Protokoll der Sitzung vom 16.03.2005

(Zurufe von der FDP:Wo?)

Hier liegt Deutschland mit an vorderster Stelle. Deutschland ist nach wie vor Exportweltmeister. Im Jahr 2004 hat die deutsche Wirtschaft 10 % mehr exportiert als 2003 – mehr als die amerikanische Wirtschaft, die im Übrigen fünfmal so groß ist wie die deutsche.

(Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP): Ja und? – Norbert Schmitt (SPD):Was heißt „Ja und“?)

Herr Boddenberg hat es auch angesprochen: Selbst die in Deutschland viel zitierte Bürokratie wird von amerikanischen Managern, von General Electric, von AMD, Amazon und anderen Unternehmen, die in Deutschland investiert haben, weil sie Vertrauen in diesen Standort haben, gelobt.

(Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP):Ach, ja?)

Man staune: Die deutsche Bürokratie ist zuverlässig, unkompliziert und schnell.

(Lachen bei Abgeordneten der CDU)

Das alles können Sie nachlesen in der „Zeit“ vom 8. Juli 2004. Unsere Infrastruktur, d. h. Verkehrswege und Telekommunikation, die Qualität von Forschung und Entwicklung sind Spitze.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, wenn ich Ihren lauten Ruf nach Steuersenkungen höre, ohne eine vernünftige Gegenfinanzierung zu haben,sollten Sie sich merken:Hoher Bildungsstandard und vernünftige Infrastruktur kosten Geld, das der Staat auch braucht, damit wir in Deutschland vorankommen.

(Beifall bei der SPD)

Ich komme noch einmal zu Hessen. Wann kümmert sich die Landesregierung endlich einmal um Hessen? Was bieten Sie denn an, um diesen Standort zu stärken?

(Günter Rudolph (SPD): Eine gute Frage!)

Da fällt als Erstes das Vorpreschen von Roland Koch in Richtung ausländische Spitzenmanager auf. Weitere Sonderregelungen im Steuerrecht, die vorgeschlagene steuerliche Entlastung für ausländische Manager und

Spitzenarbeitskräfte können wir von unserer Seite nur als Provinzposse bezeichnen.

(Beifall bei der SPD)

Zu Recht hat Hans Eichel diese Schaffung von Steuervergünstigungen abgelehnt. Wir brauchen keine weiteren steuerlichen Sonderregelungen, sondern wir brauchen ein einfaches Steuerrecht.

(Beifall bei der SPD – Demonstrativer Beifall bei der FDP – Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP): Das haben Sie doch verhindert!)

Noch eine Bemerkung zur Steuerlast in Deutschland. Es ist einfach – und vielleicht haben Sie auch nicht mehr zu bieten –, immer nur die Forderungen der Interessenverbände nachzubeten: Steuerentlastung für Unternehmen. Ich gebe Ihnen Recht, viele Unternehmen würden wahrscheinlich am liebsten überhaupt keine Steuern zahlen, bei allem Gejammer über zu viel Staat. Auf der anderen Seite würden dieselben Betriebe wahrscheinlich nur zu gern wieder Subventionen kassieren. Ich habe es vorhin schon deutlich gemacht: Gute Infrastruktur kostet Geld, und dieses Geld muss der Staat einnehmen.

Meine Damen und Herren, die Realität ist doch: 2002 beliefen sich die Steuerzahlungen der Unternehmen in Deutschland laut EU-Kommission auf gerade einmal 0,6 % des Bruttoinlandsprodukts – so wenig wie sonst nur in Litauen.

(Norbert Schmitt (SPD): So ist es!)

Damit liegt die steuerliche Belastung deutscher Unternehmen weit unter dem EU-Durchschnitt. Weiter stellt die EU-Kommission fest: Deutschland hat insgesamt real die zweitniedrigste Steuerquote in der Europäischen Union.

(Norbert Schmitt (SPD): So ist es! – Zuruf des Abg. Clemens Reif (CDU))

Ab 2005 ergeben alle steuersenkenden Maßnahmen der Bundesregierung eine steuerliche Entlastung von 59 Milliarden c, davon allein 47 Milliarden c jährlich für die privaten Haushalte.

(Dr. Franz Josef Jung (Rheingau) (CDU): Warum haben wir jetzt 5 Millionen Arbeitslose?)

Herr Kollege, Sie müssen zum Schluss kommen.

Vom verminderten Steuersatz profitieren besonders kleine und mittlere Unternehmen. – Ich komme zum Schluss, Herr Präsident.

Meine Damen und Herren,ich habe wahrgenommen,dass die CDU auf ihrem Landesparteitag eine Patriotismusdebatte angefangen hat. So, wie Sie den Standort Deutschland schlechtreden und damit Gift für den Wirtschaftsstandort Deutschland sind, können Sie keine Patrioten sein. – Ich danke Ihnen.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und dem BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. – Das Wort für eine Kurzintervention hat Herr Kollege Boddenberg.

Herr Präsident, meine sehr geehrte Damen und Herren! Herr Frankenberger,die Überschrift über Ihre Rede muss offensichtlich lauten: „In diesem Land ist alles in Ordnung“. Es ist nachweislich falsch, was Sie sagen. Zum Thema Modernisierung und Flexibilisierung des Arbeitsmarktes hat die CDU Deutschlands einen ganz klaren Kurs und auch einen ganz klaren Beschluss gefasst.

(Beifall bei der CDU – Lachen bei der SPD – Nor- bert Schmitt (SPD): Abbau der Arbeitnehmerrechte!)

Dieser Beschluss lautet – lieber Herr Schmitt, damit auch Sie das einmal hören –: Alle bestehenden Arbeitsverhältnisse bleiben von dem, was wir verändern wollen, völlig unberührt. Das heißt, alle bestehenden Arbeitsverhältnisse spielen in der Frage, die Herr Frankenberger thematisiert hat, überhaupt keine Rolle.

(Norbert Schmitt (SPD): Hire and fire, das ist Ihr Kurs!)

Wir fragen aber:Was ist mit den Arbeitnehmerrechten für 5,2 Millionen Arbeitslose? Das ist die Politik, die wir machen.

(Beifall bei der CDU)

Das Weitere, was Sie hier angesprochen haben, ist die klassische Neiddebatte.

(Norbert Schmitt (SPD): Siehe Deutsche Bank!)

Herr Frankenberger, selbst sozialdemokratische Wirtschaftsminister, wie der in Rheinland-Pfalz, und viele andere Parteifreunde haben erkannt, dass wir ein Problem haben, nämlich bei ausländischen Spitzenverdienern in einzelnen Sparten und Branchen. Weil wir nicht wollen, dass Investmentbanker nach Frankreich oder England gehen, wo es solche Vergünstigungen zeitlich befristet gibt, sondern weil wir die hier haben wollen, als Steuerzahler und als Arbeitgeber, deswegen wollen wir diese Wettbewerbsungleichheit beseitigen.

(Norbert Schmitt (SPD):Weil wir nicht wollen, dass Ackermann entlastet wird, sind wir dagegen, haargenau!)

Herr Frankenberger, noch ein Satz zur Statistik und zu dem, was Sie in Ihrem Antrag formuliert haben. Sie sprechen da von mehr Transparenz. Jetzt müssen Sie wirklich einmal sehen, was Sie da geschrieben haben: „dass durch Hartz IV die Arbeitslosenstatistik der Bundesrepublik endlich transparenter und realitätsnäher wurde und gleichzeitig junge Menschen,Alleinerziehende und sozial Schwache aus der Sackgasse der Sozialhilfe herausgeholt werden konnten“. Meine Damen und Herren, das ist doch nur eine statistische Umpackerei, die Sie hier vornehmen. Was ist denn mit den Betroffenen? Denen ist doch völlig egal, ob sie in der einen oder anderen Statistik geführt werden.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP – Norbert Schmitt (SPD):Sie haben doch zugestimmt im Bundesrat!)

Herr Kollege Boddenberg, Sie müssen zum Schluss kommen.

Herr Schmitt, wir haben danach nicht so einen Unsinn formuliert, wie Sie es in Ihrem Antrag getan haben. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU – Lachen bei der SPD)

Vielen Dank. – Das Wort hat Herr Kollege Hahn, Fraktionsvorsitzender der FDP.

(Beifall bei der FDP – Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Dass Ihre eigene Fraktion Ihnen immer Mut zuklatschen muss!)

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Boddenberg, ich wollte nur eine Vorbemerkung machen: Der Wirtschaftsminister aus dem benachbarten Rheinland-Pfalz heißt Hans-Artur Bauckhage und ist FDP-Mitglied. Dort ist kein Sozialdemokrat Wirtschaftsminister.Es gibt dort eine sozialliberale Koalition,und die arbeitet gar nicht so schlecht. Dies nur zur Information.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben uns in der FDP-Fraktion schon in der letzten Woche gefragt, warum dieser Antrag von der Union Setzpunkt ist. Als wir den Antrag der Sozialdemokraten gesehen haben, haben wir gemerkt, dass ganz offensichtlich wieder das alte Spiel organisiert werden soll: Ich haue den einen, und du haust den anderen. – Ich sage das sehr ernst: Mit diesen Schaufensteranträgen sollten wir endlich einmal Schluss machen.

(Beifall bei der FDP)