Wo besteht eigentlich einen Regelungsbedarf in dieser Frage? Die Anhörung hat eindeutig ergeben,dass die Problemfälle, die von Ihnen öffentlichkeitswirksam in Szene gesetzt werden, die Ausnahme und nicht die Regel sind. Sie sprechen von dem kommunalen Nagellackstudio und dem Betriebshof, der den Blumenschmuck für Hochzeiten liefert. Diese Fälle sind wirklich Ausnahmen. Oft werden Problemfälle vorgetragen, die in unserem Bundesland gar nicht vorkommen.
Sie passieren in Bundesländern, die in ihrem Gesetz bereits über eine Subsidiaritätsklausel verfügen. Der Vertreter der Bayerischen Staatsregierung hat dies in der Anhörung im Innenausschuss bestätigt. Warum sollen wir also jetzt eine Neuregelung in die HGO aufnehmen?
Ich denke, dass es Ihnen hier um eine rein ideologische Frage geht. Es geht Ihnen nicht um die Sache, denn es gibt keinen Regelungsbedarf. Es geht Ihnen von der FDP und der CDU um Klientelpolitik. Das haben Sie gerade mit dem Hinweis darauf bewiesen, dass die CDU Ihnen zuvorkommen wollte, damit sie beim Handwerk schön glänzen kann.
Dass Ihnen die Kommunen an dem Punkt Wurscht sind, kann man gut nachweisen.Wenn Sie z. B. die „Frankfurter Rundschau“ vom 3. Mai 2004 aufschlagen, dann lesen Sie: „202 städtischen Gesellschaften droht die Privatisierung“. Die Stadt Frankfurt ist von diesem Gesetz betroffen wie keine andere Kommune in Hessen, denn sie hält Beteiligungen an insgesamt 202 Gesellschaften. Das ist Landesrekord.Wer in Frankfurt regiert, welcher Partei die Oberbürgermeisterin angehört, brauche ich hier nicht zu erwähnen.
Meine Damen und Herren, Sie wollen die Gemeindewirtschaft in Hessen nach dem Motto „Die Rosinen verlassen den Kuchen“ organisieren. Die Bereiche, die Gewinn bringend sind, sollen an Private vergeben werden, und die Bereiche, die bereits defizitär sind, sollen schön bei den Kommunen bleiben.
Hierzu möchte ich jetzt den Präsidenten des Landkreistages zitieren, Herrn Jakoubek, der sagt: „Der geplante Gesetzentwurf legt Hand an die Daseinsvorsorge bisheriger Prägung, greift massiv in das verfassungsmäßig garantierte Recht auf kommunale Selbstverwaltung ein und beschleunigt zugleich den finanziellen Ruin der Kommunen in Hessen“. Das sagt der Präsident des Hessischen Landkreistages.
Die Kommunen haben in der Vergangenheit bewiesen, dass sie in dieser Frage verantwortungsbewusst agieren. Die hessischen Kommunen sind Partner des Handwerks und des Mittelstands. Mit diesem Gesetzentwurf schüren Sie Streit zwischen den Partnern, anstatt ein gutes, vertrauensvolles Miteinander zu organisieren. Fragen Sie sich doch einmal, an wen die Aufträge kommunaler Unternehmen vergeben werden. Ich kann Ihnen sagen: in der Regel an örtlich ansässige, mittelständische Unternehmen und an das Handwerk.Wo, bitte, besteht hier Regelungsbedarf? Ich will noch einmal den Kollegen Jakoubek zitieren: Die bisherigen Erfahrungen zeigten, dass gerade nicht der Mittelstand, den zu schützen sich diese Landesregierung vorgenommen habe und der derzeit in erheblichem Umfang von kommunalen öffentlichen Aufträgen profitiert, der Gewinner sein werde; vielmehr sei im Rahmen der Liberalisierung und Globalisierung der Wirtschaft zu erwarten, dass die herkömmliche Daseinsvorsorge am Ende wenigen nationalen und internationalen Großkonzernen überlassen bleiben, deren Agenda ausschließlich auf Gewinnerzielung organisiert ist.
Mit Verlaub: Sie schießen hier mit Kanonen auf Spatzen. Sie versuchen, an diesem Punkt einen Zwist zwischen den kommunalen Unternehmen auf der einen Seite und dem Handwerk und dem Mittelstand auf der anderen Seite zu konstruieren. Wir sollten lieber das partnerschaftliche Miteinander zwischen kommunalen Unternehmen, Handwerk und Mittelstand fördern. Dieses Miteinander brauchen wir gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten.
Wir alle hatten neulich das große Vergnügen, beim Hessischen Handwerkstag zugegen zu sein, und wir hatten das mehr oder weniger große Vergnügen,die Reden von Wirtschaftsminister Rhiel, des Kollegen Hahn und des Kollegen Jung über die ausufernde wirtschaftliche Betätigung der Kommunen zu hören. Zu diesem Thema gab es eine Reihe von Vorträgen und viel Applaus vom Handwerk. Pikant an der Veranstaltung war aber, dass wir im Anschluss an die Reden Essen und Getränke genießen durften, die unter anderem von der Mainova gesponsert worden waren. Ich kritisiere das überhaupt nicht. Ich denke, dass dies die partnerschaftliche Zusammenarbeit zum Ausdruck bringt. Aber wenn man auf der einen Seite mit dem Finger auf die kommunalen Unternehmen zeigt und sich auf der anderen Seite an einem Buffet bedient, das von kommunalen Unternehmen gesponsert wurde, dann passt doch das eine oder andere nicht zusammen.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Jörg-Uwe Hahn (FDP): Jetzt verstehen wir! Ihr wollt weiterhin am Buffet essen!)
Fraport war im Übrigen auch da. Herr Kollege Hahn, es ist doch bekannt, dass Sie auf der einen Seite sagen, dass sich die Kommunen nicht wirtschaftlich betätigen sollen.
(Jörg-Uwe Hahn (FDP):Ich war zwar nicht da,aber ich hätte auch vom Buffet gegessen! – Weitere Zurufe von der CDU und der FDP)
Auf der anderen Seite sitzen Sie im Aufsichtsrat der Fraport. Wenn Sie den Maßstab, den Sie an die Kommunen anlegen, auch an das Land Hessen anlegen würden, dann müssten Sie eine andere Debatte führen.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Jörg-Uwe Hahn (FDP): Hat sich bis Frankenberg noch nicht herumgesprochen, dass die Fraport privatisiert ist? – Weitere Zurufe von der CDU und der FDP)
Meine Damen und Herren, ich will den Blick nochmals auf die kommunalen Beschäftigungsgesellschaften für Behinderte richten. Ich habe dies auch schon in der Debatte zu dem Gesetzentwurf der FDP-Fraktion angesprochen und zitiere hier aus dem Entwurf des Programms der Kommunalen Spitzenverbände mit dem Titel „Partnerschaft zwischen Kommunen, Handwerk, Handel und Mittelstand“:
Kommunale Beschäftigungsgesellschaften bedürfen einer besonderen Betrachtung. Sie leisten einen erheblichen Beitrag zur Integration von Personen, die aufgrund geringer Qualifikation oder Leistungsfähigkeit nur schwer in den Arbeitsprozess wieder einzugliedern sind. Bei der finanziellen Förderung handelt es sich um Mittel, die in entsprechendem Umfang auch privaten Gewerbetreibenden zugewiesen werden könnten, wenn sie bereit wären, diesen angesprochenen Arbeitnehmerkreis zu beschäftigen. Erfahrungsgemäß verzichten jedoch die meisten Betriebe auf entsprechende Einstellungen, da sie die Mitarbeit solcher Arbeitnehmer für ihre Betriebsabläufe eher für abträglich halten. Mit der Einführung der echten Subsidiarität wäre die Begründung solcher Beschäftigungsgesellschaften demnächst nicht mehr oder nur noch schwer möglich.
Meine Damen und Herren,wo bitte sind die gravierenden Verstöße gegen das zurzeit geltende Gemeindewirtschaftsrecht?
Ich habe schon einmal auf die einschlägigen Urteile hingewiesen. Auswüchse und Versuche der Kommunen, sich in anderen Feldern als in der Daseinsvorsorge zu betätigen und sich über die Schrankentrias von öffentlichem Zweck,Leistungsfähigkeit und Subsidiarität hinwegzusetzen,
wurden von Gerichten immer wieder zurückgewiesen und die Kommunen immer wieder in ihre Schranken verwiesen. Deshalb noch einmal die Aufforderung an die Landesregierung:Wo bitte sind die gravierenden Verstöße gegen das geltende Recht? Legen Sie doch endlich einmal offen, wo die Fehlentwicklungen in dem Bereich in Hessen wirklich sind.
Meine Damen und Herren – auch an Sie, Herr Kollege Hahn –, Sie sollen in Ihrem Fall jetzt die gelbe Filzbrille abnehmen und auf den Boden der Realität zurückkehren. Die hessischen Kommunen haben in der Tat schon Probleme genug. Wir sollten nicht noch weitere Probleme hinzufügen. – Herzlichen Dank.
Frau Präsidentin, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ich will zunächst feststellen, dass wir uns alle miteinander sehr bewusst sind, dass die Diskussionen mit den Kommunen an dieser Stelle nicht nur notwendig, sondern auch in der Sache geboten sind. Denn wir alle wissen aus jeweils individueller kommunalpolitischer Erfahrung,was sich dort in den letzten Jahrzehnten entwickelt hat. Aber genau das ist der Punkt. Deswegen wundere ich mich schon ein bisschen über das, was Herr Rudolph und auch Herr Frömmrich gesagt haben – im Grunde genommen im gleichen Atemzug –,nämlich:„Wo ist überhaupt Handlungsbedarf?“
Ich möchte Sie aufklären, Herr Rudolph, ganz besonders an Ihre Adresse,weil Sie nicht einen einzigen Fall für Hessen gesehen haben. Ich möchte schon ein paar eigene Erfahrungen schildern, die Sie mit Sicherheit auch an anderer Stelle auf kommunaler Ebene gemacht haben. Sie haben eben über die Stadt Frankfurt gesprochen. Allein die Tatsache, dass Sie das zitieren, was die „Rundschau“ dazu gemeldet hat, dass nämlich die Stadt Frankfurt befürchtet – das war sinngemäß die Überschrift –, dass sie jetzt bei 200 städtischen Unternehmen Probleme bekäme, ist in sich schon genug, hinzuschauen und zu fragen, was das für Unternehmungen sind – 200 Unternehmungen mit städtischer Beteiligung in einer, wenngleich auch großen, Stadt wie Frankfurt am Main.
Wenn man sich das anschaut und einzelne Unternehmen betrachtet – ich habe das an mehreren Stellen auch getan, weil ich im Aufsichtsrat bin –, dann kann man einen Bereich herausnehmen, die Abfallwirtschaft. Da hat die Privatisierung zugegebenermaßen sehr viel gebracht. Es ist also auch im kommunalen Miteinander mit der Wirtschaft sehr Gutes und Erfolgreiches geleistet worden. Aber ich will dabei nicht diejenigen Mittelständler vergessen, die bei einem Prozess wie diesem, der Umwandlung eines Amtes 70 mit 1.800 Mitarbeitern zu einer Frankfurter Entsorgungs- und Service GmbH – wie sie heute heißt –, auf der Strecke geblieben sind.
Sie sind auf der Strecke geblieben, weil es keine klaren Regelungen dahin gehend gab, was diese mit privaten Anteilen versehene, aber immer noch mehrheitlich im Besitz der Stadt Frankfurt befindliche Gesellschaft zukünftig tun und was sie nicht tun darf. Es gab immer wieder die Feststellung, dass aus einem Gebührenhaushalt, also aus Gebühren, die die Gebührenzahler zu bestreiten haben, quersubventioniert wurde, andere Geschäftsbereiche etabliert und aufgebaut wurden, die ausschließlich in privatwirtschaftlichen Bereichen versucht haben, Umsätze zu generieren. Wie oft hat die IHK in Frankfurt und wie oft haben Handwerkskammern an anderer Stelle genau diesen Punkt, wie ich meine, völlig zu Recht reklamiert?
Es kann nicht sein,dass wir wirtschaftlich funktionierende Branchen und Unternehmen im Einzelfall in den Ruin treiben, nur weil wir staatlich alimentierte Unternehmen in städtischer, kommunaler Trägerschaft in den Wettbewerb schicken.
Übrigens in einen – das sage ich sehr deutlich – teilweise äußerst unseriösen, aber zumindest unfairen Wettbewerb. Meine Damen und Herren, nur darum geht es. Bauen Sie
hier nicht einen Popanz auf, als würden wir die Beschäftigungsgesellschaften abbauen. Wir sind diejenigen, die im Zusammenhang mit der Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe immer gesagt haben: Wir wollen und müssen auch künftig mehr fördern.
Das heißt, wir wissen doch selbst um die Notwendigkeit, dass wir sogar an manchen Stellen zunehmend kommunale Beschäftigung schaffen müssen,um Problemgruppen und Randgruppen dieser Gesellschaft in Beschäftigung zu bringen. Genau das ist der Punkt. Weil das zum Teil an großartigen Aufgaben noch vor uns steht, wollen und müssen wir definieren, was die machen dürfen und sollen, damit nicht am Ende der Effekt eintritt, den wir immer wieder zu verzeichnen haben, dass nämlich mit Beschäftigungsgesellschaften und Beschäftigungsverhältnissen im so genannten zweiten Arbeitsmarkt Beschäftigung im ersten Arbeitsmarkt kaputtgemacht wird. Genau das ist der Punkt, über den wir hier miteinander zu reden haben.
Noch zwei Sätze zu dem, was Sie vorgetragen haben, wir würden die kommunale Selbstverwaltung infrage stellen. Das genaue Gegenteil ist doch der Fall. Wir wollen, dass zukünftig die kommunalen Abgeordneten in den Stadtverordnetenversammlungen und in Kreistagen wesentlich mehr an Transparenz erfahren, als das heute der Fall ist.
Darmstadt ist von Ihnen selbst angesprochen worden. Es ist doch kein Einzelfall. Fragen Sie einmal Kreistagsabgeordnete,fragen Sie einmal Stadtverordnete,ob sie ein Bild über kommunale Beschäftigungsgesellschaften ihrer kommunalen Träger haben. Meine Damen und Herren, Sie werden ziemlich wenig erfahren.
Wir möchten, dass Stadtverordnete und Kreistagsmitglieder im Bewusstsein des Problems,das sie immer eingehen, wenn sie städtische Gesellschaften gründen, entsprechende Entscheidungen auch bewusst treffen und nicht etwa deswegen treffen, weil sie sich gar nicht darum kümmern konnten, entsprechende Informationen zu erfahren, weil sie ihnen vorenthalten wurden.