Protokoll der Sitzung vom 27.04.2005

Die Jungen beschließen, „auf Patrouille zu gehen“. Mit wichtigen Mienen kreuzen sie durch die Straßen des Dorfes, werfen kontrollierende Blicke auf Häuser und auf Autos, inspizieren Baustellen und manchmal observieren sie verdächtige Unbekannte. Sie schauen, ob alles in Ordnung ist. Leider ist alles in Ordnung. In Eschborn ist immer alles in

Ordnung. Dass es so ist, führen die Jungs auf ihre ausgiebigen Patrouillenfahrten zurück.

Jetzt weiß ich auch, wie der Freiwillige Polizeidienst entstanden ist. Diesen Wunsch hat sich Roland Koch jetzt erfüllt, damit das auch andere in diesem Land wahrnehmen können.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Jörg-Uwe Hahn (FDP): Scherz!)

Meine Damen und Herren, Fazit: Sie sollten den Menschen in diesem Land nicht permanent Sand in die Augen streuen. Sie sollten die Realitäten im Land zur Kenntnis nehmen.

(Zuruf des Abg. Michael Boddenberg (CDU))

Sie sollten sich nicht mit Dingen schmücken, die normales Regierungshandeln sind. Sie sollten die Probleme angehen.

(Zuruf des Abg. Boris Rhein (CDU))

Herr Kollege Rhein, ich habe doch auf Ihren Zwischenruf gewartet. Sie haben sich doch jetzt in die Wirtschaftspolitik abgemeldet.Von daher würde ich sagen:Kümmern Sie sich in Frankfurt demnächst um die Wirtschaftspolitik.

(Günter Rudolph (SPD): Er ist noch nicht einmal gewählt!)

Aber vielleicht können Sie noch ein paar Zwischenrufe zur Wirtschaftspolitik machen.

(Zuruf des Abg. Boris Rhein (CDU))

An Ihrer Stelle würde ich die dpa-Meldung von heute nehmen und würde mir angucken, wie die Realität bei der Kriminalität in Frankfurt aussieht.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Meine Damen und Herren, das ist die originäre Aufgabe dieser Regierung. Das ist die originäre Aufgabe dieses Innenministers. Man muss Ihnen vorwerfen, dass die Kriminalitätsraten in den letzten drei Jahren gestiegen sind.Das können Sie nicht auf andere abwälzen. Das ist Ihre Verantwortung. Es reicht auch nicht, in diesem Land Anträge einzubringen, um weiße Salbe zu verteilen. Schauen Sie sich die Realitäten im Land an. Die Realitäten im Land sind andere. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Als nächster Redner hat Herr Abg. Hahn für die FDPFraktion das Wort.

Frau Präsidentin,liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben einen Setzpunkt der Union, der heißt: Antrag betreffend Modernisierung von Polizei und Justiz sorgt für mehr Sicherheit in Hessen. – Wir haben jetzt eine Debatte geführt, von der wir Liberale uns schon vorher gefragt haben, ob wir uns das wirklich antun müssen.

(Zuruf des Abg. Dr. Franz Josef Jung (Rheingau) (CDU))

Die Debatte macht deutlich, dass wir sie uns eigentlich nicht antun müssen, denn der Antrag selbst ist eigentlich

nur eine Belobigung, böse Zungen würden behaupten: eine Lobhudelei.

(Norbert Schmitt (SPD):Weihrauch!)

Der ehemalige Abgeordnete dieses Hauses Joseph Martin Fischer hätte gesagt: Da wird das Weihrauchfass geschwungen. – Er mag das jetzt ja auch, wenn das im Reichstag von euch so gemacht wird. Aber irgendwie ist mir der Landtag – der sich mit anderen Dingen beschäftigen muss – zu schade, um sich mit so etwas zu beschäftigen und dann die Repliken darauf zu provozieren. Diese sind auch wieder ritualisiert. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass wir uns zusammensetzen sollten und beschließen sollten, dass wir derartige Anträge „SPD und GRÜNE loben Berlin“, „die Union lobt die Landesregierung“ sein lassen sollten. Ich glaube, dass das die Bürgerinnen und Bürger in unserem Land nicht so sehr interessiert und dass wir mit der Zeit etwas anderes machen können.

Es ist schon arg viel Selbstlob in diesem Antrag. Ich komme zu zwei,drei Punkten,wo sogar die Vergangenheit ein bisschen anders ist, als es im Antrag steht. Ich glaube, dass es ganz klug wäre, wenn wir mit dem Selbstlob in diesem Parlament aufhörten. Deshalb wird die FDP diesem Antrag auch nicht zustimmen. Wir haben die Befürchtung,dass dann irgendwann ein Antrag von Frau ZeimetzLorz oder Herrn Dr. Jung, wer auch immer dafür zuständig ist, kommt, der dazu auffordert, auch noch den Farbwechsel der Uniformen bei der Polizei zu belobigen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das kann so nicht vernünftig sein. Deswegen habe ich jetzt auch einen gelben Schlips angezogen.Die FDP-Fraktion wird diesem Antrag nur dann zustimmen, wenn der Innenminister verfügt, dass zu den blauen Uniformen künftig auch gelbe Handschuhe getragen werden.

(Beifall bei der FDP – Minister Volker Bouffier: Darüber müssen wir reden! – Norbert Schmitt (SPD): Da kommt die FDP schon wieder ins Nachdenken! – Günter Rudolph (SPD): Nicht so heftig kuscheln, Herr Hahn!)

Wenn dann 18 Handschuhe pro Person verteilt werden, wegen mir auch das in Gelb.– Nein,ich will damit deutlich machen,dass es für den Hessischen Landtag doch wirklich zu schade ist, sich mit einem derartigen Antrag zu beschäftigen. Die Einbringungsrede des Kollegen Holler hat das deutlich gemacht. Er hat nur zu einem Teil etwas gesagt und ist dann relativ flott wieder zurückgegangen.

(Norbert Schmitt (SPD): Gelbe Handschuhe und blaue Krawatte, und dann macht die FDP mit!)

Wenn ihr von „kuscheln“ redet, kann ich nur sagen: Lieber Kollege Rudolph, mit Handschuhen ist kuscheln blöd. Ich habe eben nur von den Handschuhen gesprochen.

(Beifall bei der FDP und des Abg. Klaus Dietz (CDU))

Herr Kollege Justizminister, ich darf weiterhin darauf hinweisen, dass wir uns in der letzten Plenardebatte über die Personalsituation der Justiz und insbesondere der Staatsanwaltschaft in Frankfurt sehr kritisch auseinander gesetzt haben.Also ganz so gut wie die Situation jetzt in dem Antrag und von dem Kollegen Holler geschildert worden ist, ist sie wirklich nicht.

Wir Liberale sind der Auffassung, dass in der hessischen Verwaltung natürlich eine Personalreduzierung notwen

dig ist. Auf der anderen Seite ist es aber wichtig, dass gerade bei der dritten Gewalt und bei der Polizei ein besonderes Augenmerk auf eine vernünftige Personalausstattung gelegt wird. Das ist in unseren Augen kein Widerspruch, sondern das ist eine Frage der Prioritätensetzung.

Liebe Kollegin Hofmann, Sie haben vorhin gesagt, dass Rot-Grün alles schon so gut vorbereitet hätte. Ich verfalle jetzt nicht in Ritualisierung, wirklich nicht. Aber ich bitte Sie ganz herzlich, dass Sie einmal die Protokolle nachlesen, und zwar die Reden, die der Innenminister Gerhard Bökel in den Jahren 1997 und 1998 hier gehalten hat.

(Reinhard Kahl (SPD): Sehr gute Reden!)

Das waren möglicherweise rhetorisch gute Reden.

(Reinhard Kahl (SPD): Inhaltlich gut!)

Sie machten aber deutlich, dass bei der Polizei eine erhebliche Zahl von Mängeln vorhanden war. Dies hat er von diesem Pult aus dauernd zu Protokoll gegeben.

(Beifall der Abg. Nicola Beer (FDP) – Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das bestreitet keiner!)

Das war nicht nur eine Mängelverwaltung bei der Ausstattung mit Autos, Computern, usw. Herr Kollege Bökel und Rot-Grün hatten nicht nur ein großes Problem bei dem Polizeiarbeitsplatzsystem im Softwarebereich, sondern es war auch ein Problem, das Kollege Bökel von dem Pult im Plenarsaal aus mehrfach zum Thema Inhalte, zu rechtlichen Vorgaben, diskutiert hat: hessisches Polizeigesetz oder Änderung in der Strafprozessordnung in Berlin.

Die Verklärung der Vergangenheit ist ja eine ganz übliche und von vielen Psychologen immer wieder beschriebene Tatsache. Betreiben Sie sie aber bitte nicht so, dass Sie vollkommen an der Wirklichkeit vorbeigehen. Es war einfach nicht der Fall, dass wir im Jahre 1999 in den Bereichen Inneres und Recht ein geordnetes Haus vorgefunden haben.

(Beifall bei der FDP)

Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen von der Union,Sie haben in Ihrem Antrag geschrieben,Hessen sei das einzige Bundesland, das im Jahre 2000 die elektronische Fußfessel eingeführt habe. Das ist zwar zutreffend, aber ich darf Sie darauf hinweisen, lieber Herr Justizminister, lieber Kollege Dr.Wagner, dass wir vor der Einführung heftige Diskussionen miteinander geführt haben.

Ich kann mich daran erinnern, dass die Liberalen das Thema elektronische Fußfessel sehr intensiv angegangen sind und dass Sie und Ihr Haus diesem Thema nicht gerade mit Euphorie begegnet sind. Erst nachdem wir uns ein bisschen länger mit der Sache beschäftigt haben, ist eine Einigung gefunden worden. Ich kann mich daran erinnern, dass Sie den Worten Ihres bayerischen Kollegen zugestimmt haben, es könne doch nicht sein, dass ein Straftäter auf seinem Balkon sitze und sein Weizenbier trinke. Auch wir wollen das nicht, aber das zeigt die Einstellung, mit der die Union an das Thema elektronische Fußfessel herangegangen ist. Ich bin ja froh, dass Sie die elektronische Fußfessel eingeführt haben, aber es geht doch ein bisschen zu weit, das jetzt als einen Erfolg der Union darzustellen.

Ich schaue jetzt einmal nach vorn.Wie steht es um die Privatisierung des Gerichtsvollzieherwesens? Dazu steht im Antrag nichts. Was ist mit der Bildung einer Schwerpunktstaatsanwaltschaft Wirtschaftskriminalität in Frank

furt? Dazu steht im Antrag nichts. Die Einrichtung einer solchen Schwerpunktstaatsanwaltschaft wäre aber dringend notwendig. Kollege Posch, Kollege Denzin und ich haben die letzten Wochen genutzt, um mit einer Reihe von Banken- und Börsenchefs zu sprechen. Von diesen wurde immer wieder darauf hingewiesen, dass es ein Standortvorteil für den Finanzplatz Frankfurt wäre, wenn es endlich eine Schwerpunktstaatsanwaltschaft Wirtschaftskriminalität gäbe. Hier ist allerdings Fehlanzeige zu vermelden.

Kollegin Beer hat Ihnen schon mehrfach vorgeschlagen, ein elektronisches Schuldnerverzeichnis in Hessen einzurichten. Das wäre eine sehr wichtige Serviceleistung für die Notare und Anwälte, die im Auftrag von Bürgerinnen und Bürgern Hessens Geldansprüche realisieren sollen.

Auf der anderen Seite ist es natürlich richtig, zu sagen, dass das Modernisierungsprogramm bei Polizei und Justiz gut läuft. Das bestreitet keiner. Das haben auch Frau Kollegin Hofmann und Herr Kollege Frömmrich nicht bestritten. Diese Modernisierung ist eine Pflichtaufgabe.An manchen Stellen sind diese Pflichtaufgaben überobligatorisch erfüllt worden,aber es war z.B.eine sehr vernünftige und gute Leistung des hessischen Innenministers – ich sage das immer wieder –, als er kurz vor Weihnachten 2000 gesagt hat:Stoppt das Arbeitsplatzsystem bei der Polizei,das klappt so nicht.– Wir haben auf ein neues System umgestellt, das von Hessen jetzt sogar exportiert wird. Das ist gut gemacht worden. Das kann man loben. Dieser Erfolg liegt aber schon wieder drei bis vier Jahre zurück.

Lassen Sie mich deshalb über die – ich nehme ein Wort des Ministerpräsidenten aus seiner ZweijahresbilanzPressekonferenz – „Baustellen“ bei der Polizei reden.Was ist denn mit der Überprüfung der Struktur der Polizeistationen und -reviere? Ich glaube, die Regierenden in diesem Lande springen zu kurz, wenn sie die Vorgabe machen, dass keine Polizeistation und kein Polizeirevier zugemacht werden dürfe. Ich denke, es ist klüger, wenn man die Polizeipräsidenten und ihre Stäbe ohne jede Vorgaben arbeiten lässt.

Eine Reform des Kleiderkammerwesens wird bei der Polizei zurzeit heiß diskutiert. Auch hier muss es eine verbindliche und überzeugende Antwort gegenüber den Polizeibeamten in Hessen geben.