Die Form Ihrer Präsentation an diesem Nachmittag ist Wasser auf die Mühlen derer, die kein Vertrauen in ein transparentes und nachvollziehbares Verfahren haben. Das kann in juristischen Auseinandersetzungen sehr wohl eine Rolle spielen. Von einer Abwägung Ihrerseits kann man daher sicherlich nicht mehr sprechen.
Drittens machen es die nachträglichen Erklärungsversuche von Ihnen, Herr Rhiel, nur noch schlimmer. Sie behaupten, Sie hätten sich gar nicht festgelegt, und in dem weiteren Subtext heißt es auch, dass Sie weitere notwendige Untersuchungen durchführen müssen. Sie hätten vorher mit Ihren Fachleuten reden sollen und nicht nachher.
Zu diesem Ergebnis kommt übrigens auch ein Kommentar der „HNA“.Wir sind in dieser Frage nicht allein.Auch dort wird festgestellt – ich zitiere mit Erlaubnis der Präsidentin –:
Erstaunlich war allerdings, dass Alois Rhiel sich bereits so weit aus dem Fenster lehnte. Denn er ist in diesem Falle in erster Linie die Genehmigungsbehörde, die sich mitten im Planfeststellungsverfahren vorschneller Bewertungen enthalten sollte. So aber nährt er den Verdacht, statt einer fachlichen Entscheidung eine politische zu treffen. Sein Vorgänger Dieter Posch, der den Ausbau will, agierte wesentlich zurückhaltender. In den zu erwartenden Prozessen könnte Rhiels Verhalten für das Land zum Bumerang werden.
Treffender hätten wir das nicht formulieren können. Es war eine große politische Dummheit, die Sie dort begangen haben.
Im Übrigen – da bin ich bei Ihnen,Herr Boddenberg – haben die GRÜNEN die gleiche Dummheit mit umgekehrtem Vorzeichen begangen, indem sie nämlich ebenfalls vor der Anhörung eine Position definiert haben.
Ihr Antrag, Herr Kaufmann, ist deswegen nicht zustimmungswürdig, weil er nicht ernst gemeint ist. Ich nehme Ihnen ab, dass Sie die Risikowerte als Problem ernst nehmen. Aber selbst dann, wenn all das erfüllt würde, was in Ihrem Antrag steht, werden Sie am Ende immer noch sagen: Nein, wir wollen das nicht. – Deswegen ist Ihr Antrag ebenfalls nicht zustimmungsfähig.
Zurück zum Kernthema. Der Vorsitzende der Störfallkommission, Christian Jochum, hat aus unserer Sicht völlig Recht, wenn er erklärt, dass es zum Lehrbuch des Risikomanagements gehört, alles auszuschöpfen, um eine Gefahrenquelle auszuschließen. Sie allerdings haben dieses Lehrbuch mit Missachtung gestraft.
Die Probleme werden größer, weil Sie schlichtweg überfordert sind. Das Risiko hat inzwischen offensichtlich auch Ihr Ministerpräsident erkannt. Anders ist die Notentscheidung, die gestern auf dem Presseweg verkündet wurde, nicht zu erklären, Herr Koch. Denn das, was Sie dort formulieren – der Satz ist schon zitiert worden, und das geht bis hin zu der Auffassung, dass das gesamte
Ticona-Werk infrage gestellt werden muss –, ist dezidiert eine andere Auffassung als die, die der Wirtschaftsminister noch während der laufenden Anhörung verkündet hat.
Ich spare mir jetzt die Überlegungen, ob Sie die Gutachten selbst neu bewertet und einer fachlichen Bewertung unterzogen haben oder ob Sie erweiterte Hinweise aus der Störfallkommission haben. Ihre Antwort auf die Krise lautet jetzt: Variante durchsetzen – koste es, was es wolle, und das im wahrsten Sinne des Wortes. Zu den Nebenkosten komme ich gleich.
Das Damoklesschwert Störfallkommission liegt in jedem Fall weiter über der Nordwest-Variante. Ich wiederhole deshalb an dieser Stelle nochmals:Herr Ministerpräsident und Herr Minister,mit Ihrer Festlegung ohne Kenntnis aller Fakten haben Sie einen großen Fehler gemacht,der Sie jetzt einholt. Mit Ihrer blinden Durchsetzungswut gefährden Sie das zentrale Infrastrukturprojekt des Landes. Sie sind letztlich beide überfordert mit der Durchführung eines komplexen und zudem an rechtsstaatlichen Grundsätzen ausgerichteten Verfahrens.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, unterm Strich ist die Neupositionierung des Ministerpräsidenten von gestern eine schallende Ohrfeige für Sie, Herr Rhiel.
Im Interesse dieses Projektes sollten Sie von dem weiteren Verfahren abgezogen werden. Herr Koch und Herr Rhiel, wir haben den Eindruck, dass Sie wirklich noch nicht verstanden haben, was die Stunde geschlagen hat. Ihre Publicityspiele können Sie spielen, wo Sie wollen. Vor 2008 wird Ihnen niemand Ihre Spielsachen wegnehmen. Aber wir fordern Sie auf, das Flughafenverfahren nicht durch weitere Oberflächlichkeiten zu gefährden.
An dieser Stelle noch einige Bemerkungen zu den Nebenkosten. Am Ende wird die kochsche Position das Land Hessen viel Geld kosten können. Es gibt Schätzungen zwischen mehreren 100 Millionen und 1,3 Milliarden c. Der Wirtschaftsminister hat in der Anhörung dezidiert auf die Frage geantwortet, er könne zu den Zahlen nichts sagen, weil die Gutachten zu kurzfristig vorliegen – das teilen wir uneingeschränkt –, zweitens sei es auch nicht seine Aufgabe. Das halten wir wiederum für hart am Thema vorbei.Denn bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung in Ihrem Genehmigungsverfahren werden Sie auch auf konkrete Zahlen eingehen müssen.
Die Drohpotenziale, die Herr Reif und Herr Boddenberg im Ausschuss aufgebaut haben, um in den Preisverhandlungen die Ticona nach Möglichkeit ein bisschen unter Druck zu setzen, halte ich aus Ihrer Interessenlage heraus für verständlich. Aber wir halten andere Szenarien, die unter Umständen hohe Schadenersatzansprüche an das Land bedeuten könnten, für sehr viel wahrscheinlicher.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Herr Rhiel, Sie werden gleich alles bestreiten, wenn Sie überhaupt noch an das Mikro dürfen.
Wahrscheinlicher ist, dass Herr Koch Sie heraushauen muss und neben dem Haushalt jetzt auch das Flughafenprojekt zur Chefsache erklärt. Ich kann den Minister gleich in seiner Verteidigungsrede hören. Ich hoffe nur, dass Sie heute etwas mehr als gestern aufs Parkett bringen. Sie können sich übrigens alle kritischen Anmerkungen zu möglichen Positionen in der SPD sparen. Diskussionen sind in einer demokratischen Partei üblich. Selbst in der Union haben Sie doch eine Diskussion. Ihr Kollege Axel Wintermeyer wird in der „Frankfurter Rundschau“ von vorgestern mit den Worten zitiert:
Wir begrüßen den Ausbau des Flughafens, wehren uns aber gegen die Variante Nordwest, weil es für die Menschen im Main-Taunus-Kreis eine unzumutbare Belastung ist.
Erklären Sie uns einfach, wie Sie die Verwirklichung des gemeinsamen Ziels erreichen wollen.Wir sind gespannt.
Herr Rhiel, inzwischen tun Sie mir Leid. Heute Morgen der Abgesang, Stunde der Ex-Minister von gestern. Im Oktober habe ich Sie hier noch gelobt. Im November wurde ich schon sehr viel vorsichtiger. Im Januar 2004 gebe ich Ihnen letztlich keine Chance mehr. Innerhalb von wenigen Tagen haben Sie zwei gelbe Karten bekommen, die erste, weil Sie mit Herrn Hirschler nicht zurechtkamen, der im Übrigen im Genehmigungsverfahren die Grundsätze seines ehemaligen Ministers beherzigt hat und deshalb gehen musste – und nicht aus irgendeinem anderen Grund, nicht wegen der schlechten Chemie zwischen zwei Männern.
Die zweite gelbe Karte haben Sie durch die „dpa“-Meldung bzw. den Bericht der „FNP“ von heute über die Äußerung des Ministerpräsidenten bekommen. Die dritte gelbe Karte wird im Übrigen automatisch zur Sperrung führen. Ihr Mannschaftsführer hat den Auswechselspieler übrigens schon zum Aufwärmen ins Finanzministerium geschickt.
Wenn es nicht um so viel ginge, müsste man als Oppositionspolitiker Tränen lachen. Aber angesichts der Hintergründe bleibt einem das Lachen im Hals stecken.
Herr Minister Rhiel, unterm Strich sind Sie auf dem besten Weg, das Verfahren zu gefährden. Ich hinterlege Ihnen beim Notar: Wenn Sie dieses für Hessen wichtige Infrastrukturprojekt versemmeln, werden wir Ihnen ein One-Way-Ticket für die nächste Marsmission der ESA schenken, damit Sie dort Gesteinsproben sammeln können. Diese Zusage steht allerdings unter dem Finanzierungsvorbehalt.
Machen Sie ihren Job endlich ordentlich, oder lassen Sie Leute ran, die es können. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Beitrag vom Kollegen Schäfer-Gümbel hat bewiesen:
(Beifall bei der CDU – Jürgen Walter (SPD): Ach Gott, ach Gott! – Frank-Peter Kaufmann (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN): Das ist Ihnen völlig fremd?)
auf den Ministerpräsidenten, auf den neuen Wirtschaftsminister, der seine Aufgabe mit Bravour erfüllt.
Sie flüchten sich in Angriffe gegen einzelne Repräsentanten der CDU-Fraktion. – Ich sage nun etwas zur so genannten rationalen Position der SPD, die Herr SchäferGümbel hier darstellt.