Protokoll der Sitzung vom 25.11.2004

Sehr geehrter Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Frau Kollegin Sorge, mich erstaunt schon, dass die GRÜNEN bei der zweiten Lesung des Hochschulgesetzes in dieser Debatte zunächst 15 Minuten reden wollten. Frau Kollegin Beer hatte schon darauf hingewiesen, dass sich die Obleute aller Fraktionen auf ein Verfahren verständigt haben, wonach wir Zeit für die Anhörung hatten – –

(Abg.Sarah Sorge (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) führt ein Gespräch mit einem Kollegen.)

Kollegin Sorge, wenn ich Sie anspreche, wäre es vielleicht ganz gut, wenn Sie auch zuhören könnten. Ich habe Ihnen auch zugehört, und Sie legen sonst auch Wert darauf, dass man zuhört.

Wir haben also vereinbart, dass die Auswertung der mündlichen Anhörung in der Ausschusssitzung der nächsten Woche stattfindet und dann im Dezember eine dritte Lesung abgehalten wird.An dieser Stelle möchte ich ganz offiziell die dritte Lesung des Hochschulgesetzes beantragen. So war das vereinbart.

Das, was Sie hier im Vorhinein vorgetragen haben, greift im Grunde der Ausschussberatung am kommenden Donnerstag vor. Dort wollen wir dann mögliche Änderungsanträge beschließen.

(Priska Hinz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Haben wir heute eine zweite Lesung, oder nicht?)

Frau Kollegin Hinz, Sie waren doch bei dieser Vereinbarung gar nicht anwesend, und Sie sind auch so selten im Ausschuss, dass Sie gar nicht wissen, was wir vereinbart haben.

(Widerspruch der Abg. Sarah Sorge und Priska Hinz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) – Priska Hinz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Halten Sie sich einmal zurück! Das ist die Arroganz der CDU!)

Jetzt will ich zu der Auswertung der Anhörung kommen. Diese Anhörung bestand aus einem schriftlichen und einem mündlichen Teil. Frau Kollegin Sorge und Frau Kollegin Beer haben versucht, darzustellen, es hätte ausschließlich negative Stellungnahmen zu diesem Gesetzentwurf gegeben. Damit möchte ich einmal aufräumen, indem ich wenige einzelne Stellungnahmen in ihren Grundzügen zitiere.

Ich beginne mit dem Präsidenten der Universität Frankfurt, Prof. Dr. Steinberg. Er hat in der schriftlichen Anhörung vorgetragen:

Die Novelle zur Änderung des Hessischen Hochschulgesetzes ist danach zu beurteilen, ob und inwieweit es gelingt, die Autonomie und Wettbewerbsfähigkeit der hessischen Universitäten zu stärken.

Nach diesen Maßstäben ist die Vorlage insgesamt zu begrüßen. Sie geht den mit dem Hessischen Hochschulgesetz 2000 begonnenen Weg konsequent weiter und stellt einen wichtigen Schritt zu mehr Autonomie und größerer Wettbewerbsfähigkeit dar.

Eine positive Stellungnahme. – Ich komme zu einer weiteren Stellungnahme, der des Deutschen Hochschulverbandes. Dort wird insbesondere die Umsetzung einer „neuartigen Personalstruktur“ begrüßt, und dass „neben dem Qualifizierungsweg der Juniorprofessur als gleichberechtigte Alternative die akademische Ratsstelle auf Zeit“ geschaffen wird.

Ebenso positiv wird der allgemeine Hochschulzugang für Meister beurteilt. Die Vereinigung hessischer Unternehmerverbände „begrüßt den Gesetzentwurf in seinen zentralen Regelungen“. Die hessischen Hochschulen haben „eine größere institutionell-organisatorische Eigenverantwortlichkeit“ und können selbst Dinge regeln. Begrüßt wird weiter die deutliche Stärkung der Hochschulleitung und Dekanate, begrüßt werden die Premiumstudiengänge und die Profilschärfung der Studiengänge.

Ebenso wird das von der Hochschule für Bankwirtschaft gesehen, die diesen Gesetzentwurf als „einen wichtigen Schritt zur Modernisierung der hessischen Hochschullandschaft“ bezeichnet.

Das gilt auch für die Arbeitsgemeinschaft Hessischer Industrie- und Handelskammern, den Hessischen Handwerkstag und Weitere. Dies sind nur einzelne Beispiele, um darzustellen, dass nicht alle Stellungnahmen in der Anhörung negativ waren. – So viel zu dem.

An dieser Stelle möchte ich aber noch einige Sätze sagen, bevor wir am kommenden Donnerstag zur Auswertung und Beratung der Änderungsanträge kommen. Zentrale Punkte dieses Gesetzentwurfes liegen darin, dass die Eigenverantwortung der Hochschulen gestärkt wird, dass

die Hochschulleitungen gestärkt werden – die nämlich auch dafür verantwortlich sind,wie erfolgreich ihre Hochschulen im Wettbewerb mithalten können. Ich will auch darauf hinweisen, dass wir Neuerungen wie Premiumstudiengänge für begabte Schüler ermöglichen wollen. Das gibt es derzeit in keinem anderen Landesgesetz.

Lassen Sie mich zum Schluss darauf hinweisen, dass wir als CDU-Fraktion vorhaben,in der kommenden Woche in der Ausschusssitzung Änderungen vorzuschlagen,die sich aus der Anhörung ergeben. Dann werden wir darüber beraten und im Dezember-Plenum in dritter Lesung alle Änderungsanträge behandeln. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort hat der Abg. Siebel, SPD-Fraktion.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Kollegin Kühne-Hörmann, natürlich finden sich in den Anhörungsunterlagen und Protokollen, die zusammen etwa 400 Seiten umfassen, auch drei Zitate, die Ihre Position unterstützen.

(Beifall bei der SPD)

Aber man muss schlicht und ergreifend sagen, dass diese Anhörung in Bezug auf die strittigen Punkte für Sie ein einziges Desaster war. Das gilt natürlich nicht für die unstrittigen Punkte; das haben wir alle festgestellt. Die Umsetzung von Bundesgesetzen ist natürlich unstrittig.

(Beifall bei der SPD – Nicola Beer (FDP): Man könnte auch sagen, der Gesetzentwurf ist geschlachtet worden!)

In dem einen oder anderen Punkt kann man anderer Auffassung sein. Frau Kollegin Beer und Frau Kollegin Kühne-Hörmann, eines wundert mich doch ein bisschen: Frau Kollegin Kühne-Hörmann, Sie ziehen über den Gesetzentwurf her, der in der letzten Legislaturperiode eingebracht worden ist, und Sie, Frau Kollegin Beer, ziehen über den jetzt vorgelegten Gesetzentwurf her. Das lässt einige Rückschlüsse darauf zu, wie zerrüttet der Zustand der Koalition in der letzten Legislaturperiode gewesen sein muss. Das finde ich in gewisser Weise erheiternd. Ich nehme das mit großer Freude wahr, weil dadurch deutlich wird, worin die zentralen Unterschiede bestanden.

Dadurch, dass eine dritte Lesung beantragt wurde, werden auch wir von der SPD-Fraktion die Möglichkeit haben, Änderungsanträge einzubringen. Ich denke, dass wir an zwei Punkten keinen Konsens werden herstellen können. Wenn wir die Streichung des Studienguthabengesetzes fordern – das ist ein Artikelgesetz; wir können das also als „Omnibusgesetz“ anhängen –, werden wir mit Ihnen keine Einigung erzielen. Das Studienguthabengesetz hat – auch unter der Voraussetzung, dass es der Sanierung des Landeshaushalts hätte dienen sollen – nicht die Zielchargen erreicht,die Sie vorgegeben haben.Jetzt wird die Zahl von 9,5 Millionen c Einnahmen genannt. Dieser Zahl standen im Haushalt 24 Millionen c gegenüber. Jetzt haben Sie noch 16 Millionen c. Sie haben also das Ziel, das Sie sich selbst gesteckt haben, völlig verfehlt.

Von daher wäre es nur konsequent, dieses Gesetz jetzt wieder abzuschaffen. Wir werden das beantragen. Aber ich glaube, damit werden wir bei Ihnen nicht auf Gegen

liebe stoßen. Leider werden wir auch mit den Änderungsanträgen, die sich mit der gesamten Strukturreform befassen, also mit der Kompetenzverteilung zwischen dem Senat auf der einen Seite, dem Präsidium auf der anderen Seite und dazwischen der Hochschulversammlung, auf wenig Gegenliebe stoßen. Das scheint nicht so zu sein.

Auch dazu muss ich sagen: Die Anhörung war doch relativ simpel. Alle haben gesagt: Lasst uns jetzt einmal ein wenig durchatmen. – Ich will das einmal umgangssprachlich ausdrücken. Ich verstehe nicht, warum jetzt wieder und wieder darin herumgerührt wird, selbst wenn man die eine oder andere Kritik an Ihrem Gesetzentwurf hat. Ich halte es für den falschen Schritt, das Ganze jetzt wieder anzurühren, mit dem Ergebnis, dass wir nach der Auswertung der Evaluation sicherlich eine grundlegende Änderung vornehmen.Dessen bin ich mir sicher.Jetzt noch einmal ein Durcheinander zu veranstalten – es ist ein Durcheinander –, halte ich für einen Schritt, der die Hochschulen verunsichert und insofern negativ in den Prozess eingreift.

(Beifall bei der SPD)

Ich teile Sarah Sorges Befürchtungen, dass dadurch in allen Bereichen Demokratie abgebaut wird. Ich möchte Ihnen ein vier Punkte umfassendes Angebot vorlegen, dem auch Sie,glaube ich,zustimmen können,selbst auf die Gefahr hin, dass meine eigene Fraktion mir am Ende sagt: Jetzt warst du wieder einmal zu konsensual mit den Rechten.

Erster Punkt. Wir haben sehr eindeutig nicht nur von denen, die das jobmäßig zu vertreten haben, nämlich von den Personalvertretungen, sondern auch von den Hochschulleitungen gehört, dass man die Motivation und die Entwicklung an den Hochschulen nur unter Beteiligung der Beschäftigten hinbekommt und dass das, was Sie im Zusammenhang mit dem HPVG vorschlagen, genau das Gegenteil bewirkt.All dies wäre durch die einfache Maßnahme, den Art. 4 in dem Gesetzentwurf zu streichen, zu beseitigen.

(Beifall der Abg. Nicola Beer (FDP))

Ich glaube, das ist in der Tat eine Brücke, über die Sie gehen können: Streichung des Art. 4 und Erhaltung der Mitbestimmungsrechte an den Hochschulen, und zwar nicht aus dem Prinzip der Personalvertretung, sondern um die Motivation an den Hochschulen zu erhalten.

(Beifall bei der SPD)

Zweiter Punkt. Er betrifft § 95, in dem die Höhe der dem AStA zugewiesenen Mittel an die Wahlbeteiligung der Studierenden geknüpft ist. Die Anhörung hat eindeutig ergeben – das haben gerade die Rechtsgelehrten gesagt –, dass diese Regelung so nicht zu halten ist. Gehen Sie daher über diese Brücke, und nehmen Sie die betreffende Regelung aus dem § 95 heraus.Belassen Sie es dabei,auch unter dem Aspekt, dass eine gute Hochschule die ist, die ihre Studenten mitnimmt und ihre Motivation erhält. Die Motivation erhalten Sie nur, wenn Sie diese Regelung aus dem § 95 streichen.

(Beifall bei der SPD)

Dritter Punkt. Der Gesetzentwurf enthält die Möglichkeit, Meistern den Zugang zum Hochschulstudium zu erleichtern. Aber wir sollten hier zu einer klareren Formulierung kommen, die sich an die NRW-Formulierung anlehnt.Es könnte folgendermaßen heißen:Eine erfolgreich abgelegte Meisterprüfung oder andere Prüfungen, die

vom Fachministerium bestimmt werden, berechtigen zum Hochschulzugang. – Warum übernehmen Sie nicht die einfache Formulierung: „Wer Meister ist, sollte die Möglichkeit haben, an einer hessischen Hochschule zu studieren“? So hat es z. B. die IHK Kassel in ihrer schriftlichen Stellungnahme zu der Anhörung formuliert. Ermöglichen Sie diesen Schritt; es ist nämlich nicht einsehbar, dass jemand, der eine Meisterprüfung abgelegt hat, für ein Hochschulstudium weniger qualifiziert sein soll als andere.

Vierter Punkt. Sie werden sich jetzt ein wenig wundern. Aber ich möchte Ihnen anbieten, über das Thema Studienangebote mit besonderem Betreuungsaufwand zu sprechen.Der Hintergrund ist,dass einige Hochschulen in der Anhörung Beispiele für solche Studiengänge genannt haben, die es in der Tat rechtfertigen, für die zusätzlichen Aufwendungen, die dort notwendig sind, Gebühren zu erheben. Zum Beispiel sind die internationalen Studiengänge „Finance and Accounting“ und „Master of Political Theory“ genannt worden.Das sind nur zwei der Beispiele.

Lassen Sie uns über eine Lösung reden, der wir alle zustimmen können, zu der sich also ein größerer Konsens herstellen lässt.Aber dieser Konsens kann nicht so aussehen, dass dort eine Formulierung stehen bleibt, die den Eindruck erweckt, als würde jemand an deutschen Hochschulen Studiengebühren zahlen müssen, nur weil er ausländischer Herkunft ist. Das geht nicht. Diese Formulierung ist misslungen. Sie muss konsequenterweise gestrichen werden.

(Beifall bei der SPD)

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. Ich hoffe, ich habe ein paar Minuten Redezeit eingespart und somit zur Sanierung des Zeitbudgets des Landtags beigetragen. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat Herr Staatsminister Corts.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Einige von Ihnen, insbesondere meine Freunde von der Opposition, haben in der ersten Lesung dem Gesetzentwurf Einfallslosigkeit bescheinigt

(Nicola Beer (FDP): Ja!)

und ihn als „eine matte Anpassungsgesetzgebung an die Vorhaben des Bundes“ charakterisiert. Ich glaube, die Lebhaftigkeit und die Aufregung der Stellungnahmen in der Anhörung des Ausschusses für Wissenschaft und Kunst und das,was wir heute wieder gehört haben,zeigen, dass die Einschätzung eine ganz andere ist und wir einiges angeschoben haben. Ich möchte in Erinnerung rufen, dass angesichts der außerordentlichen Regelungsbreite des Gesetzentwurfs – sie reicht von der Bewerbung um ein Studium bis zur Berufung in eine Professur – das Maß an Zustimmung zu unserer Grundkonzeption doch außerordentlich hoch und ermutigend ist. Ich bekomme mehr zusammen, als eben vorgetragen worden ist.

Es geht insgesamt um die Stärkung der Eigenverantwortung, um mehr Leistungsorientierung und Wettbewerb, die Öffnung des Hochschulzugangs, eine bessere und frühere Orientierung über die Anforderungen des Studiums

und die eigene Befähigung, die Verbesserung der Studierbarkeit des Studiums durch Strukturierung und Modularisierung, international vergleichbare Abschlüsse, um die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses durch forschungsintensive Studienangebote und fachgerechte Beschäftigungsmodelle, die Neuordnung der inneren Organisation der Hochschule und die Professionalisierung des Hochschulmanagements.