Noch etwas zum Thema Spaltung. Mit Ihrem Gesetz bringen Sie auch die Förderstufen in Gefahr. Sie entziehen ihnen praktisch die Existenzgrundlage.Sie wollen erklärtermaßen keine Förderstufe. So schaffen Sie z. B. den Förderstufenleiter ab. Realistisch gesehen gibt es dann nur noch die Möglichkeit, zwischen Hauptschul- und Realschulniveau zu wechseln.
Aber ein modernes Bildungssystem – das zeigen auch internationale Studien – lässt die Schülerinnen und Schüler lange gemeinsam lernen. Darüber müssen wir diskutieren.
Ein modernes Schulsystem orientiert sich an den individuellen Fähigkeiten unserer Kinder. Ein modernes Schulsystem lässt die Schülerinnen und Schüler voneinander lernen. Damit sich eine Leistungsspitze entwickeln kann, brauchen wir zunächst eine Förderung in der Breite.
Dann setzen Sie dem Fass die Krone auf. Nachdem Sie Chancengleichheit und Bildungsgerechtigkeit mit Füßen getreten und ein Bildungssystem mit brutalst- und frühestmöglicher Auslese geschaffen haben, in dem es nur noch den Weg nach unten gibt,und nachdem Sie schon bei sehr jungen Kindern entscheiden zu können meinen, ob das betreffende Kind Lagerarbeiter, Pianist oder Ingenieur wird, bauen Sie auch noch Barrieren vor dem Bildungszugang auf.
Ihr Gesetzentwurf legt nämlich Mindestgrößen für die Oberstufe fest, wodurch die kleinen Oberstufen in ihrer Existenz bedroht werden. Die Folge Ihrer Politik wird ein dramatischer Rückgang der Zahl der Schulen sein, insbesondere in ländlichen Regionen. Das nehmen Sie billigend in Kauf.
Herr Irmer, Sie werden sich mit den Vertretern der Kommunen noch sehr freundschaftlich unterhalten dürfen. Sie werfen damit meiner Meinung nach die Bildungs
Damit noch nicht genug.Auch die Schulträger bekommen ihr Fett ab.Auf der einen Seite greifen Sie die Kompetenz der kommunalen Ebene an und diktieren die Schulentwicklungspläne von Wiesbaden aus.Auf der anderen Seite werden die Schulträger gezwungen, Räumlichkeiten an kleineren Schulstandort leer stehen zu lassen oder an anderen Schulstandorten größere Räume zu schaffen. Ich kann Ihnen nur sagen: Viel Spaß bei Ihrer Unterhaltung mit den Kommunalen.
Ein weiterer Punkt, den ich nicht vergessen will zu erwähnen, weil Sie nicht zu Potte kommen: Die SPD hält in ihrem Antrag zur Schulzeitverkürzung fest, dass die Schulzeitverkürzung in eine Reform des gesamten Schulsystems eingebettet werden muss. Deshalb hat die SPD ein Konzept zur vorschulischen Bildung und Erziehung sowie zur Neuorganisation des Übergangs zur Grundschule vorgelegt.
Wissenschaftliche Aussagen belegen schon seit langer Zeit, wie groß die Bedeutung der frühkindlichen Erziehung für den weiteren Lebensweg unserer Kinder ist, weil schon ganz früh, im vorschulischen Alter, die Grundsteine für den Bildungserfolg gelegt werden.
An dieser Stelle müssen wir uns auch am internationalen Maßstab messen lassen. Dafür sind drei Punkte wesentlich.
Erstens. In Frankreich, in Finnland und in anderen Ländern haben wir eine qualitativ viel bessere Versorgung der Kinder im Alter von 0 bis 7 Jahren. Für die Kinder dieser Altersgruppe müssen wir die Versorgung auf jeden Fall verbessern.
Zweitens. In anderen Ländern werden die Fachkräfte für Erziehung im Vorschulalter an den Universitäten ausgebildet. In Deutschland wird der Beruf der Erzieherin immer schlechter bewertet.Auch darüber müssen wir diskutieren.
Drittens. Wir fordern die Ausarbeitung eines Bildungsund Erziehungsplans als Grundlage für die Erziehungsund Bildungsarbeit für unsere Kinder in den Kindergärten.
Die SPD wird nicht kommentarlos zusehen, wie die Landesregierung die frühkindliche Bildung ignoriert. Hierzu haben wir ein Konzept vorgelegt. Die SPD wird nicht kommentarlos zusehen, wie die Landesregierung die Spaltung der Gesellschaft in den Kinderstuben manifestiert. Wir werden nicht kommentarlos zusehen, wie die Landesregierung Kindern und Jugendlichen Zukunftschancen verbaut, und wir werden auch nicht zusehen, wie die Landesregierung Kindern und Jugendlichen den Zugang zur Bildung und die Durchlässigkeit der Bildungsgänge erschwert. Wir glauben nämlich, dass alle Kinder ein Recht auf optimale Bildung und auf optimale Förderung haben.
Hessen wird hinten bleiben, wenn aus ideologischen Gründen verantwortet wird, dass Talente unerkannt bleiben. Ich halte das für einen erneuten Beweis dafür, dass die CDU auch den Wirtschaftsstandort Hessen im Stich lässt,denn wir wissen,dass die Zukunft dieses Landes entscheidend davon abhängt, wie qualifiziert unsere Kinder in der Zukunft sein werden.
Unsere Antwort darauf ist nicht das Schielen nach Billigjobs und die Konkurrenz mit den Entwicklungsländern, denn das ist nicht zukunftsfähig und nicht gerecht. Ich glaube ganz fest, dass Ausbildungsstand und Kreativität der zukünftigen Generation die Voraussetzungen für Innovationen und für Wachstum in Hessen und in Deutschland sein werden. Deshalb müssen wir intensiv über unser Bildungssystem diskutieren.Wir können auf kein einziges Talent unserer Kinder verzichten – und auf kein bisschen Kreativität.
Haushohes Präsidium, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte auf die Anmerkungen von Frau Kollegin Ypsilanti in der gebotenen Kürze eingehen. Liebe Frau Kollegin, Sie sind mir im persönlichen Umgang durchaus sympathisch, aber das, was Sie heute Morgen bildungspolitisch hier geleistet haben, war Ideologie pur.
(Beifall bei der CDU – Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das sagt gerade der Oberideologe!)
Das hat mit der Lebenswirklichkeit herzlich wenig zu tun. Wenn Sie z. B. erklären, der Zugang zu Schule und Bildung müsse unabhängig von der kulturellen Herkunft sein, dann haben Sie in der Sache völlig Recht. Darüber streiten wir gar nicht.Aber die Grundlagen dafür wurden und werden doch erst durch das Lehrerfortbildungsgesetz, das Schulgesetz und dadurch geschaffen, dass wir Sprachkurse und Vorlaufkurse gegen Ihren Widerstand eingerichtet haben.Die Grundvoraussetzungen haben wir geliefert, nicht Sie.
Wenn Sie dann sagen, Sie hätten in den Siebzigerjahren Chancen für benachteiligte Bildungsschichten im ländlichen Raum geschaffen, dann erinnert mich das an das Bild vom katholische Arbeitnehmermädchen vom Lande, das keine Bildungschancen hatte und nur durch die integrierte Gesamtschule die Möglichkeit bekam, überhaupt eine gymnasiale Bildung zu erlangen. Wenn das richtig wäre, was Sie hier als Ergebnis festhalten, dann frage ich mich, warum PISA im Jahre 2000 zu dem Ergebnis gekommen ist, dass es eine Korrelation zwischen der sozialen Herkunft und dem schulischen Erfolg gibt. Das ist ein Beweis dafür, dass Ihr System eben nicht funktioniert hat. Deshalb wollen wir das Schulsystem in der angedeuteten Form verändern.
Sie haben von der Durchlässigkeit des Schulsystems gesprochen.Wir sprechen sehr bewusst von Anschlussfähigkeit. Natürlich bestehen zwischen beiden Begriffen Unterschiede. Sie haben eine Durchlässigkeit von oben nach unten im Verhältnis von zehn zu eins in der Vergangenheit dargestellt. Auf zehn Abstufungen in der integrierten Gesamtschule kam eine Aufstufung. Das war die
Lebenswirklichkeit. Das war Ihr Bild von der Durchlässigkeit des Schulsystems.Wir sagen heute:Wir wollen eine Anschlussfähigkeit, die sich inhaltlich definiert. Wer inhaltlich die entsprechenden Möglichkeiten hat, entsprechende Qualifikationen mitbringt, der kann selbstverständlich von H nach R und von R nach G kommen. Das ist eine Selbstverständlichkeit. Das wird auch durch die Verkürzung der Schulzeit nicht verändert.
Sie sollten versuchen, aus dem ideologischen Weltbild des 19. Jahrhunderts herauszukommen und in die Lebenswirklichkeit zu finden.
Meine Damen und Herren, wir legen ein drittes Gesetz zur Qualitätssicherung in Hessen vor. Das ist aus unserer Sicht ein Meilenstein, was die Qualitätsentwicklung in der schulischen, aber auch in der außerschulischen Bildung angeht, insbesondere im Hinblick auf die Lehrerbildung. Ich will Ihnen die wichtigsten Ziele in der gebotenen Kürze darstellen.
Wir wollen erstens eine Reform der Lehrerausbildung. Ich glaube, wir sind einer Meinung, wenn ich sage: Diese Reform war überfällig. Rot-Grün hat dieses Land viele Jahrzehnte lang regiert. Sie hätten lange, lange Zeit gehabt, die notwendige Reform der Lehrerausbildung anzugehen. Sie haben es nicht gemacht.
Zweitens. Wir stärken die Lehrerausbildung an den Universitäten. Noch nie hatte die Lehrerausbildung an den Universitäten einen derartigen Stellenwert, wie es künftig der Fall sein wird.
Drittens. Wir wollen mehr Praxisbezug in der Lehrerausbildung. Das heißt, wir verlangen ein Orientierungspraktikum und ein Praktikum vor dem dritten Semester. Es wird außerdem eine Zwischenprüfung geben. Nach der Zwischenprüfung ist ein zweites längeres Praktikum vorgesehen.Es kann auch semesterbegleitend absolviert werden. Wir wollen den angehenden Lehrern die Chance geben, beraten zu werden.
Das heißt im Klartext: Wir hatten in der Vergangenheit häufig die Situation, dass jemand den Lehrerberuf ergriffen, aber nicht genügend pädagogische Kompetenz mitgebracht hat. Das Ergebnis war für ihn – bzw. sie – nicht gut, und es war vor allem für die unterrichteten Kinder nicht gut. Das heißt, erstmals in der Geschichte Hessens wird es eine gezielte Beratung für angehende Lehramtsstudenten geben. Damit wollen wir einen Beitrag zu einer Straffung des Studiums, aber auch zu einer gezielten persönlichen Lebensplanung leisten.
Im Rahmen des Studiums werden die Diagnosefähigkeit sowie die Fähigkeiten in Methodik und Didaktik gestärkt – bei gleichzeitiger Beibehaltung der fachwissenschaftlichen Komponenten. All das hat etwas mit Pädagogik zu tun, die in der Vergangenheit, insgesamt gesehen, zu kurz gekommen ist.
Es wird für die Lehrerinnen und Lehrer eine Verpflichtung zur Fort- und Weiterbildung geben.Auch dies ist völlig neu, das hat es in Hessen noch nicht gegeben. Das Ganze wird in einem Fortbildungs-Portfolio festgehalten. Die Lehrerfortbildung wird funktionieren. Sie wird über das Amt für Lehrerbildung, über die regionalen Staat
lichen Schulämter und über ein neues Institut für Qualitätsentwicklung geleistet. Das Institut hat etwas mit Qualität zu tun, wie der Name schon sagt.Wir werden dorthin Fachleute, Experten berufen, und es wird dort nicht wie früher beim HeLP zugehen, wo man Versorgungsfälle mit Parteibuch und Patronage untergebracht hat. Das gehört der Vergangenheit an.
Beim Thema Lehrerfortbildung hört man gelegentlich in Diskussionen den Einwand: Die Lehrer wollen das eigentlich gar nicht. – Ich will hier sehr bewusst eine Lanze für die hessische Lehrerschaft brechen, die zu einem ganz, ganz hohen Prozentsatz schon in der Vergangenheit freiwillig bereit war, sich fortzubilden.