Protokoll der Sitzung vom 23.11.2005

(Jörg-Uwe Hahn (FDP):Ich hoffe,sie sind alle richtig!)

Trotz Konsolidierungsschritten ist es nicht möglich, 2006 die Verfassungsgrenze und die Maastricht-Kriterien einzuhalten, ohne zugleich die wirtschaftliche Erholung zu gefährden. – Das ist der entscheidende Punkt. Es muss auch juristisch begründet werden, inwieweit die Maßnahmen in diesem Haushalt dabei helfen werden, zu einer wirtschaftlichen Erholung in Deutschland beizutragen. Das wird die entscheidende Leistung sein. Danach ist zu beurteilen, wie dieser Haushalt rechtlich zu bewerten ist.

(Reinhard Kahl (SPD):Jetzt ist die Regierung komplett geflüchtet!)

Herr Kollege Schmitt, seien Sie so lieb. Die Redezeit ist schon abgelaufen.

Ich mache noch eine Bemerkung zur Union.In Ihrem Antrag steht, dass Sie die U3-Beteiligung durchgesetzt haben.

(Zurufe von der SPD: Das Kabinett ist verloren ge- gangen!)

Das Kabinett ist auch weg. Das war heute anstrengend. Ein Mitglied des Kabinetts musste einen Eid leisten.

Herr Kollege Schmitt, Ihre Redezeit ist abgelaufen, unabhängig davon, wer da sitzt. Letzter Satz, dann kann zur Geschäftsordnung gesprochen werden.

Ich komme zum letzten Satz. Wir begrüßen den Koalitionsvertrag, aber wir fordern gleichzeitig, dass Herr Koch seine Blockadepolitik gegenüber Berlin endlich aufgibt. In diesem Zwang ist er jetzt. Das wäre wichtig für dieses Land. Es wäre auch wichtig für Hessen. – Danke schön.

(Beifall bei der SPD)

Herr Kollege Kahl hat zur Geschäftsordnung das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir führen hier eine wichtige Debatte, und die Regierung glänzt komplett durch Abwesenheit. Das ist eine eindeutige Missachtung des Parlaments.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Im Übrigen geht es hier um Anträge aller Fraktionen, einschließlich der Mehrheitsfraktion. Dass unter diesen Bedingungen die Regierung nichts anderes zu tun hat, als draußen zu sein und Gespräche zu führen, ist wirklich nicht hinnehmbar.

Herr Innenminister, sei so lieb, und setz dich da vorne hin.

Deswegen bitte ich,sicherzustellen,dass die Regierung an dieser Debatte teilnimmt. Es reicht nicht aus, wenn der Innenminister jetzt als Einziger hier ist.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich stelle fest, dass der Innenminister vertreten ist. Sie haben auch keinen Antrag gestellt. Es ist sicherlich richtig, dass auch die Mitglieder des Kabinetts an den Verhandlungen des Landtags teilnehmen sollten.

(Zuruf der Abg. Nicola Beer (FDP))

Jetzt hat der Kollege Hahn das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich kündige für die FDP-Fraktion an, dass wir in der nächsten regulären Sitzung des Ältestenrats dieses Thema auf die Tagesordnung setzen. Das ist eine Stillosigkeit sondergleichen.

(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das ist dieselbe Ebene – damit die Kollegen der Union das wissen –: Ihr habt euch vorhin zu Recht über Herrn Kaufmann aufgeregt. Das war stillos. Aber es ist genauso stillos,

(Beifall bei der FDP und der SPD)

dass in einer Debatte noch nicht einmal die Abteilungsleiter dort sitzen, dass nicht einmal die Staatssekretäre dort sitzen. Das geht so nicht. Ich will das Thema aber hier nicht weiter erörtern, sondern ich will nur darauf hinweisen. Volker Bouffier kann nichts dafür. Du bist da. Herzlichen Glückwunsch.

(Heiterkeit)

Stefan Grüttner ist eben auch hereingekommen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das geht so nicht. Das wird in der nächsten Sitzung des Ältestenrats – wir machen keine Sondersitzung, das ist wiederum Unsinn – ein Thema sein; denn das Kabinett muss lernen, dass es keine Last ist, Plenarsitzungen zu haben, sondern dass es eine Freude für das Kabinett ist, an den Sitzungen des Landtags teilnehmen zu dürfen.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD)

Herr Präsident,meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bitte um Entschuldigung, wenn ich das so emotional sage. Ich glaube, jeder weiß, worum es hier geht. Es gilt: Was wir gemeinsam stemmen, müssen wir auch gemeinsam stemmen. Dann können wir es nicht nur teilweise stemmen.

Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, zum Thema. Der Sachverständigenrat hat vor wenigen Tagen ein Jahresgutachten vorgelegt. In der Zusammenfassung des Gutachtens steht Folgendes: Erstens. „Die deutsche Volkswirtschaft zeigt sich weiterhin in keiner guten Verfassung.“ Ich glaube, liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist unstreitig.

Zweitens. „Die Arbeitslosigkeit befindet sich auf einem bedrückend hohen Niveau.“ Ich glaube, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, das ist unstreitig.

Drittens. „Das Wirtschaftswachstum ist schwach.“ Auch hier gilt wieder, dass das unstreitig ist.

Viertens. „Die Sozialversicherungen leiden unter einer permanenten Einnahmeschwäche.“ Ich glaube, das ist unstreitig.

Fünftens. „Die Haushalte des Bundes und der Länder sind in einem desolaten Zustand.“ Ich zitiere nur den Sachverständigenrat. Ich glaube, auch das ist unstreitig.

Die sechste Bemerkung können wir nicht so ganz beurteilen, aber auch da glaube ich dem Sachverständigenrat: „In Ostdeutschland ist eine selbsttragende wirtschaftliche Entwicklung nicht zu erkennen.“

Liebe Kolleginnen und Kollegen, all diese sechs Punkte scheinen mir, wenn man die Arbeit einigermaßen rational angeht, zwischen allen politisch Verantwortlichen unstreitig zu sein.

(Beifall bei der FDP)

Das ist nicht die Verteidigung der großen Koalition in Berlin, das Schlechtreden unserer Republik, sondern das ist die nüchterne Bilanz des Zustands dieser Republik, und zwar noch nicht einmal durch irgendeinen Politiker, sondern durch ein gemeinschaftliches – man muss dazu sagen: ohne abweichendes Votum – Gutachten des Sachverständigenrats.

(Beifall bei der FDP – Michael Denzin (FDP): Das ist schon erstaunlich!)

Wir halten es deshalb schon für relativ beachtlich,dass die gestern gewählte Bundeskanzlerin bereits vor ihrer Wahl in Berlin uns und anderen erklären wollte,wir sollten jetzt damit aufhören, eine Sachdarstellung der Republik zu geben. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das werden wir Liberale immer, immer wieder tun.

(Beifall bei der FDP)

Da kann Frau Merkel uns erklären, was sie will. Das hat auch schon Herr Schröder versucht. Wenn wir für unser Land,wenn wir für unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger eine vernünftige Politik machen wollen, dann müssen wir erst einmal den Sachverhalt erkennen. Wir dürfen uns nichts schönreden. Das hat die große Koalition in Berlin offensichtlich getan.

(Beifall bei der FDP)

Was sind die Antworten im Koalitionsvertrag? Ich fange mit dem Bild an, das Tarek Al-Wazir vorhin gebracht hat, weil ich das sehr gut fand: Wo sind eigentlich die Visionen? Wo ist der intellektuelle Überbau? Wo ist die Idee, die die große Koalition hat, wie sie Deutschland nach vorne bringen will? Wo ist die große Idee, wie sie mit diesen von mir dargestellten sechs Punkten des Sachverständigenrates fertig werden will?

Kolleginnen und Kollegen, wir haben es doch alle miterlebt: Das sind doch keine richtigen Koalitionsverhandlungen gewesen, die gestern zur Wahl und zur Vereidigung von Frau Merkel und anderen geführt haben. Das war zuallererst ausschließlich eine Personaldiskussion: Wer kriegt wie viele Ressorts?

(Beifall bei der FDP)

Die nächste Frage war: Welche Personen kriegen diese Ressorts? Dass auf dem Weg zur Kabinettsbildung dann bei diesem Spiel der eine oder andere abhanden gekommen ist, das war ja vorher nicht eingeplant gewesen. Ich meine z. B. den Kollegen aus München, der immer hinund hergereist ist und jetzt also wiederum eine Landung in München hingelegt hat.

Aber es war doch am Anfang klar gewesen: Wir müssen erst einmal 8 : 8 austarieren. – Deshalb, lieber Jürgen Walter, wie im Beitrag vorhin in der Debatte zum Hessen-Kabinett: Die Glaubwürdigkeit misst sich immer daran, wie man sich auf den verschiedenen Ebenen benimmt.

(Beifall bei der FDP)

Man kann unheimlich schlecht der Landesregierung hier vorwerfen, sie würde das Personal zu sehr aufblähen, wenn es bekanntlich gerade die Sozialdemokraten in Berlin waren, die auf diesen acht Personen, auf diesen acht

Ministerstellen zunächst bestanden haben. Da ging es zuallererst darum – ich will nicht sagen: die Machtwaage; denn eigentlich hätte es ja keine Waage sein dürfen –,aber dann doch eine Machtwaage auszutarieren.