Protokoll der Sitzung vom 17.03.2005

Dass wir diesen Rechtsmissbrauch bekämpfen müssen, darüber sind wir uns in diesem Hause,glaube ich,einig.Jedenfalls gilt das für die FDP-Fraktion: Wir können und werden solches rechtsmissbräuchliches Vorgehen nicht tolerieren.

Herr Kollege Wintermeyer, wenn aber Änderungen notwendig sind, dann sollten wir zu solchen Änderungen greifen, die das mildeste Mittel darstellen. Daher ist der von mir aufgezeigte Weg im Ausländer- und gegebenenfalls auch im Sozialrecht unseres Erachtens vorzuziehen.

(Beifall bei der FDP)

Erst wenn wir sicher sein können, dass diese Möglichkeiten nicht ausreichen, um den Rechtsmissbrauch abzustellen, ist unserer Meinung nach der Eingriff in familienrechtliche Beziehungen, wie immer sie auch begründet wurden, möglich und statthaft. Um diese Fragen zu klären, haben wir als FDP-Fraktion den eben aufgerufenen Antrag eingebracht. Ich hoffe sehr, dass wir hier zu einer sachorientierten Debatte kommen;ansonsten neigt dieses Thema leider dazu, in sehr populistische Regionen abzudriften. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD)

Zur Kurzintervention hat sich der Abg. Wintermeyer von der CDU-Fraktion gemeldet.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der Sommermann!)

Herr Al-Wazir, ich würde sagen, für heute bleiben wir erst bei „Frühling“.

Frau Kollegin Beer, unabhängig davon, dass die Unruhe hier im Saal immer größer wird,weil auch der dritte Wahlgang in Schleswig-Holstein gescheitert ist,

(Lebhafter Beifall bei der CDU)

möchte ich die von Ihnen aufgestellte Behauptung, das bestehende Recht gebe schon jetzt eine Handhabe, durchaus zurückweisen. Darauf hat auch die Innenministerkonferenz hingewiesen.

Erstens. Das deutsche Staatsangehörigkeitsrecht bietet keine Lösung, denn die deutsche Staatsbürgerschaft des Kindes wird kraft Gesetzes erworben; der Grund für die Anerkennung ist hierbei völlig egal.

Zweitens.Auch durch das Ausländerrecht kann die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis für die Mutter nicht unterbunden werden. Dagegen spricht allein schon die auf der Hand liegende familiäre Beziehung zwischen Mutter und Kind, die auch grundgesetzlich geschützt ist.

Drittens. Frau Beer, das Kindschaftsrecht – also die Regelungen zur Anerkennung der Vaterschaft – hilft auch nicht weiter. Voraussetzungen der Anerkennung nach dem

Bürgerlichen Gesetzbuch sind nur die Zustimmung, die Geschäftsfähigkeit und die Form der Beurkundung, mehr nicht.

(Nicola Beer (FDP): Das ist mir bekannt, Herr Kollege!)

Auch eine wissentlich falsche Vaterschaftsanerkennung – das wissen Sie als Juristin – begründet keine Unwirksamkeit der Vaterschaft.

Viertens. Frau Kollegin Beer, auch das Beurkundungsrecht ist hier ein zahnloser Tiger. Zwar soll die Beurkundung regelmäßig abgelehnt werden, wenn erkennbar unerlaubte oder unrichtige Zwecke verfolgt werden. Aber das ist auch nur theoretisch möglich, weil die Urkundsperson nicht in den Antragstellern steckt.

Fünftens. Dass der Scheinvater seinen Unterhaltsverpflichtungen mangels entsprechender Leistungsfähigkeit nicht nachkommen kann, ist auch unter rechtlichen Gesichtspunkten völlig unbeachtlich. Denn die illegale Vaterschaftsanerkennung kann allein auf diesem Wege nicht unterbunden werden.

(Zuruf der Abg. Nicola Beer (FDP))

Sechstens und letztens. Frau Kollegin, das Strafrecht – das man vielleicht auch noch heranziehen könnte – hilft hier auch nicht weiter. Denn da die Scheinvaterschaft zivilrechtlich legal ist, kommen weder die Tatbestände der Personenstandsfälschung noch der mittelbaren Falschbeurkundung noch eine Strafbarkeit nach dem Ausländergesetz in Betracht.

Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Schluss.

Frau Präsidentin, selbstverständlich. – Mein letzter Satz: Auch der Tatbestand des Betruges greift nicht, weil es, wie die Juristen wissen,hier an der unmittelbaren Vermögensverfügung fehlt. – Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Zur Erwiderung Frau Kollegin Beer, FDP.

Herr Kollege Wintermeyer, ich gestehe Ihnen zu, dass eine ganze Reihe dieser Möglichkeiten, die Sie eben genannt haben, nicht dazu führen, den Rechtsmissbrauch zu bekämpfen, wie wir das gerne möchten. Auf die zwei Wege, die ich angesprochen habe, sind Sie nicht eingegangen. Ich stelle Ihnen gerne für die Ausschussberatungen das Protokoll meines Redebeitrages zur Verfügung, wenn es getippt ist. Ich hoffe, dass wir eingehender in die Sache einsteigen können und Sie hier nicht nur vorgefertigte Argumente vorlesen.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD)

Als nächste Rednerin hat Frau Abg.Waschke für die SPDFraktion das Wort.

Sehr verehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die CDU-Landtagsfraktion will eine Gesetzeslücke entdeckt haben, die dazu führt, dass sich Ausländer durch so genannte Scheinvaterschaften ein Bleiberecht und soziale Leistungen in Deutschland erschleichen. Als ich das das erste Mal gelesen habe,habe ich mich gefragt,wie verzweifelt diese Menschen eigentlich sein müssen.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Ei, ei, ei!)

Ich möchte nicht bestreiten,dass es solche Fälle gibt.Aber man muss sich doch darüber einig sein, dass sich dahinter keine sehr große Kriminalität verbirgt. Was Sie von der CDU mit Ihrem Antrag zur Scheinvaterschaft tun, ist gefährlich. Sie stellen Menschen unter Generalverdacht, und Sie schüren Ängste.

(Widerspruch bei der CDU)

Hören Sie doch erst einmal zu, bevor Sie schreien. – In Hessen haben im vergangenen Jahr 112 unverheiratete ausländische Frauen ein Bleiberecht erhalten. Bei 89 von ihnen war der Grund ein Deutscher als Kindesvater. Sie unterstellen mit Ihrem Beitrag allein 89 Müttern, ihr Bleiberecht erschlichten zu haben. Das halte ich für untragbar.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Können Sie sich von der CDU eigentlich vorstellen, dass sich zwei Menschen getroffen haben, dass sie sich lieben und dass sie jetzt Eltern werden? Aber wir wissen, in das Weltbild der CDU passt es einfach nicht hinein, dass zwei Menschen ohne Trauschein zusammenleben.

(Beifall bei der SPD – Lachen bei der CDU)

Sie stellen eine ganze Gruppe von Menschen unter Generalverdacht, nämlich alle ausländischen Väter und Mütter mit unehelichen Kindern und unsicherem Aufenthaltsstatus. Sie tun das ohne tatsächliche Belege, nur aufgrund von Mutmaßungen, und Sie vergiften das soziale Klima in Hessen. Sollte man nicht viel besser den Sachverhalt differenziert betrachten und auf unterschiedliche rechtliche und soziale Bedingungen eingehen? – Wir als SPD-Landtagsfraktion können nur davor warnen,aufgrund von Vermutungen und subjektiven Einschätzungen ein Gesetz verändern zu wollen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Sehr unterschiedliche Betrachtungskonstellationen, wie z. B. ein hoher Altersunterschied oder unterschiedliche Sprachkompetenzen, werden hier zu objektiven Kriterien, die zu behördlichen Entscheidungen führen, die große Konsequenzen für die Betroffenen haben. Diese Gesetzesinitiative der CDU-Landtagsfraktion ist ein massiver Eingriff in höchst private Verhältnisse. Meine Damen und Herren von der CDU, was noch viel schlimmer ist, ist, Sie stellen bewusst Bilder, die den Menschen Angst machen.

Der Kollege Wintermeyer spricht auf seiner Homepage von der Spitze des Eisberges. Er spricht davon, dass der Missbrauch explosionsartig ansteigen wird. Er spricht von Schleuserbanden.– Zur Erinnerung:89 ausländische Mütter haben in Hessen ein Bleiberecht erhalten, weil der Va

ter ihres Kindes ein Deutscher ist. Die allermeisten von ihnen leben in ganz normalen Beziehungen, nur ohne Trauschein.Aber Sie machen den Menschen Angst,indem Sie argumentieren, eine Welle würde uns überrollen.

Die Justizministerkonferenz wird sich nach Einschätzung des nordrhein-westfälischen Justizministers Gerhards überhaupt nicht mit den Scheinvaterschaften beschäftigen. Nach seiner Einschätzung – ich glaube, das deckt sich mit der der Kollegin Beer – ist diese Gesetzesinitiative völlig überflüssig.

Man ruft nach Gesetzesänderung, obwohl wir nur die geltenden Gesetze anwenden müssen. Statt den umständlichen Weg zu beschreiten, Vaterschaftstests anzufechten, müssten die Ausländerbehörden lediglich den Nachweis verlangen, dass erklärte Vaterschaften tatsächlich auch gelebt werden, etwa durch Unterhaltszahlungen oder Mietvertrag.

Ich hatte im letzten Jahr eine Petition. Da ging es genau um einen solchen Fall. Wir sind genau so verfahren, und die Mutter hat kein Aufenthaltsrecht in Deutschland bekommen. Genau so muss das laufen.Wenn die gelebte Vaterschaft nicht glaubhaft nachgewiesen werden kann, gibt es natürlich auch keinen Grund, einen Aufenthalt wegen familienrechtlichen Interessen zu verlangen.

Meine Damen und Herren, dieser Antrag der CDULandtagsfraktion ist nicht neu. Bereits im Oktober des letzten Jahres hat die CDU/CSU-Fraktion einen entsprechenden Antrag in den Bundestag eingebracht. Bundestag und Bundesrat haben aber nur wenig Neigung gezeigt, sich mit diesem Thema zu beschäftigen. Die für den 11. November angesetzte Bundestagsdebatte entfiel, die im Januar ebenfalls, und die vorbereiteten Reden wurden zu Protokoll gegeben. Der Kollege Wintermeyer ist auf die Antwort der Bundestagsabgeordneten Sonntag-Wolgast eingegangen.

(Michael Siebel (SPD): Wo ist denn die Landesregierung beim Setzpunkt der CDU?)

Ich habe das Redeprotokoll der Fragestunde vorliegen. Mit Erlaubnis der Präsidentin würde ich es gerne vollständig zitieren – Antwort der Bundestagsabgeordneten:

Soweit in der Vergangenheit vereinzelte Fälle

insofern haben Sie Recht –

von Vaterschaftsanerkenntnissen aufgetreten sind, die dazu benutzt wurden, dem ausländischen Kind zum Erwerb der deutschen Staatsbürgerschaft bzw. seiner Mutter zu einem Aufenthaltsrecht in Deutschland zu verhelfen, wird die Bundesregierung diese Entwicklung weiter sehr sorgfältig beobachten

(Lachen bei der CDU)