Protokoll der Sitzung vom 22.09.2005

(Zuruf der Abg. Priska Hinz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Wir trauen den Städten, Gemeinden und Landkreisen, den Schulträgern in unserem Land, zu, dass sie das selbst entscheiden können. Das ist ein Ausdruck des Subsidiaritätsprinzips, dem wir anhängen.

Insofern werden wir den Gesetzentwurf am Ende ablehnen, wenngleich noch möglicherweise vorher eine Beratung im Ausschuss ansteht.

Lassen Sie mich noch einmal deutlich machen,wie es dazu gekommen ist.Auch hier hätte ich mir gewünscht,dass der Redner der SPD-Fraktion zumindest, wie ich das auch gemacht habe, in die Unterlagen zur Anhörung zum Hessischen Schulgesetz hineingeschaut hätte.Darin sind durchaus ein paar Begründungen dafür zu finden, warum dieser Abs. 11 am Ende in das Gesetz hineingekommen ist. Die Kommunalen Spitzenverbände waren diejenigen, die an uns herangetreten sind und darum gebeten haben, uns endlich dieser Frage anzunehmen. Das haben wir hiermit getan.

Der Wunsch war, dass wir eine Eigenbeteiligung gesetzlich regeln. Jetzt kommen wir auf den Punkt: Der Wunsch

war, dass wir es gesetzlich festschreiben. – Das haben wir im Schulgesetz gerade nicht gemacht,weil wir den Städten und Landkreisen, die Schulträger sind, zutrauen, dass sie selbst entscheiden können und wollen, ob sie eine Eigenbeteiligung von Eltern vorsehen.

Mit § 161 Abs. 11 ist kein einziger Beitrag für Eltern beschlossen worden.Auch das ist eine Mär, dass das der Fall sei. – Nein, mitnichten, es müssen die Kommunen selbst entscheiden.

Dafür, dass Sie sich in diesem Hause immer wieder als Kommunalpartei rühmen, meine ich, sollten Sie Ihren Kommunen, Ihren kommunalpolitisch Verantwortlichen bei den Schulträgern auch so viel zutrauen, dass sie diese Entscheidung selbst treffen können.

Es ist auch nicht so, dass die Kommunalen Spitzenverbände in irgendeiner Form von einer der großen Parteien dominiert wären. Da ist durchaus ein Ausgleich. Der Direktor des Hessischen Städtetags Dr. Dieter, der sich hier insbesondere verdient gemacht hat,war sogar einmal Kollege in diesem Hause. Deswegen will ich Ihnen nicht vorenthalten, was uns der Hessische Städtetag in den Anhörungsunterlagen vorgeschlagen hat. Zu § 161 – Herr Kollege, das können Sie auf Seite 12 der Stellungnahme zu dem Gesetzentwurf lesen – wird gesagt:

Die Schulträger werden durch Gesetz dazu verpflichtet, für die Schülerbeförderung kommunales Geld auszugeben.Die Mittel aus dem Kommunalen Finanzausgleich... werden dadurch in erheblichem Maß aufgezehrt und stehen nicht für andere wichtige schulische Aufgaben zur Verfügung.

Jetzt kommt es:

Ordnungspolitisch handelt es sich bei der Schülerbeförderung um eine Subvention, die eine individuelle Lebenslage... unsystematisch... ohne soziale Komponente... mit Steuergeld bevorzugt.

Betrachtet man heute übliche Kriterien in der Subventions- und Steuerdebatte, so ist die „Schülerbeförderung“ eine Art von Subvention, deren Ausgestaltung zur Diskussion stehen müsste.

Das ist eine Begründung, der wir uns in der Anhörung nicht verschließen konnten. Es war auch nicht der einzige Verband, der das vorgetragen hat, sondern der Hessische Landkreistag hat ebenfalls deutlich gemacht – hier sind wir wieder dabei, dass es die einen wie die anderen trifft und keine parteipolitische Dominanz in der Diskussion vorgeherrscht hat; der Geschäftsführende Direktor Kaiser hat das in der Anhörung vorgetragen –, dass man sich einen entsprechenden Passus im Gesetz wünscht.

In der öffentlichen Anhörung hat sich der Kollege Irmer noch verdient gemacht, indem er auf die Kommunen zugegangen ist und noch einmal in aller Form gefragt hat, ob es mit der kommunalen Selbstverwaltung vereinbar ist, dass man die Erhebung von Schülerbeförderungskosten als Pflicht in das Gesetz aufnimmt, oder ob man es nicht den Gemeinden überlassen kann. – Herr Dr. Dieter war damals so freundlich und hat gesagt: Das ist okay, wir werden uns dem nicht verschließen können. Wenn das auf freiwilliger Basis geschehen soll, dann soll es so sein.

Meine Damen und Herren, Herr Dr. Dieter hat damals in der öffentlichen Anhörung ausgeführt:

Das ist sicherlich ein sensibles Thema, aber man muss sehen, dass das Geld, das dorthin fließt,

ich finde, das ist eine ganz spannende Frage, die er hier thematisiert –

nicht nur ganz allgemein den kommunalen Haushalten dient, sondern auch für wichtige Schulanliegen in die Schulen fließen könnte, die sonst angesichts knapper Kassen notleidend wären.

Meine Damen und Herren, ich denke, wir werden uns im Ausschuss noch einmal vertieft über die Frage der Schülerbeförderungskosten unterhalten. Dort wird sich wahrscheinlich – das kann ich für unsere Fraktion sagen –, nachdem wir bereits im vergangenen Jahr sehr umfangreich über das Schulgesetz gesprochen haben, keine andere Auffassung bilden können, als dass man die Option für die Schulträger im Gesetz belässt, dass sie selbst entscheiden können,ob sie Schülerbeförderungskosten erheben wollen.

Herr Dr. Reuter, die Wiederherstellung der Chancengleichheit an Hessens Schulen geschieht an ganz anderer Stelle, ist allerdings bei uns in guten Händen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank. – Für die Fraktion der FDP hat Frau Henzler das Wort.

Herr Reuter, Sie hätten Ihre Wortmeldung abgeben müssen, während er redet. Eine Kurzintervention ist leider nicht mehr möglich.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Reuter, da Sie der Debatte zum vorhergehenden Tagesordnungspunkt, zum Setzpunkt der FDP, zugehört haben, habe ich eigentlich erwartet,dass Sie Ihren Gesetzentwurf sofort zurückziehen. Denn das wäre die richtige Konsequenz aus dem gewesen, was der Kollege Rudolph hier gesagt hat.

(Beifall bei der FDP)

Herr Rudolph hat hier gesagt: Kommunale Selbstverwaltung nach vorne, wir wollen alle selbst entscheiden, wir lassen uns vom Innenminister überhaupt nichts vorschreiben. – Jetzt kommen Sie hierher und fordern vom Innenminister,er soll vorschreiben,was die Kommunen machen dürfen oder nicht machen dürfen.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Das widerspricht sich völlig. Deshalb können wir zwar über diesen Gesetzentwurf im Ausschuss reden. Aber ich sage gleich: Die FDP-Fraktion wird ihn ablehnen.

Wir sind nicht gegen die Übertragung der Beförderungskosten auf die Kreise. Im Gegenteil, als das damals mit dem riesigen Änderungsantrag mit 25 anderen Dingen eingeführt wurde, als wir das Schulgesetz beraten haben, habe ich klipp und klar gesagt: Wir können die Bildung nicht vom Portemonnaie der Eltern abhängig machen. Wenn wir die Eltern jetzt auch noch zu Schülerbeförderungskosten heranziehen, ist das nicht richtig und auch nicht in Ordnung.

(Beifall der Abg. Nicola Beer (FDP) und bei Abgeordneten der CDU)

Was ist aber passiert, nachdem dieses Gesetz verabschiedet worden ist? Als Erstes haben die Kreistage Resolutionen gefasst, dass sie das Gesetz nicht umsetzen, dass sie nämlich keine Schülerbeförderungskosten erheben werden. Das fing sogar in Hersfeld-Rotenburg an, obwohl das ein Kreis ist, der sehr hohe Schülerbeförderungskosten hat und der finanziell nicht sehr rosig dasteht.

Die Kreistage haben ganz anders gehandelt. Sie wollen keine Schülerbeförderungskosten erheben. Ich sage auch ganz klar, dass das Thema dorthin gehört. Die Eltern sitzen den Kreistagsabgeordneten eher auf der Pelle als den Landtagsabgeordneten. Wenn dann in den Kreistagen darüber debattiert wird, sind die Eltern sofort da und schreien: Nein, auf keinen Fall bei uns.

Vergessen Sie eines nicht: Schulpolitik und Schule ist ein Standortfaktor für Kreise. Das hat in Hessen mittlerweile hohe Bedeutung. Deshalb wird ein Kreis den Teufel tun und seine Schulen teurer machen und dabei die Eltern strangulieren. Denn die Eltern können einfach in einen anderen Kreis umziehen, wo das besser ist.

(Silke Tesch (SPD): So einfach ist das nicht!)

Von daher ist das alles kontraproduktiv. Dieser Gesetzentwurf ist wirklich nicht positiv zu sehen.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Abgesehen davon muss ich sagen, der Titel ist „hervorragend“. „Wiederherstellung der Chancengleichheit“ – und dann kommt so ein kleines Sätzchen, mit dem Sie nur diesen einen Paragraphen herausnehmen wollen. Ich muss schon sagen, wenn Sie von Chancengleichheit sprechen – Sie haben aus Ihrer Sicht vorhin schon ein paar Themen dazu angeschnitten –, dann hätten Sie so fleißig sein und eine richtige Änderung des Gesetzes einbringen müssen, die alle Punkte enthält, bei denen Sie nicht von Chancengleichheit ausgehen.

Chancengleichheit hängt an vielen, vielen anderen Dingen. Das beginnt mit einer vernünftigen Vorschulerziehung. Darüber haben wir schon gesprochen. Das beginnt – das sage ich noch einmal ganz klar und deutlich – mit der Kinderschule der FDP.

(Beifall bei der FDP)

Das wäre wirklich Chancengleichheit von Anfang an.Wir haben klipp und klar gesagt: Kinderschule wäre eine Aufgabe der Bildung und demzufolge eine Aufgabe des Landes. Demzufolge würde die Kinderschule voll durch Landesmittel finanziert. Das würde die Kommunen von einem ganzen Kindergartenjahrgang entlasten. Das würde auch die Eltern von den Gebühren für ein Kindergartenjahr entlasten.

(Zuruf der Abg. Priska Hinz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Ich denke, man kann viele, viele Dinge machen, um Chancengleichheit in Hessen herzustellen. Das, was Sie hier vorgelegt haben, ist äußerst dünn und widerspricht dem, was der Kollege Rudolph vorhin gesagt hat. Es wäre wirklich besser gewesen, Sie hätten den Gesetzentwurf nach der Debatte vorhin zurückgezogen.

Ich will noch einen letzten Punkt ausführen. Hessen liegt mit den Kosten für Schüler sehr, sehr gut.Wir gehören zu den einzigen vier Ländern, die keine Gebühren für Schulbücher erheben. Das macht sich mittlerweile in der Bundesrepublik sehr breit. Nicht nur die CSU in Bayern

erhebt mittlerweile ein Büchergeld, sondern auch Regierungen, an denen die SPD beteiligt ist. Da sollten wir aufpassen.Wir sollten die Schulgeldfreiheit in Hessen beibehalten. Das trägt nämlich zu einem großen Teil zur Chancengleichheit bei. Da sieht Hessen ganz gut aus. Wir werden diesen Gesetzentwurf ablehnen. Meinetwegen können wir ihn noch einmal im Ausschuss bereden. Aber im Grunde ist er es nicht wert, dass wir überhaupt darüber diskutieren.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Herr Kollege Reuter hat das Wort zu einer Kurzintervention.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich beziehe mich auf die Ausführungen von Frau Henzler, die gemeint hat, ich hätte Herrn Rudolph falsch verstanden.Dagegen möchte ich mich hier äußern.Das ist nicht der Fall. Herr Rudolph hat in der Tat gesagt, dass es aufgrund der Diskussion zu dem vorhergehenden Tagesordnungspunkt eine Diskrepanz zwischen dem gibt, was Herr Bouffier in seinem Erlass „Leitlinien zur Konsolidierung von kommunalen Haushalten“ schreibt, und der Eigenverantwortung von kommunalen Gebietskörperschaften. Dieser Punkt widerspricht meinen Ausführungen überhaupt nicht. Denn ich sage – auch zu Herrn Beuth –: Ich kann den Gesetzentwurf lesen und sehe, dass im Gesetzentwurf eine Kannregelung verankert ist. Ich habe aber ausgeführt, dass diese Kannregelung aufgrund der kommunalen Finanzsituation eine faktische Mussregelung wird. Da die Haushalte aller Schulträger defizitär sind, müssen die Schulträger bei der Genehmigung ihrer Haushalte darlegen, warum sie nicht alle Einnahmequellen aktiviert haben. Zu diesen Einnahmequellen zählt nach diesem Gesetz auch der Eigenanteil der Schülerbeförderung.Wer mich hier missverstanden hat,versucht absichtlich, mich nicht zu verstehen.

(Beifall bei der SPD)

Nächster Redner ist Herr Kaufmann für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich sage es gleich zu Anfang:Verehrte Kollegin Henzler, wir finden die Initiative der SPD durchaus richtig und gut. Wir haben uns auch damals gegen die Änderung des Schulgesetzes ausgesprochen.Man mag vielleicht darüber streiten, ob die Titulierung etwas üppig geraten ist und man mehr Punkte aufgreifen sollte. Das kann aber kein Argument dagegen sein, diesen Punkt wieder zu streichen.