Protokoll der Sitzung vom 22.09.2005

oder des Staatssekretärs, oder von wem auch immer. Jedenfalls steht „Hessisches Ministerium des Innern und für Sport“ darunter, und der zuständige Minister für Inneres und für Sport heißt Volker Bouffier.

(Minister Volker Bouffier: Das ist richtig!)

In diesem Erlass beschäftigt man sich unter Nr. 4 mit Elternentgelten bei Kinderbetreuungseinrichtungen. Nun sind viele von uns darin geübt, ministerielle Worte zu lesen und sie auch zu interpretieren. Ich will es uns allen ersparen,das vorzulesen,weil das wirklich ein besonders gutes Beispiel für ministeriale bürokratische Wortwahl ist.

(Günter Rudolph (SPD): Für Juristendeutsch!)

Herr Kollege Rudolph, ich weiß, dass Sie ein lebenslanges Problem haben und uns als Juristen immer vorwerfen, dass wir Juristen sind. Wir sind stolz darauf, Juristen zu sein. Nicht wahr, Herr Kollege Klemm und andere?

(Beifall bei der FDP – Günter Rudolph (SPD): Kann ich ja nichts für!)

Ich habe jetzt auch die Befürchtung, dass wir ein bisschen vom Thema abkommen, wenn wir uns mit dem Thema Juristen und Verwaltungsbeamte beschäftigen.

Wir Liberale haben sehr bewusst unseren Setzpunkt genommen, um uns mit dem Thema auseinander zu setzen, wie man in den hessischen Kommunen künftig mit der Kinderbetreuung umgehen soll. Liebe Kolleginnen und Kollegen, auf keinen Fall soll man damit umgehen, indem der Staat, das Land Hessen, massiv in die kommunale Selbstverwaltung eingreift. Das darf nicht sein.

(Beifall bei der FDP, der SPD und bei Abgeordne- ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Unser liberales Staatsverständnis – auch wenn die Kommunen ein Teil des Landes Hessen sind, auch unter Beachtung der Grundgesetznorm des Art. 28 – sagt, dass die Kommunen selbst ihre politischen und gesellschaftspolitischen Schwerpunkte setzen können müssen, und da darf ihnen keiner hineinreden. Das gilt natürlich auch, wenn einige Kommunen der Auffassung sind, dass Kinderbetreuung eine zentrale Aufgabe ist, in der sie sich finanziell besser und intensiver engagieren wollen.

Wir wollen jedenfalls Kommunen haben, die bewusst und selbstbewusst entscheiden.Wir wollen Kommunen haben, die ihre Schwerpunkte selbst bestimmen können.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wir wollen keine Kommunalaufsicht haben, die meint, politische Schwerpunktbildung vornehmen zu können. Aufsicht heißt nicht vorschreiben. Aufsicht heißt nicht Gängelung. Der Erlass ist aber Vorschreiben, ist Gängelung. Deshalb muss er in dieser Form geändert werden.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich habe nach dem Interview mit Volker Bouffier, das heute Morgen in der „Frankfurter Rundschau“ stand, das Gefühl,

(Günter Rudolph (SPD): Ja!)

dass auch er das so sieht.

(Günter Rudolph (SPD): Nee!)

Doch, ich habe das Gefühl, dass auch er es so sieht. Da ich ihn gut kenne, würde ich beschreiben: Dieses Interview ist ein Zurückrudern auf die Positionen, die in diesem Hause bisher eigentlich unstreitig waren.

(Günter Rudolph (SPD): Dann soll er den Erlass zurücknehmen!)

Wenn ich ihn so richtig verstanden habe, finde ich das auch gut so. Er hat in diesem Interview nämlich selbst davon gesprochen, dass man eine Abwägung vornehmen muss zwischen den Ausgaben, die die Kommunen haben, zwischen den Schulden, die die Kommunen machen – –

(Günter Rudolph (SPD): So eiert er seit 1999! – Weitere Zurufe von der SPD)

Entspannt euch doch ein bisschen. – Wir als Liberale sagen: Natürlich müssen die Kommunen finanzpolitisch richtig arbeiten. Natürlich dürfen sie nicht – das sage ich als Parenthese – in denselben Fehler verfallen wie das Land Hessen und Schulden, Schulden und Schulden machen. Natürlich ist das auch bei den Kommunen zu beachten.

(Beifall bei der FDP und der SPD – Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Beim Schuldenmachen waren Sie dabei!)

Deshalb ist bei den Kommunen außerordentlich „gut“ angekommen, dass gerade diese Landesregierung, die in den letzten zwei Jahren noch verschärfter Schulden gemacht hat, als sie es vorher getan hatte, nun tatsächlich vorschreibt,dass die Kommunen in dem und dem Fall es nicht machen dürfen.

(Beifall bei der FDP)

Kommunalaufsicht ist also richtig. Das heißt aber nicht, dass man vorschreibt,wo eine Kommune etwas zu tun hat. Ich jedenfalls habe das Interview mit Volker Bouffier, in dem er von Finanzierungsplänen insgesamt usw. gesprochen hat,so verstanden,dass er ein bisschen zurückrudert.

(Günter Rudolph (SPD): Wo soll das Geld denn herkommen?)

Ich glaube immer an das Gute im Menschen. Herr Rudolph,Sie doch eigentlich auch.Deshalb,lassen wir es Volker Bouffier ein bisschen nach. Es kann eine Art von Resozialisierung sein. Erst der Erlass, den Herr Pflock unterschrieben hat, dann macht Volker Bouffier in der „FR“ dieses Interview.

(Heiterkeit – Michael Siebel (SPD): Sie wollen Bewährungshelfer sein? – Zuruf:Wie war das mit dem härtesten Vollzug?)

Wir als Liberale wollen sichergestellt wissen, dass es auf kommunaler Ebene Vorfahrt für die kommunale Bildung gibt. Wir wollen sichergestellt wissen, dass sich die Kommunen verstärkt mit dem Thema Kinderbetreuung auseinander setzen.

(Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP): Sehr richtig!)

Wir als Liberale wollen sichergestellt wissen, dass in den Kommunen die Frage diskutiert wird, wie man die Finanzierung der Kinderbetreuung durchführt. Ich weiß nicht, wer von Ihnen heute in der „FAZ“ den Artikel über Bad Homburg gelesen hat. Da ist die Diskussion auch gerade, und man konnte lesen – ich glaube die Zahlen jetzt erst einmal –, dass höchstens 10 % der Kosten der Kinderbetreuung bisher durch die Elternentgelte gedeckt sind.

(Günter Rudolph (SPD): 15 bis 20 %!)

In Bad Homburg waren es sogar nur 10 %. Die Regel sind 15 bis 20 %.– Meine sehr verehrten Damen und Herren,wenn das auf einmal der Streitpunkt sein soll,dann ist doch berechtigt, dass man sagt: Dann verzichten wir als Kommune auf diese 15 %. – Aber bitte, das muss jede Stadtverordnetenversammlung selbst entscheiden. Das haben wir nicht zu entscheiden.

(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Innenminister, ich bitte, das als Berichtsantrag zu sehen: Wir haben im letzten Absatz unseres Antrags darum gebeten, dass dies einmal zusammengestellt wird, damit wir wirklich von harten Fakten ausgehen können – und unsere Kommunalpolitiker vor Ort auch.

Wir wollen Kinderbetreuung, weil wir gleiche Startchancen für die Kinder haben wollen. Es kann doch nicht angehen, dass wir auf der einen Seite sagen, den Kindern muss es überall gleich gut gehen, aber dann die Eltern mit Ausgaben belasten.

(Beifall bei der FDP)

Wir müssen auch qualitativ aufrüsten. Die Diskussion hat gestern gezeigt,dass das notwendig ist.Der Kollege Florian Rentsch wird dazu gleich noch für uns Stellung nehmen.

Wir wollen das neben den Startchancen für das Kind aber auch, damit eine Vereinbarkeit von Familie und Beruf besser organisiert werden kann. Jawohl, jeder hier im Raum weiß, es kommen nicht sofort mehr Kinder zur Welt, wenn überall kostenlos Kindergartenplätze zur Verfügung gestellt werden. Das ist klar. Aber es hat eine gesellschaftliche Wirkung auf die Mentalität der jungen Familien, der jungen Paare.Es schafft eine gewisse Voraussetzung dafür, wie sie sich in ihrer Lebensplanung entscheiden.

(Beifall bei der FDP)

Deshalb ist unser Ziel, dass die Kommunen, die Abgeordnetenkolleginnen und -kollegen in den Stadtverordnetenversammlungen und Gemeindeparlamenten selbst und eigenständig darüber entscheiden können, ob sie mitteloder langfristig sogar voll und ganz auf die Elternentgelte verzichten können. Das dürfen wir als Land nicht vorgeben. Das darf die Kommunalaufsicht nicht vorgeben. Das müssen die frei gewählten Abgeordneten vor Ort machen. – Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank. – Das Wort hat die Frau Kollegin SchulzAsche, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! In der 40. Sitzung des Hessischen Landtags am 17. Juni 2004 war Tagesordnungspunkt 89 ein Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, mit dem wir Auskunft verlangt haben, ob Pressemeldungen zutreffen, dass Innenminister Bouffier plant, defizitäre Kommunen dazu zu zwingen, die Elternbeiträge für Kindergärten auf bis zu 33 % der Betriebskosten zu erhöhen.

In dieser Sitzung hat der Innenminister, im Übrigen bevor wir unseren Antrag begründen konnten, Folgendes erklärt:

Im Ergebnis darf ich dem Haus Folgendes mitteilen: Es gab und gibt keine kommunalaufsichtliche Festlegung, weder auf eine bestimmte Zahl noch auf eine bestimmte Verfahrensweise. Da es eine solche weder gab noch ich die Absicht habe, eine solche einzuführen, kann sich die Debatte diesbezüglich sehr kurz halten.

Meine Damen und Herren, das war am 17. Juni 2004. Heute sind wir im September 2005. In der Sommerpause hat Herr Bouffier an den Kommunalen Spitzenverbänden vorbei genau diesen Erlass, von dem er im Jahre 2004 behauptet hat, es gebe ihn nicht und er plane ihn nicht, eingeführt,

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

und zwar ohne Begrenzung auf 33 %. Das heißt, die Elternbeiträge können noch darüber hinausgehen.