Protokoll der Sitzung vom 06.10.2004

Zweitens. Ich bin, wenn es um die Beurteilung durch eine so genannte separate Härtefallkommission geht, immer noch nicht davon in Kenntnis gesetzt worden, was diese Menschen anders machen können als wir Abgeordneten.

(Beifall bei der FDP – Zuruf von der SPD: Zuwan- derungsgesetz lesen!)

Können Sie mir das einmal erklären? Was können die anders machen? Hat beispielsweise ein Geistlicher, der in dieser Kommission sitzt, einen anderen Einblick als wir frei gewählten Abgeordneten? Hat er einen anderen Verantwortungsbereich? Kann er dieses Mittel anders einsetzen? Erläutern Sie mir bitte, was diese Menschen anders machen können. Sind sie besser befähigt?

Herr Kollege Frömmrich – das sage ich für die Kollegen aus meiner Fraktion und wohl auch für die aus der Union –: Wir halten uns für befähigt, diese Entscheidungen zu

treffen. Wir brauchen keine separate Kommission, die diese Entscheidung für uns trifft, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP)

Ein weiterer Grund, der gegen die Einrichtung dieser Sonderkommission – das kann man wirklich sagen – für Härtefälle spricht, ist, dass wir neben der Tatsache, dadurch einen weiteren organisatorischen Aufwand zu verursachen – eine weitere Kommission, die auch mit Mitarbeitern etc. versorgt werden muss; aber all das ist ja in Deutschland kein Problem –, unter Berufung auf Art. 3 denjenigen, die eine Petition gestellt haben, möglicherweise einen weiteren Rechtsweg eröffnen.Auch das muss man klar diskutieren. Es ist rechtlich umstritten, ob das so ist. Aber die Möglichkeit besteht. Ich denke, das sollten wir verhindern. Wir sollten in dieser Frage keinen weiteren Rechtsweg eröffnen.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Aber wir haben doch den Rechtsweg in unserem Entwurf ausgeschlossen!)

Für die Menschen, die eine Petition gestellt haben, ist die Situation schon heute nicht befriedigend. Ihnen durch die Eröffnung weiterer Klagemöglichkeiten die Hoffnung zu vermitteln,man könne etwas erreichen,ist an dieser Stelle sicherlich der falsche Weg.

Deshalb ist für uns die Entscheidung relativ klar.Wir wollen, dass der Petitionsausschuss als verantwortliches Organ in diesem Hause diese Möglichkeiten ausschöpft.Wir wollen, dass dem Petitionsausschuss die Kompetenz, über Härtefälle zu entscheiden, übertragen wird. Ich bin mir auch sicher – das will ich klar sagen, und zwar nicht nur, weil Sie, Herr Kollege Frömmrich, neben mir sitzen und meines Erachtens sehr verantwortlich handeln; vielmehr glaube ich, dass man das für alle Kolleginnen und Kollegen im Petitionsausschuss sagen kann –: Sie tun ihre Arbeit sehr verantwortungsvoll, und Sie sind auch in der Lage, dieses Mandat, über Härtefälle zu entscheiden, ohne Probleme auszuüben. Dessen bin ich mir ganz sicher. Deshalb plädieren wir für eine Lösung im Rahmen des Petitionsausschusses.

Herr Kollege Frömmrich, jetzt komme ich zur rechtlichen Frage:Diese Lösung soll nicht nach § 23 oder § 23a,die Sie gerade erwähnt haben, gestaltet sein, sondern wir ziehen dazu § 25 Abs. 4 des Aufenthaltsgesetzes heran.Wir haben das unter rechtlichen Gesichtspunkten geprüft. Ich bin mir sicher, dass das als Kompetenzgrundlage ausreicht. Wenn dem Petitionsausschuss diese Kompetenz übertragen wird, werden wir dort also in Zukunft über Fälle beraten, die für uns mit einer besonderen Härte verknüpft sind.

Lassen Sie mich abschließend eines erwähnen.Dabei geht es um die Angst, die wir als FDP an dieser Stelle haben. Die Frage, ob ein Härtefall vorliegt, darf nicht zur Regel werden. Sie muss immer die Ausnahme bleiben;

(Beifall bei der FDP)

denn wir haben geltende Gesetze in diesem Land, und an diese Gesetze müssen sich alle Menschen halten. Wir haben auch im Baurecht keine Kommission, die besondere Härtefälle in irgendeiner Weise berücksichtigt. Das ist hier zwar ein anderer Bereich; da gebe ich Ihnen Recht. Es geht um Menschen, und deshalb finde ich es auch gerechtfertigt, dass wir dort so etwas einrichten.

Aber ich bitte Sie, dass wir, wenn wir eine solche Härtefallkommission einrichten, mit diesem Instrument sehr verantwortungsvoll umgehen und dass wir das nicht zur Regel machen. Ich bitte Sie, dass dieses Instrument weiterhin eine Ausnahme bleibt und dass somit den Berichterstattern im Petitionsausschuss mehr Möglichkeiten gegeben werden, den Menschen zu helfen, die unsere Hilfe wirklich brauchen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Danke schön, Herr Rentsch. – Herr Dr. Jürgens hat sich zu einer Kurzintervention zu Wort gemeldet. Sie haben zwei Minuten Redezeit.

Herr Kollege Rentsch, ich möchte auf einen Aspekt eingehen, den Sie auch erwähnt haben und bei dem es immer Missverständnisse gibt. Sie sagen, es gehe darum, dass die Ausländer in ihre Heimat zurückgehen müssten. Herr Kollege Frömmrich hat schon darauf hingewiesen, dass es gerade bei den Härtefällen vielfach um Kinder geht, die schon hier geboren, aufgewachsen, zur Schule gegangen und gut integriert sind und die somit hier ihre sozialen Bezüge haben. Mit anderen Worten: Sie haben hier ihre Heimat. Das heißt, es würde bei den Fällen, die die Härtefallkommission zu behandeln hätte, nicht darum gehen, dass jemand in seine Heimat zurückgehen müsste, sondern darum, ob wir es verhindern, dass Kinder aus ihrer Heimat vertrieben werden. Das ist die Frage, vor der wir bei den Härtefällen stehen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Einrichtung einer Härtefallkommission mit dem Petitionsausschuss zu verknüpfen, halte ich für geradezu abenteuerlich. Das widerspricht der Hessischen Verfassung und auch der gesetzlichen Grundlage im Aufenthaltsgesetz. § 23a, der eine Härtefallkommission vorsieht, sagt ausdrücklich, dass es dabei um eine Beratungsinstanz für das Innenministerium geht. Das heißt, es ist eine exekutive Aufgabe. Das mit der Legislative zu verknüpfen widerspricht von vornherein sämtlichen Prinzipien der Gewaltenteilung.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Petitionsrecht hat seine Grundlage in der Hessischen Verfassung. In der Hessischen Verfassung steht, dass sich jedermann mit seinem Anliegen an die Volksvertretung wenden kann. Wie dieses Anliegen behandelt wird, entscheidet dieser Landtag, nicht aber der Petitionsausschuss. Dieser bereitet die Entscheidungen nur vor. Das heißt, wenn Sie solch eine Regelung einführen wollen, müssen Sie – wenn Sie das wollen – die Hessische Verfassung ändern.

Es ist gerade der Sinn einer Härtefallkommission, ihre Entscheidungen weder politisch noch parteipolitisch, noch staatsnah, sondern – wie Herr Frömmrich völlig zu Recht aus einer baden-württembergischen Presseerklärung zitiert hat – möglichst staatsfern zu treffen. Das ist die Aufgabe einer Härtefallkommission. Diese wird absolut konterkariert, wenn Sie sie von vornherein mit dem Petitionsausschuss vermischen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Franz Josef Jung (Rheingau) (CDU): Sind wir die Volksvertretung oder nicht?)

Danke, Herr Dr. Jürgens. – Herr Rentsch, Sie haben Gelegenheit, darauf zu antworten. Sie haben ebenfalls zwei Minuten Redezeit.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Dr. Jürgens, ich bin in dieser Frage überhaupt nicht Ihrer Ansicht.Erstens können wir natürlich den Petitionsausschuss damit beauftragen, eine Lösung nach § 25 Abs. 4 des Aufenthaltsgesetzes zu ermöglichen. Dieser Paragraph sieht eindeutig vor, wie ich Ihnen gerade vorgetragen habe –, dass man verschiedene Fälle, quasi Härtefälle – so ist das nicht direkt formuliert –, bescheiden kann.Aber das muss nicht durch die Einrichtung einer Härtefallkommission geschehen.Darin gebe ich Ihnen Recht.Deswegen wollen wir diese Kompetenz auf den bestehenden Petitionsausschuss übertragen. Insofern brauchen wir keine Verfassungsänderung.

Ich will noch erwähnen, was mich an dieser Stelle wirklich ein bisschen wundert.Es geht um das Spiel „Wer hat es erfunden?“ Sie kennen das aus der Werbung. Die GRÜNEN haben es erfunden.

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Peter Müller!)

Die GRÜNEN versuchen sich jetzt als Urheber einer Idee der Härtefallkommission aufzuspielen. Herr Kollege Al-Wazir, wir sind hier nicht im Saarland. Seien Sie doch froh, dass wir hier gemeinsam eine Lösung finden wollen, wie wir diesen Menschen helfen können. Versuchen Sie doch nicht, diese Idee, die wir als CDU und FDP hier eingebracht haben, zu verhindern. Geben Sie sich doch einen Ruck und die Größe, an dieser Stelle zu sagen: Ihr hattet eine gute Idee, die können wir mittragen. – So viel Größe müssen doch auch die GRÜNEN an dieser Stelle haben.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Vielen Dank, Herr Rentsch. – Wir fahren damit in der Rednerliste fort. Herr Beuth, Sie haben als Nächster das Wort für die CDU-Fraktion.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr, schmeiß Hirn vom Himmel! – Jörg-Uwe Hahn (FDP):Das ist sehr arrogant,Herr Al-Wazir!)

Herr Al-Wazir, ich vermute, dass Sie das nicht für einen speziellen Fall meinen, sondern für das ganze Haus.

(Zurufe von der CDU: Das wäre ja noch schlim- mer!)

Herr Beuth, Sie haben das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrte Damen und Herren! Nach dem eigentlich sachlichen Verlauf der ersten beiden ordentlichen Redebeiträge will ich nur eines aufgreifen, was mich auch in einer sachlichen Debatte außerordent

lich ärgert, Herr Kollege Frömmrich: der Versuch, immer den moralischen Alleinvertretungsanspruch der SPD und der GRÜNEN für die Frage der Menschlichkeit etablieren zu wollen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Herr Kollege Frömmrich, wir kennen uns jetzt lange genug, und wir wissen auch gegenseitig unsere Arbeit im Petitionsausschuss zu schätzen. Wir arbeiten dort mit sehr viel Herzblut und mit sehr viel Verstand – das zum Thema Hirn, Herr Kollege Al-Wazir. Dort wird nach humanitären Lösungen gerungen, wo es geht. Dort, wo es nicht geht, geht es eben nicht.

(Zuruf der Abg. Sabine Waschke (SPD))

Meine Damen und Herren,die CDU-Fraktion will erstens den neu geschaffenen Rahmen des Zuwanderungsgesetzes nutzen und eine entsprechende Härtefallbehandlung hier in Hessen ermöglichen. Wir wollen zweitens diese Aufgabe übertragen, d. h. wir wollen, dass sie beim Petitionsausschuss angesiedelt ist. Dort soll sie im Sinne eines allgemeinen Konsenses an ein entsprechendes Quorum gebundenen sein. Als Drittes – weil auch hierzu ein Antrag gestellt worden ist – lehnen wir im Vorgriff auf eine solche Regelung einen generellen Abschiebestopp ab.

(Beifall bei der CDU – Sabine Waschke (SPD): Sehr humanitär!)

Frau Kollegin Waschke, zum Thema Humanität komme ich sofort.

(Sabine Waschke (SPD): Danke!)

Ab dem 01.01.2005 wird es eine neue Rechtslage des Zuwanderungsgesetzes geben; das ist hier hinreichend dargestellt worden. Die bisherige Rechtslage war der Grund dafür, dass wir in der Vergangenheit sehr streitig über die Frage von Härtefällen und Härtefallkommissionen diskutiert haben.

Wie alle anderen Regierungen in Hessen vorher auch – Kollege Bökel weiß sicherlich etwas davon zu berichten – haben wir in der Vergangenheit, weil eine Härtefallkommission keine weiter gehenden Rechte bekommen konnte als der Petitionsausschuss selbst, eine solche Regelung abgelehnt. Alle Regierungen, ob rot-grün, oder schwarz-gelb oder die jetzige Regierung, haben eine solche Regelung abgelehnt.

Ab dem Jahr 2005 gibt es eine andere Rechtslage. Diese andere Rechtslage werden wir entsprechend aufgreifen. Das neue Zuwanderungsgesetz gibt uns die Möglichkeit, uns im Rahmen einer Kommission über die Regeln, die ansonsten im Aufenthaltsgesetz vorgeschrieben sind, ein Stück weit hinwegzusetzen. Das ist das Neue, und das ist die Begründung dafür, dass wir uns nun dieser Härtefallkommission nähern.Wenn in anderen Ländern Härtefallkommissionen bereits existiert haben – das ist hinlänglich vorgetragen worden –, dann konnten deren Rechte auch immer nur so weit gehen wie die Rechte, die bei uns bisher in Hessen der Petitionsausschuss hatte.Wir haben daher tatsächlich eine neue Qualität der Rechtslage und damit auch die Möglichkeit, eine solche Härtefallkommission einzurichten.

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Sehr richtig!)

Die Härtefallkommission kann mehr, als der Petitionsausschuss bisher konnte.

Herr Beuth, Herr Abg. Jürgens hat sich für eine Zwischenfrage zu Wort gemeldet.Wollen Sie sie zulassen?

Ich würde ganz gerne zu Ende vortragen.Wenn am Ende noch Zeit ist, nehme ich es gerne wahr. – Die Härtefallkommission oder der Rahmen des Zuwanderungsgesetzes gibt uns gegenüber dem, was wir bisher hatten, also dem Petitionsausschuss, mehr Rechte. Ihm wollen wir hiermit entsprechend Rechnung tragen. Ich will gleichwohl nicht unerwähnt lassen, dass im Rahmen dessen, was bisher bereits unter dem Gesichtspunkt Humanität möglich war – Frau Kollegin Waschke –, von den Kollegen und Kolleginnen Abgeordneten im Petitionsausschuss, mithilfe des hierfür zuständigen Referats im Hessischen Landtag und auch mithilfe des Innenministeriums und des Innenministers, viel erreicht worden ist.