Meine Damen und Herren, das richtet sich jetzt an RotGrün.Was Sie hier betreiben, ist oft Gleichmacherei statt Gerechtigkeit – das wissen Sie.
Sie versuchen, über Geldumverteilung Unterschiede zu nivellieren. Das Ergebnis dieser ganzen Politik ist: Es entsteht Neid in dieser Gesellschaft. – Wenn Sie sich mit ausländischen Gästen unterhalten, die wir im Landtag öfter haben, werden Sie feststellen, dass es in keinem anderen Land in Europa und der Welt so eine Neiddiskussion wie in Deutschland gibt. Dazu haben Sie sehr stark beigetragen.
Unsere Sozialsysteme dienen schon längst nicht mehr dazu, die Menschen vor Notlagen zu schützen. Sie dienen dazu, Geld umzuverteilen. Jeder dritte Euro des Bundes – das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen – geht in den Sozialhaushalt. Trotzdem stehen die sozialen Sicherungssysteme vor dem Zusammenbruch. An dieser Stelle muss irgendetwas nicht stimmen.
Die FDP will davon weg. Wir Liberale verschließen uns nicht davor, dass in Zukunft weniger Mittel im Sozialbereich vorhanden sein werden.Wir jammern nicht.Wir machen konkrete Vorschläge, wie damit umzugehen ist. Unserer Ansicht nach ist die Evaluation eines der wichtigsten Mittel, um Geld im Sozialbereich sinnvoll einsetzen zu können.
Evaluation bedeutet die Prüfung der Wirksamkeit von Leistungen,Auch die gibt es nicht umsonst, das wissen wir mittlerweile. Aber sie ist die einzige Möglichkeit, herauszubekommen, wo soziale Hilfen wirken, wo sie passgenau beim Menschen ankommen.
Deshalb darf es nach unserer Meinung keine Bestandsgarantie im Sozialbereich geben. Es kann nicht sein, dass heutzutage noch Institutionen Bestandsgarantien gegeben werden, wie das von einigen Teilen in diesem Hause gefordert wird. Keine Bestandsgarantien für Empfänger von Landesmitteln – das ist eine Forderung der FDP in diesem Hause.
Jeder muss sich im sozialen Bereich fragen lassen, ob sein Angebot das Ziel erreicht, das man sich gesteckt hat. Wenn es das Ziel nicht erreicht, muss man die Maßnahme neu überdenken. Das ist unserer Meinung nach verantwortlicher Umgang mit Steuergeldern.
Frau Ministerin, ich bin ziemlich sicher, dass Sie in diesem Bereich unsere Einschätzung teilen. Ich hoffe, dass wir noch einmal zum Thema Evaluation kommen werden und das Land Vorschläge macht, wie es sich diesen Bereich vorstellt.
Meine Damen und Herren, man kann das Fazit ziehen: Der Antrag der SPD zeigt, dass sie nicht verstanden hat, worum es geht. Die Retrospektive teile ich zum Teil, aber wo ist der Ausblick in die Zukunft? – Das vermisse ich. Zum Antrag der Union kann ich nur sagen: Frau Oppermann, Sie haben teilweise sehr stark am Thema vorbeigeredet. Man kann mit einem Antrag nicht das ganze Vorhaben „Operation sichere Zukunft“ negieren und wegdiskutieren. Das wird Ihnen nicht gelingen. Das wissen Sie auch.
Man kann vor allen Dingen auch nicht der Opposition vorwerfen – das nehme ich für die FDP-Fraktion dieses Hauses in Anspruch –, dass sie keine Vorschläge gemacht habe, wo eingespart werden soll. Ich habe das Papier dabei. Ich werde es Ihnen nachher gerne geben. Es ist die Rede vom letzten Jahr. Wir haben ganz konkrete Vorschläge gemacht, wo wir hätten einsparen wollen und wie wir es hätten anders machen wollen. Wir haben gesagt: Bevor es zu Einsparungen kommt, wollen wir, dass die Landesregierung eine Aufgabenkritik durchführt. – Meine Damen und Herren, diese Aufgabenkritik haben Sie nicht gemacht.
Etwas Positives hat das Sparprogramm der Landesregierung eindeutig gehabt.Das ist aber nicht ein Verdienst der Landesregierung. Die Einrichtungen und Institutionen haben eines gemacht: Sie haben versucht, sich andere Geldquellen zu erschließen.– Meines Erachtens waren sie dabei sehr kreativ. Sie haben Benefizveranstaltungen durchgeführt. Spenden wurden eingeworben. Fördervereine wurden gegründet. All das ist geschehen. Beispielsweise gab es eine Veranstaltung des Hessischen Jugendrings zum Thema „Einwerbung von Geldern“, also zum Fundraising. Ich glaube, das ist wirklich ein Verdienst der sozialen Institutionen in Hessen. Sie haben sich mit den vorhandenen Verhältnissen „abgefunden“. Was blieb ihnen aber auch anderes übrig? Sie haben das Beste daraus gemacht. Deswegen gebührt ihnen ein großes Lob. Denn ich glaube, sie hätten sich auch anders verhalten können.
Abschließend möchte ich noch eine Bemerkung machen. Falls wir das Thema „Sozialpolitik in Hessen“ noch einmal diskutieren sollten – ich gehe davon aus, dass es nicht das letzte Mal sein wird, dass in diesem Haus das Thema diskutiert wird –,würde es mich freuen,wenn beide Seiten des Hauses die Superlative weglassen würden, die wir heute gehört haben. Ich würde mich freuen, wenn Sie auf die Politik der Mitte, die ich für die FDP gerade eben vorgetragen habe, einschwenken würden. Ich würde mich freuen, wenn Sie mit Vernunft und Sachverstand an die Probleme herangehen und die Veränderungen akzeptieren würden, die diese Zeit mit sich bringt. – Herzlichen Dank.
Jetzt kommt es zu einer Kurzintervention. Gemeldet dazu hat sich Herr Kollege Siebel. – Herr Kollege Siebel, Sie haben das Wort dazu. Sie haben zwei Minuten Redezeit.
(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Er will bestimmt danach auch eine Presseerklärung mit dem Inhalt machen: „Ich war der Zweite“!)
Herr Kollege Rentsch, ich habe mich zu Wort gemeldet, weil Sie hier im Hessischen Landtag eine Analogie zwischen der Diskussion über die Vergleichbarkeit der Lebensverhältnisse in der Bundesrepublik und den Kürzungen im Sozialbereich gezogen haben. Ich habe mich zu Wort gemeldet, weil damit Ihre Idee bzw. Ideologie, wie man mit den sozialen Sicherungssystemen umzugehen gedenkt, deutlich geworden ist. Soziale Sicherungssysteme sind doch nicht dazu da,um Einzelnen etwas Gutes zu tun. Vielmehr handelt es sich um eine staatliche Aufgabe, die dazu dient, dass unser Staatssystem funktioniert und in der Balance gehalten wird. Das ist doch vom Grundsatz her etwas völlig anderes, als nach dem Gesichtspunkt der Effizienz damit umzugehen. Danach rufen Sie.
In der Tat werden wir uns in Zukunft damit auseinander zu setzen haben.Denn die Hessische Landesregierung hat nicht nur hinsichtlich des „Programms düstere Zukunft“, sondern für alle Förderprogramme ein Evaluationsprogramm aufgelegt, das all diese Programme unter Effizienzgesichtspunkten bewerten soll. Wir werden also die grundsätzliche Frage, was es denn tatsächlich heißt, vergleichbare Lebensbedingungen in unserem Lande und für die Menschen unseres Landes herzustellen, in einer Debatte sehr grundsätzlich erörtern müssen.
Herr Kollege Rentsch, ich bin Ihnen sehr dankbar, dass Sie diesen grundsätzlichen Gedanken hier aufgegriffen
Herr Kollege Siebel, vielen Dank. – Das Wort hat die Hessische Sozialministerin, Frau Staatsministerin Lautenschläger.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Thema wurde schon mehrfach behandelt. Ich glaube, ich sage Ihnen nichts Neues, wenn ich Ihnen mitteile, dass es nicht einfach war, diese Einschnitte in Höhe von 30 Millionen c im Sozialetat vorzunehmen. Nicht alles, was wir nach wie vor für wünschenswert halten, war auch finanzierbar.
Meine Damen und Herren der SPD und der GRÜNEN, Sie müssen sich an der Stelle aber auch irgendwann einmal entscheiden. Frau Fuhrmann hat hier gesagt, Hessen sei ein reiches Land. Für heute haben Sie aber auch eine Pressekonferenz angesetzt,in der Sie das Motto vortragen werden: Es ist kein Geld da, und es muss noch mehr gespart werden. – Auch Sie müssen da einmal eine Entscheidung treffen.
Trotz der Maßnahmen, die wir vorgenommen haben, zeichnen Sie hier ein völlig falsches Bild. Sie zeichnen ein Zerrbild, das nur Ihre Vorstellung von der sozialen Landschaft in Hessen enthält.
Das soziale Netz ist in Hessen nach wie vor flächendeckend vorhanden. Ich will Ihnen dazu einige Beispiele nennen, obwohl ich genau weiß, dass es an vielen Stellen schwieriger geworden ist. Oft bedurfte es der Initiative der Einrichtungen, sich miteinander zu vernetzen. Herr Kollege Rentsch hat das bereits angesprochen. Die Einrichtungen haben auch versucht, die Ressourcen zu bündeln. Das waren Notwendigkeiten, die sich aufgrund des Sparprogramms der Landesregierung ergeben haben. Es hat sich aber auch gezeigt, dass es gut möglich war, das Netz flächendeckend zu erhalten.
Ich will Ihnen aber auch eines sehr deutlich sagen: Wenn Sie von Prävention sprechen, sollten Sie sich auch anschauen, was Sie alles zur Prävention zählen. – Ich will Ihnen ein paar Beispiele dazu nennen.
Die Hessische Landesregierung hat im Jahr 2004 für Maßnahmen der Integration immer noch 4,2 Millionen c zur Verfügung gestellt. Das ist auch nach den Sparmaßnahmen noch doppelt so viel, wie 1998 dafür ausgegeben wurde.
Wir haben hinsichtlich der Prävention gesagt:Dort wollen wir weiter fördern. – Wir haben deswegen auch eine Ausnahme gemacht. Bei einem Programm wurde im letzten Jahr sogar trotz Sparmaßnahmen weiter aufgestockt. Denn wir haben gesagt: Gerade die Ausgangschancen der Kinder müssen gleich sein. – Deswegen sind auch im letzten Jahr die Mittel für das Sprachförderprogramm im Kindergarten weiter aufgestockt worden. Denn es ist die beste Prävention, dass ausländische Kinder den Kinder
Im Übrigen werden wir dieses Programm auch in diesem Jahr weiter ausbauen. Denn es ist ein Programm, das als niederschwelliges Angebot von den Kindern und den Eltern – vor allem von den Müttern – vor Ort prima angenommen wird.Wir werden in diesem Bereich die Prävention also weiter betreiben und sogar ausbauen.
Sie müssen also schon sehr genau hinschauen, bevor Sie behaupten, alles wäre zerstört worden. Wir bauen auch weiter auf. Wir wissen, dass die sozialen Einrichtungen Schwierigkeiten hatten und stärker zusammenarbeiten mussten. Sie haben deswegen Schwerpunkte gebildet.
(Petra Fuhrmann (SPD): Und manche sozialen Einrichtungen mussten schließen, sagen Sie das doch auch!)
Frau Kollegin Fuhrmann, ich werde noch zu weiteren Punkten kommen.– Sie müssen sich aber auch anschauen, welche Kraftanstrengungen es gekostet hat, in diesem Bereich weiterzumachen und manches trotzdem sogar noch auszubauen.
Ich will auch auf das Thema Frauenhäuser eingehen. Ich habe Ihnen immer gesagt: Es war eine schwierige Entscheidung. – Sie betraf die Frage, ob wir bei allen Frauenhäusern die Mittel kürzen sollen oder ob wir bestimmte aus der Förderung herausnehmen sollen, damit die anderen, die eine flächendeckende Versorgung ermöglichen, weiterhin voll gefördert werden können. 25 Frauenhäuser werden weiterhin voll gefördert. Nach wie vor stellen wir dafür über 2 Millionen c zur Verfügung. Es ist nicht so, dass sich das Land dort komplett aus der Förderung zurückgezogen hat, wie Sie es immer wieder versuchen darzustellen.
Ein Frauenhaus wurde geschlossen, und zwar genau das, zu dem der Rechnungshof gesagt hat, dass die Auslastung so gering sei, dass dort ein effizienter Mitteleinsatz nicht gegeben sei. Das Land hat das Frauenhaus mit über 200.000 c gefördert.Der Kreis hat dann auch noch einmal Mittel in ungefähr gleicher Höhe gezahlt.
Wir haben für den Vogelsberg eine neue Möglichkeit der Versorgung gefunden, die Ihnen während einer Sitzung des Sozialpolitischen Ausschusses auch genau erläutert wurde. Dort wurde eine völlig neue Einrichtung geschaffen. Das ist kein Frauenhaus, aber eine Interventionsstelle, die jederzeit erreichbar ist. Vor Ort haben alle gesagt, dass die Frauen angemessen vermittelt werden und dass Beratungsgespräche angeboten werden konnten.Die Polizei wurde eingebunden. Es wurde nachgefragt, ob dort das Angebot weggefallen ist. Die einhellige Meinung war: Nein, die Vermittlung funktioniert.