Ich muss noch zwei Sätze sagen. – Ich finde es erstaunlich, dass in den Bündnissen für Arbeit immer wieder, Jahr für Jahr Ausbildungsplatzzusagen gegeben werden. Gestern hat mich folgende „dpa“-Meldung erreicht, die ich Ihnen noch zur Kenntnis geben muss.
Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag lehnte das Vorhaben erneut ab. Der IHK-Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben sagte, die Wirtschaft könne zwar zusagen, möglichst viele Lehrstellen zu schaffen, eine Ergebniszusage, wie sie vor
dem Verfassungsgericht erstritten und in den letzten Jahren immer wieder, auch in den Bündnissen für Arbeit, versprochen worden ist, könne aber nicht gemacht werden.
Deshalb in ich sehr skeptisch, ob die Zusagen, die von Verbandsfunktionären gemacht werden, wirklich so gemeint sind. Ich hoffe, Herr Hoff, dass die fünfte Jahreszeit bald vorbei ist, auf dass uns die FDP vor solchen Aktuellen Stunden verschont. Dieses Thema ist nämlich zu schwierig, als es mit Klamauk zu behandeln.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Eigentlich wollte ich das, was hier von Herrn Schäfer-Gümbel vorgetragen wurde, inhaltlich ignorieren.
Herr Posch, Sie können sich zwar selbst wehren, aber ein Punkt muss richtig gestellt werden. Wenn Herr SchäferGümbel der FDP Klientelpolitik vorwirft,dann ist das vor dem Hintergrund der Tatsache, dass die SPD ihre letzten Bundestagswahlkämpfe mit erheblicher finanzieller Hilfe des Deutschen Gewerkschaftsbundes finanziert hat, ein Treppenwitz der jüngeren Geschichte.
Ich will eine zweite Feststellung zu dem machen, was im Moment bei der SPD passiert. Ich will das unter die Überschrift stellen: Die können nicht nur nicht regieren, sondern sie können noch nicht einmal ordentlich zurücktreten.
Herr Posch hat völlig zu Recht gesagt:Wie diese Partei im Moment mit Kabinettsmitgliedern umgeht, die noch vor einem Jahr als „Superminister“ gefeiert worden sind,ist in der deutschen Geschichte beispiellos.
Das macht im Grunde genommen das Problem aus, über das wir hier reden. Das Durcheinander, das Sie zurzeit produzieren – heute Morgen schon wieder eine Debatte um neue Steuern und Abgaben –, überträgt sich auf eine Wirtschaft, die nicht mehr weiß, woran sie mit dieser Bundesregierung ist.
(Norbert Schmitt (SPD): Schauen Sie sich das Durcheinander in Ihren Reihen an! – Weitere Zurufe von der SPD)
Ich will, um zur Sache zu kommen – die von der FDPFraktion zu Recht zur Sprache gebracht worden ist –, einige sehr grundsätzliche Bemerkungen machen.
Über was reden wir eigentlich? Wir reden darüber, dass 85 % der Betriebe in diesem Lande seit Jahrzehnten erfolgreich ausbilden.Wir reden darüber, dass 85 % der Betriebe bereit sind, das gesamte Volumen der Ausbildung zu schultern. Wir reden über Hunderttausende Ehrenamtliche,die sich in der Ausbildung und bei Prüfungen engagieren – ebenfalls seit Jahrzehnten mit Erfolg. Bei einer Erfolgsquote von 85 % bin ich nicht bereit, so zu tun, als gäbe es all diese Betriebe nicht, als müssten wir denjenigen, die betroffen sind, per staatlichen Zwang beikommen, wie Sie es tun wollen. Sie wollen ein planwirtschaftliches Zwangssystem mit einer Freikaufoption. Das werden wir Ihnen jeden Tag neu aufs Brot schmieren.
(Norbert Schmitt (SPD): Sie nehmen die Ausbildungsnot der Jugendlichen in Kauf! Das ist der gesellschaftliche Skandal!)
Wir hatten in diesem Jahr – auch in Hessen – das Problem, nicht alle Ausbildungsplätze besetzen zu können.
Wir haben hier vielfach darüber diskutiert, was sich ändern müsste, damit diese Situation besser wird, und wir haben über Wirtschaftspolitik geredet. Aber an anderer Stelle sprechen wir auch noch darüber, was sich denn möglicherweise an den Ausbildungsangeboten ändern muss.
Ursprünglich war für heute die Behandlung eines Tagesordnungspunkts vorgesehen – leider ist er in das nächste Plenum geschoben worden –, bei der es sich um die Schaffung adäquater Berufsbilder für die Gruppe der problematischen Jugendlichen geht.Auch an dem Punkt verweigert sich diese Bundesregierung – Stichwort: Klientelpolitik – mit Blick auf die Gewerkschaftsfunktionäre, die immer noch nicht eingesehen haben,dass wir für schwächere Schüler und für junge Menschen ohne Schulabschluss ein adäquates Ausbildungsplatzangebot schaffen müssen.
Beim Bundesbildungsministerium bzw. beim Wirtschaftsministerium stehen 18 Berufe zur Genehmigung an. Es wird davon gesprochen, dass gerade einmal zwei dieser Vorschläge umgesetzt werden sollen.
Am Ende fehlt mir in dieser ganzen Debatte eines: Mir fehlt die positive Behandlung des Themas Ausbildung. Wir brauchen in diesem Land auch bei der Behandlung solcher Themen wieder mehr Begeisterung.Wir brauchen einen positiven Blickpunkt. Die Unternehmen müssen erkennen – falls sie es jetzt noch nicht tun –, dass die Qualifikation junger Menschen für die Zukunftsstabilisierung des eigenen Unternehmens unabdingbar ist. Mit den Unternehmern, die das nicht einsehen, muss man auch reden.
Aber wir müssen mit inhaltlichen Gründen überzeugen. Wir müssen mit dem Hinweis auf die Professionalität der Personalentwicklung auch und gerade in mittelständischen Unternehmen überzeugen. Wir müssen aufhören, mit einer Straf- oder Zwangsabgabe zu drohen, die im Grunde genommen signalisiert: Da ist ein Problem zu lösen, das etwas mit der Ausbildung zu tun hat. Das lösen wir,indem wir mit der Keule kommen.– Mit Blick auf das, was ich gerade über die mangelnde Begeisterung gesagt habe, ist das genau die falsche Botschaft.
Ich will eine letzte Bemerkung machen.Wenn der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbunds hierher geht und sagt, das Problem sei in Wahrheit noch zehnmal größer, als es die Statistiken auswiesen, halte ich das für skandalös. Ich finde es deshalb skandalös, weil die 20.000 Ausbildungsplätze, die in Deutschland fehlen, eine Größe darstellen, die man, wenn man sie auf die Bundesländer herunterbricht, noch überschauen kann. Aber wenn man, wie Herr Sommer, behauptet, das Problem sei zehnmal so groß, ist das ein völlig falsches Signal an die jungen Menschen, die am Ende sagen: Wenn ich einen schwachen Hauptschulabschluss oder gar keinen Schulabschluss habe, brauche ich mich angesichts dieser horrenden Zahlen doch gar nicht erst zu bemühen.
Meine Damen und Herren, ich bin sicher, dass wir dieses Problem unter der Beteiligung aller Betroffenen lösen können. Herr Schäfer-Gümbel, wenn alle diejenigen, die über dieses Problem reden, wirklich mit gutem Beispiel vorangingen, wäre das Problem schon gelöst.
Das gilt auch für die SPD-Parteizentrale und für Abgeordnete, die in ihrem ganzen Leben offensichtlich noch nie etwas zur Ausbildungsleistung beigetragen haben. – Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU – Günter Rudolph (SPD):Arroganz der Macht! – Norbert Schmitt (SPD): Arroganz der Dummheit!)
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die FDP hat eine Aktuelle Stunde mit dem Titel „Die geplante Ausbildungsabgabe ist die Praxisgebühr für den Mittelstand“ beantragt. An dem Titel dieser Aktuellen Stunde ist schlicht und ergreifend alles falsch.
Fangen wir an: Herr Kollege Posch, es geht nicht um eine Ausbildungsplatzabgabe, sondern um eine Ausbildungsplatzumlage. Darüber wird auf Bundesebene diskutiert.
Das Wesen einer Ausbildungsplatzumlage ist, dass die Betriebe, die zu wenig ausbilden, die Betriebe unterstützen, die ihrer Ausbildungsverpflichtung nachkommen. Das ist
Dann sagt die FDP, das sei wie eine Praxisgebühr. Auch das stimmt nicht; denn eine Praxisgebühr bezahlt man, wenn man eine Praxis betritt. Eine Ausbildungsplatzumlage dagegen wird dann gezahlt, wenn Auszubildende, die eine Lehrstelle suchen, einen Betrieb nicht betreten dürfen. Das ist ein eklatanter Unterschied.
Zum Schluss: Im Titel einer Aktuellen Stunde, die die FDP beantragt hat, muss das Wort „Mittelstand“ vorkommen. Herr Kollege Posch, wenn Sie sich anschauen, was vorgeschlagen wird und was meine Fraktion bereits im letzten Jahr in diesem Haus empfohlen hat, stellen Sie fest, dass es um Betriebe mit mehr als zehn Beschäftigten geht. Das heißt, der allergrößte Teil des deutschen Mittelstands wird von dieser Ausbildungsplatzumlage nicht erfasst, sondern es werden nur die großen Betriebe angesprochen, die zwar ausbilden können, sich jedoch ihrer Ausbildungsverpflichtung entziehen.
Dafür werden die Mittelständler, die ihrer Verpflichtung dankenswerterweise nachkommen – die auch überproportional ausbilden –, durch die Ausbildungsplatzumlage entlastet.Was daran mittelstandsfeindlich ist, müssten Sie noch einmal erläutern, Herr Kollege Posch.