Wenn ich diese Leistungsbilanz sehe, dann gibt es überhaupt keinen Anlass für uns, in irgendeiner Form in Sack und Asche zu gehen – im Gegenteil. Auf diese Leistungsbilanz können wir als Regierungsfraktion stolz sein, und wir sind stolz auf diese Leistungsbilanz. Dies hat noch keine andere Landesregierung in diesem kurzen Zeitraum geleistet.
Wir haben damit deutlich gemacht: Bildung hat in Hessen unter der CDU/FDP-Regierung Priorität bekommen.Bildung hat auch bei dieser Landesregierung Priorität, und sie wird in Zukunft Priorität behalten.
Es geht um die Zukunft des Landes, es geht um die Zukunft unserer Kinder, und die sind bei dieser Landesregierung in allerbesten Händen.
Danke, Herr Irmer. – Das Wort für eine Kurzintervention hat Herr Kollege Walter für die SPD-Fraktion.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Kollege Irmer, ich glaube, dass Ihr Wahlkampfslogan der Unterrichtsgarantie mittlerweile einer der besten Slogans für die Opposition in diesem Hause ist.
Ich will Ihnen das auch erklären.Herr Jung weiß,was jetzt kommt. Der Fraktionsvorsitzende der CDU und ich hatten vor knapp einer Woche die Gelegenheit, beim HR 1 gemeinsam einen Abend zu gestalten. Da habe ich Herrn Jung auch gesagt: „Das mit der Unterrichtsgarantie ist gut für die Opposition, weil die Menschen in unserem Land merken, dass wir sehr weit weg sind von der Unterrichtsgarantie.“ Herr Jung hat trotzdem gesagt: „Wir haben sie verwirklicht.“ Die Telefone standen nicht mehr still. Es war wunderbar, das zu erfahren. Es riefen Mütter an und sagten: „Von wegen Unterrichtsgarantie. Das Schuljahr hat vor zwei Tagen begonnen, und der Klassenlehrer meiner Tochter ist noch nicht da.“ Meine sehr verehrten Damen und Herren, erzählen Sie den Menschen mehr von der Unterrichtsgarantie. Das nützt uns als Opposition in diesem Hause.
Zweiter Punkt. Herr Irmer, Kurzintervention: Ich glaube, dass Sie das zentrale Problem nicht verstanden haben. In dem Interview sagt Herr Schleicher von der OECD: Es klingt hart, aber mit Menschen ohne Basiskompetenz kann eine Wissensgesellschaft nichts anfangen. Schüler brauchen effektive Lernstrategien, nicht das Abarbeiten von Lehrplänen. Die Schule muss individuelle Lernangebote machen, die Unterschiede zwischen den Schülern berücksichtigen, statt früh zu selektieren.
Herr Irmer, Sie können jetzt auf diese Kurzintervention antworten. Entweder Sie sind so arrogant, zu sagen, die wissenschaftlichen Erkenntnisse interessieren Sie nicht, die halten Sie für falsch, oder aber Sie müssen hier darlegen, wie Sie diese Schulpolitik – weiter möglichst frühe Auslese, weiter möglichst frühe Selektion – mit diesen wissenschaftlichen Erkenntnissen in Übereinstimmung bringen wollen.
Wir sehen, dass Sie uns in die Nähe der Ideologen bringen wollen. Tatsächlich haben wir die Wissenschaft auf unserer Seite. Ihre Schulpolitik entspricht den Ideologien der Fünfziger-, Sechziger- und Siebzigerjahre.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Ihr Beharren auf einer möglichst frühen Selektion wird Sie die Unterstützung aus der Wirtschaft kosten, weil die Menschen aus der Wirtschaft wissen, dass wir möglichst viele möglichst hoch ausgebildete Menschen brauchen.
Herr Kollege Walter, zunächst einmal habe ich festzuhalten: So ein Einzelfall, wie Sie ihn geschildert haben – das bestreite ich überhaupt nicht –, wird immer wieder vorkommen. Ich habe im letzten Schuljahr ein ähnliches Beispiel gehabt, wo eine Kollegin einem Schulleiter schriftlich zugesagt und am Tag des Unterrichtsbeginns, aus welchen Gründen auch immer, abgesagt hat. Nebenbei: Sie hatte eine volle Planstelle.
Das ist die Lebenswirklichkeit. Eine gute Schulleitung wird dieses Problem lösen. Im Übrigen hätte sie heutzutage das Geld, das Problem zu lösen – Geld, das es zu Ihrer Regierungszeit nicht gab.
Das Zweite, was die Basiskompetenz angeht: Dass ausgerechnet die Sozialdemokraten von Basiskompetenz sprechen,wo sie in diesem Bundesland alles dazu getan haben, den Unterricht zu kürzen, das ist der Gipfel der Unverschämtheit. Sie haben den Schülerinnen und Schülern durch Unterrichtsausfall eineinhalb Jahre ihrer Schulzeit weggenommen.
Ich kann Ihnen eine ganze Menge Untersuchungen geben, z. B. vom Max-Planck-Institut München,Außenstelle Berlin. Verehrter Herr Kollege Walter, es gibt Untersuchungen – die bestimmte Kreise gar nicht zur Kenntnis nehmen wollen –, wo ganz klar gesagt wird:
Die Einheitsschule ist ein pädagogisches Verbrechen an den Kindern, weil nicht frühzeitig differenziert wird. – Es gibt Untersuchungen, die ganz klar zeigen, dass Kinder, die an einer sechsjährigen Grundschule teilgenommen haben, im Lernergebnis deutlichen denjenigen hinterherhinken,die ab der Klasse fünf ein Gymnasium besucht haben. Diese Erkenntnisse negieren Sie. Die sind für mich als Pädagoge, der ich auch einmal war, aber entscheidend.
Wir brauchen deshalb ein begabungsgerechtes, individuelles Schulsystem und keine Einheitsschule, denn die Einheitsschule ist ein pädagogisches Verbrechen an den Kindern.
Wir fahren in der Rednerfolge fort.Ich darf Frau Ypsilanti das Wort für die SPD-Fraktion erteilen. Sie haben zehn Minuten Redezeit.
Herr Irmer, es ist nicht irgendeine Studie, über die wir reden, sondern es ist eine OECD-Studie. Prof. Schleicher ist auch nicht irgendein Wissenschaftler, sondern der für diese Studie zuständige Wissenschaftler. Meine Damen und Herren, wenn sich die Kultusministerin von Rheinland-Pfalz, Frau Ahnen, über die Studie aufregt, weil sie sagt, Herr Schleicher kritisiere sie zu Unrecht, weil das, was von PISA zu lernen ist, bereits in die Wege geleitet wurde, dann darf sie das. Aber Sie, Frau Ministerin, und die CDU-Fraktion dürfen das nicht,weil Sie gar nichts aus PISA gelernt haben.
Die Ministerin sagt, sie möchte nicht, dass Hessen bei der Schulzeitverkürzung ein gallisches Dorf in Europa ist. Frau Ministerin, in anderer Beziehung haben Sie keine Angst, Hessen zu einem gallischen Dorf zu machen. Wir sind gerade dabei, Hessen zu einem bildungspolitischen gallischen Dorf zu machen. Sie haben aus PISA nicht gelernt, dass wir eine Durchlässigkeit im Bildungssystem brauchen. Sie haben nicht gelernt, dass die Förderung und nicht die Auslese im Vordergrund stehen muss. Sie haben nicht gelernt, dass wir über eine Qualitätsganztagsschule und nicht über eine Mittagsbetreuung reden. Sie haben auch noch nicht gesagt, zumindest ist mir das nicht bekannt, was Sie unter frühkindlicher Förderung verstehen. Dazu liegt bis heute kein Konzept vor.
Deshalb will ich mich überhaupt nicht an Ihrer Zahlenjongliererei beteiligen, Herr Irmer, sondern die Fakten benennen. Die Ministerin denkt, wir sind auf dem besten Wege bei der Entwicklung unserer Schulen zu Qualitätsschulen, weil wir Fördern und Fordern ernst nehmen. Dazu sage ich Ihnen:Außer Fordern kann ich nicht viel sehen. Wie wollen Sie denn in einer Klasse fördern, die randvoll ist? In der Klasse meines Sohnes, drittes Schuljahr, sitzen 28 Kinder. Wie soll denn da eine Förderung der schwächeren und der stärkeren Kinder aussehen? Der Förderunterricht war einmal dazu gedacht, dass die stärkeren und die schwächeren Kinder gefördert werden. Mittlerweile ist es so, dass die ganz schwachen überhaupt nicht mehr mitkommen.
Wenn Sie das Fördern auf Vergleichsarbeiten beziehen, dann sage ich: Das ist ein sehr mageres Konzept. Es hat mich schon überrascht, dass Sie sagen, Hessen tritt im nächsten Jahr in eine Versuchsphase zum Thema frühkindliche Bildung ein. Bis heute liegt uns dazu kein Konzept vor. Die SPD hat ein sehr eindeutiges, sehr ausgefeiltes Konzept vorgelegt.Was haben Sie gemacht? Sie haben es einfach abgelehnt. Wahrscheinlich können Sie nicht schnell von irgendeinem anderen Bundesland, z. B. Bayern, abkupfern. Es müsste aber doch schneller ein Konzept vorgelegt werden können.
Sie haben nichts von dem gelernt, was man aus der PISAStudie lernen muss. Die frühkindliche Bildung ist ein ganz wesentlicher Teil der Bildung. Bislang legen wir auf die frühkindliche Bildung noch viel zu wenig Wert. Deshalb: Bevor wir mit den Modellversuchen anfangen, lassen Sie uns über Ihr Konzept der frühkindlichen Bildung reden.
Es ärgert mich maßlos, dass Sie hier die OECD-Studie abwerten, aber eine Bildungspolitik in Hessen betreiben, die überhaupt keine wissenschaftliche Grundlage hat. Herr Irmer,Sie konnten mir bis heute nicht benennen,auf welcher wissenschaftlichen und auf welcher gesellschaftspolitischen Grundlage Sie in Hessen Bildungspolitik machen. Solange wir das nicht geklärt haben, entwickeln wir Hessen in der Tat bildungspolitisch zu einem gallischen Dorf.
Danke, Frau Ypsilanti. – Herr Dr. Herr, Sie haben das Wort. Ihnen steht eine knappe Viertelstunde Redezeit zur Verfügung.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist eine ganze Reihe von Anträgen abzuarbeiten. Zu denen möchte ich sprechen.
Aber zuvor noch zwei Bemerkungen zu dem, was meine Vorredner hier sagten. Herr Walter, Sie haben natürlich Recht, wenn Sie sagen, es sollte nicht sein, dass gleich am ersten Schultag etwas passiert.Ein Schulleiter hat mir dieser Tage erzählt, am ersten Tag des neuen Schuljahres hat ihm eine Kollegin ihr Pensionierungsgesuch vorgelegt. Das war aber auch früher schon so. Ich war etliche Jahrzehnte im Schuldienst und habe das erlebt. Da können Sie gar nichts machen. Da haben Sie ein Problem. Das hat mit der Unterrichtsgarantie gar nichts zu tun.Es ist einfach so. Das Problem muss dann schulintern gelöst werden.