Das Problem dieser Landesregierung ist aber, dass derjenige, der von Rhein-Main wirklich etwas versteht, sich dieses Themas nicht mehr annimmt, weil er auf den Bund schaut und weil er zu wenig auf Rhein-Main schaut.
Das erklärt dann auch den Beitrag von Herrn Boddenberg, der zu Rhein-Main in dieser Rhein-Main-Debatte gar nichts gesagt hat, sondern nur auf den Bund ausgewichen ist. Wenn wir nicht aufpassen, wird das für Hessen ein Problem.
Denn die nationalen Rahmenbedingungen sind für alle gleich, für die Bayern, für die Baden-Württemberger und für die Hamburger. Die internationalen Chancen sind für Hessen eher größer als andernorts. Da hat der Wirtschaftsminister Recht, das teile ich vollständig. Die wirtschaftsgeographische Lage bietet für Hessen außerordentlich große Chancen.
Herr Wirtschaftsminister, die Konsequenz, die man daraus ziehen muss, ist aber: Man muss etwas machen. Vom Gesundbeten wird Hessen nicht gesund werden.
Wir brauchen den Zukunftsdiskurs. Wenn Herr Boddenberg sagt, er verstehe gar nicht, wo das Problem liegen könnte, dass es da Kommunen gibt, die ein bisschen miteinander, ein bisschen gegeneinander arbeiten, dann zeigt das ein Wahrnehmungsdefizit.
Wir haben ein Problem in dieser Rhein-Main-Region in der Außenwahrnehmung für potenzielle Investoren, die heute weltweite Vergleiche anstellen, und in der Innenwahrnehmung über die Profilbildung dieses Landes. Hessen und insbesondere Rhein-Main ist stark. Es geht nicht darum, zu sagen, dass wir hier über kurz oder lang in einer ganz schwierigen Situation sind.
Aber wir sind in einer Situation, in der ein starkes Land die Aufmerksamkeit braucht, die es verdient, um die Chancen zu nutzen, die kommen werden, wenn die Konjunktur sich entwickelt. Tun Sie endlich etwas. Es ist jammervoll, was hier passiert.
Herr Boddenberg, habe ich Sie richtig verstanden, dass Sie die Äußerungen von Herrn Hohmann und das, was Frau Däubler-Gmelin gesagt hat, in eine Reihe stellen?
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Mit dem, was Herr Denzin insbesondere eingangs gesagt hat, kann ich weitgehend übereinstimmen. Ich glaube, dass das Haus mit der Debatte heute an einem Wendepunkt steht,ob wir uns entscheiden, dass es tatsächlich gewollte Übereinstimmung zwischen CDU-, SPD- und FDP-Landtagsfraktion auf Dauer in der Sache gibt.Die Sache heißt,die Wartungshalle für den A 380 möglichst schnell in Frankfurt zu realisieren und den Ausbau des Flughafens Frankfurt Rhein-Main als leistungsfähiger internationaler Hub möglichst zügig und unter rechtstaatlichen Gesichtspunkten bei Wahrung des Mediationsergebnisses vorzunehmen.
Oder können wir uns – das ist Politikern natürlich eigen; das gehört zum Berufsbild – dieses Reizes nicht entziehen, die eine oder andere Seite ein bisschen vorzuführen? Das war der Ansatz, den der Kollege Hahn, mit dem ich sonst an anderer Stelle gut zusammenarbeite, heute ein bisschen über Gebühr betont hat.
Jetzt sage ich Ihnen, alle müssen sich entscheiden. Wenn Sie wollen, dass die SPD in der nächsten Sitzung einen Antrag einbringt, wie Herr Grüttner als Minister in der Staatskanzlei an anderer Stelle in Hessen zu manchen Verfahren zum Flughafen abstimmt, dann haben Sie jetzt Gelegenheit, die Zeichen zu setzen, wie wir diese Debatte führen. Wenn Sie wollen, dass wir genau hingucken, wie Herr Wintermeyer sich an welcher Stelle genau bewegt, dann ist das auch eine spannende Frage. – Ich sage Ihnen: Mich interessiert sie nicht.Denn ich habe eine persönliche Einschätzung dazu,ob es gut und glücklich ist,sich an zwei Stellen unterschiedlich zu verhalten. Ich bin sogar bereit, das um der Sache willen zu akzeptieren. Aber dann ist es sehr unfair, Jürgen Walter hier so anzugehen, wie Herr Hahn das in der Einleitungsrede gemacht hat. Das geht dann so nicht.
Zur Klärung in der Sache. Der Sachverhalt ist aus meiner Sicht ziemlich einfach. Das wird in vielen juristischen
Windungen Gott weiß wie erklärt. Wissen Sie, da gibt es eine Luftverkehrsindustrie, die weltweit unter großem Konkurrenz- und Wettbewerbsdruck steht und schwindende Margen hat. Da gibt es ein neues Flugzeug, das wegen höherer Kapazität und nicht höheren oder tendenziell sinkenden Betriebskosten in der Lage ist, darauf eine attraktive Antwort zu geben. Darüber müssen wir auch nicht mehr diskutieren; denn dieses Flugzeug ist bestellt worden von der Lufthansa.
Die Lufthansa ist der Hauptkunde von Fraport. Über 55 % des Geschäftes, das am Flughafen Frankfurt gemacht wird, werden mit der Lufthansa gemacht. Dieser größte Kunde hat sich für den A 380 entschieden, nicht theoretisch,nicht irgendwann,sondern die Dinger werden an verschiedenen Standorten in Europa gebaut, in Hamburg, in England, in Spanien und in Frankreich. Diese A-380-Fluggeräte kommen dann irgendwann, so wie bestellt, in Deutschland an. Es gibt zwei potenzielle Standorte in Deutschland,wo sie gewartet werden müssen.Hier sind sich der Kollege Kaufmann und ich ganz sicher völlig einig: Die Dinger müssen gewartet werden, sonst können sie nicht sicher fliegen. – Also haben wir da eine 100-prozentige Einigkeit.
Zwei Standortalternativen sind in Deutschland da. Die sind nicht theoretisch, sondern praktisch da. Die Münchner wollen eine Wartungshalle für den A 380. Die Frankfurter wollen sie auch. Jetzt kommt es für ein Unternehmen wie die Lufthansa darauf an,wo es gelingt,diese Wartungshalle zu dem Zeitpunkt zur Verfügung zu haben, zu dem die Dinger auf den Flugfeldern starten sollen.
Wenn wir diesen einfachen Sachverhalt sehen, dann muss man nicht theoretisch darüber diskutieren, sondern es ist ganz einfach: Der deutsche Hub der Zukunft wird nur dort sein können, wo die A-380-Wartungshalle ist.
Das ist ein untrennbarer Zusammenhang. Es tut mir Leid, aber einfache Wahrheiten muss man auch zu erkennen in der Lage sein. Von daher stellt sich für uns die Frage: Ist das für uns ein Thema, mit dem wir uns als Landtag beschäftigen müssen, oder nicht? – Ich glaube, ja, es ist ein Thema, mit dem wir uns beschäftigen müssen, aber nicht als Genehmigungsbehörde. Wie die Genehmigungsbehörde das genau macht, nach den einzelnen Rechtsvorschriften, das ist nicht unsere Sache. Das ist die Entscheidung der Genehmigungsbehörde. Wie die Fraport ihre Betriebsabläufe im Einzelnen organisiert, das muss auch die Sache eines Unternehmens und nicht des Landtags sein.
Meine Damen und Herren, ich glaube aber, dieser Landtag muss einmal sagen,wohin die Reise in dieser Sache gehen soll.
Ich möchte noch einen letzten Satz sagen. – Wir haben heute Morgen eine Debatte über Sparpakete geführt, die hier geschnürt werden. Die haben aus meiner Sicht nicht nur etwas mit dem Bund zu tun, sondern auch vieles mit Entscheidungen, die in Hessen überfällig sind. Eine der
Entscheidungen Hessens ist die Frage der Zukunftsfähigkeit des Flughafens Frankfurt. Das bedeutet: Wir brauchen schnellstens eine A-380-Wartungshalle an diesem Standort. Das ist die politische Sache.
Ich rate dem Haus als einer, der diese Debatten ziemlich lange kennt: Lassen Sie die Kleinlichkeiten weg, noch einen Satz an den SPD-Antrag anzufügen, weil man meint, man kann die SPD ein bisschen vorführen. Nutzen Sie die Chance zu dem einfachen Satz: Wir alle, die ganz große Mehrheit, wollen die Wartungshalle in einem einvernehmlichen Votum dieses Landes. – Um der Sache willen wäre es das wert.
Herr Gotthardt, wenn das alles so ist, wie Sie es schildern, warum stellen Sie nicht einen eigenen Antrag, um das Begehren,das Sie haben,zu formulieren? Auch dann können Sie ein Votum des Landtags erreichen. Nach meiner Prognose erreichen Sie aber gleichzeitig auch eine sehr große Mehrheit des Hauses in der Sache,die Sie sonst aufs Spiel setzen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich denke, es hat Sinn, sich schlicht und einfach darüber zu verständigen, wo unsere gemeinsamen Positionen liegen und wo sich unsere Positionen unterscheiden. Denn dieses Thema ist zu ernst, um es im normalen Schlagabtausch zu behandeln.
Im gesamten Finanzdienstleistungsbereich haben wir generell das Problem der sinkenden Erträge. Wir haben generell steigende Kapitalkosten für die Kapitalbeschaffung. Im internationalen Vergleich haben wir in der Bundesrepublik Deutschland einen sehr stark zersplitterten Bankenmarkt, der insgesamt einer Neuorganisation harrt. Daraus folgt der Druck, unter dem wir dieses Thema diskutieren.
Wir haben speziell im Sparkassensektor, in allen Teilen, Ertragsrückgänge. Wir haben speziell in diesem Bereich den Wegfall der Gewährträgerhaftung, der veränderte Ausgangsbedingungen für die Wettbewerbsfähigkeit der Sparkassen mit sich bringt.Wir haben insbesondere, nicht nur in unserem Land, sondern überall in der Bundesrepublik, unter dem Stichwort „Basel II“ eine Neubewertung der Kreditwürdigkeit vorzunehmen, nicht nur der Kreditnehmer, sondern auch der Kreditinstitute.
Wenn man diese Melange zusammen sieht, sind wir ganz sicher an dem Punkt, wo wir sagen müssen:Wenn wir eine Aufforderung zum Handeln haben, dann die: Das Sparkassenwesen muss zukunftsfähig über den Tag hinaus geordnet werden, insbesondere in unserer Region.
Ich glaube, dass es dabei wichtig ist, dass wir uns auf ein paar Ziele verständigen, auch wenn ich die Auffassung teile, dass die Verständigung auf die Ziele vielleicht einfacher ist,als sich auf den genauen Weg zu verständigen.Für die Sozialdemokraten gibt es zwei Punkte, von denen ich glaube, dass sie in der Sache gar nicht streitig sind. Wir wollen bei allem, was wir tun, im Auge behalten, dass in der Fläche ein breit aufgestelltes Sparkassennetz dauerhaft überlebensfähig bleibt.
Denn wir haben in der Vergangenheit gesehen, dass andere Teile des Finanzdienstleistungsbereichs – damit meine ich jetzt nicht die Genossenschaftsbanken, sondern die privaten Banken – nicht in der Lage sind, die Versorgung in der Fläche in der Art sicherzustellen, dass man dort tatsächlich gleichwertige Möglichkeiten der Kapitalversorgung zur Verfügung hat.
Für uns ist noch ein zweiter Punkt von ganz besonderer Bedeutung.Am Finanzplatz Frankfurt stellt sich für uns in Hessen die Frage, ob wir in der Lage sind, einen öffentlich-rechtlichen Finanzdienstleister auf Dauer konkurrenzfähig zu etablieren und damit den Spruch von den drei Säulen des deutschen Finanzdienstleistungsbereichs an dem kontinentalen europäischen Bankenplatz tatsächlich mit Leben zu erfüllen.
Das heißt,unabhängig von allen Fragen der Versorgung in der Fläche gibt es für Hessen als Land, gibt es aber auch als Symbol für die Sparkassenwelt eine Notwendigkeit, sich auf die Bedingungen einer dauerhaft gesicherten Existenz am Bankenplatz Frankfurt unter den Konkurrenzbedingungen dieses Bankenplatzes einzurichten.
Wir diskutieren dies in einem Spannungsfeld. Denn ich teile das, was Herr Posch gesagt hat. Wir haben in der
Sparkassenwelt im ländlichen Hessen und in der RheinMain-Region unterschiedliche Strukturen. Wir haben auch unterschiedliche Einsichten, Einsichtsfähigkeiten und Bereitschaften, auf diese unterschiedlichen Anforderungen tatsächlich zu antworten.
Wir wollen am Bankenplatz Frankfurt das dreigliedrige Bankensystem sichern. Um es in der Reihenfolge abzuarbeiten: Wir begrüßen, dass es jetzt endlich ein Verbundmodell gibt.
Wir meinen, dass dieses Verbundmodell eine Voraussetzung dafür bietet, konkurrenzfähig und leistungsfähig zu werden sowie mehr Kooperation,die notwendig und wünschenswert ist, einzuüben, ohne gleichzeitig die Selbstständigkeit vollständig aufgeben zu müssen.
Wir sehen dieses Modell als einen wichtigen Beitrag, der in der Sparkassenwelt erarbeitet worden ist. Wir hoffen darauf, dass das Verbundmodell zügig realisiert wird,
dass es von der Papierform in die Alltagspraxis umgesetzt wird.
Jetzt reden wir über diese Frage hinausgehend darüber – da sind wir nicht grundsätzlich unterschiedlicher Meinung –, dass man mindestens fragen muss: Reicht das wirklich aus, um auf Dauer allen Anforderungen Rechnung tragen zu können,
die die Wettbewerbsbedingungen des Kapitalmarktes an uns alle und insbesondere an die Sparkassenwelt stellen? Da sage ich – das überrascht Sie nicht –: An die Punkte, die in dem Gesetzentwurf der FDP formuliert worden sind, gibt es aus unserer Sicht abweichende Anforderungen.
Fangen wir mit dem Punkt an, der aus meiner Sicht der zentrale ist. Es gibt einen glasklaren Unterschied. Für die Sozialdemokratie ist der öffentlich-rechtliche Status der Sparkassen das unverzichtbare Wesensmerkmal der Sparkasse deutscher Prägung, so wie sie entstanden ist und wie wir sie kennen.
Um nicht so traditionell daherzureden, sage ich das moderner,unter dem Gesichtspunkt des Marketings im Jahre 2003:
Es ist die USP der Sparkassenwelt, die sie unterscheidet.
Jetzt ganz ernsthaft. Wir sagen, es gibt drei Säulen des deutschen Finanzdienstleistungsbereiches, mit denen wir über fünf Jahrzehnte Bundesrepublik Deutschland nicht schlecht gefahren sind. Wir haben einen starken privatwirtschaftlichen Bankensektor. Das ist wichtig, und das ist gut so. Wir haben das Genossenschaftswesen. Wir haben die öffentlich-rechtlichen Sparkassen. Jetzt stelle ich in der Konsequenz die Frage: Wo ist der Unterschied der Sparkasse zu dem privaten Bankenwesen, wenn die Spar
kasse ihre öffentlich-rechtliche Rechtsform aufgibt, eine AG wird?
Herr Posch, wir sind in dieser Frage nicht auseinander; ich unterstreiche das, was Sie geschildert haben, uneingeschränkt. Wenn wir darüber diskutieren, dass der private Bankensektor die Finanzversorgung kleiner und mittelständischer Betriebe, je mehr in der Fläche umso deutlicher, nicht zu leisten in der Lage ist, dann müssen wir ein Interesse daran haben, dass diese Struktur des flächigen Sparkassenwesens, filialisiert und mittelstandsorientiert, aufrechterhalten wird. Dazu gehört auch die Rechtsform.
Jetzt führen Sie eine Diskussion, der man sich nicht entziehen kann, um die Frage:Wie ist das mit der Eigenkapitalausstattung? Darüber wird man sich intensiv Gedanken machen müssen. Denn auch ich bin der Auffassung, dass die Eigentümer nicht ohne weiteres in der Lage sein werden, eine wesentliche Verbesserung der Eigenkapitalausstattung zu bringen.
Nur, wir müssen uns auch über eines im Klaren sein: Es ist nicht so, dass in die öffentlich-rechtliche Sparkasse privates Kapital nicht eingewoben werden könnte. Wir sind in der Lage, auf der Basis der bestehenden Gesetze privates Kapital in die öffentlich-rechtliche Sparkasse aufzunehmen. Von daher haben wir durchaus eine Möglichkeit, dieses von Ihnen angesprochene, unbestreitbar bestehende Problem anzugehen.Wir können jetzt darüber diskutieren: Ist das der effizienteste Weg, der vom Gesetz eröffnet worden ist? – Wir können darüber diskutieren: Könnte man das möglicherweise auch etwas eleganter machen? – Meine Position ist es nicht, zu sagen: Nichts geht mehr. Das ist nicht mein Ansatzpunkt.
Ich bin schon gar nicht jemand, der Angst vor PPP hat. Sie haben dankenswerterweise gesagt: Wer hat die Fonds gemacht? – Ich finde das heute noch richtig. Ich würde noch viel mehr machen. Ich würde die Landesregierung ermuntern, etwas mehr auf den Privatsektor zuzugehen und viele Möglichkeiten zu nutzen, um Geld, das in der Gesellschaft vorhanden ist, für sinnvolle Maßnahmen einzusetzen. Wir müssen uns aber schon Gedanken darüber machen, ob man ein Finanzierungsinstrument nutzt – ich bin sehr dafür – oder ob man eine Struktur inhaltlich verändert. Das ist aus meiner Sicht das Problem. Eine Sparkasse, die keine öffentlich-rechtliche Rechtsform mehr hat, wird diese Sparkasseneigenschaft, wie wir sie kennen und wie jedenfalls wir sie auf Dauer wollen, nicht auf Dauer in die Zukunft hinüber retten können. Deshalb ist dies für uns der Casus knacksus, an dem mit uns eine Diskussion so nicht möglich sein wird.
Ich komme zur zweiten Frage: Eröffnung verbesserter und erleichterter Möglichkeiten stärkerer Verschränkungen auf der horizontalen Ebene. Die Diskussion zu diesem Thema halte ich persönlich für sehr angebracht. Man könnte sogar sagen: Sie ist überfällig. – Ich meine, dass wir an dieser Stelle sehr genau darüber diskutieren müssen. Wir müssen an konkreten Beispielen zu Kooperationsformen, zu mehr Nähe und zu Verschränkungen kommen. Das bedeutet im Prinzip, dass wir in größeren regionalen Einheiten in der Lage sind, ein Sparkassenwesen vorzuhalten, das möglichst nah am Kunden ist, das auf der anderen Seite aber auch die Kleinräumigkeit, die wir in vie
len Bereichen in dieser Welt noch haben, überwindet, wie es in die Zeit passt.
Dass es natürlich je nach Sichtweise des jeweiligen Beteiligten ganz unterschiedliche Auffassungen gibt, das weiß ich. Aber dass wir als Landesparlament zu dieser Frage eine eigene Position beziehen müssen, die unabhängig davon ist, wo auch immer unser Wahlkreis liegt und welche Sparkasse uns in ganz besonderer Weise am Herzen liegt, das würde ich mit großem Nachdruck unterstreichen, und zwar mit dem Hinweis darauf: Das hier ist eine Veranstaltung mit dem unmittelbaren Blick auf den Finanzplatz Frankfurt.
Hier muss man sich ein bisschen klarer positionieren.Hier kann nicht der Letzte, der Langsamste, das Tempo des gesamten Geleitzuges bestimmen. Hier ist Diskussionsbedarf. Hier ist Handlungsbedarf. Dieser Diskussion muss man sich stellen.
Der letzte Punkt ist die Frage der Eröffnung vertikaler Kooperations- und Fusionsmöglichkeiten. Na ja, wer die Sparkassenwelt kennt, weiß: schwieriges Thema. Ich bin ein Freund,eine Neuordnung der Verhältnisse zuzulassen. Sie können den einen oder anderen Zungenschlag aus unseren Reihen in einer anderen Richtung hören. Aber für mich persönlich ist die zentrale Frage die Rechtsform. In der Rechtsformfrage gibt es aus meiner Sicht keinen Bewegungsspielraum für die Sozialdemokratie. Ich hoffe, dass das auf Ihrer Seite in ähnlicher Weise der Fall sein wird.
Die anderen Fragen bewegen sich aus meiner Sicht nicht auf dieser Grundsatzebene, sondern auf einer Ebene, die auch Sparkassengrundsätze einmal berühren können. Ich glaube aber, dass wir uns bei den Grundsätzen, die zu anderen Zeiten entstanden sind und die gute Gründe gehabt haben mögen,unter den Bedingungen eines Kapitalmarktes eines neuen Jahrtausends in der Einbindung in einen europäischen Kapitalmarkt unter starkem Wettbewerbsdruck auch von außen schon der Frage zuwenden müssen: Ist alles, was irgendwo sparkassenrechtlicher Grundsatz ist, gleich das Tabuthema, über das man nicht mehr reden kann?
Was will ich damit sagen? – Ich halte die Frage vertikaler Fusionsmöglichkeiten für diskussionswürdig. Ich sage damit nicht, dass man das so machen muss.Aber ich halte es für diskussionswürdig, insbesondere unter dem Gesichtspunkt des Finanzplatzes Frankfurt. Wenn wir hier an dieses Thema Hand anlegen, dann macht es keinen Sinn, Lösungen zu präsentieren,die in der Fläche Hessens möglich sein mögen, aber eine Antwort auf die zentrale Frage, was die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Sektors am Finanzplatz Frankfurt ist, nicht geben können.
Ich finde es schon spannend, einmal in Ruhe darüber zu diskutieren, welche Dynamik, welche Kraft daraus erwachsen könnte, wenn ich das großvolumige Geschäft der Helaba mit der Kundennähe, mit der Präsenz in der Fläche, mit dem guten Ansehen bei den Kunden so zueinander führen könnte, dass daraus etwas erwächst, was wir bisher in den vergangenen Jahrzehnten so nicht diskutiert haben, aber vielleicht eine ganz reizvolle Herausforderung der Zukunft sein könnte. Das wird sicherlich sehr unterschiedlich diskutiert werden, weil alles, was wir am Finanzplatz Frankfurt machen, möglicherweise an anderen Stellen des Landes auch Reflexe hat. Aber ich sehe das so, wie wir die Diskussion um die Frage der regionalen Neuordnung in der Rhein-Main-Region zu führen haben.Wir können Neuordnungsfragen,die die Zeit uns auf
drängt, nicht so lange aussitzen, bis sozusagen jedem evident ist, dass jetzt gehandelt werden muss, weil es sonst zu spät wäre.
Wir können Entscheidungsprozesse, die jetzt am Finanzplatz Frankfurt abverlangt werden, nicht so lange verschieben, bis der Letzte, der weit davon entfernt sein tägliches Geschäft macht, sagt: Na ja, vielleicht ist da tatsächlich einmal etwas dran.
Herr Präsident, ich bin auch an dem allerletzten Punkt, den ich sagen will.
Es gibt für uns eine Frage, die von zentralster Bedeutung ist. An der sind wir sozusagen rigide Traditionalisten und sagen: Die USP der Sparkassen wird mit uns nicht aufgegeben. Wir sind auf der anderen Seite in einer Situation, dass wir sagen:Über andere Fragen kann man reden.– Ich bin der Auffassung, über andere Fragen muss man reden.
Die Diskussion um Sparkassen in unserem Lande hat eine gute Tradition. Sie ist keine Veranstaltung von knappen Mehrheiten, sondern die Entwicklung von Sparkassen, die dauerhaft tragfähig ihren Platz in der Finanzwelt haben müssen, muss eine Frage der breiten Mehrheiten eines Parlaments sein. Ich denke deshalb, wir sollten uns in Ruhe dieser Diskussion stellen. Mit „Ruhe“ meine ich nicht, wir haben jede Zeit der Welt, damit das nicht missverstanden wird – in Ruhe, sachlich und mit dem Willen, es gibt Neuordnungsnotwendigkeit, und wir wollen diese angehen.