Protokoll der Sitzung vom 14.09.2004

Vielmehr sagen Sie jetzt während der zweiten Lesung kurz vor der Abstimmung, Sie hätten auch Kritikpunkte. Anschließend haben Sie aber gesagt, Sie würden dem Gesetzentwurf zustimmen.Das war für mich nicht ganz nachvollziehbar. Ich vermute, das ist den meisten Leuten dieses Hauses so gegangen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Kollege Rentsch hat schon zu Recht darauf hingewiesen: Der Gesetzentwurf muss heute durch dieses Haus gebracht werden.Denn wir haben seit über einem Jahr auf diesen Gesetzentwurf gewartet.Tatsächlich gibt es im Moment für den Beruf der Krankenpflegehilfe keine gesetzliche Grundlage.

Aber, ich habe es bereits während der Ausschusssitzung gesagt: Das, was hier vorgelegt wurde, ist lieblos zusammengeschustert.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Lassen Sie heute über Ihren Gesetzentwurf abstimmen, damit die Krankenpflegeschulen überhaupt eine Rechtsgrundlage haben, auf der sie die Ausbildung durchführen können.Aber Sie haben alle Chancen, die mit diesem Gesetzesvorhaben verbunden waren, einfach verschenkt.

Die Anhörung hat gezeigt, dass zu wesentlichen Punkten überhaupt keine konzeptionellen Überlegungen angestellt wurden. Dabei geht es z. B. um die Frage, wie wir eine Ausbildung schaffen können, die den Beruf der Krankenpflegehilfe zukunftssicher macht und auf die

Probleme antwortet, die sich aufgrund der demographischen Entwicklung ergeben. Ich habe schon darauf hingewiesen, dass hinsichtlich der Altenpflegehilfe dasselbe gilt. Darauf zu antworten haben Sie unterlassen.

Sie haben nicht die Anregung des Regierungspräsidiums Kassel aufgenommen,bereits jetzt Abschlüsse anzuerkennen, die in anderen Staaten der Europäischen Union oder in der ehemaligen DDR erworben wurden.

Herr Kollege Rentsch hat es bereits angesprochen.Sie haben die gesamte ambulante Pflege nicht berücksichtigt. Wir haben ausführlich darüber diskutiert, welcher Bedeutung gerade der ambulanten Pflege in Zukunft zukommen wird. Jetzt soll ein Ausbildungsberuf geschaffen werden, der diesen gesamten Bereich überhaupt nicht berücksichtigt. Damit kann man keine zukunftsfähige Ausbildung machen.

Das haben wir ebenfalls schon gesagt, und unter anderem der Hessische Städtetag hat auch Entsprechendes gefordert: Sie haben es erneut versäumt, prinzipielle Aussagen darüber zu treffen, wie der Beruf in Zukunft eigentlich aussehen soll. Auf Bundesebene gibt es bereits die Berufsbezeichnung des Gesundheits- und Krankenpflegers. Deswegen ist es umso verwunderlicher, dass Sie bei Ihren Versuchen,hier die Krankenpflegehilfe wie die Altenpflegehilfe zu konzipieren, darauf überhaupt nicht reagieren. Wir haben gesagt: Bei der Ausbildung in der Altenpflege und in der Krankenpflege bedarf es in heutiger Zeit auch Informationen über präventive Elemente und über die Gesundheitsförderung. Denn natürlich kann der Zustand von Menschen,die sich bereits in der Pflege befinden oder die krank sind, durch präventive oder gesundheitsfördernde Maßnahmen verbessert werden. Diesen Menschen kann geholfen werden,und zwar entweder insofern, dass die Pflegebedürftigkeit kürzer andauert oder dass mit der Pflegebedürftigkeit besser umgegangen werden kann. Wer solche Ansätze heute in der Ausbildung nicht berücksichtigt,hat international anerkannte wissenschaftliche Standards einfach nicht verstanden.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, dass Sie diese Probleme nicht aufgegriffen haben, wird dazu führen, dass die Krankenpflegehilfe weiterhin eine Art Sackgassenberuf bleiben wird. Es wird keine qualifizierte Weiterbildung ermöglicht. Der Beruf wird schlecht bezahlt. Es bestehen wenig Chancen, in anderen qualifizierten Berufen weiter ausgebildet zu werden. Diese Ausbildung führt letztendlich dazu, dass die Krankenhausträger das dazu werden nutzen können, die Auszubildenden hin und her zu schieben, um Personaldefizite auszugleichen. Einen Beruf, der an die demographischen Herausforderungen angepasst ist, haben Sie damit nicht geschaffen. Deswegen werden wir den Gesetzentwurf ablehnen. – Danke.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Frau Schulz-Asche, danke schön. – Frau Oppermann, Sie haben für die CDU-Fraktion das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Kollege Spies, von Ihnen habe ich nichts anderes erwartet. Frau

Schulz-Asche, Sie haben mich jetzt aber doch ein bisschen enttäuscht. Auch Sie haben gesagt, die Krankenpflegehilfe sei ein Sackgassenberuf. Dass diese Aussage gerade von Ihnen kommt, hat mich sehr enttäuscht. Ich hoffe, das haben draußen nicht sehr viele mitbekommen. Denn mit solch einer Äußerung nehmen Sie den jungen Menschen eine Perspektive, die sie wirklich dringend brauchen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Frau Oppermann, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Kollegen Dr. Spies?

(Anne Oppermann (CDU): Aber gerne! – Nicola Beer (FDP): Das ist jetzt übertrieben! – Jörg-Uwe Hahn (FDP):Das hätte jetzt nicht sein müssen! Das hättet ihr doch auch in Marburg besprechen können!)

Frau Kollegin Oppermann, haben Sie konkrete Zahlen über den Teil der Pflegehelfer, die dann tatsächlich in eine Pflegeausbildung wechseln? Erinnern wenigstens Sie sich mit mir daran, dass die Landesregierung während der Ausschusssitzung mitgeteilt hat, dass die Arbeitslosigkeit bei den Pflegehelfern – wie war die Formulierung? – außerordentlich differenziert zu betrachten sei, man sich aber dennoch entschlossen habe, diesen Gesetzentwurf vorzulegen?

Natürlich habe ich genauso wie Sie den Verlauf der Ausschusssitzung verfolgt. Dementsprechend habe ich auch das so gehört, wie Sie es gerade dargestellt haben. Ich sagte aber bereits bei der Einbringung des Gesetzentwurfs, dass wir in den Sechzigerjahren bei der Krankenpflegehilfe einen Boom hatten, der aus den unterschiedlichsten Gründen dann versandet ist. Unter anderem aber auch wegen des demographischen Wandels besteht mittlerweile die Notwendigkeit, wieder verstärkt die einjährige Ausbildung anzubieten.

Ich komme zu dem Thema Zahl der theoretischen Ausbildungsstunden. Ich begrüße es außerordentlich, dass die Zahl der theoretischen Ausbildungsstunden auf 200 erhöht werden wird. Denn das wird den Einstieg in die dreijährige Ausbildung erleichtern.

Frau Oppermann, auch Frau Kollegin Schulz-Asche möchte Ihnen eine Zwischenfragen stellen. Gestatten Sie auch diese noch?

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Herr Präsident, wir haben gleich Schicht!)

Wird mir das auf meine Redezeit angerechnet?

Natürlich geht das auf Ihre Redezeit.

Frau Schulz-Asche, es tut mir Leid, aber dann kann ich Ihre Zwischenfrage nicht zulassen. – Vielleicht haben Sie andere Passagen gelesen als ich.Aber bei der Auswertung der schriftlichen Anhörung, die es zu diesem Gesetzentwurf gegeben hat, wurde deutlich, dass dem Gesetzentwurf mehrheitlich zugestimmt wurde.

Ich will jetzt nur auf einige Punkte kurz eingehen. Frau Schulz-Asche, Sie haben die Stellungnahme der RPs betreffend Abschlüsse in der EU und der DDR angesprochen. Dazu ist Ihnen im Ausschuss deutlich gesagt worden, dass dies auf dem Erlassweg geregelt werden kann. Also tun Sie bitte nicht so, als ob dies nicht berücksichtigt würde.

Was die Berufsbezeichnung angeht, habe ich auch schon im Ausschuss klargestellt, dass bei der Änderung des Bundeskrankenpflegegesetzes die Fachverbände nicht in allgemeine Begeisterung verfallen sind.

Zur Kalkulation der Ausbildungskosten haben Sie vorsichtshalber nichts gesagt; die ist nämlich im Fallpauschalengesetz geregelt. Dazu darf ich hier auch wiederholen, was ich im Ausschuss gesagt habe.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das ist nicht nötig!)

Die CDU in Berlin hat das Fallpauschalengesetz nicht mitgetragen. Mittlerweile liegt schon der Entwurf einer zweiten Änderung zum Fallpauschalengesetz vor. Ich hoffe, dass diese Bundesregierung einmal etwas Richtiges macht, indem sie den § 17a Krankenhausfinanzierungsgesetz zur Finanzierung von Ausbildungsplätzen ändert.

Meine Damen und Herren, die gemeinsame Berufsausbildung von Altenpflegehelfern und Krankenpflegehelfern, die von einigen Anzuhörenden gefordert wurde, ist durch diesen Gesetzentwurf nicht ausgeschlossen. Ich habe schon bei der Einbringung dieses Gesetzentwurfs gesagt, dass ich die Modellklausel in dem Entwurf, wonach gemeinsame Ausbildungsstrukturen in der Altenpflegehilfeund Krankenpflegehilfeausbildung erprobt werden können, ausdrücklich begrüße. Da gibt es nämlich mehr gemeinsame Schnittstellen als bei der dreijährigen Krankenpflege- bzw.Altenpflegeausbildung.

Meine Damen und Herren, bei der einjährigen Ausbildung zur Krankenpflegehilfe werden viele Hauptschülerinnen und Hauptschüler die Möglichkeit haben, eine Ausbildung zu beginnen.Aber auch für Migrantinnen und Migranten wird die Möglichkeit geschaffen, einen Berufsabschluss zu erwerben. Mit diesem niedrigschwelligen Angebot erhöhen wir die Ausbildungschancen benachteiligter Personengruppen.Deswegen ärgert es mich maßlos, wenn Sie sagen, Krankenpflegehilfe sei ein Sackgassenberuf.

(Beifall bei der CDU – Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Jetzt übertreiben Sie aber! – Petra Fuhrmann (SPD): Nein, der Gesetzentwurf ist eine Sackgasse!)

Frau Kollegin Oppermann, die fünf Minuten Redezeit sind um. Kommen Sie bitte zum Schlusssatz.

Ich hatte gehofft, dass Sie sich der Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf nicht verweigern würden.Ich habe vergeblich gehofft. Wir unterstützen selbstverständlich diesen Gesetzentwurf. – Danke schön.

(Beifall bei der CDU)

Danke,Frau Oppermann.– Frau Staatsministerin Lautenschläger, Sie haben das Wort für die Landesregierung.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es ist schon sehr spannend, was die Opposition zu dem Gesetzentwurf sagt, wenn es darum geht, jungen Menschen eine Ausbildungschance zu eröffnen, vor allem denen, die nur einen Hauptschulabschluss haben.Wir haben diesen Gesetzentwurf vorgelegt, weil auf Bundesebene eine Regelung in das Krankenpflegegesetz aufgenommen wurde, wonach die dreijährige Ausbildung so nicht mehr möglich ist bzw. auch die Krankenpflegehilfe nicht mehr vorhanden ist, wenn es keine gesetzliche Regelung vor Ort gibt. Das ist gerade eine Chance für diejenigen, die nur einen Hauptschulabschluss haben.

Natürlich geht es an dieser Stelle darum, dass derjenige, der in so einen Beruf startet, später auch die Chance hat, aus dem Beruf weiterzukommen. Das ist gerade das Interessante an der einjährigen Ausbildung, sowohl in der Krankenpflege als auch in der Altenpflege, dass wir sie so modular gestalten, dass jemand, von dem sich zeigt, dass er es gut macht, nach wie vor die Perspektive hat, zwei weitere Jahre dranzuhängen, eine komplette Ausbildung zu machen, und dann auch weitere Chancen im Berufsleben hat. Das ist der richtige Weg für diese Menschen. Ich stimme Frau Oppermann zu: Es ist natürlich eine Unverschämtheit denjenigen gegenüber, die einen solchen Beruf ergreifen, zu sagen, das sei eine Sackgasse.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Florian Rentsch (FDP))

Meine Damen und Herren, Sie haben auch bemängelt, wie es mit Detailregelungen und mit der Berufsbezeichnung aussieht. Wir haben bereits im Ausschuss klargestellt,dass es bestimmte EU-Regelungen gibt,dass es aber keinen Sinn macht, die ins Gesetz aufzunehmen, weil in ganz kurzen Abständen ständig neue Regelungen dazukommen, die die anderen Länder und die Gleichbehandlung von Berufen betreffen.Das heißt,sie werden auf dem Erlassweg geregelt. Dazu bedarf es keiner gesetzlichen Regelung, deswegen ist das auch nicht hineingekommen.

Bei der Frage, wie es mit der Berufsbezeichnung aussieht, haben Sie gewünscht, wir sollen die Gesundheitsförderung und die Betreuung von Menschen mit Behinderungen einbeziehen und in die Berufsbezeichnung aufnehmen. Ich will Ihnen noch einmal den Grund nennen, warum wir das nicht gemacht haben.Wir wollen mit der Berufsbezeichnung nicht etwas suggerieren, was in diesem Ausbildungsabschnitt nicht vorhanden ist. Da bitte ich Sie schon einmal, Ihre eigenen Worte ernst zu nehmen. Wir haben den Theorieanteil erhöht, um die Möglichkeit zu eröffnen, in einen weiteren Ausbildungsabschnitt modular durchzustarten. Aber hätten wir noch weitere Teile aufgenommen, hätte das geheißen, dass der Anteil weiter hätte erhöht werden müssen. Zum Schluss hat das natür

lich Auswirkungen auf die Kosten, die im Moment über das Fallpauschalengesetz vor Ort abgebildet werden. Sie wissen, wie eng die Spielräume an den Stellen sind. Deswegen ist es nach wie vor der richtige Weg, dass wir mit diesem Gesetz die Chance eröffnen, in einen Ausbildungszweig hineinzukommen. Wir haben alle EU-rechtlichen Vorgaben erfüllt.

Ich will Ihnen noch ein letztes Beispiel nennen. Frau Kollegin Schulz-Asche, Sie hatten im Ausschuss angesprochen, wenn ich mich richtig erinnere, dass die Ausbildung schon deswegen keinen Sinn mache, weil es nur um so wenig Gehalt gehe. Wenn man über das Gehalt redet, kann man sich ansehen, dass es sogar einen Bundesangestelltentarif für Krankenpflegehelferinnen gibt, der zwar nicht überall angewendet wird, der aber immerhin beim Berufseinstieg für eine unverheiratete Frau, eine Berufsanfängerin ohne Kinder,auf ein Bruttogehalt von 1.700 € im Monat kommt. Damit hat man immerhin eine Chance, etwas Vernünftiges zu machen.

Es gibt nach wie vor genügend Menschen, die sich um diesen Berufszweig kümmern. Gerade für Migrantinnen ist es übrigens eine Einstiegsmöglichkeit.Viele wollen in diesem Bereich weitermachen. Deswegen ist es aus meiner Sicht ganz wichtig, sowohl aus der Sicht der Ausbildung als auch aus der Sicht der Krankenpflege heraus, dass dort gesplittet werden kann, Krankenpflegehelferinnen genauso wie Krankenpflegerinnen zu nehmen. Mit diesem Gesetz eröffnen wir die Möglichkeit,es vor Ort flexibel zu gestalten. Das ist der richtige Weg, und da kann ich Ihr Gemäkel von der Opposition überhaupt nicht nachvollziehen.

(Beifall bei der CDU)

Ich darf Frau Schulz-Asche das Wort erteilen. Nach der Geschäftsordnung stehen Ihnen fünf Minuten Redezeit zur Verfügung.

Danke, Herr Präsident. Die werde ich nicht ausnutzen. Aber ich werde hier auch nicht stehen lassen, was gerade gesagt wurde.