Protokoll der Sitzung vom 25.11.2004

Den fünften Punkt, die Verringerung der Anzahl der Programme der öffentlich-rechtlichen Anstalten, habe ich schon erwähnt.

(Volker Hoff (CDU):Wir sind dafür! Sie sind dagegen!)

Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen,wir müssen deshalb die Diskussion über die Rundfunkgebühren ein bisschen entspannter führen, als meine Vorredner von Sozialdemokraten und GRÜNEN das eben getan haben.

(Beifall bei der FDP)

Eine letzte Bemerkung zu den Gebührenerhöhungen. Herr Siebel, wir sind in vielen Punkten einer Meinung. Aber erzählen Sie bitte nicht sich selber und schon gar nicht den Menschen, dass das KEF-Verfahren ordentlich beachtet worden sei. Das KEF-Verfahren ist überhaupt nicht beachtet worden. Es ist gebrochen worden. Damit wir hier klipp und klar wenigstens vor uns und auch den Zuhörern die Wahrheit sagen: Nach dem KEF-Verfahren hätte man 1,09 c nehmen müssen.

(Beifall bei der FDP)

Man hätte irgendetwas anderes nehmen können, aber nicht die 0,88 c, wie Herr Stoiber und Herr Beck sie vorgetragen haben. Das ist ein Eingriff in das KEF-Verfahren,

(Beifall bei der FDP)

und das Bundesverfassungsgericht würde das auf alle Fälle verurteilen. Aber wir alle wissen, dass weder das ZDF noch die Rundfunkanstalten der Länder nach Karlsruhe gehen werden, sodass diese Frage letztlich nicht dort beantwortet wird.

Ein zweiter Punkt, der gegen eine Zustimmung spricht, ist die Möglichkeit der GEZ, nunmehr wie ein Privater Adressen einzukaufen. Ich will Ihnen sagen, was das bedeutet. Die GEZ kann künftig die Datei über Abonnenten von „Gong“, „Hörzu“ oder welcher Zeitschrift auch immer kaufen und die Adressen dann gegen ihre eigenen Adressen gegenlaufen lassen, ob die Menschen Rundfunkgebühren zahlen oder nicht. Wenn jemand den „Gong“ abonniert, dann unterstellt man offensichtlich, dass er auch ein Fernseh- oder Rundfunkgerät hat. Die Datenschutzbeauftragten von acht Bundesländern, auch unser Hessischer Datenschutzbeauftragter, haben erklärt, dass das datenschutzrechtlich schlicht falsch ist und nicht gemacht werden darf. Warum? Weil die öffentlich-rechtlichen Daten etwas anders und gezielter erhoben werden dürfen als im privaten Bereich. Die GEZ ist im Ausfluss der öffentlich-rechtlichen Diskussion tätig und darf deshalb, so auch unser Hessischer Datenschutzbeauftragter, Prof. Ronellenfitsch, nicht derartige Rechte bekommen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bin überrascht, dass gerade die Partei, die den Bundesdatenschutzbeauftragten stellt, nämlich derzeit die GRÜNEN, das überhaupt noch nicht erkannt hat. Da merkt man, wo die Bürgerrechte beachtet werden und wo nicht.

(Beifall bei der FDP)

Zum dritten Punkt, der Gebührenpflicht für internetfähige Rechner, hat bereits die Kollegin Hinz alles gesagt, was zu sagen ist. Der Branchenverband Bitcom geht davon aus, dass das mindestens 3 Milliarden c zusätzliche Belastung für die deutsche Wirtschaft sind. Der Bundesverband der freien Berufe hat darauf hingewiesen, dass insbesondere die Freiberufler, die in kleinen Einheiten

organisiert sind, diese Kosten zu tragen haben. Wie jetzt die große Koalition der Ministerpräsidenten auf die Idee kommt, die Wirtschaft und insbesondere die kleinen und mittelständischen Unternehmer zusätzlich zu belasten, ist ihr Geheimnis.Wir jedenfalls tragen das nicht mit.

(Beifall bei der FDP)

Wir tragen auch den vierten Punkt nicht mit, dass das so genannte Hotelprivileg – das Wort ist schon eine klassische Fehldeutung des Sachverhalts – abgeschafft werden soll. Wir wissen ganz genau, dass bei der Größe der Häuser – wie die Ministerpräsidenten auf 50 Zimmer kommen, ist mir ein Rätsel; das hat wohl etwas mit Würfeln zu tun –, die jetzt zusätzlich betroffen sind, die Auslastungsquote im Durchschnitt weit unter 50 % liegt, sodass sie Fernsehgebühren für etwas bezahlen sollen, was sie überhaupt nicht nutzen können. Das ist wiederum eine Belastung für die Wirtschaft, was wir gerade in der jetzigen Situation nicht akzeptieren können.

Eine letzte Bemerkung, Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Volker Hoff (CDU): Herr Präsident!)

Herr Präsident? Oh, man hat hinter meinem Rücken gewechselt.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Es kommt öfter vor, dass die FDP etwas nicht mitkriegt!)

Herr Präsident,meine sehr verehrten Damen und Herren, wir sind als Liberale nicht dafür, dass die Befreiungstatbestände vom Gebührenzahler zu leisten sind. Wenn die Befreiungstatbestände abgeschafft würden, hätte man ein Äquivalent in Höhe von 1,23 c Gebührenerhöhung. Wenn jemand umsonst einen Fernsehanschluss haben soll, so hat das Sozialamt im Wege des BSHG dies zu bezahlen, wie es alle anderen Sozialleistungen auch bezahlt.

(Beifall bei der FDP)

Wenn jetzt noch ein behinderter Millionär – ich sage das mit Gänsefüßchen, um deutlich zu machen, dass es einkommensunabhängig ist – keine Gebühren bezahlen soll, so haben wir Liberalen etwas dagegen. Ich weiß, wovon ich in diesem Falle spreche.

Das sind fünf Punkte, die gegen den jetzigen Rundfunkänderungsstaatsvertrag sprechen.

Ich unterstelle, dass in zwei, drei Punkten auch die Regierungsbeteiligungen von GRÜNEN und FDP in den Ländern dafür Sorge tragen, dass das geändert wird. Bei den Gebühren wird offensichtlich nichts mehr geändert, das ist ein falsches Signal an die Bürgerschaft und die Landesmedienanstalten. Das müssen aber diejenigen verantworten, die ehemals das SMS-Papier geschrieben haben – Herr Steinbrück, Herr Milbradt und Herr Stoiber – und die jetzt etwas anderes machen, als sie vorher gesagt haben. Wir Liberale bleiben in diesem Landtag konsequent und sagen: so nicht. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Das Wort hat der Abg. Hoff für die CDU-Fraktion.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es sind jetzt viele Argumente hin und her gewechselt worden. Ich glaube, man kann vor die Klammer ziehen, dass sich jeder das Argument heraussuchen kann, das er gerade braucht.

(Zuruf der Abg. Priska Hinz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

FDP und GRÜNE wollen den Rundfunkänderungsstaatsvertrag ablehnen.Den einen gehen die 88 Cent nicht weit genug, dem anderen, dem Kollegen Hahn, sind 88 Cent zu viel. An dieser Stelle wird deutlich, dass man sich durch entsprechende Rosinenpickerei das Argument so hinschnitzen kann, wie man es braucht.

(Nicola Beer (FDP): Unverschämtheit!)

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zunächst eine Vorbemerkung machen, was das Verfahren angeht. Nachdem sowohl Herr Kollege Hahn als auch Frau Kollegin Hinz kritisiert haben,dass wir hier nur eine Notarfunktion wahrnehmen würden, möchte ich doch ausdrücklich festhalten, dass sicherlich bei noch keinem Rundfunkänderungsstaatsvertrag, bei dem es um eine Gebührenerhöhung ging, im Vorfeld eine so intensive öffentliche Diskussion und auch parlamentarische Diskussion geführt worden ist wie bei diesem Rundfunkänderungsstaatsvertrag.

(Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))

Ich nehme jetzt einfach einmal den Kollegen Hahn als Kronzeugen. Ich erinnere mich gut, im Januar dieses Jahres gab es im Thierschsaal des Kurhauses den Neujahrsempfang der FDP, zu dem der Intendant des Hessischen Rundfunks eingeladen war. Er sollte vor 500 geladenen Gästen begründen,warum er für eine Gebührenerhöhung ist. Das hat er auch sehr eindrucksvoll getan.Auch an diesem Abend wurde klar, dass diese Diskussion zu einem sehr frühen Zeitpunkt in Gang gesetzt wurde. Von daher möchte ich denjenigen sagen, die heute immer noch an der Verfahrensfrage ihre Kritik aufhängen, dass das ungerechtfertigt ist, weil wir über einen wirklich sehr langen Zeitraum diskutiert haben.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Es ist kein klares Verfahren!)

Zweiter Punkt. Es wird hier kritisiert, dass die Staatsferne nicht gewahrt wäre, weil wir in diesem Staatsvertrag zu einem anderen Ergebnis kommen als der Betrag, den die KEF vorgeschlagen hat.

Verehrte Frau Kollegin Hinz, solange Landesparlamente über eine Gebührenerhöhung zu entscheiden haben und diese letztlich auch gegenüber den Wählerinnen und Wählern zu verantworten haben, können Sie an dieser Stelle keine Staatsferne einfordern. An dieser Stelle wird es immer eine gewisse Staatsnähe geben,

(Zuruf der Abg. Priska Hinz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

weil demokratisch legitimierte Vertreter von Parlamenten darüber entscheiden, ob eine Erhöhung stattfindet oder nicht. Ihre Kritik, die Sie an dieser Stelle üben, dass sozusagen die Staatsferne deshalb außer Kraft gesetzt wäre, weil sich die Ministerpräsidenten auf einen anderen Betrag als die von der KEF vorgeschlagenen 1,09 c geeinigt haben, geht völlig am Thema vorbei.

(Zuruf der Abg. Priska Hinz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Natürlich gibt es eine Reihe von Punkten – Herr Kollege Hahn hat welche genannt –, über die man in Einzelheiten reden kann. Es ist bekannt, dass ich beispielsweise in der Frage der GEZ dafür eintrete, möglicherweise ganz andere Formen des Gebühreneinzugs einzurichten. Die Frage des Adressenkaufs ist eigentlich nur noch das i-Tüpfelchen obendrauf. Ich finde es viel schlimmer, dass die Einwohnermeldeämter in regelmäßigen Abständen der GEZ melden, wer neu in irgendeiner Stadt zugezogen ist, und dann die entsprechenden Gebührenbeauftragten losgeschickt werden, um zu überprüfen, ob Rundfunkgeräte angemeldet sind oder nicht. Das halte ich für ein Verfahren, das mit unseren üblichen Riten in Deutschland eigentlich nichts zu tun hat.

(Beifall des Abg. Jörg-Uwe Hahn (FDP))

Herr Kollege Hahn,das werden Sie mir zugestehen,das ist nicht der zentrale Gegenstand dieses Rundfunkänderungsstaatsvertrags.

(Zuruf des Abg. Jörg-Uwe Hahn (FDP))

Verehrter Herr Kollege Hahn, verehrte Frau Kollegin Hinz, an einem Punkt möchte ich Sie schon festnageln. Herr Kollege Hahn, Sie haben in Ihrem Beitrag immer nur von ARD und ZDF gesprochen. Aus meiner Sicht ist dies zu kurz gegriffen.Sie wissen sehr genau,wenn wir uns die Rundfunkanstalten im Einzelnen anschauen, dass sie durchaus unterschiedlich zu beurteilen sind. Sie sind schon vom Gebührenaufkommen her unterschiedlich. Der WDR hat noch Speck auf seinen Rippen sitzen, den der Hessische Rundfunk schon längst abgeschmolzen hat, und zwar zwangsläufig abgeschmolzen hat.

(Beifall des Abg. Jörg-Uwe Hahn (FDP))

Herr Kollege Hahn, deswegen ist möglicherweise das, was Sie vorschlagen, die Verweigerung einer Gebührenerhebung, für den Hessischen Rundfunk mit ganz anderen Konsequenzen verbunden als beispielsweise für den Westdeutschen Rundfunk, den Bayerischen Rundfunk oder den NDR. Das hat in Ihrer Rede überhaupt keine Rolle gespielt. Sie haben einfach von ARD und ZDF gesprochen und an der Stelle von der ARD so gesprochen, als handele es sich um einen monolithischen Block. Sie wissen sehr genau aus Ihrer Tätigkeit im Rundfunkrat, dass es hier sehr unterschiedliche Beurteilungen gibt.

Wenn ich dann das Wort Werbefreiheit höre, kann ich nur sagen:Das ist ein interessantes Thema.Bei der Diskussion um die Werbefreiheit im öffentlich-rechtlichen Rundfunk muss man auch wissen – möglicherweise ist es der FDP an der Stelle auch völlig egal –, dass die Werbewirtschaft großen Wert darauf legt, dass es die Werbefreiheit im öffentlich-rechtlichen Fernsehen nicht gibt. Dies hat einen ganz einfachen Grund: Es gibt gesellschaftliche Gruppen, die Sie nur noch im öffentlich-rechtlichen Rundfunk erreichen, aber nicht im privaten. Ich bin der Meinung, es wäre falsch, die Werbefreiheit abzuschaffen. Wir haben schon an vielen Stellen in Deutschland und Europa an der Werbefreiheit herumgedoktert. Dies wäre ein weiterer Beitrag dazu, die Freiheit der Werbewirtschaft an einer Stelle einzuschränken, an der es aus meiner Sicht nicht notwendig ist. Die FDP muss sehr genau überlegen, ob sie an dieser Stelle eine Position einnimmt, die der betroffenen Werbewirtschaft zu 100 % entgegenläuft.

Ich bin dankbar, dass Herr Kollege Siebel hier angekündigt hat, dass die Sozialdemokraten dem Rundfunkände

rungsstaatsvertrag zustimmen. Herr Kollege Siebel, wir werden den Dringlichen Antrag sicherlich auch im Ausschuss beraten. Ich muss Ihnen allerdings schon sagen, so weichgespült,wie Sie das hier vorgetragen haben,lasse ich Ihnen das nicht durchgehen.

Wenn Sie z. B. so locker davon sprechen, dass es eine wunderbare Vielfalt in der hessischen Medienlandschaft gibt und dass es allgemeiner Konsens ist, weise ich Sie darauf hin, dass alle Punkte, die zum Erreichen dieser Vielfalt hergestellt wurden, immer dann geschehen sind, wenn CDU und FDP die entsprechenden Voraussetzungen dafür geschaffen haben.