Protokoll der Sitzung vom 06.10.2004

Meine Damen und Herren, Sie betreiben hier wie dort eine Politik des Alles oder Nichts, die Politik von Blockade und Demontage dieser Bundesregierung gegenüber um jeden Preis,

(Zuruf des Abg. Michael Boddenberg (CDU))

in diesem Fall ohne Rücksicht auf die betroffenen Kinder und deren Eltern.

(Beifall bei der SPD)

Es gibt durchaus kritische Anregungen zum TAG, die Ihnen vielleicht nicht einmal gefallen, die wir aber durchaus für nachvollziehbar und berechtigt halten. Es sind Stellungnahmen, die das vorliegende Gesetz für nicht weitgehend genug halten. So wird z. B. von der Landesarbeitsgemeinschaft Freie Kinderarbeit kritisiert, dass als Kriterien für die Anerkennung eines Bedarfs lediglich die Berufstätigkeit der Eltern, die Eingliederung in Arbeit oder die ungenügende Erziehungsverantwortung der Eltern angenommen werden. Der GEW-Kommentar schlussfolgert, dass die Familien,die aus pädagogischen Gründen wollen, dass ihre Kinder mit anderen spielen und lernen können, dann möglicherweise das Nachsehen haben.

Kritisch wird auch hinterfragt, ob bei einem Anteil von 30 % Tagespflegepersonen an der Kinderbetreuung die

notwendige Qualität sichergestellt werden kann.Auch darüber haben wir ausgiebig gesprochen.

(Petra Fuhrmann (SPD): Hört, hört!)

Gerade in Hessen, wo die Ankündigung des Tagesmütterlandes erneut befürchten lässt, dass die Landesregierung wie im gesamten Bildungsbereich – ich erinnere: Unterrichtsgarantie nicht geklappt, Qualität durchgefallen – Quantität auf Kosten von Qualität erreichen will,

(Lachen bei der CDU)

werden wir wachsam sein, dass Hessen keine Billiglösung realisiert, wo Betreuung nichts Weiteres als Aufbewahrung wird.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, wir nehmen die Kritik am Gesetz ernst, und wir sehen im TAG nicht den Schlusspunkt beim Aufbau der Betreuung für die ganz Kleinen.Wir halten es aber für den ersten Riesenschritt in die richtige Richtung, der für die Zukunft dieses Landes dringend notwendig ist und der versucht, Wünschbares, dringend Notwendiges und in der aktuellen Situation Finanzierbares unter einen Hut zu bringen. Diese Position ist keineswegs nur eine rot-grüne. Es gibt eine breite gesellschaftliche Unterstützung, von Herrn Hundt über katholische und evangelische Bischöfe bis hin zu Herrn Dr.Braun.Ich habe die Stellungnahmen hier, ich könnte sie Ihnen vorlesen.

Umso durchsichtiger werden die Intentionen für das Verhalten der Hessischen Landesregierung bei der Ablehnung dieses Gesetzes im Bundesrat. – Um auf den Anfang zurückzukommen: Im Übrigen bin ich der Meinung, dass in diesem Land viel zu wenig für Kinder getan wird.

(Anhaltender Beifall bei der SPD und dem BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat Herr Abg. Rentsch für die FDP-Fraktion.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich einige Vorbemerkungen zu der Debatte machen.

Erstens. Es ist die typische Debatte von allen Kolleginnen und Kollegen:Wir haben alles gut gemacht,Sie machen alles schlecht. – Das ist das übliche Spiel in diesem Hause. Ich glaube aber, die Menschen in diesem Land sind von solchen Debatten nicht gerade begeistert.

(Beifall bei der FDP – Zurufe von der SPD: Oh!)

Zweitens. Frau Kollegin Eckhardt und auch Frau Kollegin Schulz-Asche, es hätte mich gefreut, wenn Sie die Kritik, die an diesem Gesetz geübt wird, insofern ausgeführt hätten, als Sie etwas zur Finanzierung gesagt hätten. Sie haben lediglich gesagt, das sei alles kein Problem. – Wir sehen darin schon ein Problem, und es gibt viele Menschen in diesem Land, auch aus Ihren eigenen Reihen – unterhalten Sie sich einmal mit Kollegen von der kommunalen Ebene –, die große Bedenken in Bezug auf die Finanzierung haben. Hierzu hätte ich gerne handfeste Antworten gehabt.Auch dazu gab es nichts.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Dritte Vorbemerkung. Ich finde es wirklich schade: Wir haben heute eine reine Debatte über die Kinderbetreuung geführt. Die ist wichtig, das ist unbestritten, aber die ganzen Neuregelungen im Bereich der Jugendhilfe, die das Gesetz mit sich bringt und die viele Möglichkeiten und Chancen geben – das will ich an dieser Stelle nicht bestreiten –, sind leider völlig unerwähnt geblieben. Ich glaube, wir werden diese Regelungen noch an dieser Stelle diskutieren müssen; denn sie werden für das Land Hessen Möglichkeiten für Änderungen bieten, die wir wahrscheinlich nutzen können.

Meine Damen und Herren, das zu den Vorbemerkungen. Frau Schulz-Asche, ich hatte mir aufgeschrieben: Weise auf den Tumult hin, den es gab. – Es war völlig klar, dass die Debatte so ablaufen wird. Man hätte die Eieruhr danach stellen können. Sie sagen, es sei alles wunderbar, was Sie gemacht hätten, die Bundesregierung sei eine einzige Wohlfahrtsinstitution.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Quatsch!)

Das, was die Landesregierung in den letzten Jahren gemacht hat, sei alles Unsinn gewesen. – Herr Kaufmann, wenn Sie die ganze Zeit da gewesen wären, hätten Sie die Debatte mitbekommen. Einfach nur dazwischenzurufen reicht an dieser Stelle nicht.

(Beifall bei der FDP – Zuruf des Abg. Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Ich hatte mir auch notiert: erst einmal loben. Frau Kollegin Schulz-Asche,vieles von dem,was Sie gesagt haben,ist nicht falsch.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Sehr großzügig! – Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das ist immer so! Ich habe meistens Recht!)

Auch das, was in Ihrem Antrag steht, kann ich zu einem Großteil mittragen.Wenn es dann aber in die Details geht, so muss ich sagen: Es ist wie immer bei Anträgen von GRÜNEN in diesem Hause.Wenn es um die Details geht, lassen sich diese Anträge leider nicht mittragen.

(Beifall bei der FDP)

Ich will im Einzelnen darlegen, warum das so ist. Dass wir über alle Fraktionsgrenzen hinweg der Meinung sind,dass wir die Kinderbetreuung ausbauen müssen, sowohl qualitativ als auch quantitativ, ist keine Neuerung. Da werden wir uns schnell einig sein.

Aber schon bei dem nächsten Wort im TAG und bei dem Antrag der GRÜNEN scheiden sich meines Erachtens die Geister.Sie führen aus,dass nach den Worten des TAG Elternschaft und Familie gestärkt werden sollten. Diese Forderung ist sehr allgemein gehalten und an dieser Stelle völlig unbestritten.Aber, wie gesagt, zu der Frage, wie Sie das machen und wie Sie vor allen Dingen eine seriöse Finanzierung auf die Beine stellen wollen, haben Sie viel zu wenig gesagt.

Die niedrige Geburtenrate ist in der Tat ein Ausdruck dafür, dass wir in Deutschland ein Defizit an Familienfreundlichkeit haben.Auch darin will ich Ihnen ausdrücklich zustimmen. Es ist nicht die erste Debatte in diesem Haus, bei der es darum geht, wie familienfreundlich dieses

Land ist und was wir dafür tun können, dass wir hier mehr als 1,36 Geburten pro Frau haben.

(Zuruf des Abg. Dr.Walter Lübcke (CDU))

Der Kollege Lübcke zeigt auf mich. Ich kann nicht das Schicksal des ganzen Landes auf meinen Schultern tragen.Aber ich werde sicherlich meinen Teil dazu beitragen.

(Heiterkeit und Zurufe von dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Ich will den Tumult einfach abklingen lassen. – Es ist auch völlig unbestritten, dass sich die Mehrzahl der jungen Menschen in diesem Land Kinder wünscht. Aber die Realität sieht häufig so aus,dass diese Menschen,wenn sie in den Beruf einsteigen, die enormen Schwierigkeiten mitbekommen, die entstehen, wenn es um die Kinderbetreuung geht. Dann stellt sich ihnen die Frage, wie man eine Karriere planen und gleichzeitig Kinder haben kann. Die sich dann ergebenden Probleme, z. B. bei Erkrankungen von Kindern, führen dazu, dass sich viele junge Frauen überlegen, ob sie überhaupt Kinder haben wollen.

Fest steht, dass wir es in der letzten Zeit geschafft haben, für Kinder ab drei Jahren einen Betreuungsplatz zur Verfügung zu stellen. Das haben Sie heute ein bisschen belächelt, und Sie haben darauf hingewiesen, dass das nicht gerade eine große Leistung sei.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN):Herr Kollege,wir waren es,die das in Hessen umgesetzt haben!)

Wir sind der Meinung, dass FDP und CDU hier eine sehr gute Arbeit geleistet haben. Das war ein echter Kraftakt – was man an dieser Stelle auch einmal feststellen muss.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Wenn wir uns nun zum Ziel setzen, dass 20 % der Kleinstkinder einen Betreuungsplatz bekommen, ist das eine große Herausforderung. Das will ich absolut unbestritten feststellen. Aber das reicht doch an dieser Stelle weiß Gott nicht aus.

Herr Kollege Rentsch, Herr Frömmrich möchte eine Zwischenfrage stellen.Wollen Sie die zulassen?

Das Verfassungsrecht sieht eine Ernsthaftigkeitskontrolle vor. Herr Präsident, wenn Sie dafür sorgen können, dass der Kollege Frömmrich eine ernsthafte Frage stellt – bitte schön.

Der Präsident übt aber keine Zensur aus.

Herr Kollege Rentsch, Sie haben gerade gesagt, dass Sie zusammen mit der CDU den Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz eingeführt hätten. Würden Sie bitte auch einmal sagen, welche Finanzmittel der Bund für die Einführung zur Verfügung gestellt hat?

Herr Kollege Frömmrich, hier erweist sich wieder einmal die Richtigkeit der Aussage: Zuhören schützt vor unqualifizierten Äußerungen. – Ich habe gesagt, wir haben es mittlerweile geschafft, dass im Land Hessen mittlerweile jedes Kind ab drei Jahren einen Betreuungsplatz hat.

(Zurufe von der SPD)

Nein, das ist eine völlig andere Frage. Wir haben es geschafft, dass jedes Kind ab drei Jahren einen Betreuungsplatz hat.

(Reinhard Kahl (SPD):Was heißt denn „wir“?)