Protokoll der Sitzung vom 12.07.2005

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Kollege, das ist sehr richtig! Nur wenn Sie etwas Unvernünftiges vorschlagen, dann müssen wir dagegen sein!)

Herr Kaufmann, was von Ihrer Seite aus vorgeschlagen wird, ist auch nicht immer richtig.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Kollege, aber das meiste! – Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD und dem BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Neben den redaktionellen Änderungen ist ganz entscheidend, dass es hier zu einer Veränderung kommen soll, die die Industrieparks betrifft. Das betrifft den umstrittenen Bereich der privatrechtlichen Verträge und die Verrechnung untereinander. Mit diesem Gesetzentwurf soll Sicherheit geschaffen werden.

Insofern kann dem Ganzen nur zugestimmt werden. Die CDU-Fraktion wird das Gesetzgebungsverfahren positiv begleiten. – Danke.

(Beifall bei der CDU und der Abg. Heinrich Heidel und Roland von Hunnius (FDP))

Herr Lenhart, danke. – Frau Hammann, bitte sehr. Ich darf Ihnen für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort erteilen.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn vernünftige Gesetzentwürfe vorgelegt werden, kann man diesen auch positiv gegenüberstehen. Das wollte ich als Vorbemerkung sagen.

(Beifall der Abg. Kordula Schulz-Asche (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN) – Rudi Haselbach (CDU): Da müssen wir einen Fehler gemacht haben!)

Herr Haselbach, Sie haben es erkannt, es gibt etwas, weswegen ich Salz in die Wunde streuen muss. Das werde ich auch jetzt gerne tun.

Sie alle wissen, dass das, was jetzt über ein neues Hessisches Ausführungsgesetz zum Abwasserabgabengesetz geändert werden soll, schon längst hätte geändert werden können. Sie haben uns schon mehrere Änderungen über Artikelgesetze in diesem Bereich vorgelegt. Ich darf Sie

daran erinnern, dass die letzte Artikelgesetzänderung aus dem März 2005 stammt. Das heißt also, Sie haben dieses Jahr schon einmal eine Änderung vorgenommen.

Nachdem ich mir die Vorschläge des Ministeriums angesehen habe, kann ich sagen, dass das alles Dinge sind, die längst schon hätten geregelt werden können. Ich möchte das an einem Beispiel deutlich machen. Man kann das sogar an mehreren Beispielen deutlich machen.

Als erstes Beispiel möchte ich die Umstellung auf Euro nennen. Soweit ich weiß, erfolgte sie zu Beginn des Jahres 2002. Inzwischen schreiben wir das Jahr 2005. Mit Ihrer Artikelgesetzänderung hätten Sie das alles schon regeln können.Wir haben seit 1. Januar eine neue Erhebungsbehörde. Das hätten Sie mit der Artikelgesetzänderung im März 2005 ändern können.

Nun kommen wir aber zu dem Punkt, der, denke ich, Ihnen und uns mit am wichtigsten ist. Das ist der Punkt, wie es mit einer Verrechnung der Abwasserabgabe im Hinblick auf Investitionen aussieht. Das heißt also, die Menschen oder die Organisationen, die in eine Abwasserbehandlungsanlage investieren, wollen natürlich auch, dass dies über die Abwasserabgabe finanziert wird. Dass es ein Problem ist, wenn Investor und Abwasseranlagenbetreiber nicht übereinstimmen, wissen wir schon seit 1998. Die CDU ist ja schon ein bisschen länger hier in der Regierungsverantwortung, damals auch mit der FDP. Das heißt, seit 1999 ist bekannt, was der Hessische Verwaltungsgerichtshof zu diesem Bereich gesagt hat: Dies geht so nicht; das muss alles in einer Hand sein. – Seitdem gab es eine Krücke über einen privatrechtlichen Vertrag. Dies wird jetzt geändert. Das finde ich auch positiv, dass das jetzt Bestandteil dieser Gesetzesänderung sein wird. Aber dafür hätte man keine Projektgruppe „Umweltallianz“ gebraucht. Das ist etwas, was man auch aus dem Verwaltungshandeln heraus hätte erkennen können, dass es hier in der Vergangenheit Probleme gab, was die rechtliche Absicherung der Investoren angeht.

Meine Damen und Herren, Ihre Novellierung des Gesetzes kommt spät; dennoch werden wir dem Ganzen nicht ablehnend gegenüberstehen.Wir werden das Ganze auch in den Ausschüssen begleiten und sehen, was vielleicht noch an Anregungen kommen wird. Wir haben ja erlebt, dass Sie Ihre Gesetze immer stückchenweise ändern, und über das stückchenweise Ändern verliert man manchmal den Überblick. – Ich danke Ihnen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke, Frau Hammann. – Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir sind damit am Ende der ersten Lesung des Gesetzentwurfs der Landesregierung für ein Hessisches Ausführungsgesetz zum Abwasserabgabengesetz.

Der Gesetzentwurf soll zur weiteren Beratung an den Umweltausschuss überwiesen werden. – Dem wird nicht widersprochen. Dann können wir so verfahren.

Dann darf ich Tagesordnungspunkt 6 aufrufen:

Erste Lesung des Gesetzentwurfs der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN für ein Gesetz zur Erleichterung von Volksbegehren – Drucks. 16/4156 –

Die Redezeit beträgt zehn Minuten pro Fraktion. Wer bringt den Gesetzentwurf ein?

(Zuruf von der CDU: Niemand!)

Herr Dr. Jürgens, vermute ich.

(Abg. Dr. Andreas Jürgens (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) ist nicht im Sitzungssaal. – Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich bitte um Entschuldigung! Herr Dr. Jürgens sollte das machen! Wo ist er denn? Der Zeitplan! – Zuruf: Machen wir weiter!)

Einen kleinen Moment. Wir haben eben durch die kurzen Redebeiträge eine Menge Zeit eingespart. Ich gehe einmal davon aus, dass die jetzige Pause nicht so lange dauern wird.

(Abg. Dr. Andreas Jürgens (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) kommt in den Sitzungssaal.)

Die Fraktionen können nicht erwarten, dass das Gesetz ganz schnell eingebracht wird, Herr Dr. Jürgens. – Vielen Dank. Sie haben zehn Minuten Zeit, das Gesetz zu begründen.

(Dr. Franz Josef Jung (Rheingau) (CDU): Zwei Minuten sind verbraucht!)

Herr Präsident,meine Damen und Herren! Ich muss mich entschuldigen. Ich kann nur vermuten, dass die Kollegen vor mir schneller geredet haben, als ich angenommen habe. Außerdem steht draußen leider kein Fernseher wie im Umgang um den alten Plenarsaal.

(Zuruf von der CDU: Sie haben Frau Hammann unterschätzt!)

Meine Damen und Herren, die Hessische Verfassung – wir haben in letzter Zeit mehrfach Gelegenheit gehabt, darüber zu reden – ist eine Volksverfassung im besten Sinne. Sie räumte zu ihrer Zeit, 1946, dem hessischen Volk weit gehende Mitwirkungsrechte ein, nicht nur durch die obligatorische Volksabstimmung bei der Änderung der Verfassung, sondern auch durch die Möglichkeit der so genannten Volksgesetzgebung. Seit 1946 gibt es im Lande Hessen die Möglichkeit, dass nicht nur der Landtag, sondern auch das Volk selbst durch Volksbegehren und Volksentscheid initiativ wird, um Gesetze zu erlassen.

Nach fast 60 Jahren der Geltung der Hessischen Verfassung – wir feiern im nächsten Jahr ihr 60-jähriges Bestehen – müssen wir allerdings feststellen, dass die Volksrechte weitgehend nur auf dem Papier bestehen.Nicht ein einziges Volksbegehren hat es bisher geschafft,dem Landtag auch nur einen Gesetzentwurf vorzulegen, von der Durchführung eines Volksentscheids hierüber ganz zu schweigen. Das hat neben vielen anderen Gründen seine Ursache nach unserer Auffassung auch in den außerordentlich restriktiven Verfahrensregeln,die im Gesetz über Volksbegehren und Volksentscheid 1950 eingeführt worden sind. In anderen Bundesländern, nicht nur in den neuen – dort vor allem –, sondern auch in vielen alten Bundesländern, sind in den letzten Jahren die Mitwirkungsrechte der Bevölkerung, die Mitwirkungsrechte des Volks deutlich verbessert und ausgeweitet worden. Nur in Hessen sind die restriktiven Regelungen seit 1950 praktisch unverändert.

Im Übrigen macht die Verfassung zu dem Verfahren keinerlei Vorgaben, sondern überlässt es ausdrücklich dem Gesetzgeber, das Verfahren zu regeln, sodass die Frage weitgehend unabhängig von dem ist, was wir zuletzt dis

kutiert haben, nämlich eine Änderung der Hessischen Verfassung vorzunehmen.

Ein Volksbegehren wird nach dem Gesetz gegenwärtig überhaupt erst eingeleitet, wenn dies von mindestens 3 % der Stimmberechtigten beantragt wird. Das sind nach gegenwärtigem Stand rund 130.000 Menschen, die einen Gesetzentwurf unterstützen müssen. Dieses Einleitungsquorum ist bundesweit – man kann sich das einmal anschauen – mit Abstand das höchste überhaupt.An diesem Einleitungsquorum ist z. B. das letzte Volksbegehren, das 1997 initiiert worden ist, gescheitert, als einige evangelische Kirchengemeinden versuchten, über das Volksbegehren wieder die Einführung des Buß- und Bettags zu erreichen. Hier konnte also dieses Quorum nicht erreicht werden. Wir schlagen vor, das Quorum auf 1 % der Stimmberechtigten abzusenken. Das wären nach heutigem Stand immer noch ungefähr 43.000 Menschen – Pi mal Daumen –, die ein Gesetzesvorhaben unterstützen müssten. Nur einmal zum Vergleich: Nach der Neuregelung in Nordrhein-Westfalen reicht es dort aus, dass lediglich 5.000 Menschen ein Volksbegehren starten. Das sind, bezogen auf das ganze Land Nordrhein-Westfalen, 0,02 %. Wir wollen 1 %. Das ist ungefähr das, was im Bundesdurchschnitt gilt. Das wäre deshalb nach unserem Dafürhalten angemessen.

Wenn das Einleitungsquorum einmal geschafft wurde – das war z. B. 1966 beim ersten Volksbegehren zur Einführung einer Briefwahl der Fall –, gibt es weitere Restriktionen. Es müssen dann, um das notwendige Quorum von 20 % Unterstützung für das Volksbegehren selbst zu erreichen, innerhalb von lediglich zwei Wochen die Unterschriften gesammelt werden, und diejenigen, die es unterstützen wollen, müssen sich zu den Gemeindebehörden begeben, wo diese Listen ausliegen.Wir wollen, dass diese Frist von zwei Wochen auf drei Monate verlängert wird. Wir wollen auch, dass die Listen an anderen Orten ausgelegt werden können und auch zur freihändigen Sammlung von Unterschriften zur Verfügung stehen. Die Frist ist zu kurz,wie wir finden.Drei Monate wären angemessen.Der Landeswahlleiter soll für die Erstellung und Versendung der Listen an die Gemeindebehörden verantwortlich sein, und das Land soll schlussendlich die Kosten hierfür übernehmen.

Wir halten diese Regelung für absolut notwendig, um das Verfassungsrecht der Volksbeteiligung auch tatsächlich handhabbar zu machen. Das Gesetz von 1950 war erkennbar von dem Bestreben geleitet, Referenden möglichst zu erschweren. Das ist dem Gesetz als Grundphilosophie deutlich anzumerken. Das ist wahrscheinlich nur aus der damaligen Situation, der historischen Erfahrung mit der Weimarer Zeit, zu erklären. Die Erfahrungen, die wir jetzt gemacht haben – in den letzten 60 Jahren nur drei Volksbegehren, die überhaupt versucht wurden, also im Schnitt alle 20 Jahre eines, und keines, das überhaupt nur in die Nähe eines Volksbegehrens geraten ist –, zeigen nach unserem Dafürhalten, dass das Verfassungsrecht auf dem Papier steht, aber eben nicht mit Leben erfüllt worden ist. Unser Gesetzentwurf eröffnet eine bessere Chance für Plebiszite,eine bessere Chance für aktive Bürgerbeteiligung, für mehr Demokratie und mehr Gemeinsinn durch die Möglichkeit der aktiven Mitwirkung.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Jürgen Walter (SPD))

Auch andere Leute meiner Fraktion haben nicht mitbekommen, dass die Zeit schon weit fortgeschritten ist.

(Heiterkeit)

Als wir den Gesetzentwurf vorgestellt haben, meinte die FDP in einer Presseerklärung, ihr Weg der Änderung der Hessischen Verfassung, wie es die Enquetekommission vorgeschlagen hatte und wie es die FDP beim letzten Mal als Gesetzentwurf eingebracht hatte, wäre gegenüber unserer Regelung der bessere Weg. Ich will jetzt gar nicht über besser oder schlechter reden, aber es ist auf jeden Fall ein anderer Weg, und es ist ein anderes Ziel, weil die Regelung in der Verfassung mit der im Verfahrensgesetz nichts zu tun hat. Selbst wenn die Verfassung unverändert bleibt, können wir das Verfahren erleichtern, und selbst wenn die Verfassung geändert wird, müssten wir im Nachgang auch das Verfahren erleichtern, wenn wir nicht sozusagen über das einfache Gesetz das Verfassungsrecht aushebeln wollen. Deswegen sind wir der Auffassung, dass wir jetzt das eine tun können, ohne entscheiden zu müssen, ob wir das andere lassen oder schlussendlich im Lauf der Wahlperiode doch noch hinbekommen. Wir können jetzt nicht die Hürde der Verfassung für ein Volksbegehren senken, aber wir können den Anlauf verlängern und die Hilfsmittel zur Verfügung stellen, um die Menschen in die Lage zu versetzen, die Hürde zu überwinden. Das ist die Kernbotschaft, die aus unserem Gesetzentwurf ausgeht. Wir wollen – so könnte man es auf einen Satz bringen – in Hessen mehr Demokratie wagen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Dr. Jürgens. – Zur Aussprache darf ich Frau Zeimetz-Lorz für die CDU-Fraktion das Wort erteilen.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die GRÜNEN wollen mit dem vorliegenden Gesetzentwurf die Einleitung und Durchführung von Volksbegehren erleichtern. Das wollen wir von der CDU-Fraktion auch. Aber so, wie Sie das hier vorschlagen, wird das sicherlich nicht gelingen. Ihre Initiative geht zwar in die richtige Richtung, ist aber lediglich weiße Salbe und löst das Problem, das wir haben, nicht. Herr Kollege Dr. Jürgens, Sie hatten darauf hingewiesen, dass die FDP in der letzten Plenarrunde alle Vorschläge, die die Enquetekommission zur Änderung der Hessischen Verfassung erarbeitet hat, als Gesetzentwürfe eingebracht hat. Sie haben damals Herrn Posch vorgehalten,es gehe der FDP mit ihrem Alleingang nur um politische Profilierung. Dieses Kompliment kann ich heute nur an Sie weitergeben.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Unfair!)

Die GRÜNEN haben sich einen einzelnen Punkt des Katalogs herausgegriffen.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Es geht um die Verfassung!)

Nach dem Kompromiss von CDU, FDP und GRÜNEN in der Enquetekommission zur Reform der Hessischen Verfassung wird unter anderem vorgeschlagen, das Quorum für die Einleitung eines Volksbegehrens von 20 % auf 12,5 % zu senken.

Herr Kollege Dr. Jürgens, als ich Ihren Gesetzentwurf gelesen habe, habe ich den Eindruck gewonnen, dass Sie offensichtlich nicht mehr an die Umsetzung des Kompromisses glauben und nun am Ausführungsgesetz herumbasteln wollen. Ein netter Versuch, aber für sich allein betrachtet, ergibt er wenig Sinn.

Sie haben zu Recht darauf hingewiesen, dass in der Geschichte des Landes Hessen noch kein Volksbegehren erfolgreich eingeleitet wurde. Deshalb hat sich die CDU auch dem Vorschlag für eine Änderung von Art. 124 der Hessischen Verfassung angeschlossen. Betrachtet man die drei erfolglosen Volksbegehren, die bisher versucht wurden, so stellt man sehr schnell fest, dass das Problem nicht im Gesetz über Volksbegehren und Volksentscheid liegt, sondern in Art. 124 unserer Verfassung.