Protokoll der Sitzung vom 16.03.2005

(Beifall bei der FDP)

Wenn denn überhaupt irgendjemand in der Bevölkerung uns noch ernst nehmen soll, dann dürfen wir nicht mehr das Spiel spielen: Die Union schlägt bedingungslos die Bundesregierung, die Sozialdemokraten und die GRÜNEN schlagen bedingungslos die Landesregierung. – Meine sehr verehrten Damen und Herren, sehr geehrter Herr Frankenberger, haben Sie überhaupt nicht zur Kenntnis genommen, was der Bundespräsident uns Politikern gestern ins Stammbuch geschrieben hat?

(Beifall bei der FDP)

Sie zeichnen hier ein Bild von diesem Land, das möglicherweise – aber ich glaube das noch nicht einmal – in Ihrem Kopf vorhanden ist. Sie zeichnen ein Bild von einem Land, das es so nicht gibt. Nehmen wir doch in der Politik endlich einmal ernst, dass es keinen Sinn mehr macht, die Augen vor der Wahrheit zu verschließen, dass es keinen Sinn mehr macht, wechselseitig Schuldzuweisungen vorzunehmen, sondern dass wir endlich das tun sollen, was Bundespräsident Prof. Dr. Horst Köhler uns allen gestern noch einmal sehr deutlich vor Augen geführt hat, nämlich die Ärmel hochkrempeln und endlich für dieses Land gemeinsam vernünftige Politik machen. Das ist unser Job, dafür werden wir bezahlt.

(Beifall bei der FDP – Norbert Schmitt (SPD): Dann krempeln wir die Ärmel hoch!)

Diese sinnlosen Rituale, die wir heute Morgen wieder hören und die Kollege Frankenberger noch zum Exzess hochgezogen hat, helfen keinem der 5,2 Millionen Arbeitslosen in unserem Land. Es hilft keinem, wenn die Rot-Grünen in Hessen die Bundesregierung loben. Es hilft aber auch keinem der 5,2 Millionen Arbeitslosen, wenn die hessische CDU auf den Bund und damit auf Rot-Grün schimpft.

(Norbert Schmitt (SPD): Jetzt hilft wieder die FDP!)

Wir müssen gemeinsam das tun, wofür uns die Bürgerinnen und Bürger gewählt haben und auch relativ ordentlich bezahlen, nämlich den Reformstau in unserem Land gemeinsam auflösen.

(Beifall bei der FDP)

Dazu sind Sie verpflichtet, und dazu sind wir verpflichtet. Horst Köhler hat doch vollkommen Recht, indem er gestern wieder die Föderalismusdebatte als einen Kernpunkt herausgehoben hat. Hören Sie doch auf, sich darüber zu beschweren, Herr Frankenberger, nach dem Motto: Da wird aber im Deutschen Bundesrat zurzeit blockiert. – Wer hat denn das Blockadeinstrument Bundesrat als Allererster missbraucht?

(Beifall bei der FDP – Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Jetzt fangen Sie wieder damit an!)

Es waren doch schlicht und ergreifend Hans Eichel,Oskar Lafontaine und Gerhard Schröder, damals amtierende Ministerpräsidenten Hessens, des Saarlands und Niedersachsens, die im Jahre 1996/97 die Steuerreform blockiert haben. Hören Sie doch auf, sich zu beschweren und zu lamentieren. Hören wir gemeinsam auf, Blockadepolitik im Bundesrat zu machen. Das ist die Lösung dieses Problems.

(Beifall bei der FDP – Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Schwere Kritik an Koch!)

Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, es ist schon sehr witzig, wenn man die beiden Anträge nebeneinander legt und wenn man die Redebeiträge von Herrn Boddenberg und Herrn Frankenberger ein bisschen vergleicht.

Ich will es einmal etwas locker formulieren: Hans Eichel macht Schulden, das sind wir gewöhnt. Karlheinz Weimar macht auch Schulden, das sind wir mittlerweile auch gewöhnt.Wo ist denn da der Unterschied, liebe Kolleginnen und Kollegen, in der Politik? Das ist doch genau dasselbe, was die einen hier und die anderen dort machen. Hören wir doch bitte auf, uns gegenseitig vorzuwerfen, was wir auf den jeweils anderen Ebenen falsch machen, sondern arbeiten wir zusammen.

(Beifall bei der FDP)

Wir Liberale, die FDP-Fraktion im Hessischen Landtag, ich bin mir sehr sicher, die Liberalen in allen Landtagen und im Deutschen Bundestag, stehen hinter der Ordnung der Freiheit, so wie sie unser Bundespräsident gestern in der großartigen Rede in Berlin beschrieben hat. Angesichts der Lage auf dem Arbeitsmarkt in Deutschland ist jetzt die politische Vorfahrtsregel für Arbeit aufzustellen. Horst Köhler hat vollkommen Recht,alles das muss getan werden, was der Schaffung und der Sicherung wettbe

werbsfähiger Arbeitsplätze dient.Was dem entgegensteht, muss unterlassen werden. Das ist das Zitat unseres Bundespräsidenten, darauf sollten wir uns vielleicht in diesem Raum verständigen, Herr Frankenberger,

(Beifall bei der FDP)

damit wir nicht Scheindebatten über wie auch immer gemachte Statistiken führen, sondern uns mit dem Leben beschäftigen. Wir haben – Sie haben es offensichtlich übersehen – über 5,2 Millionen Arbeitslose in diesem Lande. Da können Sie sich hinstellen und sagen, das sei ein statistisches Problem, dass dort jetzt auf einmal etwas mehr sind. Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, alles das, was Arbeitsplatzschaffung behindert,

(Zurufe von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

alles das, was dazu Anlass gibt, Arbeitsplätze nicht mehr zu besetzen, muss abgeschafft werden. Das hat überhaupt nichts damit zu tun, dass irgendwelchen Interessenvertretungen hinterhergeredet wird, wie es in despektierlicher Art und Weise der Kollege Frankenberger hier zu Protokoll gegeben hat. Es ist die Notwendigkeit. Eine gesunde Sozialpolitik kann nur dann gesund sein, wenn es eine gesunde Wirtschaftspolitik gibt.

(Beifall bei der FDP)

Nur derjenige, der einen Arbeitsplatz hat, kann sich auch an den Soziallasten beteiligen,kann auch einzahlen.Wenn Sie natürlich meinen,dass 5,2 Millionen Arbeitslose etwas Gutes sind, dann machen Sie Ihre verkorkste Politik weiter, Herr Frankenberger und SPD, so, wie Sie sie eben hier vorgetragen haben.

(Beifall bei der FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist nicht zu glauben, dass keine 24 Stunden, nachdem Köhler diese Rede in Berlin gehalten hat, den Sozialdemokraten in diesem Hause in der Begründung ihres Antrages nicht einmal einfällt, dazu Stellung zu nehmen. Sie übergehen den höchsten Repräsentanten in diesem Lande, weil Sie nämlich merken, dass er Ihrer Politik nicht auf den Leim geht und sie nicht verteidigt, sondern dass er sagt: Es gibt Herausforderungen für dieses Land, wir müssen sie annehmen, und wir dürfen nicht dauernd nur darüber palavern.

Lassen Sie mich sagen, was mich gestern tatsächlich geärgert hat, war, dass der Bundesvorsitzende der Sozialdemokraten, Ihr Fraktionsvorsitzendenkollege Franz Müntefering,als Bewertung der Rede von Horst Köhler gesagt hat: „Die wichtigste Rede dieser Woche wird am Donnerstag gehalten.“ Meine sehr verehrten Damen und Herren, wie ignorant ist eigentlich Franz Müntefering gegenüber dem Bundespräsidenten der Bundesrepublik Deutschland?

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Niemals in der Geschichte sind Konservative oder Liberale mit einem Bundespräsidenten, den sie nicht gewählt haben, so schofelhaft umgegangen, wie es gestern Franz Müntefering mit Horst Köhler getan hat.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU – Lachen und Zurufe von der SPD und dem BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Oh!)

Wo leben wir denn eigentlich, dass sich Herr Müntefering erdreistet, so etwas zu sagen? Die Rede von Horst Köhler war sicher um Längen wichtiger als das, was Herr Schröder – –

(Zuruf von der SPD: Luftblasen, sonst nichts! – Weitere Zurufe von der SPD)

Du willst dich wieder auszeichnen lassen für den dümmsten Zwischenruf an diesem Tag. Hiermit meinen Glückwunsch.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP – Norbert Schmitt (SPD):Der dümmste Redner steht vor mir! – Weitere Zurufe von der SPD)

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen,ich bitte Sie doch,etwas sachlicher zu diskutieren und die Formulierung, wer der Dümmste ist, außerhalb des Parlaments auszumachen.

Herr Präsident,meine sehr verehrten Damen und Herren, ich will es noch einmal wiederholen: Die wichtigste Rede in dieser Woche hat augenscheinlich,weil das nicht zu toppen ist, der Bundespräsident gestern gehalten.

(Reinhard Kahl (SPD):Bis jetzt! Wir werden sehen, was danach kommt!)

Wenn denn der Bundeskanzler am Donnerstagabend nach dem Gipfel in einigen Detailpunkten auch etwas Wichtiges sagt, so begrüßen wir das als Liberale. Wir erwarten es, dass am Donnerstag vernünftige Ergebnisse erzielt werden. Aber dass man so despektierlich mit dem Bundespräsidenten umgeht, das zeigt Ihre Denkweise. Sie, die Sozialdemokraten, haben ja dann auch einige vorgeschickt, die das noch etwas intensiver formuliert haben. Jürgen Peters, Erster Vorsitzender IG-Metall, sagte – schöne Grüße an die Gewerkschafter, insbesondere an die Arbeitslosen in diesem Lande –: „Diese Rede beinhaltet keine konstruktiven Reformvorschläge, sondern ist eine Ansammlung wirtschaftsliberaler Glaubenssätze.“

(Demonstrativer Beifall bei Abgeordneten der SPD – Norbert Schmitt (SPD): So ist es!)

Den absoluten Renner bringt dann Ihr Juso-Vorsitzender. Der sagt nämlich: „Der Bundespräsident ist zum Wegbereiter der Union geworden. Niemals in der Geschichte ist ein Bundespräsident so eindeutig von seiner Objektivität und Neutralität abgewichen.“

(Demonstrativer Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich finde, das sollte der Hessische Landtag zur Kenntnis nehmen und auch die Bürgerinnen und Bürger in diesem Lande: Die Sozialdemokraten in diesem Hause haben eben alle geklatscht.

(Zurufe von der SPD)

Sie haben alle geklatscht.

(Lothar Klemm (SPD): Was war denn das für eine Lüge eben? – Norbert Schmitt (SPD): Der Herr Hahn scheint Wahrnehmungsprobleme zu haben! – Weitere Zurufe von der SPD)

Ganz entspannt, Herr Klemm. Sie haben geklatscht – Herr Klemm, ich weiß nicht, ob Sie persönlich, aber viele – zu der Bemerkung, der Bundespräsident habe seine Objektivität – –

Meine Damen und Herren, ich darf um etwas Aufmerksamkeit bitten. Der Präsident hat Sie gestern auf die Akustik hingewiesen.Man kann sie auch noch verstärken, Herr Kollege Schmitt. Ich bitte doch, das vernünftig festzuhalten.

(Weiterer Zuruf des Abg. Lothar Klemm (SPD))

Herr Kollege Klemm, ich bitte Sie, das gilt auch für Sie.

Das Wort hat der Kollege Hahn.

Ich bitte um Entschuldigung,ich habe übersehen,dass Lothar Klemm nicht geklatscht hat, aber viele Sozialdemokraten in diesem Hause haben eben geklatscht zu der Bemerkung, dass der Herr Bundespräsident von seiner Objektivität und Neutralität abgewichen sei. Herr Klemm, ich bitte um Entschuldigung,wenn ich Sie eben übersehen habe,aber viele,viele Ihrer Fraktionskollegen haben eben geklatscht. Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist ein Unding, dass Sie sich das hier im Hessischen Landtag trauen.