Protokoll der Sitzung vom 23.02.2005

Ich weiß nicht, welche Probleme Sie mit halbwüchsigen Jugendlichen haben. Ich jedenfalls habe keines.

Diese Politik hat dazu geführt, dass seit den Siebzigerjahren die Vereinbarkeit von Kinderwunsch und eigener beruflicher Perspektive behindert wurde. Daran hängen ein traditionelles Familien- und Frauenbild sowie die mangelnde Bereitschaft der Gesellschaft,tatsächlich in Kinder zu investieren, in die Bildung von Kindern und in deren individuelle Förderung.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vor diesem Hintergrund hat es in diesem Hause in der 14. Legislaturperiode eine Enquetekommission „Familienfreundliches Hessen“ gegeben. Wenn wir uns deren Ergebnisse anschauen, die im Jahre 1998 hier vorgelegt wurden, und dann die Bilanz ziehen, was Sie in den Jahren danach getan haben, dann ist das eine traurige Bilanz.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Lothar Quanz (SPD))

Ein anderes Beispiel. Sie haben den bekannten Sozialrichter Borchert eingeladen und ihn den – seitens der Landesregierung groß gefeierten – „Wiesbadener Entwurf“ erarbeiten lassen. Nach zweieinhalb Jahren haben wir vor wenigen Wochen eine Bilanz aufgestellt, und diese Bilanz der Arbeit der Landesregierung war erschreckend. Sie haben keinen einzigen dieser Vorschläge tatsächlich aufgegriffen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, aus lauter Entgeisterung darüber,dass wir auch das verfolgen,was Sie nicht tun,laden Sie jetzt Prof. Kirchhof ein. Dessen konzeptionelle Vorschläge bleiben bekanntlich weit hinter dem zurück, was der Sozialrichter Borchert vorgeschlagen hat. Meine Damen und Herren,ich habe überhaupt kein Problem damit, in zweieinhalb Jahren Prof. Kirchhof zu einer Pressekonferenz einzuladen und zu schauen, was Sie in der Zwischenzeit getan bzw. nicht getan haben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich verspreche Ihnen,ich denke daran.Ich habe das schon auf Wiedervorlage.

Meine Damen und Herren, in Ihrer CDU-Familienpolitik gibt es drei zentrale Probleme. Erstens. Mit viel heißer Luft versuchen Sie, ein „Familienland“ zu konstruieren. Dazu machen Sie viele Worte, verbreiten Unwahrheiten und schaden damit letztendlich auch den wenigen guten Ansätzen, die irgendwo in Ihrer Politik natürlich auch vorhanden sind.

(Zuruf von der CDU: Danke! – Zuruf der Abg. Evelin Schönhut-Keil (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN))

Zweitens. Wo Sie konkret handeln könnten, dort wollen Sie nicht. Drittens. Wenn Sie wollen, dann können Sie es nicht.

Meine Damen und Herren, nun zum ersten Punkt: heiße Luft und Unwahrheiten.In Ihrem Antrag behaupten Sie – und der Kollege Rhein hat es wiederholt –, die Bundesregierung habe Initiativen der Landesregierung übernommen und dann umbenannt. Meine Damen und Herren, beim Tagesbetreuungsausbaugesetz ist das jedenfalls nicht der Fall. Dort hat die CDU im Bundesrat – wie immer, wenn es darum geht, tatsächlich konkrete Verbesserungen für Familien zu erreichen – bis zur letzten Minute blockiert.

Und zum wiederholten Male eine Ihrer Unwahrheiten: Ihre Antwort auf die Große Anfrage beweist erneut, was ich Ihnen schon mehrfach vorgehalten habe: Ihre „Offensive für Kinderbetreuung“ – die Sie nicht, wie es in Ihrem Antrag heißt, eingeführt haben, sondern die Sie aus dem „Sofortprogramm Kinderbetreuung“ umbenannt haben, Frau Eckhardt hat das bereits dargestellt – ist kein Kleinkinderprogramm, sondern in der Realität – schauen Sie sich die Zahlen an – ein Schulkinderprogramm.Hören Sie also auf, hier so zu tun, als würden Sie tatsächlich bei den unter Dreijährigen investieren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Meine Damen und Herren, stattdessen versuchen Sie tatsächlich, die Öffentlichkeit zu täuschen, und verbreiten Unwahrheiten.Auf einen Berichtsantrag meiner Fraktion von vor einem halben Jahr antwortet die Landesregierung:Auf den rund 4.000 offiziellen Tagespflegeplätzen in Hessen sind ungefähr 1.800 Kinder unter drei Jahren betreut worden. Das entspricht ungefähr 1 % dieser Altersgruppe.

Dann gibt es eine Presseerklärung des Hessischen Sozialministeriums vom 11.02. dieses Jahres, in der es heißt, zu den vorhandenen Krippenplätzen kämen ca. 4.000 Plätze für unter Dreijährige bei Tagesmüttern hinzu.

Frau Ministerin, vielleicht können Sie diesem Hause erklären, wie in einem halben Jahr ohne zusätzliche finanzielle Mittel die Zahl der offiziellen Tagesbetreuungsplätze von 4.000, davon nur 1.800 für unter Dreijährige, auf 4.000 Plätze für unter Dreijährige anwachsen konnte?

(Evelin Schönhut-Keil (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Sehr spannend!)

Oder Sie versuchen tatsächlich, hier die Öffentlichkeit zu täuschen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Meine Damen und Herren, Herr Reißer, wenn Sie uns hier vorgeworfen haben, die Opposition habe die Übersicht über die Zahlen verloren, dann fragen Sie bitte Ihre Sozialministerin, ob nicht sie die Übersicht über ihre Zahlen verloren hat.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Auf einen weiteren Punkt ist Frau Eckhardt auch bereits eingegangen: die Erhöhung der Landeszuschüsse für Kindergärten. Meine Damen und Herren, das ist eine Pflichtleistung. Die Schaffung neuer Plätze im Betreuungsangebot Kindergarten ist eine Pflichtleistung. Mit dem Zuwachs der dort angebotenen Plätze steigen automatisch auch die Landesmittel. Sich hierhin zu stellen und zu sagen, die Landesmittel würden in einer besonderen Aktivität der Landesregierung erhöht, ist eine Fehlinformation der Öffentlichkeit.

In Ihrer Antwort auf Frage 18 behaupten Sie – auch darauf ist Frau Eckhardt bereits kurz eingegangen – fälschlicherweise, und jetzt haben Sie es wiederholt, seit 1997 seien die Betriebskostenaufwendungen für Kindergärten in den Kommunalen Finanzausgleich integriert worden. Meine Damen und Herren, dabei unterschlagen Sie, dass bis 1998, bis zum Ende der rot-grünen Koalition in Hessen, originäre Landesmittel für die Betriebskosten in Höhe von ungefähr 50 Millionen DM zur Verfügung gestanden haben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Meine Damen und Herren, deswegen mache ich Ihnen jetzt einmal eine wirkliche Bilanz auf.

Der letzte Haushalt, der von Rot-Grün hier vorgelegt wurde, der Haushalt für 1999, enthielt für Förderungen nach dem Kindergartengesetz Investitionszuschüsse von 9,5 Millionen DM, für Förderungen nach dem Sofortprogramm – Ihre berühmte „Offensive für Kinderbetreuung“ – 7 Millionen DM, für Zuweisungen an den Kommunalen Finanzausgleich für die Betriebskostenförderung nach dem Hessischen Kindergartengesetz 99,3 Millionen DM, für die Förderung von familienpolitischen Maßnahmen 2,3 Millionen DM, für Erziehungsberatungs- und Familienbildungsstätten 8,6 Millionen DM – das ist das,was Sie vor zwei Jahren auf null gekürzt haben –, für Investitionszuschüsse 3,5 Millionen DM. Meine Damen und Herren, umgerechnet ergibt das für den Haushalt 1999 fast 67 Millionen c für Familien- und Kinderpolitik in Hessen.

Jetzt Ihre Bilanz nach den Haushaltsansätzen 2005:für die Förderung der „Offensive für Kinderbetreuung“ – ehemals Sofortprogramm – 14 Millionen c, für Sprachförderung im Kindergarten 3,27 Millionen c, für Investitionen 1,5 Millionen c, für die familienpolitische Offensive 0,3 Millionen c.Zusammen ergibt das 19 Millionen c.Meine

Damen und Herren, das ist weniger als ein Drittel dessen, was wir 1999 hier zur Verfügung gestellt haben.

(Lebhafter Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Meine Damen und Herren, was Hessen noch braucht, ist doch nicht ein Jonglieren mit Zahlen. Vielmehr brauchen wir eine ehrliche Bilanz: Welche Angebote haben wir? Welche Angebote brauchen wir? Wie können wir diese Angebote sicherstellen, mit welchen Finanzmitteln und in welchem Zeitraum? Meine Damen und Herren, dies erwarten wir von Ihnen, und das müssen Sie hier vorlegen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Meine Damen und Herren, wenn Sie könnten, dann wollen Sie nicht. Sie verbreiten heiße Luft.

In Ihrem Antrag – erster Punkt – fordern Sie von der Landesregierung ein flächendeckendes und bedarfsgerechtes Angebot der Kleinkinderbetreuung. Meine Damen und Herren, zur Haushaltsdebatte haben wir Ihnen einen solchen Plan, ein solches Konzept vorgelegt. Wo ist es? Sie haben es abgelehnt. Sie haben es vorgezogen, dafür ein Schloss zu kaufen.Wo ist denn bis heute Ihr Plan,Ihr Konzept für diesen Ausbau bis zum Jahre 2010?

(Zurufe von der CDU)

Es gibt noch nicht einmal eine Idee dafür. Sie fordern das jetzt von der Landesregierung.Sie hatten bereits die Möglichkeit, einem solchen Konzept hier zuzustimmen. Das haben Sie versäumt.

Meine Damen und Herren,eine solche Politik ist nicht beliebig wiederholbar. Die Leute draußen bekommen sehr wohl mit, dass Sie hier reden und reden und reden – letztendlich für die Familien aber keine Taten folgen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Dr. Franz Josef Jung (Rheingau) (CDU))

Nehmen Sie Landesmittel in die Hand.Meine Damen und Herren, Sie reden sich auf Ihre berühmten zwei Modellkommunen heraus, die die Geburtenrate steigern sollen,

(Heiterkeit der Abg. Evelin Schönhut-Keil (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

oder was immer Sie damit bezwecken. Es gibt bereits eine ganze Reihe wissenschaftlicher Erfahrungen, welche Bedingungen dazu führen, dass in Kommunen tatsächlich junge Familien zuziehen. Dies beginnt bei den Arbeitsplätzen und geht weiter über Betreuungseinrichtungen, Netzwerke usw. Meine Damen und Herren, auch in Hessen sind Kommunen an diesen Modellkommunen interessiert, um diese Angebote auszubauen.

Ich nehme ein Beispiel – vermutlich gibt es noch mehrere. Die Kreisstadt Dietzenbach wurde beauftragt, bei der Landesregierung nachzufragen, wie man eine solche Modellkommune werden könne, denn man möchte familienund kindergerecht sein.Was aber muss der Erste Stadtrat der erstaunten Öffentlichkeit mitteilen? Das Ganze stammt übrigens vom Januar dieses Jahres.

Erster Stadtrat Hoch teilt mit, dass die Verwaltung keinerlei Informationen oder Ausführungen zu diesem Thema erhalten könne.

Meine Damen und Herren, hören Sie auf, die Öffentlichkeit mit Sachen zu irritieren, zu verunsichern. Legen Sie

konkrete Angebote vor, damit sich die Kommunen informieren, damit sich die Kommunen bewerben können,

(Zurufe von der CDU)

damit endlich klar ist, was die hessische Kinder- und Familienpolitik dieser Landesregierung außer heißer Luft ist.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Meine Damen und Herren, auch das, was Sie an Bundesratsinitiativen in Ihrem Antrag fordern, beruht im Prinzip entweder auf Unkenntnis oder auf bewusster Irreführung der Bevölkerung. Herr Jung, Kinderlärm ist nicht schädlich – ein kurzer Satz mit kurzer Wirkung.Wenn man sich in der CDU-Fraktion etwas informiert hätte – offensichtlich reichten ganze Ministerien nicht aus, um sich vernünftig zu informieren –, wüssten Sie: Die Baunutzungsverordnung fördert nicht die Trennung von Wohnen und Arbeiten und Erholung, sondern, wenn man genau hinsieht, tun es die Eigenheimzulage und die Pendlerpauschale. Zweitens verbietet die Bundes-Immissionsschutzverordnung keinen Kinderlärm.