Protokoll der Sitzung vom 27.01.2005

Ich komme zum Schluss. – Ich freue mich auf die Fortführung der gesellschaftspolitischen Diskussion, mit der wir jetzt begonnen haben. Die Alternativen sind klar: Soll das Recht weiterhin den Diskriminierer schützen, oder soll es sich auf die Seite der Diskriminierten stellen? Das sind die Alternativen, über die ich mit Ihnen jederzeit gern weiterreden möchte.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Zurufe von der CDU)

Vielen Dank, Herr Dr. Jürgens. – Meine sehr verehrten Damen und Herren, es gibt immer wieder eine Reihe von Zwischenrufen. Meistens hören wir sie hier vorne aber nicht, weil der Geräuschpegel so hoch ist. Sollte es so sein, dass ein Kollege „Giftzwerg“ gerufen hat, muss ich dies ausdrücklich rügen. Aber wir können das nur aus dem Protokoll ersehen. Es tut mir herzlich Leid.

In Ihrem eigenen Interesse appelliere ich an Sie: Seien Sie erstens etwas ruhiger, und vereinbaren Sie zweitens die Reihenfolge Ihrer Zwischenrufe, damit wir sie vernünftig nachvollziehen können. Wenn es sein muss, können wir dann jemanden rügen.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wir wissen, wer das war! Irgendwann ist der Punkt erreicht, wo das nicht mehr geht! – Weitere Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, ich bitte Sie, jetzt nicht den Präsidenten zu kritisieren. Ich habe das nicht so mitbekommen.

Der Kollege Klein möchte eine persönliche Erklärung abgeben. Ich glaube, damit können wir das Thema erledigen.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich entschuldige mich. Das war nicht so gemeint. Ich habe „Giftspritze“ sagen wollen; das gebe ich zu. Von dem anderen bitte ich abzusehen. Das war nicht beabsichtigt. Ich bitte um Vergebung.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Klein. – Dann erteile ich dem nächsten Redner, Herrn Kollegen Rentsch von der FDPFraktion, das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Dr. Jürgens, Sie haben Ihre Rede mit den Worten beendet, dass Sie sich auf einen gesellschaftspolitischen Diskurs in dieser Frage freuen. Es ist schade, dass Sie Ihre Rede nicht mit diesen Worten begonnen haben. Die Aussage, das Recht stehe auf der Seite der Diskriminierer und das wolle diese Seite des Hauses, ist wirklich abenteuerlich.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Die Sachlichkeit, die Sie hier einfordern, haben Sie in keinem Redebeitrag der heutigen Debatte an den Tag gelegt.

Die FDP wendet sich gegen jede Form von Diskriminierung und Intoleranz, wie sie es bisher getan hat und es auch in Zukunft tun wird. So sieht es das Grundgesetz in Art.3 Abs.3 bekanntlich vor.Uns ist klar,dass wir als Mitgliedstaat der Europäischen Union die Antidiskriminierungsrichtlinie umzusetzen haben. Das ist völlig selbstverständlich. Aber es bleibt zunächst einmal festzuhalten, dass Rot-Grün diese Richtlinie, die im Jahr 2000 in Kraft getreten ist, vier Jahre lang nicht umgesetzt hat.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Vier Jahre lang haben Sie das Thema Antidiskriminierung überhaupt nicht behandelt, und jetzt stellen Sie sich hierhin und tun so, als ob dies das wichtigste Thema gewesen wäre, mit dem Sie sich je beschäftigt hätten. Vier Jahre lang bleiben Sie untätig, und jetzt legen Sie einen großen Aktionismus an den Tag.

(Beifall bei der FDP – Petra Fuhrmann (SPD): Stimmt gar nicht!)

Was die Reaktionen betrifft, so treibt dieser Gesetzentwurf solch abenteuerliche Blüten, dass Sie sich nicht wundern dürfen, wenn einige Kollegen im Bundestag abenteuerliche Vergleiche heranziehen. Das ist völlig selbstverständlich.

(Zuruf von der SPD: Na, na, na!)

Kommen wir jetzt zum Inhalt des Gesetzentwurfs. Sie werden das Gedankengut der Menschen nicht über Gesetze verändern können.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Jörg-Uwe Hahn (FDP): Und das ist gut so!)

Man kann nicht gesetzlich verordnen, Menschen nicht zu diskriminieren.

(Petra Fuhrmann (SPD): Wie ist das denn in Amerika?)

Die Problematik all der Fragen, über die wir diskutieren, hängt mit dem Gedankengut zusammen. Es ist eine Frage der Toleranz und des Umgangs miteinander. Das ist ein Problem, das Sie nicht einfach durch eine parlamentarische Entscheidung lösen können.

(Beifall bei der FDP – Norbert Schmitt (SPD):Was heißt das denn im Umkehrschluss?)

Ich will Ihnen ein Beispiel nennen – vielleicht besonders an den Kollegen Schmitt gerichtet. Herr Schmitt, lassen Sie mich ausreden.Vielleicht können Sie nachher noch etwas sagen.

(Norbert Schmitt (SPD): Heißt das, dass wir Diskriminierung nicht sanktionieren können?)

Herr Schmitt, stellen Sie sich vor, Sie hätten ein Haus an der Bergstraße – was ich nicht weiß; aber es ist ja möglich – und wollten eine freie Wohnung vermieten.

(Norbert Schmitt (SPD): Die muss ich an Boris Rhein vermieten!)

Stellen Sie sich vor, Sie wollen die Wohnung vermieten, und auf Ihre Annonce meldet sich der Kollege Guido Westerwelle. Herr Westerwelle – oder auch Frau Pieper – will in Ihr Haus ziehen. Das nenne ich nur als Beispiel. Sie lehnen Herrn Westerwelle als Mieter ab und müssen anschließend versichern, dass es nicht daran gelegen hat, dass Ihnen die politische Anschauung von Herrn Westerwelle nicht gefällt. So ist das.

(Lebhafter Beifall bei der FDP und der CDU – Ta- rek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Dass man Herrn Kauder verstehen soll, meinen Sie ernst?)

In der Diskussion sticht besonders hervor – Herr Dr. Jürgens, darauf sind Sie nicht eingegangen –, dass es in diesem Gesetzentwurf nicht um eine Beweiserleichterung, sondern um eine Beweislastumkehr geht.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Norbert Schmitt (SPD): Jetzt weiß ich, dass du die Vorschrift nicht verstanden hast!)

Das ist etwas völlig anderes und mit der Systematik der deutschen Gesetze nicht vereinbar. § 611a, den Sie zitiert haben,sieht eine Beweiserleichterung,aber keine Beweislastumkehr vor. Ich frage mich manchmal, ob Sie wirklich Jurist sind oder einfach aus der Lamäng heraus diskutieren. – Ich lasse keine Fragen zu.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Neben der Frage, wie man dieses Gesetz benutzen kann, um die Gewerkschaften in eine bessere Position zu bringen, gibt es weitere Schmankerl.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Meinen Sie ernsthaft, dass man Herrn Kauder verstehen kann, Herr Rentsch?)

Als rot-grünes Highlight haben Sie eine ganze Antidiskriminierungsbehörde vorgeschaltet. Als ob man das im Familienministerium nicht ohne Probleme hätte regeln können. Nein, Rot-Grün wird einen Beauftragten ernennen, der über eine ganze Behörde verfügt.Werfen Sie bitte nie wieder der Europäischen Union vor, sie würde Bürokratie schaffen. Bürokratische Strukturen werden eindeutig von Rot-Grün geschaffen.

(Beifall bei der FDP – Jörg-Uwe Hahn (FDP): So etwas hatten wir in „1984“!)

Die Diskriminierung ist auch für uns ein großes Problem. Auf sie treffen wir in allen Bereichen der Gesellschaft. Aber sie ist nicht durch Gesetze und vor allem nicht durch ein Mehr an Bürokratie abzuschaffen. Wir wollen das gemeinsam mit den Menschen verändern; wir wollen das nicht durch Gerichte verändern lassen. Der Abbau von Diskriminierung lässt sich nicht einfach durch Gesetze verordnen.

(Beifall bei der FDP)

Wir brauchen in Deutschland eine Kultur des Miteinanders, in der Diskriminierung und Vorurteile geächtet werden. Wir brauchen aber keine Kultur, in der sich die Menschen an die Gerichte wenden, um etwas verändern zu lassen.

(Beifall bei der FDP – Zuruf der Abg. Petra Fuhr- mann (SPD))

Dieses Gesetz bedeutet eine Einschränkung der Freiheit in unserem Land. Ich glaube, dass Ihnen diese Dimension überhaupt nicht klar ist. Sie wissen nicht, was Sie da angerichtet haben. Das ist Ihnen nicht klar.

(Beifall bei der FDP – Zurufe von der FDP und der CDU)

Wir prophezeien, dass aufgrund dieses Gesetzes in Deutschland eine Kultur der Missgunst und des Misstrauens entstehen wird. Sie werden sich noch wundern, was Sie damit in Gang gesetzt haben.

(Beifall bei der FDP – Petra Fuhrmann (SPD):Ach du lieber Himmel!)

Ich bitte Sie, sich zu überlegen, ob Sie das nicht zurücknehmen wollen.Auch bitte ich Sie, sich durch unsere Meinung nicht diskriminiert zu fühlen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank. – Das Wort hat der Justizminister Dr. Wagner.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Entwurf des so genannten Antidiskriminierungsgesetzes ist ein Angriff auf die Freiheitsrechte in unserem Grundgesetz.