So sehr ich der Meinung bin, dass Berlin einen Teil der Schuld trägt, so meine ich doch, wir dürfen hier keine Schulddiskussion anfangen, sonst können wir diesen Pakt in der Tat beerdigen.
Ganz kurz. – Wir möchten zwei Dinge haben: Erstens. Die haushaltspolitischen Fakten müssen auf den Tisch. Zweitens.Wenn es ein Haushaltsproblem gibt,brauchen wir ein Konzept für seine Bewältigung. Fakten und Konzepte möchten wir diskutieren, nicht über den Text dieses Antrags. Wir möchten im Haushaltsausschuss direkt wissen, worum es geht. Dann werden wir auf der Grundlage von Fakten diskutieren können und sicherlich zu Lösungen gelangen. – Herzlichen Dank.
(Beifall bei der FDP – Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das ist doch ein Nachtragshaushalt!)
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich glaube, es wird immer klarer und offenkundiger, dass sich der Haushaltsplan 2003 – wie übrigens mehrfach von der Opposition vorhergesagt – als unsolides Zahlenwerk erweist. Herr Kollege von Hunnius, es hatte tatsächlich nur einen Zweck, nämlich im Landtagswahlkampf über die Runden zu kommen.
Wenn Sie sehen, dass in diesem Haushalt die Verfassungsgrenze nahezu ausgeschöpft wurde – wir liegen nur um 1,1 Millionen c unter der Verfassungsgrenze –, man aber andererseits weiß, dass bestimmte Dinge in diesen Haushalt gar nicht eingestellt sind – unter anderem die Tariferhöhung, dazu komme ich noch –, dann wissen Sie, dass dieser Haushalt offensichtlich nur einem Ziel diente,näm
lich im Landtagswahlkampf über die Runden zu kommen und dem Bürger nicht offenbaren zu müssen, dass der Haushalt im Kern verfassungswidrig ist, weil die Verschuldungsgrenze überschritten wird.
Deshalb hat Kollege Kahl auch bei der Einbringung zu Recht davon gesprochen, dass dieser ganze Haushalt auf Sand gebaut ist und ein finanzpolitisches Märchenbuch darstellt. Meine Damen und Herren, wenn die CDU in ihrem Regierungsprogramm davon spricht, dass der „solide Finanzkurs“ fortgesetzt wird, dann ist das eine besondere Form des schwarzen Humors – und zugleich eine erschreckende Drohung.
Meine Damen und Herren, Tag für Tag – der Finanzminister weiß das – stellt sich heraus, dass die Realitäten die falschen Zahlen des Haushalts einholen. Bei diesem Haushalt stimmt eigentlich bis auf das Beschlussdatum nichts mehr.
Besondere Risiken ergeben sich beispielsweise daraus, dass keine Tariferhöhungen eingeplant sind. Herr Kollege Brückmann, wissen Sie denn – ich hoffe, dass Sie es wissen; Sie werden es wissen –, dass alleine durch den zum Abschluss gekommenen Tarifvertrag Mehrausgaben in Höhe von 100 Millionen c für das Land nicht nur drohen, sondern feststehen?
wenn Sie nicht an anderer Stelle 100 Millionen c einsparen können, dass der Haushalt schon allein dadurch verfassungswidrig ist.
Meine Damen und Herren, ein zentrales Problem ist natürlich die konjunkturelle Situation. Das ist überhaupt keine Frage.
Kollege Brückmann, in dieser Situation ist es doch besonders schmerzlich, dass Hessen vom Spitzenplatz, den es einmal hatte, auf Platz sechs in der westdeutschen Rangfolge abgerutscht ist. Diese miserable wirtschaftspolitische Bilanz hat natürlich auch Auswirkungen auf die Einnahmesituation des Landes.
Meine Damen und Herren, deswegen ist es in einer Situation, in der die Steuereinnahmen zusammenbrechen, besonders schlimm, dass Hessen wirtschaftspolitisch abgerutscht ist.Da kann ich nur sagen:Der Wirtschaftsminister hat heute morgen eine sehr geschwollene Rede gehalten.
Jetzt sind Sie wirklich aufgefordert, nicht nur geschwollen daherzureden,sondern zu handeln,damit wir auch in Hessen zu anderen Einnahmen kommen.
Die konjunkturelle Situation hat immerhin bei der Sprecherin des Finanzministeriums zu der Prophezeiung geführt, dass eher weniger Geld hereinkommen wird als mehr. Meine Damen und Herren, Sie sehen: Diese überraschende Erkenntnis ist immerhin schon im Finanzministerium angekommen. – Aber, Herr Minister, welche Konsequenzen ziehen Sie denn daraus?
Ein weiteres Risiko ergibt sich aus den Versorgungslasten. Alle, die sich in Haushaltsfragen ein bisschen auskennen, wissen das. In den Haushaltsjahren 2001 und 2002 wurden geringere Versorgungslasten angesetzt, als am Ende herausgekommen sind. Auch dort drohen weitere Risiken. Ich schätze sie auf mindestens 20 bis 30 Millionen c.
Meine Damen und Herren, der Finanzminister beklagt nicht zu Unrecht,dass die Steuereinnahmen zurückgehen. Ich glaube, es ist unstreitig, das müssen wir alle beklagen. Aber wie handeln Sie denn?
In dieser Situation hat Roland Koch als Verhandlungsführer der Unionsländer auf erhebliche Steuereinnahmen verzichtet. Allein das von ihm verhinderte Steuerpaket der rot-grünen Bundesregierung hätte dazu geführt, dass Hessen 200 Millionen c Mehreinnahmen erhalten hätte – und die Kommunen in Hessen übrigens auch –, ganz deutliche Mehreinnahmen.
Herr Kollege Milde, ich hätte Verständnis dafür, wenn Ministerpräsident Teufel oder selbst Ministerpräsident Stoiber eine solche Position eingenommen hätten. Aber Roland Koch als Ministerpräsident eines Landes, das nun zum dritten Mal hintereinander einen verfassungswidrigen Haushalt zu verantworten hat und sich beständig über immer geringere Steuereinnahmen beklagt, wäre gut beraten gewesen, diesen letzten Strohhalm für den Haushalt 2003 zu ergreifen.
Koch steht das Wasser bis zum Hals. Das Land ist bis an die Verfassungsgrenze verschuldet und wird sich schon bald viele Dinge nicht mehr leisten können, die bisher zum Standard gehörten.
Deshalb hat Roland Koch auch darüber nachgedacht, vielleicht doch auf den Steuerkompromiss der rot-grünen Bundesregierung einzugehen, wenn auch in einer leicht veränderten Form, und ihn mitzutragen. Herr Kollege Brückmann, wenn man den Veröffentlichungen glauben darf, wurde Herr Koch aber im Bundesvorstand seiner Partei von Frau Merkel zurückgepfiffen. Die „FAZ“ schreibt am 20.04. in einem hochinteressanten Artikel ziemlich konkret und detailliert,dass einigen Teilnehmern der Sitzung des CDU-Präsidiums und des Bundesvorstands ganz „schwindelig“ geworden sei,
weil einige in der Union, allen voran Roland Koch, bereit gewesen seien,„das Familiensilber der Partei aufs Spiel zu setzen“. Intensiv sei darüber gestritten worden, ob man nicht den Weg der Bundesregierung teilweise mittragen solle, weil es auch bei den Länderhaushalten marode Staatsfinanzen gibt. Erst die Intervention von Ministerpräsident Teufel und einigen anderen Kollegen des Präsi
diums hätte verhindert,dass Koch – der mit Steinbrück eigentlich schon einig gewesen sei –, doch einen deutlichen Schritt in Richtung des Wegs der rot-grünen Bundesregierung geht.
Wenn die CDU darauf eingegangen wäre, so hätte dies bedeutet, dass sie an die „Abrisskante“ ihrer „Glaubwürdigkeit“ gekommen wäre. – Mit der Glaubwürdigkeit hat der Ministerpräsident bekanntlich seine Probleme. Um aber die CDU nicht an die Abrisskante ihrer Glaubwürdigkeit zu führen, wird Hessen jetzt an die Abrisskante seiner verfassungsgemäßen Finanzierung geführt. Meine Damen und Herren, ich glaube, deswegen kann man mit Fug und Recht feststellen: Weil Roland Koch im Kampf um Berlin seiner Konkurrentin Merkel keinen Angriffspunkt geben will, hat er zum Nachteil des Landes Hessen und seiner Kommunen auf Einnahmen verzichtet.
Hessen interessiert Roland Koch anscheinend nicht mehr. Im Kampf um die Kanzlerkandidatur der CDU werden Hessens Interessen untergeordnet. Diese Feststellung muss man nach diesen Verhandlungen treffen.
Ich kann an das anschließen und das unterstützen, was Roland von Hunnius eben gesagt hat. Dass dieser Ministerpräsident dann noch die Stirn hat, zu sagen, an einem eventuellen Strafverfahren der EU wegen Defizitüberschreitung würde sich Hessen nicht beteiligen, ist wirklich ein dicker Hund. Ausgerechnet Hessen, das sich gerade nicht an die Vereinbarung hält, sondern mit seinen Ausgaben in diesem Jahr über der vereinbarten Höchstgrenze liegt, sich auch bei der Nettoneuverschuldung nicht an die Bund-Länder-Vereinbarung hält und damit ein Mitverursacher des Defizits ist, über das wir alle klagen, will sich hier herausziehen.
Die Ausgabensteigerung im Jahr 2003 beträgt 1,2 %, vereinbart sind 1 %. Sie sollten sich damit befassen. Es ist ein Hohn, dass der größte Schuldenmacher Hessens verkündet, Hessen wird sich nicht an einer Strafe beteiligen. Das ist eine besondere Form von Humor.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Franz Josef Jung (Rheingau) (CDU): Wer die Ursache setzt, muss bezahlen, und das ist Herr Eichel!)
Wenn es – wie bei der Frage des Subventionsabbaus – konkret wird, hat sich dieser Ministerpräsident in die Büsche geschlagen. Es ist offenkundig, und die Kritik an der auf drei Jahre gestreckten 10-%-Kürzung ist berechtigt. Wie sagte der CDU-Vize Rüttgers? „Die Methode Rasenmäher ist ein Zeichen politischer Schwäche.“ Diese politische Schwäche von Roland Koch wird in Haushaltsfragen immer offenkundiger.