Protokoll der Sitzung vom 29.01.2004

Wörter verwandt. In Wahrheit ist das doch schon der Abgesang. Das merken Sie doch auch.

(Zuruf des Abg. Rüdiger Hermanns (CDU))

Das ist doch schon der Versuch – das wurde bei Ihnen deutlich, Herr Reif –, Schuldige für das Scheitern zu suchen, zumindest für das Scheitern der Nordwest-Bahn.

Herr Kollege Kaufmann, darf ich Sie bitten?

Herr Präsident, ich komme zum Schluss.

Sie fragen uns:Wie konntet ihr Ticona genehmigen?

(Zuruf des Abg. Clemens Reif (CDU))

Dabei lassen Sie völlig außer Acht, dass es damals überhaupt keine Idee zum Bau einer Nordwest-Bahn gab und Überflüge gar nicht zur Debatte standen. Die gab es damals nicht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Clemens Reif (CDU): Das ist ja nicht zu glauben!)

Die sind zu einem späteren Zeitpunkt aus Schallschutzgründen durch eine Routenverlegung dahin gekommen. Ob das rechtmäßig war, ist jetzt, nach dem Gutachten, die Frage.

Der dritte Punkt ist: Nicht Ticona stört und gefährdet den Flugbetrieb derzeit – das haben wir von allen Gutachtern gehört –, sondern ein zusätzlicher Flugbetrieb würde wegen der Ansiedlung von Ticona zu Risiken führen.Vertauschen Sie insoweit nicht immer Ursache und Wirkung, um daraus Argumente zu gewinnen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nein, man sieht hier ganz deutlich, der Rückzug ist im Gange. Es werden die Schuldigen gesucht, und es müssen am Ende die Kosten,weil Fraport nicht bezahlen kann,offensichtlich den Steuerzahlern aufgelastet werden. Daher bemühen Sie sich jetzt schon, Rot-Grün in Anspruch zu nehmen.

(Clemens Reif (CDU): Na, na, na!)

Ich sage Ihnen, das wird Ihnen aus rechtlichen Gründen und aus politischen Gründen nicht gelingen. – Vielen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank,Herr Kollege Kaufmann.– Das Wort hat der Kollege Walter,Vorsitzender der SPD-Fraktion.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Wirtschaftsminister, ich muss sagen, ich habe bei Ihrer Rede den Eindruck gehabt, dass dies nicht die darstellende Rede des für die Genehmigung zuständigen Fachministers war, sondern dass dies vielmehr die Verteidigungsrede eines Politikers war, der offensichtlich einen Fehler gemacht hat. In einer solchen Situation, die nicht

einfach ist, gnadenlos von der eigenen Fraktion ignoriert zu werden,

(Beifall bei der SPD)

ist im politischen Geschäft natürlich eine schwierige Geschichte, weil man in einem so schwierigen Verfahren die Unterstützung der eigenen Truppe braucht. Das soll jetzt nicht politisch, rhetorisch und angreifend klingen.

(Zuruf des Abg. Michael Boddenberg (CDU))

Nur ist augenfällig, dass Ihnen offensichtlich die Zustimmung und Unterstützung Ihrer eigenen Fraktion in dieser Frage mittlerweile abhanden gekommen ist. Auch dies kann ein Problem in Ihrer Rolle für die Genehmigung dieser zentral wichtigen Aufgabe werden.

(Beifall bei der SPD – Zurufe von der CDU)

Ich möchte zwei Punkte ansprechen, die in der Debatte die größte Rolle spielen werden. Der erste Punkt im Anschluss an das, was Kollege Posch gesagt hat: Sie sagen, Sie hätten nach dieser Anhörung keine Vorfestlegung getroffen. In Wahrheit haben Sie der Öffentlichkeit mitgeteilt – ich war beteiligt und habe mir das angehört, es steht auch in Ihrer Presseerklärung,die übrigens sogar noch vor der öffentlichen Anhörung vorbereitet wurde –, dass Sie den gemeinsamen Betrieb von Ticona und einer Variante Nordwest jedenfalls nicht für ausgeschlossen und nicht für unvertretbar, sondern für vertretbar halten.

Das ist nichts anderes als eine klare Tendenz zu der Vorfestlegung, dass der Ausbau trotz dieser festgestellten Gefahren eine Möglichkeit ist. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist ein besonderes Ereignis. Wenn der direkte Vorgänger eines Ministers in einer so wichtigen Debatte bei einem Thema eingreift, das er selbst einmal bearbeitet hat, glaube ich, dass das der wirkliche Grund war, warum das der Kollege Posch gemacht hat.Er würde das – ich will Sie hier nicht interpretieren – an keinem anderen Punkt machen.

Der wahre Grund ist – deshalb halte ich das auch für richtig –, dass wir hier über das zentrale Infrastrukturprojekt des Landes reden. Dieser sehr diplomatisch ausgedrückte Verweis Ihres direkten Vorgängers, doch bitte an der Stelle etwas vorsichtiger zu sein – lieber Wirtschaftsminister, ich hoffe, dass diese Botschaft angekommen ist.

Mit Ihren Äußerungen während der Anhörung der Gutachter haben Sie tatsächlich einen groben politischen Fehler gemacht, der juristisch zu ganz großen Nachteilen im Verfahren führen kann.

(Beifall bei der SPD)

Jetzt müssen wir doch darüber diskutieren.Ich dachte,das wäre angekommen. Sie wissen doch, dass es im Abwägungsverfahren so etwas wie eine Überprüfung gibt, in welcher Tiefe die Ermessensentscheidungen untersucht werden. Da gibt es das Problem des Ermessensnichtgebrauchs. Wäre ich Anwalt der Gegenseite, würde ich sagen: „Na ja, eine ernsthafte Abwägung kann man dieser Genehmigungsbehörde jedenfalls nicht unterstellen, wenn sie während der Anhörung der Gutachter bereits feststellt, dass ein gemeinsamer Betrieb möglich ist.“ Ich will das nicht beschwören.Aber Sie haben damit juristisch einen großen Fehler begangen. Da beißt die Maus keinen Faden ab.

(Beifall bei der SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, zweiter Punkt: Perspektive. Wir reden hier ein Stück weit aneinander

vorbei. Der Herr Wirtschaftsminister sagt: „Das müssen wir jetzt genau abwägen.“ Im Gegensatz zu dem, was er vorher gesagt hat, sagt er jetzt: „Wir hoffen, dass es durch die Vornahme baulicher Veränderungen noch zulässig sein wird.“ Übrigens hat der eine Gutachter gesagt, dass er es auch nach der Vornahme baulicher Veränderungen als unzulässig empfindet.

Über diesen Punkt will ich gar nicht reden, sondern darüber, dass wir mittlerweile ganz andere Signale haben, die nicht mehr davon ausgehen, dass es vertretbar ist, diese beiden Anlagen gemeinsam zu betreiben. Herr Ministerpräsident, ich zitiere den Satz, den Sie gestern der „FNP“ gesagt haben:

Die Frage, wie dieses Hindernis Ticona dabei bewertet wird, muss die Genehmigungsbehörde unter Abwägung aller zugänglichen Gutachten bewerten.

Das ist das, was wir heute festgestellt haben – im Gegensatz zu dem, was Sie gesagt haben. Dann geht es weiter:

Da gibt es jetzt mehr Skepsis als in früheren Beurteilungen, der wir Rechnung tragen müssen,

Herr Ministerpräsident, jetzt kommt der zentrale Satz –

bis hin zur Frage, ob das gesamte Ticona-Werk infrage gestellt werden muss.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, in dem Moment, in dem der Hessische Ministerpräsident einem Zeitungsredakteur sagt: „bis zu dem Punkt, wo wir den Bestand des Ticona-Werks infrage stellen müssen“, stellt der Hessische Ministerpräsident das Ticona-Werk infrage. Herr Ministerpräsident, Folgendes würde uns schon einmal interessieren: In welcher Funktion haben Sie dies gesagt? Ist das jetzt die neue Linie der Landesregierung, zu versuchen, wegen der erkennbaren enormen Gefährdungspotenziale des gemeinsamen Betriebs mit der Firma Ticona in Verhandlungen zu treten? Ist das die Linie des Kabinettschefs, dem zuständigen Ressortleiter sozusagen den Weg vorzugeben: „Verhandle mit denen“? Ist es das Ziel der Landesregierung – nach diesem Interview ist die Frage angebracht –, dass Sie dies nicht nur der geneigten Öffentlichkeit sagen, sondern auch den Damen und Herren Landtagsabgeordneten, die sich mit dem Thema zu befassen haben?

(Beifall bei der SPD)

Wie sind Ihre Vorstellungen? Glauben Sie, dass die Landesregierung in den nächsten Monaten mit Fraport und mit Ticona mit dem Ziel in Verhandlungen treten muss, Ticona aus dem jetzigen Gelände herauszukaufen? Ist dies die neue Politik der Landesregierung? Herr Ministerpräsident, wir sind sehr gespannt auf Ihre Worte zu diesem Thema.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Walter. – Das Wort hat der Herr Ministerpräsident.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Jetzt muss er den Aloisius korrigieren!)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Alle, mit Ausnahme der GRÜNEN, sind eigentlich der Auffassung,

dass es am Ende für die Zukunft dieser Region wichtig ist, den Flughafen auszubauen. Verehrter Herr Kollege Walter, daher fragt man sich ein bisschen nach der Größe der Münze, mit der Sie in der letzten Runde wieder zu zahlen versuchten. Sie stellten die Frage: Wie sind die Gesichtsausdrücke in der CDU-Fraktion? Wie kann man sich daran weiden? Sie führen eine Diskussion darüber, was wer genau gesagt hat. Es fragt sich, ob dies dem Ziel wirklich dient.

(Zuruf der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

Ich will Sie darauf hinweisen, dass ich in dieser Rolle in der Debatte genauso gefordert bin, in der es um diese Frage geht. Ich hatte in der Vergangenheit gelegentlich Anlass, Vorwürfe gegen Herrn Kollege Posch zurückzuweisen. Ich lege das neben Ihre heutige Aussagen, als Sie versucht haben, „Sie Notar“ als Beleidigung zu verwenden – ungefähr so: Wie kann der nur protokollierend sagen, was er macht? – Das war Ihnen von der Position her nicht immer klar genug.

Aus meiner Sicht hat Herr Kollege Rhiel die Grenzen der Politik nicht überschritten. Aber schon fangen Sie an, Ihr altes Manuskript aus der letzten Legislaturperiode wegzuwerfen, weil es das so nicht mehr gibt. Sie erklären Herrn Posch zum Helden – was ich uneingeschränkt unterschreibe –

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP)