Protokoll der Sitzung vom 24.11.2004

Warum legen Sie einen Haushaltsentwurf vor, der den vernünftigen Kriterien, nachhaltige Finanzpolitik in unserem Bundesland zu machen, nicht gerecht wird? Warum halten Sie hier eine Rede, Herr Ministerpräsident, die zu 98 % von uns Liberalen unterstützt wird, warum legen Sie dann aber einen Haushaltsentwurf vor, der Murks ist, weil er genau das Gegenteil von dem ist, wovon Sie hier inhaltlich sprechen?

(Beifall bei der FDP)

Wir sind immerhin zufrieden,dass im Gegensatz zum letzten Jahr die absolute CDU-Regierung in diesem Haus verstanden hat, dass es theoretisch ein Problem gibt. Ich darf daran erinnern, dass wir noch vor einem Jahr darüber diskutiert haben. Von der Fraktion, die die Mehrheit in diesem Haus hat, ist gesagt worden: Wir haben ausschließlich ein Einnahmenproblem. – Immerhin haben Sie mit Ihrer Rede,mit dem vorgelegten Haushalt und mit dem Handeln der letzten sechs Monate deutlich gemacht, dass wir auch ein Ausgabenproblem haben. Meine sehr verehrten Damen und Herren, man muss es dann aber auch angehen.

(Beifall des Abg. Michael Denzin (FDP))

Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen von der CDU, dafür haben Sie die Verantwortung in diesem Land erhalten. Sie müssen die notwendigen Voraussetzungen hierfür schaffen und dürfen keinen derartigen Murkshaushalt vorlegen.

(Beifall bei der FDP)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, werter Kollege Roland Koch, Sie sind Ministerpräsident des Landes Hessen. Ich bin stolz darauf, einer derjenigen gewesen zu sein, der das gemeinsam mit der CDU im Jahr 1999 das erste Mal durch persönliche Wahl in diesem Hause mitgestalten konnte.

(Petra Fuhrmann (SPD): Kuschel! – Zuruf des Abg. Martin Häusling (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Herr Koch, die Aufgabe des Ministerpräsidenten des Landes Hessen ist zuallererst, sich um das Land zu kümmern, in dem er regiert.Das Land ist für Sie,Herr Koch,nun einmal Hessen und nicht die Bundesrepublik Deutschland.

(Beifall bei der FDP)

Aus diesem Grund ist es schon sehr verräterisch, wenn Sie der Opposition von SPD und GRÜNEN vorwerfen, dass sie sich provinziell verhalten haben. Herr Ministerpräsident, wir sind hier in der Provinz.Wir alle werden von den Menschen in dieser Provinz dafür bezahlt, dass wir unsere Arbeit für die Provinz machen. Herr Ministerpräsident, das ist nicht provinziell, das ist unser Job. Das ist auch Ihr Job, und das ist der Job der CDU-Fraktion in diesem Haus.

(Beifall bei der FDP – Zuruf des Ministers Dr.Alois Rhiel)

Beim Thema Bundespolitik diskutieren wir gemeinsam, dass die Rahmenbedingungen in Berlin nicht stimmen. Ich glaube, da können wir die Reden wechselseitig halten. Da kann Jörg-Uwe Hahn die Rede von Roland Koch und Roland Koch die Rede von Jörg-Uwe Hahn halten. Wir sind beide der gleichen Auffassung wie unsere Parteien in Berlin, dass von Rot-Grün in Berlin eine grottenschlechte, verantwortungslose Politik gemacht wird. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir können sie hier aber leider nicht beeinflussen. Beeinflussen kann sie nur der Wähler. Der Wähler ist im September 2006 gefordert, diese rot-grüne Regierung in Berlin abzuschießen. So lange haben wir sie aber noch.

Ich komme auf das Interview zu sprechen, das am 23. November in der „Frankfurter Rundschau“ erschienen ist. In diesem Interview wird Karlheinz Weimar wie folgt zitiert: „Ich habe immer noch die Hoffnung, dass im Bund irgendwann doch noch Beschlüsse gefasst werden, die uns

helfen, in das richtige Fahrwasser zu kommen.“ Meine Damen und Herren, ich habe diese Hoffnung nicht.Auch die FDP-Fraktion hat diese Hoffnung nicht – jedenfalls nicht vor September 2006. Wir reden aber jetzt über den hessischen Haushalt für das Jahr 2005.

Herr Koch, wir kämpfen Seit’ an Seit’, und unsere Kollegen in Berlin kämpfen Seit’ an Seit’, dass die unsinnige, die für unser Volk, für unser Land, für unsere Republik schädliche und schändliche Politik in Berlin endlich beendet wird. Diesen Kampf muss man aber in Berlin ausfechten, nicht bei der Verabschiedung des Haushalts 2005 für das Land Hessen.

(Beifall bei der FDP)

Die Union und die FDP müssen als verantwortungsvolle Opposition in Berlin darum kämpfen, die Regierung von Rot-Grün auf den Pfad der Tugend zurückzuführen – und sei es mithilfe des Bundesverfassungsgerichts und mithilfe des Bundespräsidenten. Das ist der Job der Bundestagsfraktionen von CDU/CSU und FDP. Den machen die in Berlin ja auch, manchmal mehr und manchmal weniger erfolgreich.

Herr Ministerpräsident, losgelöst von dieser Frage beschäftigen wir uns heute mit dem Haushalt 2005 für das Land Hessen. Es entlastet Sie nicht, darauf hinzuweisen, dass in Berlin alles schlecht läuft. Sie müssen vielmehr zur Kenntnis nehmen, dass sich Hessen dann, wenn es in Berlin schlecht läuft, besser aufstellen muss. Es hilft uns nicht weiter, wenn Karlheinz Weimar in der „FR“ sagt, er hoffe darauf, dass es in Berlin möglicherweise besser werde. Hier gibt es nichts zu hoffen. Man muss die Realität erkennen, und die ist, dass wir noch mindestens zwei Jahre lang damit zu kämpfen haben werden, dass die Rahmenbedingungen in dieser Republik schlecht sind. Deshalb muss Hessen einen vernünftigen eigenen Weg gehen. Herr Ministerpräsident, das ist Ihre Aufgabe. Diese Aufgabe haben Sie mit Kreativität zu erfüllen.

(Beifall bei der FDP)

Warum werden Sie dieser Verantwortung nicht gerecht? Warum schnappt die Schuldenfalle in Hessen immer kräftiger zu? Andersherum formuliert: Warum häufen wir jedes Jahr auf den bestehenden Schuldenberg weitere Schulden auf?

Herr Ministerpräsident, Herr Finanzminister, warum erzählen Sie uns, dass die „Operation sichere Zukunft“ ein Erfolg gewesen sei? Sie haben diese Operation mit der Behauptung begründet, dass die Ausgabenseite um 1 Milliarde c reduziert werde. Ich bin wirklich kein Haushaltsfachmann und kenne nicht jede einzelne Haushaltsposition – dafür hat die FDP-Fraktion Roland von Hunnius, der ein hervorragender Haushaltspolitiker ist –, aber selbst die Generalisten unter uns wissen, dass die Ausgabenseite in den letzten drei Jahren nettobereinigt überhaupt nicht gesunken ist. Sie lag und liegt zwischen 18,3 und 18,6 Milliarden c – vor der „Operation sichere Zukunft“ und nach der „Operation sichere Zukunft“. Es stimmt also nicht, wenn Sie hier sagen, dass Sie mit der „Operation sichere Zukunft“ 1 Milliarde c eingespart hätten. Das passt nicht zusammen. Herr Ministerpräsident,mit diesen Gegebenheiten müssen Sie sich abfinden.

Wir haben manchmal das Gefühl, dass einiges von dem, was Sie im Zusammenhang mit der „Operation sichere Zukunft“ – ich übernehme einfach einmal kritiklos Ihre Vokabel – getan haben, die Menschen provozieren sollte, eine öffentliche Diskussion provozieren sollte, damit Sie

sich an anderer Stelle als großer Haushaltssanierer profilieren konnten.Wir Liberale sagen Ihnen:Schon in der gemeinsamen Regierungszeit, spätestens nach dem gemeinsam begangenen Fehler, den wir mit der Vorlage des Nachtragshaushalts 2002 zu verantworten haben, haben Roland von Hunnius und Jörg-Uwe Hahn in den Debatten von diesem Pult aus laut und deutlich gesagt, dass eine Trendwende im Haushalt des Landes Hessen vorgenommen werden muss. Es geht um eine Trendwende, nicht um ein Herumhantieren mit dem Radiergummi oder mit Tipp-Ex. Es müssen vielmehr grundlegende Änderungen vorgenommen werden.

Das Gegenteil ist geschehen.Sie haben im Jahre 2003 – inklusive des Nachtragshaushalts – zusätzliche Schulden in Höhe von 1,5 Milliarden c angehäuft. Sie haben den Hessen im Jahre 2004, wenn der viel zu spät eingebrachte Nachtragshaushalt verabschiedet werden sollte, zusätzliche Schulden in Höhe von 1,65 Milliarden c aufgebürdet. Sie werden im Jahre 2005, wenn die Abgeordneten der CDU-Fraktion den Haushaltsentwurf der Landesregierung so kritiklos verabschieden, wie Sie es nach Ihrer Klausurtagung schon angedeutet haben, weitere 1,33 Milliarden c an Schulden aufhäufen.

(Widerspruch bei der CDU)

Das sind 4,263 Milliarden c zusätzliche Schulden. Das müssen die Menschen in diesem Lande wissen. Das ist Geld,das Sie nicht haben,das aufgenommen werden muss und für das letztlich Zinsen zu zahlen sind. Diese Zinsen zahlt keiner von uns zurück, sondern es sind unsere Kinder und Enkel, die diese Zinsen zahlen müssen. So kann es trotz der schlechten Haushaltssituation und der falschen Politik, die in Berlin gemacht wird, in unserem Bundesland nicht weitergehen.

(Beifall bei der FDP)

Roland von Hunnius hat es in der ersten Lesung gesagt, und ich wiederhole es gerne: Nehmen Sie endlich die strukturellen Probleme des Haushaltes in Angriff. Reden Sie sich nicht beschwingt heraus.Wenn Sie behaupten, ein Wachstum von 1,3 bis 1,4 % sei zu wenig, wir brauchten ein höheres Wachstum, dann sei alles wieder gut, dann sage ich Ihnen: Herr Ministerpräsident, ich weiß, weil ich Sie gut kenne, dass Sie wissen, und Sie wissen, dass ich weiß, dass Sie wissen, dass das nicht stimmt. Wir brauchten ein jährliches Wachstum von über 10 %, um einen Wachstumsimpuls zu erzeugen, der so stark wäre, dass wir keine zusätzlichen Schulden aufnehmen müssten und sogar Schulden abbauen könnten. Herr Ministerpräsident, Herr Finanzminister, selbst eine erfolgreiche bürgerliche Bundesregierung, die ab September 2006 im Amt wäre, könnte ein solches Wachstum nicht kurzfristig erreichen, sodass das, was Sie behaupten, schlicht falsch ist.

Wir müssen doch auch gegenüber den Menschen in unserem Land ehrlich sein. Es ist falsch, zu behaupten, es müsse nur die Stellschraube Wirtschaftswachstum gedreht werden, dann werde alles wieder gut. Nein, wir alle haben über Jahrzehnte hinweg über unsere Verhältnisse gelebt – unterstützt von der Bevölkerung, die für dieses und jenes besondere Zahlungen haben wollte – in dem Glauben, dass vieles vom Staat besser gemacht werde. Deshalb hat Hessen 150.000 Mitarbeiter angestellt. Das sind die Probleme, um die Sie sich als Landesregierung zu kümmern haben. Sie sollten sich nicht so sehr um die Probleme kümmern, die wir in Berlin haben, denn da gibt es, wie gesagt, eine Arbeitsteilung.

(Beifall bei der FDP)

Wir brauchen keine Binsenweisheiten zu wiederholen, aber vielleicht ist es doch notwendig, an das zu erinnern, was in gemeinsamer Regierungsverantwortung von 1999 bis 2003 angegangen wurde, z. B. bei den Verwaltungsstrukturen und bei den Anfängen einer Aufgabenkritik. Es waren die Liberalen, die in der Koalition, die offensichtlich erfolgreich gewesen ist – das haben die Wahlen bewiesen – gesagt haben, dass man an den Verkauf von Beteiligungen und Immobilien herangehen muss, jedenfalls von Beteiligungen und Immobilien, die werthaltig sind. Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist schön, und wir sind zufrieden, dass diese Idee der Liberalen nunmehr vom Ministerpräsidenten in seiner eben gehaltenen Haushaltsrede geadelt wurde und Herr Koch erklärt hat,dass diese Überlegung künftig verstärkt Einfluss auf das Handeln der Landesregierung haben wird.

Wir sind in der gemeinsamen Regierungszeit von 1999 bis 2003 mutig gewesen.Wir waren ideenreich.Wir haben unser Handwerk beherrscht. Die anderen Länder, auch Baden-Württemberg und Bayern, haben uns bewundert, mit welcher Schnelligkeit, mit welcher Präzision wir die Aufgaben aufgenommen, Lösungen erarbeitet und deren Umsetzung erfolgreich durchgeführt haben.Die damalige Opposition von Rot-Grün ist uns hinterhergelaufen. Sie konnten gar nicht schnell genug gucken, wo wir waren und was wir gemacht haben, um Ihre Reden umzuschreiben. Und jetzt? Inzwischen ist in der Politik Stillstand eingetreten. Sie merken es doch selbst. In der Politik herrscht Stillstand, und wenn Sie etwas tun, dann nehmen Sie die Menschen nicht mehr mit. Das kritisieren wir ganz besonders.

(Beifall bei der FDP)

Wir bieten Ihnen an, dass Sie kostenlos, ohne Entrichtung von Urheberrechtsgebühren, unser 45-Punkte-Programm zur Sanierung des Haushaltes weiter abschreiben dürfen. Ich bin stolz darauf, dass diese neun Personen ohne den Stab von Ministerialbeamten, den eine Regierung notwendigerweise haben muss, es geschafft haben, ein Konzept zu erarbeiten und vorzulegen, das in sich schlüssig ist und die Strukturprobleme unseres Haushaltes lösen will und lösen kann. Herr Finanzminister, Herr Ministerpräsident, schreiben Sie davon ab. Nehmen Sie diese Ideen auf, zu denen zählen – ich nenne nur drei Oberbegriffe –: intelligent sparen statt kurzsichtig kürzen;Strukturveränderungen erst nach Aufgabenkritik durchführen; gravierend die Schulden abbauen.

(Beifall bei der FDP)

Es geht. Sie müssen nur den Mut haben, die Alternativen zu Ihrer Politik zu sehen und zu nutzen. Wir haben das Gefühl, dass Sie in vielen Fällen ideenlos sind, in der Handlungsweise manchmal sogar stillos sind. Aber alternativlos sind Sie von der Union wahrlich nicht.

(Beifall bei der FDP)

Wir, die neun Liberalen in diesem Hause, haben auch zum aktuellen Haushaltsplan 2005 Änderungsanträge erarbeitet, die zwei Dinge erreichen. Erstens ist der Haushaltsentwurf verfassungsgemäß. Zweitens wird der Schwerpunkt Bildung ausgebaut.

Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, dafür müssen 632 Millionen c umgeschichtet werden – ohne Luftbuchungen, ohne die Einführung neuer Steuern oder die Erhöhung bestehender. Meine sehr verehrten Damen und Herren, warum haben Sie im Haushaltsausschuss all diese Anträge abgelehnt? Hätten Sie das gewusst,was Ro

land Koch heute sagt, hätten Sie eigentlich fast allen Anträgen Ihre Zustimmung geben müssen.

(Beifall bei der FDP)

Meine sehr verehrten Damen und Herren von der Union, Ihr Handeln ist anders als Ihr Reden. Das fällt – aus meiner Sicht sage ich: Gott sei Dank; aus Ihrer Sicht sage ich: leider – den Menschen in diesem Lande immer mehr auf.

Aber kommen wir wieder zurück zur Finanzpolitik. Warum eigentlich fällt den anderen drei Mitbewerbern – ich meine die Roten, die Grünen und die Schwarzen – beim Thema Haushaltssanierung, Haushaltsfinanzierung immer nur das Portemonnaie der Bürger ein?

Meine sehr verehrten Damen und Herren, den Sozialdemokraten fällt nur die Erhöhung der Erbschaft- und Vermögensteuer ein. Schöne Grüße.

Den Bündnisgrünen fallen die einseitige Senkung der Pendlerpauschale und der Eigenheimzulage ein – all das geht ans Portemonnaie der Bürger –, die Erhöhung oder Neueinführung der Grundwasserabgabe, also Schaden des Wirtschaftsstandorts Hessen.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich denke, ihr seid die Partei des Subventionsabbaus!)

Ihnen fällt das doch ein, oder habe ich das vergessen? Sie als GRÜNE fordern die einseitige Senkung der Pendlerpauschale, und Sie fordern die einseitige Absenkung der Eigenheimzulage. Herr Kollege Al-Wazir, ist das richtig oder nicht?

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Natürlich, stimmt!)

Dann brauchen Sie auch nicht dazwischenzurufen. Stehen Sie doch zu Ihrer Politik. Ich halte sie für falsch.

(Beifall bei der FDP – Zuruf des Abg.Tarek Al-Wa- zir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))