Wenn man die Vergangenheit der letzten Tage ansieht, stellt man fest: Wir haben einen abgewählten Bundeskanzler, der sich trotzdem als großer Sieger feiern lässt.
Hier ist ein erstaunlicher Realitätsverlust erkennbar. Wenn ich die Anträge und Beiträge der Opposition heute Morgen sehe,stelle ich fest,dass es sich wahrscheinlich um das gleiche Problem handelt, nämlich einen großen Realitätsverlust.
Im Zuge des Wahlkampfs, meine Damen und Herren von der Opposition, wurde die Leitlinie des Innenministers von der Opposition bewusst falsch gelesen und auch so dargestellt.
Frau Ypsilanti oder Frau Schulz-Asche, Sie haben beispielsweise behauptet: Erstens, dieser Erlass erhöht die Kindergartenbeiträge, zweitens greift er massiv in die Gestaltungsfreiheit der Kommunen ein.
Ich frage Sie, meine Damen und Herren:Wo lassen Sie lesen? Ich weiß nicht, wie man dies so falsch verstehen kann. Sie verbreiten bewusst in Vorwahlkampfzeiten Unwahrheiten, und zwar mit dem einzigen Ziel, die Familien in diesem Land zu verunsichern. Das mache ich Ihnen hier zum Vorwurf.
(Beifall bei der CDU – Norbert Schmitt (SPD): Vorsicht! Für die Unwahrheit ist in diesem Land die CDU zuständig! Das wissen wir von der Schwarzgeldaffäre! Vorsicht, Vorsicht! Zu der Unwahrheit fällt mit vieles ein!)
Die Zahl von 50 Millionen c, mit der Sie hier argumentieren, ist einfach aus der Luft gegriffen. Sie wissen ganz genau, dass diese 50 Millionen c, die Sie hier in diesem Hause immer wieder aufgreifen, in den Länderfinanzausgleich der Kommunen geflossen sind. Das wollen Sie hier in diesem Haus immer wieder anbringen.
Ich halte für die CDU-Fraktion fest: Die Leitlinien des Innenministers entsprechen dem gesetzlichen Prüfauftrag. Sie richten sich ausschließlich an die kommunalen Aufsichtsbehörden.
Zweitens. Die Kommunen müssen lediglich im Fall eines anhaltenden Defizits ein Finanzierungskonzept vorlegen, um die fehlenden Gebühren zu kompensieren. Ein Zwang, die Kindergartengebühren zu erhöhen, ergibt sich für die Kommunen daraus in keinster Weise.
Die Kommunen sind weiterhin frei, ihre politischen Schwerpunkte selbst zu setzen.Wenn der eigene Haushalt langfristig defizitär ist, müssen Sie darauf achten, ein entsprechendes Finanzierungskonzept vorzulegen, wenn sie die Kindergärten gebührenfrei oder gebührenreduziert zur Verfügung stellen wollen. Das ist hier die Frage.
Ich halte fest: Für die Festlegung von Kindergartengebühren sind ausschließlich die Kommunen zuständig.Wir alle sind irgendwo verhaftet, als Mitglied einer Kommune oder einer Stadtverordnetenversammlung, und wissen dieses Thema genau einzuschätzen. Die Kommunen entscheiden aber auch ganz allein, wo sie ihren politischen Schwerpunkt setzen wollen.
Wir von der CDU sehen natürlich die Kinderbetreuung als Schwerpunktthema an, Herr Kollege. Das ist eindeutig.
Das sehen wir auch im kommunalen Bereich. Da das ein Zukunftsthema ist, betrifft es uns hier im Land, es betrifft die Bundesebene und auch die Kommunen, und diese ganz besonders.
Um was geht es? Es geht um qualitativ gute und günstige Kindergartenplätze, die vielleicht in Zukunft – das ist eine Zukunftsperspektive,die vielleicht in diesem Hause generell getragen wird – kostenlos angeboten werden können. Aber dazu sind politische Entscheidungen notwendig, die in diesem Erlass auch dargelegt sind.
Die Kindergärten müssen eine gute Personalausstattung haben, und sie müssen sich weit früher mit Bildung beschäftigen. Um andere Beispiele zu nennen: flexible Öffnungszeiten und, und, und. Das ist das erklärte Ziel der Hessen-CDU. Sie konnten das ja gestern eindrucksvoll miterleben, wie das die Hessische Sozialministerin in diesem Hause dargestellt hat. Ich empfehle Ihnen, dies noch einmal nachzulesen, wenn Sie es gestern nicht verstanden haben.
Dies darf aber auch nicht über eine ungehemmte und anhaltende Schuldenpolitik gemacht werden. Das muss man auf der Seite sagen. Es geht auch um die Zukunft der Kinder, die wir in Zukunft haben. Wir können die Schulden nicht so hochtreiben, dass wir in der Zukunft keinen Handlungsspielraum mehr haben.
(Beifall bei der CDU – Norbert Schmitt (SPD):Das gilt für Hessen! Das ist richtig! Das ist eine gute Aussage für die nächste Haushaltsdebatte gegenüber Weimar! Gutes Zitat!)
Das Land folgt mit den Leitlinien dem gesetzlichen Auftrag, und das ist hier wichtig. Es ist darauf zu achten, dass die Kommunen seriös wirtschaften. Das ist an dieser Stelle die Aufgabe des Landes. Innenminister Bouffier nimmt diese Verantwortung wahr. Sie sind mit Ihrer Argumentation hier in diesem Hause verantwortungslos.
Zu beachten ist auch der Anspruch auf einen Kindergartenplatz, den die Kinder über drei Jahre haben. Wir müssen natürlich auch sehen,dass wir in den kommunalen Bereichen viele freie Träger haben, die diesen Anspruch mittragen. Wir haben die freien Träger und die kommunale Seite, die das machen.Wenn wir eine Reduzierung auf der kommunalen Seite beschließen, müssen wir auch für die freien Träger eine Reduzierung annehmen.
Diese würde für die Haushälter eine unkalkulierbare Erhöhung der Haushaltsansätze bedeuten. Deswegen ist es wichtig, dass die Kommunen mit Blick auf die freien Träger sensibilisiert werden, die in der Regel über einen besseren Personalschlüssel verfügen und teilweise bessere Qualität bei einer günstigeren Form des Wirtschaftens anbieten können. Deshalb ist es aber auch wichtig, dass wir die Kommunen nicht zusätzlich mit finanziellen Mehrbelastungen bestrafen.
Ich bin davon überzeugt, dass die Richtlinie dabei helfen wird, die gemeinsame Verantwortung von Land und Kommunen für die kommunalen Finanzen zu stärken. Von Einschränkungen bei der kommunalen Selbstverwaltung kann daher überhaupt nicht die Rede sein.
Zusammenfassend möchte ich sagen: Es ist und bleibt das erklärte Ziel der hessischen CDU und der Hessischen Landesregierung, den Umfang der Kinderbetreuungsangebote zu erweitern und deren Qualität zu verbessern. Wir wollen die Kommunen bei dieser großen Zukunftsaufgabe unterstützen, weil diese auch für die Kommunen einen Standortfaktor darstellt – auch bezüglich der Vereinbarkeit von Familie und Beruf –, den wir nicht außer Acht lassen dürfen.Wir müssen aber einen soliden und seriösen Weg verfolgen, damit die Schulden nicht in die nächste Generation getragen werden. Die Rede des Finanzministers über die Haushaltssituation war eindrucksvoll und erschreckend zugleich.
Ich empfehle Ihnen, das Protokoll der Sitzung heute Abend mitzunehmen und sich unter das Kopfkissen zu legen, damit Sie die Situation unseres Landes endlich realistisch wahrnehmen und die Landesregierung und die CDU-Fraktion nicht ständig mit abenteuerlichen Vorwürfen traktieren.
Wir sind sicher, dass wir in Zukunft über die Frage kostenloser oder gebührenreduzierter Kindergartenplätze seriöser diskutieren werden.
Die Vorschläge müssen auf einem schlüssigen Finanzierungskonzept basieren. Populistische Versprechen ohne ein seriöses Konzept können nicht lange aufrechterhalten werden. Ich nenne Ihnen ein praktisches Beispiel. Frau Ypsilanti hat eben von Ernsthaftigkeit gesprochen. Sie können am Beispiel Kassel sehen, dass wir eine seriöse Behandlung des Themas brauchen.
(Beifall bei der CDU – Norbert Schmitt (SPD):Wie war es in Darmstadt im Oberbürgermeisterwahlkampf? – Weitere Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Herr Präsident! Herr Kollege Reißer, Sie haben zwar angekündigt, Ihr Beitrag werde keine Fragen offen lassen, aber in Wirklichkeit hat Ihr Beitrag eine Menge neuer Fragen aufgeworfen. Viele der wesentlichen Fragen wurden nicht beantwortet. Deswegen möchte ich Ihnen mit meiner Kurzintervention noch einmal ganz konkret Gelegenheit geben, auf zwei Fragen zu antworten, unter anderem gerade deshalb, weil Sie am Ende das Beispiel Kassel angesprochen haben.