Protokoll der Sitzung vom 08.05.2003

(Beifall bei der FDP)

Es ist zweifelhaft, ob Ihnen dies gelingen wird, meine Damen und Herren.Was meint denn die SPD, wenn sie in ihrem Antrag das Wort „Wahlkampfhaushalt“ verwendet? Meint sie etwa den hessischen Landeshaushalt, der im schwierigsten Umfeld mit einer im Vergleich zum Vorjahr halbierten Nettoneuverschuldung und fast keinem realen Ausgabenwachstum gefahren wird?

(Zurufe von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ha, ha, ha! – Frank-Peter Kaufmann (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN): Das ist eine Unverschämtheit!)

Oder meint sie damit den Bundeshaushalt, der auf einem fiktiven Wachstum der Wirtschaft beruht, das inzwischen korrigiert ist auf ein ebenso fiktives Wachstum von 0,75 %? Meint sie etwa die Politik der Bundesregierung,

die, bezogen auf das Maastrichtkriterium, inzwischen von 4 % ausgeht? An der Vorgabe werden wir wieder einmal gewaltig vorbeischießen.

(Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Es stehen Milliardenzahlungen an.Meint sie vielleicht das mit „Wahlkampfhaushalt“? – Das könnte vielleicht sein, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP – Jürgen Frömmrich (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN):Die Länder spielen bei Ihnen keine Rolle!)

Aber inzwischen haben wir uns ja alle daran gewöhnt, die Gefahr aus Brüssel zu erwarten, und es berührt schon keinen mehr so richtig. Das Wort „Stabilität“ hat für die Bundesregierung keinen Wert mehr. Der Bundesfinanzminister hat in den ersten drei Monaten 50 % der gesamten Schulden aufgenommen, die für dieses Jahr bereitstehen.

(Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Wenn man den Presseberichten Glauben schenken darf, dann wird der Bund dieses Jahr nicht 18,9 Milliarden c, sondern über 30 Milliarden c Schulden aufnehmen. Das bedeutet, dass der Bundeshaushalt wieder das Verfassungslimit von 4 Milliarden c überschreiten wird.

(Norbert Schmitt (SPD): Sie sollten sich das nächste Mal um ein Bundestagsmandat bemühen!)

Wenn Sie das alles mit „Wahlkampfhaushalt“ meinen und Sie es unseriös nennen, dann allerdings haben Sie Recht. Wenn Sie das allerdings auf den Haushalt in Hessen beziehen, dann haben Sie nicht Recht.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Dann reden Sie doch auch mal über Hessen!)

Herr Kollege, keine Angst, ich komme zu Hessen. Man muss aber auch den Zusammenhang sehen. Wir sind ja nicht auf einer Ebene, wie Sie wissen.

Wer heute Zeitung liest, der sieht, dass die Bundesregierung zu einem neuen Mittel greift, das das Ergebnis eines Kampfes zwischen zwei Ministern war, in dem der Finanzminister offensichtlich unterlegen ist: Es gibt eine Tabaksteuererhöhung um einen sagenhaften Euro pro Packung, das Ganze schön verpackt für soziale Zwecke. Dazu kann ich nur sagen: Wir haben uns daran gewöhnt, dass Sie für die Rente rasen. Jetzt heißt es: rauchen für die Mütter. Da kann man es sich also aussuchen: Man ruiniert seine Gesundheit und raucht, aber man tut etwas für die Allgemeinheit.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sie haben für die Sicherheit geraucht!)

Es fehlt nur noch als nächste Stufe „trinken für die Truppe“. Jeder weiß, dass die Bundeswehr unterfinanziert ist, jeder wird darin eine gute Möglichkeit sehen.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Kollege, das haben wir schon seit Jahren getan!)

Dass Sie trinken, weiß ich, ob für die Truppe, weiß ich nicht. – Was sollen die Krokodilstränen zur Neuverschuldung? Der Bundesfinanzminister hat das Ziel, 2006 einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen, selbst aufgegeben. Die Devise lautet jetzt, das habe ich im „Spiegel“ gelesen: Nicht das Ziel sei verfehlt worden, sondern der Zielzeit

punkt sei verfehlt worden. Wenn ich das so definiere, erreichen wir jedes Ziel der Welt.

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN):Was ist denn nun mit Hessen?)

Da können wir doch sagen, die SDP will die absolute Mehrheit haben, der Zielzeitpunkt ist verschoben worden. Die SPD will gewinnen, der Zielzeitpunkt ist verschoben worden, irgendwann wird es schon einmal so kommen – so auch offensichtlich in diesem Fall.

(Hildegard Pfaff (SPD):Das Thema lautet Hessen!)

Im Umfeld ständig nach unten korrigierter Wachstumsraten kann sich doch niemand darüber wundern, dass auch in den Bundesländern die Nettoneuverschuldung explodiert.Übrigens nehmen dabei die SPD-geführten Bundesländer eine Spitzenstellung ein.

Nach der dramatischen Wirtschaftsentwicklung, die seit dem vergangenen Jahr anhält, sind Sorgen um den Haushaltsvollzug auch in Hessen angebracht. Die FDP-Fraktion hat den Nachtragshaushalt 2002 mitgetragen. Herr Kollege, Sie haben es ja ausführlich zitiert. Wir haben ihn mitgetragen, weil er angesichts der krisenhaften Entwicklung der gesamtwirtschaftlichen Situation unvermeidbar war. Aber wir haben immer klargestellt – sowohl der Fraktionsvorsitzende als auch ich, und ich wiederhole es heute für die FDP-Fraktion –: Eine Neuverschuldung in der Rekordhöhe des Jahres 2002 war einmalig und muss einmalig bleiben.

(Beifall bei der FDP – Norbert Schmitt (SPD): Da bin ich mal gespannt!)

Der Landeshaushalt muss dringend konsolidiert werden. Da darf ich auch auf den Wirtschaftsminister, der, glaube ich, zurzeit nicht im Raum ist, zurückgreifen. Natürlich können wir nicht künftige Generationen in einer Art und Weise belasten, die ihnen die Luft zum Leben nimmt und jeglichen Gestaltungsspielraum wegnimmt. Wir sind dabei, dieses zu tun, wenn wir den Haushalt nicht konsolidieren.

Das bedeutet für 2002 als Mindestbedingung: Eine Überschreitung der für das Jahr 2003 geplanten Neuverschuldung in Höhe von 1 Milliarden c darf es nicht geben.

Brauchen wir einen Nachtragshaushalt? – Diese Frage lässt sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt seriös weder mit Ja noch mit Nein beantworten.

(Zuruf des Abg. Frank-Peter Kaufmann (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN))

Wir haben darüber keine Informationen, vielleicht haben Sie sie ja aus Berlin, wir haben sie nicht.

Einerseits kann niemand an den Meldungen aus Berlin vorbeigehen, auch wenn das Ausmaß unterschiedlich dargestellt wird, aber die Richtung ist eindeutig negativ. Heute haben wir gelesen und gehört, dass offenbar der Arbeitskreis Steuerschätzung in der nächsten Woche ein Minus von15 Milliarden c für den Bund und alle anderen Gebietskörperschaften zusammen bekannt geben wird. Was davon auf Hessen entfällt, wissen wir nicht, das wird sich noch ergeben. Es wird mit Sicherheit ein Minus sein.

Auf der anderen Seite haben wir die Ergebnisse der Steuereinnahmen des Landes Hessen aus dem ersten Quartal vorliegen. Das wissen auch Sie, Herr Kollege, das waren 8,5 % mehr als im Vorjahr. Nun wissen wir ja, dass das Vorjahresquartal sehr schlecht gewesen ist, und der LFA muss noch errechnet werden. Wir können daraus noch

nicht schließen, wie es weitergeht. Also, wir brauchen Informationen.

Statt schon jetzt einen Nachtragshaushalt zu fordern, verlangen wir, dieses aber umso entschiedener, eine verlässliche Information der Landesregierung über folgende Punkte: über den Status des Landeshaushalts zum letzt verfügbaren Zeitpunkt, die erwartete Einnahmeentwicklung aufgrund der Maisteuerschätzung, die erwarteten Ausgaben des Landes bis zum Ende des Jahres, einschließlich der Belastung durch den öffentlichen Dienst, und eine seriöse Projektion des Haushaltsvollzugs und insbesondere hinsichtlich der Verschuldung des Jahres 2003.

Aufgrund dieser Informationen können Haushaltspolitiker entscheiden, ob es reicht oder ob es nicht reicht. Daraufhin kann dann entschieden werden.

Dann habe ich mir gedacht, vielleicht gucke ich noch einmal in das Regierungsprogramm hinein. Vielleicht finde ich ja dort Antworten darauf, was kurz-, mittel- und langfristig geschehen kann. Das ansonsten recht umfängliche Regierungsprogramm – Kompliment – ist im Bereich Finanzen erstaunlich lapidar. Es enthält dreieinhalb Seiten. Darin sind im Wesentlichen drei Feststellungen enthalten.

Erste Feststellung: „Sobald es die wirtschaftliche Situation ermöglicht, ist die Nettoneuverschuldung zurückzuführen“. Dieses Versprechen ist eine hehre Absicht, aber es ist natürlich völlig unverbindlich. Denn kein Mensch sagt,wie viel Wachstum wir brauchen:1 %,2 %,5%,7 %? Kein Mensch sagt, in welchen Raten wir die Neuverschuldung zurückführen wollen. Keiner sagt, welches der zeitliche Horizont ist. Deshalb erlaubt es diese Feststellung, zu jedem denkbaren Zeitpunkt jede denkbare Konsequenz zu ziehen.

(Beifall bei der FDP – Norbert Schmitt (SPD): So ist es!)

Zweite Feststellung. „In der Entwicklung der Ausgaben werden wir uns an den Absprachen der Länder und an den Vorgaben des Finanzplanungsrats orientieren.“ Dies wiederum ist eine pure Selbstverständlichkeit.Wozu sonst bedarf es der Absprachen? Das können wir direkt abhaken: Dabei machen wir mit, das ist eine gute Idee, aber keine Lösung.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP)

Drittes Zitat: „Kurzfristig bedeutet dies: Zusätzliche politische Programmpunkte können nur durch Umschichtung, einschließlich des Transfers zwischen den Ressorts und Gegenfinanzierung, durchgeführt werden.“ – Gut so. Aber mir scheint, neue Projekte, neue Aufgaben sind nicht das Problem. Das Problem ist es, die gegenwärtigen Projekte zu finanzieren. Darin liegen die Schwierigkeiten. Insofern ist auch dies leider keine Lösung.

Herr Abgeordneter, kommen Sie bitte zum Ende Ihrer Rede.

Frau Präsidentin, ich werde mich jetzt sehr beeilen, um schnell dorthin zu gelangen.

Die übrigen acht aufgeführten Punkte finden unseren Beifall, sind aber leider auch keine kurz-, mittel- oder langfristige Lösung.

(Gottfried Milde (Griesheim) (CDU): Die hätte man aber noch aufzählen können!)

Wenn dann die Landesregierung darauf verfällt, den Solidaritätspakt in Europa kündigen zu wollen, so muss ich sagen: Dies wäre ausgesprochen verheerend.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD)

Denn das wäre ein Signal, das von Lissabon über Athen bis sonst wohin reichen und zeigen würde, dass selbst die Autoren dieses Paktes ihn aufgeben.

(Norbert Schmitt (SPD): So ist es!)