Protokoll der Sitzung vom 19.03.2004

(Beifall bei der CDU)

Das Wort hat Frau Kollegin Henzler, FDP-Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Habermann, ich muss Sie daran erinnern, dass wir einmal einen Landtagswahlkampf hatten, in den die SPD mit der großen Forderung gezogen ist: „500 Ganztagsschulen versprechen wir für Hessen“. – Den Erfolg haben wir hinterher gesehen. Der lag wahrscheinlich auch daran, dass Sie

nicht einmal erklären konnten, was Sie unter Ganztagsschulen verstanden haben.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU – Zurufe von der SPD)

Das schwankte von freiwilligen Angeboten bis zu Pflichtangeboten, je nachdem, wer auftrat. In einer Podiumsdiskussion wurden die Reden dann schon wieder ganz anders gehalten.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Der Anfang war gut, Frau Henzler!)

Der Anfang ist gut. Sie werden noch eine Weile gut zuhören können. – Die FDP hat als damalige Regierungsfraktion 2001 das erste politische Signal für den Ausbau von Ganztagsangeboten gegeben. Wir haben damals ein sehr ausgefeiltes Konzept vorgelegt, in dem schon enthalten war, dass die Schulen sich öffnen sollen, dass sich Träger von außen beteiligen sollen, dass es nicht nur ein schulisches Angebot sein soll und dass es vor allen Dingen weiterhin freiwillig sein soll.

Ich erinnere mich noch sehr genau daran, dass die Opposition damals den ersten großen Koalitionsstreit zwischen FDP und CDU propagiert hat, weil wir mit unserem Konzept ein bisschen vorangegangen sind. Das war natürlich überhaupt nicht so. Wir haben hinterher gemeinsam ein sehr gutes Konzept für Ganztagsangebote vorgelegt. Wir haben dafür gesorgt, dass die Schulen sich öffnen und andere Träger an die Schulen kommen dürfen.

(Beifall bei der FDP)

Dieses Programm startete damals sehr hoffnungsvoll. In den letzten drei Jahren wurde die Zahl schrittweise auf 173 Angebote erhöht. Dafür haben wir 130 Lehrerstellen bereitgestellt. Dies kann man zu Recht als eine beachtliche Leistung ansehen, da man schließlich schulpolitisches Neuland betrat und von der rot-grünen Vorgängerregierung keinerlei Vorkehrungen für solche Dinge getroffen worden sind.

(Beifall des Abg. Jörg-Uwe Hahn (FDP) und bei Abgeordneten der CDU)

Ich erinnere mich noch sehr genau daran, dass wir sehr oft diskutiert haben, wobei die Opposition behauptet hat, das sei alles kein vernünftiges Angebot, ein warmes Süppchen und ein bisschen Betreuung. – Das war ihre Aussage dazu.

(Zuruf des Abg. Gerhard Bökel (SPD))

Jawohl, ich zitiere das wörtlich, wie Sie das damals formuliert haben.– Im Gegenteil,daraus sind Superkonzepte geworden. Die Konzepte werden weiterentwickelt. In Oberursel hat sich jetzt sogar ein Kinder- und Jugendhilfeträger an der Schule engagiert. Auch die Schranke zwischen Schule und Kinder- und Jugendhilfeträger ist damit weg. – Das ist jetzt schon alles, was positiv war.

(Dr. Franz Josef Jung (Rheingau) (CDU): Machen Sie ruhig weiter mit positiven Dingen! – Zuruf des Abg. Hans-Jürgen Irmer (CDU))

Sie dürfen ruhig weiter zuhören, Herr Irmer. – Im letzten Jahr häuften sich wie bei vielen anderen schulpolitischen Dingen leider die Missstände. Mittlerweile erntet die Landesregierung bei den Ganztagsangeboten wie auch in vielen anderen schulpolitischen Bereichen Kritik auf der ganzen Linie. Schulen, Schulträger sowie die Partner aus der Wirtschaft sind zu Recht unzufrieden mit dem Stand des Ausbaus. Die Bundesmittel werden nicht ausreichend genutzt. Von 20 Millionen c verfügbaren Mit

teln sind in diesem Jahr bisher lediglich 2,7 Millionen c abgerufen worden. Schulen, die Anträge stellen – das tun sie zuhauf –,werden abgewiesen,und die Schulträger werden durch Bürokratieaufbau gegängelt.

(Gerhard Bökel (SPD): So ist es!)

Der bildungspolitische Nutzen und die Notwendigkeit zur Einrichtung von ganztägigen Angeboten werden von der Landesregierung offenbar immer noch nicht ernst genug genommen,

(Beifall des Abg. Gerhard Bökel (SPD))

obwohl die gesamte Entwicklung in und um Schule deutlich in diese Richtung geht. Es ist für uns nicht nachvollziehbar, warum in Hessen die Richtlinien so viel komplizierter sein müssen als in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz und warum sie sich seit August 2003, also seit sechs Monaten, in der Anhörung befinden. Das hat Frau Kultusministerin bestätigt.

(Beifall bei der FDP)

Ich will Ihnen zwei Beispiele geben. Warum müssen in Hessen ganztägig arbeitende Schulen gleichzeitig über eine Mensa, eine Cafeteria und noch eine entsprechende Vorbereitungsküche verfügen? Es muss ein Mittagsangebot da sein, darüber sind wir uns alle einig. Aber die Schule sollte das regeln können, wie sie es für richtig hält, und auch in dem Umfang, den sie für richtig hält.

(Beifall bei der FDP)

Wir sind uns einig, dass es etwas zu Essen geben muss. Aber es gibt Schulen, die in einem sozialen Umfeld angesiedelt sind, in dem das Mittagessen in der Schule kein richtig umfangreiches,komplettes Essen sein muss,weil es dort Familien gibt, die gemeinsam zu Hause zu Abend essen. Es gibt aber auch Schulen in einem sozialen Umfeld, wo das Mittagessen manchmal die einzige richtige Mahlzeit ist, die Schülern angeboten wird. Deshalb muss es dort umfangreicher sein. Letztendlich muss es den Schulen selbst überlassen sein, wie sie das regeln, ob sie selbst kochen, ob sie Catering machen oder etwas anderes.

Das zweite Beispiel sind die Schulbibliotheken. Wir sind uns einig, Schulbibliotheken sind wichtig. Trotzdem muss ich nicht vorschreiben, in welcher Größenordnung sie vorher schon da sein müssen. Sie können auch in der Zeit, in der das Ganztagsangebot aufgebaut wird, als Bibliotheken aufgebaut werden.

Mit diesen bürokratischen Vorschriften werden Schulträger eher abgeschreckt als ermuntert, ihre Schulen auf einen Ganztagsbetrieb umzurüsten.

Auch das Verfahren zur Mittelvergabe ist undurchsichtig und auf der ganzen Linie abzulehnen. So müssen Schulen offenkundig bereits am Landesbauprogramm „Ganztagsschule nach Maß“ teilnehmen, um in den Genuss von Bundesmitteln zu kommen. Das ist die Aussage des Ganztagsschulverbandes. Diese Vorschrift ist eine neue Hürde, und vor allem ist sie den Schulen überhaupt nicht ausreichend bekannt. Nachdem der Bund gesagt hat, er gebe Gelder für die Ganztagsschulen, haben viele Schulen angefangen, ein Konzept zu entwickeln, haben es erarbeitet, haben es vorgelegt und dann Anträge gestellt. Sie haben aber gar nicht gewusst, dass sie eigentlich schon vorher im Ganztagsprogramm nach Maß sein müssen.

Frau Kollegin Henzler,würden Sie bitte zum Schluss kommen?

Ja. – Wir treten für einen flächendeckenden freiwilligen Ausbau von Ganztagsangeboten ein; denn die Schulen brauchen pädagogische Konzepte. Den Schulträgern sollte einer Genehmigung nichts im Wege stehen, wenn die Schulen Konzepte haben und wenn sie das beantragen.

Lassen Sie mich zum Schluss noch eines sagen: Wenn wir die Verkürzung des gymnasialen Zweiges durchsetzen wollen, wie sie jetzt im Gesetz vorgegeben ist, dann geht das nur, indem die Gymnasien mit dem Unterricht in den Nachmittag gehen. Wenn wir das wirklich erreichen wollen – da sind wir uns alle einig –, dann müssen wir da Unterstützung geben.

(Beifall der Abg.Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP))

Ich bitte die Landesregierung, klar und deutlich zu sagen, ob sie diese Ganztagsangebote will, ob sie will, dass die Gymnasien in den Nachmittagsunterricht gehen, oder ob sie es nicht will. Wenn sie es will, muss sie klipp und klar sagen, wie wir das mit dem vorgelegten Sparkonzept vereinbaren. Denn das geht eigentlich nicht zusammen.

(Beifall bei der FDP)

Das Wort hat Frau Abg. Priska Hinz, Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident,meine Damen und Herren! Die Kritik der VhU an der Landesregierung bezüglich Ausbauprogramm für Ganztagsangebote ist berechtigt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Heike Habermann (SPD))

Wir sind mit der VhU nicht nur in dieser Hinsicht, aber auch in dieser, schon lange einer Meinung. Die Landesregierung hat viel zu spät begriffen, wie wichtig der Ausbau von Ganztagsangeboten für die Förderung von Kindern sein kann.

(Zurufe von der CDU)

Es hat vieler Anträge der Opposition bedurft, bis die Landesregierung endlich ein Programm auf die Beine gestellt hat und dann angeblich eine Stufe nach der anderen, wie eine Rakete, gestartet hat. Aber herausgekommen sind nicht in der Hauptsache Ganztagsangebote, sondern Angebote der pädagogischen Mittagsbetreuung. Da besteht ein deutlicher Unterschied.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es ist ein halbherziges Förderprogramm,das immer schon den Finanzen geschuldet war. Wenn Schulen für ein Programm, das in den Nachmittag hineinreichen soll, eine halbe Stelle Personal und eine halbe Stelle in Geld bekommen, dann ist es natürlich nur möglich, an drei Nachmittagen und dann nur bis 14 oder 14.30 Uhr ein Programm auf die Beine zu stellen.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU):Was haben Sie denn zu Ihrer Regierungszeit gemacht? – Axel Wintermeyer (CDU): Gar nichts!)

Das beinhaltet im Wesentlichen Hausaufgabenhilfe oder eine Arbeitsgemeinschaft. Sie können aber nicht das machen, was tatsächlich notwendig wäre, nämlich echte Förderprogramme für schwächere Schüler und für begabtere Schüler.Sie können kein echtes Förderprogramm machen für die Kinder, die Schwächen im Unterricht zeigen, und Projekte, die den Unterricht unterstützen, schon einmal gar nicht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dass die Schulen überhaupt etwas mit dem Geld machen, ist dem Engagement der Lehrerinnen und Lehrer geschuldet, die viel Herzblut in die Entwicklung stecken. Sie müssten auch einmal darin unterstützt werden, dass endlich wirkliche Ganztagsangebote entwickelt werden können. Die meisten Anträge, die von den Schulen gestellt werden, werden von der Landesregierung abgeschmettert. Die Rhythmisierung des Unterrichts ist unter diesen Vorgaben überhaupt nicht drin.Das wäre aber notwendig, um tatsächlich zu einer besseren Förderung zu kommen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Hans-Jürgen Irmer (CDU))

Das Bundesprogramm ist deshalb so spät in Kraft getreten, weil die Landesregierung in Hessen so lange Widerstand geleistet hat.

(Mark Weinmeister (CDU):Was?)

Ich kann Ihnen alte Pressemitteilungen vorlesen. Die Landesregierung hatte Angst,die Bundesregierung würde ihr reinregieren. Sie regiert aber nicht hinein, sondern unterstützt mit dem Programm Schulen,