Sie sehen also schon bei diesen beiden Fragen, dass Ihr Konzept noch nicht so weit ist, dass man darüber abschließend urteilen könnte.
Meine Damen und Herren,wir sind uns alle einig,dass das Gesundheitsmodernisierungsgesetz, das am 01.01. dieses Jahres in Kraft getreten ist, nur als Notoperation bezeichnet werden kann.
Eine dauerhafte Genesung des Patienten Gesundheitswesen ist dieser Therapieplan nicht. Ich glaube, wir sind uns alle darin einig, dass wir langfristig strukturelle Veränderungen brauchen. Dabei muss ein grundlegendes Problem behoben werden, mit dem die Gesundheitspolitik schon sehr lange und ohne durchschlagenden Erfolg kämpft, nämlich: Die enge Bindung der GKV-Einnahmen an die Lohnkosten verursacht einen Teufelskreis, der unbedingt durchbrochen werden muss.
(Dr.Thomas Spies (SPD): Das ist kein strukturelles Problem! – Gegenruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))
Steigende Beiträge erhöhen die Lohnnebenkosten und vernichten dadurch Arbeitsplätze. Das beschert den Sozialversicherungen Einnahmeverluste und erhöht wiederum den Druck auf die Beitragssätze.
(Dr. Thomas Spies (SPD): Das ist doch Quatsch! – Gegenruf des Abg. Florian Rentsch (FDP): Das ist kein Quatsch!)
Bei den Sozialabgaben haben wir heute bereits ein beschäftigungsfeindliches Niveau von gut 42 % des Bruttolohns. Ohne eine nachhaltige Reform der Finanzierungsstruktur in den kommenden Jahrzehnten aufgrund des demographischen Wandels ist ein Anstieg der Sozialbeiträge auf 60 % und mehr zu befürchten.Allein die Krankenversicherungsbeiträge, die heute im Schnitt 14,4 % betragen, würden auf über 20 % ansteigen. Eine solche Entwick
lung muss unter allen Umständen verhindert werden.Wir haben doch schon jetzt die katastrophale Folge der grottenschlechten Politik dieser Bundesregierung in Berlin in Bezug auf Wachstum und Beschäftigung: über Jahre fast kein Wachstum und eine anhaltend hohe Massenarbeitslosigkeit. Das geht natürlich nicht spurlos an den Einnahmen der Krankenkassen vorbei.
Meine Damen und Herren, wir stehen vor gewaltigen Herausforderungen. Diesen gewaltigen Herausforderungen kann man aber nicht wie im Modell der Bürgerversicherung dadurch begegnen, dass man weitere Bevölkerungskreise in ein ohnehin grundlegend reformbedürftiges System zwingt, ohne die eigentlichen strukturellen Probleme anzugehen.
Denn wer Beiträge einzahlt, erwirbt auch Leistungsansprüche. Die Einbeziehung von Beamten und Selbstständigen in die GKV würde allenfalls zum finanziellen Nullsummenspiel werden.
Nach den Berechnungen des Sachverständigenrates der Bundesregierung würden die Beiträge bei einer Bürgerversicherung immer noch zu 95 % aus Löhnen, Gehältern und Renten stammen.
Meine Damen und Herren, genau dieser Sachverständigenrat der Bundesregierung hat eindrucksvoll dargelegt, dass eine Bürgerversicherung bis zu 1 Million Arbeitsplätze vernichtet, während Gesundheitsprämien eine spürbare Zunahme der Beschäftigung hervorrufen. Besonders beschäftigungsfeindlich wirken bei der Bürgerversicherung die Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze und die Erhebung von Beiträgen auf Vermögenseinkommen – also genau jene beiden Maßnahmen, die überhaupt erst zu nennenswerten Mehreinnahmen führen würden.
Deswegen lautet das unmissverständliche Fazit: Die Pauschalprämie erhöht die Beschäftigung, die Bürgerversicherung verringert die Beschäftigung.
Eine Bürgerversicherung ist eindeutig die falsche Antwort auf die Frage, wie der steigende Ausgabenbedarf in unserem Gesundheitswesen auf bürgerfreundliche Weise finanziert werden kann.
Die Antwort lautet vielmehr: Es muss uns innerhalb weniger Jahre gelingen, die Einnahmen der gesetzlichen Krankenversicherung von Löhnen und Gehältern zu entkoppeln und sie stattdessen aus einer solidarischen Gesundheitsprämie zu erzielen.
Die CDU hat dazu ein Konzept präsentiert – das Sie,Herr Rentsch, angesprochen haben und auf das Sie, Frau Schulz-Asche,auch schon eingegangen sind –,mit dem die Leistungsfähigkeit unseres Gesundheitswesens dauerhaft erhalten und ein wichtiger Beitrag zum Abbau der Arbeitslosigkeit geleistet wird.Künftig soll jeder erwachsene Versicherte eine Gesundheitsprämie bezahlen, die jede Krankenkasse für ihre Versicherten einheitlich festlegt.
Herr Kollege Rentsch, ich muss Ihrem Antrag vehement widersprechen, in dem unser Modell als „Weg in die Einheitskasse“ bezeichnet wird. Bei der Bürgerversicherung trifft das zu, aber nicht bei unserem Modell.
(Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Bei unserer Bürgerversicherung trifft das auch nicht zu! – Dr. Thomas Spies (SPD): Von welcher Einheitskasse reden Sie?)
Frau Schulz-Asche, ich rede hier von der geplanten Bürgerversicherung der SPD. Es gibt anscheinend zwei.
Die Prämienhöhe wird durchschnittlich 200 c betragen. Ein starker sozialer Ausgleich sorgt dafür, dass niemand durch die Zahlung der Gesundheitsprämie überfordert wird. Für Kinder zahlt die Familienkasse aus Steuermitteln eine monatliche Prämie von 90 c.
Um die Demographiefestigkeit der Krankenversicherung zu erhöhen, enthält die Gesundheitsprämie neben einem Grundbeitrag von 180 c einen Vorsorgebeitrag von 20 c – Herr Kollege Rentsch, ich wäre dankbar, wenn Sie mir jetzt zuhören würden –, der während des Erwerbslebens angespart wird und im Alter zur Deckung der steigenden Gesundheitsausgaben dient. Bei all den Diskussionen, die wir seit November über die Gesundheitsprämie führen – damals hieß das noch „Kopfpauschale“ –: Diesen Vorsorgebeitrag werden wir beibehalten müssen.
Bei der Umstellung auf Gesundheitsprämien wird der Arbeitgeberbeitrag zur Krankenversicherung als Lohnbestandteil an die Arbeitnehmer ausgezahlt und versteuert. Analog dazu werden Renten und andere Lohnersatzleistungen um den bisherigen „Arbeitgeberbeitrag“ angehoben. Arbeitgeber und Investoren erhalten also ein deutliches Signal, dass die Schaffung von Arbeitsplätzen nicht durch einen weiteren Anstieg der Lohnnebenkosten gefährdet wird. Dies ist ein entscheidender Vorteil der Gesundheitsprämie.
Ein zweiter gewichtiger Vorzug liegt in der Chance, den sozialen Ausgleich für Familien und Geringverdiener zielgenauer und gerechter als bisher auszugestalten. Im Rahmen einer umfassenden Reform der Einkommensteuer nach dem Stufenmodell von Friedrich Merz – auch darin unterscheiden wir uns ein bisschen von Herrn Solms – werden die Mittel für den sozialen Ausgleich bereitgestellt.
Zum Schluss. Ich möchte das jetzt gerne im Zusammenhang vortragen. – Die Prämien für Kinder werden aus der Besteuerung des ausgezahlten Arbeitgeberbeitrags finanziert. Damit erhält der Ausgleich für Familien und Geringverdiener eine wesentlich breitere Grundlage. Gutverdiener und Kinderlose sind daran viel stärker beteiligt als bisher. Sie sehen also: Geringverdiener und Familien profitieren von hohen Freibeträgen und einem niedrigen Eingangssteuersatz.
Der Vorwurf,Gesundheitsprämien seien das Ende der Solidarität in der Krankenversicherung, entstammt daher dem Reich der substanzlosen Legende. Das genaue Gegenteil ist richtig. Bei einem steuerfinanzierten sozia
len Ausgleich trägt der viel zitierte Hauptgeschäftsführer einen weitaus größeren Anteil an der Finanzierung des Gesundheitswesens als die Verkäuferin oder der Pförtner.
Ein dritter großer Vorteil der Gesundheitsprämien liegt darin, dass die Einnahmen der GKV weniger anfällig für Konjunkturschwankungen sind. Während heute die steigende Arbeitslosigkeit, Rentenkürzungen oder der Wegfall von Weihnachts- und Urlaubsgeld zu starken Einnahmeverlusten bei den Krankenkassen führen, garantieren vom Lohn entkoppelte Gesundheitsprämien dauerhaft eine stabile Einnahmebasis.
Viertens stärken die Gesundheitsprämien die Demographiefestigkeit unseres Gesundheitswesens. Bereits heute sind die Pro-Kopf-Ausgaben der Krankenkassen für Rentner fast doppelt so hoch wie für Versicherte unter 65 Jahren, während die Beiträge der Rentner im Schnitt nur halb so hoch sind wie die der Erwerbstätigen. In den kommenden Jahrzehnten würde sich im derzeitigen System die Schere zwischen Einnahmen und Ausgaben deutlich weiter öffnen, weil das Bruttorentenniveau nach allen bekannten Vorschlägen für eine Rentenreform von heute 48 % auf weniger als 40 % im Jahr 2030 absinken wird.
Meine Damen und Herren, die solidarischen Gesundheitsprämien mit einem starken sozialen Ausgleich und kapitalgedeckten Vorsorgeelementen bieten eine ausgezeichnete Antwort – ich habe Sie nicht vergessen, Frau Schulz-Asche – auf die Frage,wie wir auch für unsere Kinder und Enkel noch einen bezahlbaren, zuverlässigen und qualitativ hochwertigen Schutz bei Krankheit und Pflegebedürftigkeit gewährleisten können. – Ich danke Ihnen.
Die Redezeit ist abgelaufen. Frau Schulz-Asche, wenn Sie sich beeilen, lasse ich Ihre Zwischenfrage noch zu – wobei das eher eine Nachfrage ist.
Ich mache es ganz kurz. – Wie sieht bei Ihnen jetzt die innerparteiliche Diskussion über die Finanzierung der Transferleistungen im unteren Bereich aus,nachdem Herr Koch letzte Woche in der „Berliner Zeitung“ gesagt hat, das Kopfpauschalenmodell sei nur bei zusätzlichen finanziellen Spielräumen aufgrund einer besseren wirtschaftlichen Entwicklung möglich?
Wenn ich Ihre Frage jetzt inhaltlich ordentlich beantworten will, kann ich mich nicht an die Vorgaben des Präsidenten halten. Ich schlage Ihnen deshalb vor, wir machen das bei einer Tasse Kaffee. – Danke schön.
Vielen Dank, Frau Oppermann. – Ich darf Herrn Abg. Dr. Spies für die SPD-Fraktion das Wort erteilen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Lieber Herr Rentsch, ich war doch ein bisschen enttäuscht von dem,