Protokoll der Sitzung vom 24.11.2005

(Beifall der Abg.Kordula Schulz-Asche und Martin Häusling (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Ich frage in diesem Zusammenhang den Finanzminister: Kommen diesen Käufern vielleicht auch noch Steuertricks zugute, die diesen Kauf, wirtschaftlich gesehen, noch sinnvoller werden lassen? Ich warte mit Spannung auf die Antwort auf eine Kleine Anfrage, die ich Anfang Oktober 2005 zu diesem Themenkomplex gestellt habe.

Herr Weimar, Sie haben in der Sitzung des Haushaltsausschusses versucht, uns die Wirtschaftlichkeit dieser Transaktion vorzurechnen.Sie haben dafür sehr viel Papier aufgewandt und wissenschaftlich verbrämte Rechnungen vorgelegt. Es ist Ihnen gelungen, uns vorzurechnen, dass der Verkauf nach der von Ihnen gewählten Systematik wirtschaftlich sinnvoll ist. Ich betone: nach der von Ihnen gewählten Systematik. – Das hat uns nicht wirklich überrascht.

(Norbert Schmitt (SPD): So ist es!)

Schließlich stand ein politischer Auftrag hinter diesem Geschäft. Der politische Auftrag hat dazu geführt, dass Ihre Rechnung ergeben hat, dass z. B. das Polizeipräsidium in Frankfurt in 30 Jahren nur noch rund ein Drittel des jetzigen Kaufpreises wert sein soll. Bei anderen Gebäuden soll nach Ende der Mietzeit nur noch der Bodenwert anzusetzen sein. Möglicherweise kann man das so rechnen.Sicherlich lassen sich für solche Berechnungsmethoden auch wissenschaftliche Begründungen finden.Alle Menschen, die schon einmal mit Immobilienverkäufen zu tun hatten,wissen aber,dass solche Berechnungen mit der Lebenswirklichkeit nicht viel zu tun haben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

An diesem Punkt möchte ich eine Anmerkung in Richtung der FDP machen, die die Verkäufe grundsätzlich bejaht. Herr von Hunnius, ich hatte das Gefühl, auch bei Ihnen gab es ein gewisses Unbehagen über die Wirtschaftlichkeitsberechnung der Landesregierung. Anders kann ich Ihren Vorstoß nicht verstehen. Sie meinten, der Landesrechnungshof solle für jedes einzelne Objekt die Wirtschaftlichkeit des Verkaufs und auch die Berechnungspa

rameter überprüfen. Sie wollten das sicherlich als Rückversicherung für die Politik haben. Ich habe aber meine Zweifel, ob der Landesrechnungshof das leisten kann und ob er uns aus der politischen Verantwortung nehmen kann.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich habe meine Zweifel, ob er uns von der Verantwortung freisprechen kann, die sich ergibt, wenn man betriebsnotwendiges Vermögen verkauft. Ich habe jetzt die Begrifflichkeit gewählt, die bei Unternehmen üblich ist. Ich denke, das geht nicht. Da müssen wir Politikerinnen und Politiker schon selbst Flagge zeigen.

Ich habe gefragt:Worin liegt der tiefer gehende Grund dafür, dass sich die Landesregierung entschieden hat, diese Gebäude zu verkaufen? – Für mich und die Mitglieder meiner Fraktion ist die Antwort klar: Der tiefer gehende Grund der Landesregierung, dies zu tun, ist der, dass es sich dabei um eine politische Weichenstellung handelt.Sie wollen verkaufen, weil Sie keine andere Möglichkeit mehr sehen. Sie sehen keine andere Möglichkeit mehr, das finanzpolitische Desaster abzuwenden, in das Sie sich durch Ihre Ausgabenpolitik hineinmanövriert haben.

Sie wollen sich im Haushalt Luft verschaffen und nehmen in Kauf, dass die Haushalte der nächsten 30 Jahre mit Mietzahlungen belastet werden, die als neuer Kostenblock im Haushalt stehen werden. Landesvermögen, das diesen Kosten gegenübersteht, werden wir dann auch nicht mehr haben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

In der Debatte um die Verkäufe haben wir immer wieder gehört,dass Hessen Vorreiter und Modell für alle anderen Bundesländer und – wen wunderts – natürlich auch für den Bund sein möchte. Der Herr Ministerpräsident hat das Modell des Ausverkaufs öffentlichen Vermögens auch als Heilmittel in den Koalitionsvertrag eingebracht. Wir sind sehr gespannt darauf, wie das die SPD auf Bundesebene diskutieren wird. Bisher habe ich nur vernommen, dass sie dieses Modell nicht mittragen werde. Ich bin gespannt, wie das weitergehen wird.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Erfurth. – Als nächster Redner erhält Herr Kollege von Hunnius für die FDP-Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Angelegenheit, mit der wir uns heute beschäftigen, ist vom Grundsatz her keine neue. Es ist keine neue Debatte. Wir haben uns im Haushaltsausschuss sehr ausführlich über diese Transaktion ausgetauscht. Es gab eine wirklich umfangreich zu nennende Dokumentation. Ich habe 189 Seiten gezählt, die zur Begründung der Transaktion herangezogen wurden. Insofern wird der Neuigkeitsreiz von Argumenten am heutigen Tag sicherlich etwas begrenzt sein. Natürlich ist es das gute Recht, das Thema in diesem Hause zu diskutieren. Das wollen wir gern machen.

Lassen Sie mich zunächst einmal auf den Grundsatz zu sprechen kommen. Frau Kollegin Erfurth hatte gesagt,

dies sei notwendiges Vermögen, man dürfe so etwas überhaupt nicht tun.Wenn das so wäre, dürfte das Umweltministerium nicht zur Miete wohnen. Das hat es aber bereits getan, als die Umweltminister der GRÜNEN-Partei angehört haben.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Verkaufen ist etwas anderes, als anzumieten, wenn man nichts hat!)

Wenn man das akzeptiert, Herr Kollege Kaufmann, muss man auch akzeptieren, dass der Zustand gewechselt werden kann. In der Logik dieser Überlegung liegt, dass man etwas anmieten kann, was man zuvor im Eigentum hatte.

(Norbert Schmitt (SPD): Das sagen Sie einmal einem Privatmann!)

Das Land wird daran gemessen werden, ob es seine Aufgaben erfüllen kann, aber nicht daran, ob diese Aufgaben in eigenen oder in angemieteten Gebäuden erfüllt werden. Das ist kein grundsätzliches Hindernis.

Außerdem gibt es einen zweiten Punkt. Fast alles ist besser, als neue Schulden zu machen. Wenn dem Land über 1 Milliarde c zugeführt werden können und die Neuverschuldung in diesem Land, die ohnehin zu hoch ist, dadurch um diesen Betrag verringert werden kann, ist das ein Wort zum Sonntag. Das bedeutet nämlich, dass in entsprechendem Umfang, sagen wir einmal, in Höhe von 20 bis 30 Millionen c pro Jahr, weniger Zinsen anfallen. Natürlich muss die Miete finanziert werden. Hier muss man aber die Differenz zwischen dem Mietzins und den sonstigen Aufwendungen rechnen. Insofern rechnet sich das auf jeden Fall.

(Beifall bei der FDP)

Unabhängig von dem Liquiditätseffekt muss sich natürlich jedes einzelne Objekt rechnen,wie der Rechnungshof zu Recht verlangt hat. Es reicht eben nicht, eine Gesamtüberlegung anzustellen, sondern jedes einzelne Objekt muss durchgerechnet werden. Deshalb sind die Objekte im Einzelnen durchgerechnet und bewertet worden.

Lassen Sie mich einen Blick auf die Fakten werfen. Es sollen für einen Zeitraum zwischen 15 und 30 Jahren 18 Liegenschaften verkauft und zurückgemietet werden, die vom Land Hessen genutzt werden. Es gibt drei Eckwerte: Kaufpreis 1,1 Milliarden c – ich lasse den Mehrerlös weg, weil ich mich auf die Vorlage beziehe –, Miete 55,3 Millionen c pro Jahr.Daraus kann man durch einfache Division ermitteln, dass der Erlös das 19fache der Jahresmiete beträgt. Das ist eine Relation, die in Immobilienkreisen mehr als auskömmlich ist. Ab dem 14fachen des Kaufpreises ist das in Ordnung. Es gibt eine Wertermittlung vom Hessischen Baumanagement in Höhe von 814,8 Millionen c. Unser Zwischenfazit lautet daher: Der Erlös liegt über der Wertermittlung, und der Erlös liegt hinsichtlich der Relation zur aufzuwendenden Miete über der Rentabilitätsschwelle.

Zur Überprüfung der Wirtschaftlichkeit ist ein Vergleich zwischen der Situation der Fortführung in Eigentum und Nutzung auf der einen Seite und Verkauf und Rückmietung auf der anderen Seite angestellt worden.Aus diesem Vergleich ergibt sich ein Barwertvorteil in Höhe von 250 Millionen c.

(Norbert Schmitt (SPD):Nach dieser Berechnungsmethode!)

Nach dieser Berechnung, ich komme gleich darauf zu sprechen, Herr Kollege. Man muss als Haushälter schon

sehr gute Argumente haben, um 250 Millionen c auszuschlagen. – Das ist ein schlecht wegzudiskutierendes Argument.

(Beifall bei der FDP)

Diese Rechnung ist entscheidend besser, als das bei der Gutleutstraße der Fall war. Dort war die Rechnung in bestimmten Teilen grenzwertig. Der Rechnungshof hat gesagt, dass die Annahmen an der oberen Kante der Wahrscheinlichkeit gemacht worden seien. Außerdem wurden, anders als im Fall der Gutleutstraße, differenzierte Werte für den Endzeitpunkt der Miete angenommen und nicht in jedem Fall null, wie das bei der Gutleutstraße der Fall gewesen ist. Bewerten wir dies aufgrund der hinzugefügten Informationen, ist festzustellen: Der Liquiditätszufluss beträgt mehr als 1 Milliarde c, der Barwertvorteil beträgt 250 Millionen c.

Wir hören immer wieder aus den Kreisen von SPD und GRÜNEN, der Mietzins sei höher als der Kapitalmarktzins. Darauf antworte ich: Natürlich ist der Mietzins höher als der normale Zins, den man erhält, wenn man Geld anlegt. Das muss auch so sein, weil der Miete ganz andere Leistungen für den Mieter gegenüberstehen, als es bei normalen Geldanlagen der Fall ist. Dieser Vergleich ist vielleicht zulässig, aber er ist nicht ergiebig und nicht aussagekräftig.

Ich komme auf den entscheidenden Punkt zu sprechen. Der entscheidende Punkt ist die politische Entscheidung über die Frage: Wollen wir uns hinsichtlich der künftigen Nutzung der Liegenschaften auf die hier dargestellten Zeiten festlegen? Im Grunde genommen entscheiden wir jetzt, dass wir das Objekt für das Land Hessen 15, 20, 25 oder 30 Jahre – je nachdem,was individuell festgelegt wird – nutzen, vielleicht auch für einen anderen Zweck. In einigen Fällen, wie beim Polizeipräsidium, ist die Nutzung auf den polizeilichen Einsatz begrenzt. Man muss ganz deutlich sehen, dass das natürlich ein Verlust an Flexibilität ist. Das ist für mich eines der wichtigen Gegenargumente,die ins Kalkül zu ziehen sind.Man muss überlegen, ob wir in 15,20 oder 30 Jahren immer noch den Bedarf haben werden. Über diese Entscheidung kann man durchaus streiten.

Ich komme nun auf die Wirtschaftlichkeitsberechnung zu sprechen,die Herr Kollege Schmitt angesprochen hat.Die Wirtschaftlichkeitsberechnung ist von ihrem Ergebnis her eine Folge erstens des Systems, das angelegt wird, und zweitens der Prämissen, die zugrunde gelegt werden. So einfach ist das. Das System hat der Rechnungshof für in Ordnung befunden. Das war zumindest die Aussage, die im Haushaltsausschuss gemacht worden ist. Insofern haben wir als Abgeordnete keinen Grund, daran zu zweifeln.

Was die Prämissen angeht, ist die eine oder andere Prämisse schon zu hinterfragen. Eine Prämisse ist, dass sich die Inflationsrate bei 1,25 % einpendeln wird, weil sich in der Zukunft die Ölpreise beruhigen werden. Diese Einschätzung kann man so teilen, muss man jedoch nicht unbedingt. Die zweite Prämisse betrifft die Markteinschätzung bis zu 30 Jahren. Man kann zu diesen beiden Punkten viele sachverständige Meinungen haben und zu anderen Schlussfolgerungen kommen. Aber als Abgeordnete des Hessischen Landtags sind wir von der politischen Seite her nicht in der Lage, zu sagen, der Ölpreise werde vermutlich nicht weiter steigen, sondern er werde sich stabilisieren. Wir sind auch kaum in der Lage, vorauszuse

hen, wie sich der Immobilienmarkt entwickeln wird. Hier sind wir auf Expertenwissen angewiesen.

(Beifall bei der FDP)

Das Expertenwissen ist durch die umfangreiche Stellungnahme nachgewiesen worden. Wir halten es für richtig – damit komme ich zum Antrag der FDP-Fraktion –, dass die einzelnen Fragen unabhängig betrachtet werden. Insbesondere sollten die Annahmen und Berechnungsparameter überprüft werden. Ich stelle mir das nicht so vor, dass der Hessische Landesrechnungshof alle Rechnungen im Einzelnen nachvollzieht, sondern dass er sagt: Die zugrunde liegenden Annahmen erscheinen uns realistisch, und die Berechnungsparameter erscheinen uns nach dem, was wir für das Land Hessen aufgrund unserer Erfahrung und unseres Wissens für richtig halten, angemessen. Diese beiden Bestätigungen hätte ich gern.

(Norbert Schmitt (SPD): Wie ist es mit der Frage des Risikos?)

Diese Überlegung gilt vom Grundsatz her.Wir wollen unseren Antrag so verstanden wissen, dass er im Falle seiner Annahme – möglicherweise nach einer Ausschussüberweisung – für künftige Transaktionen dieser Art zur Anwendung kommt.

(Beifall bei der FDP)

Wir wollen die Verantwortung dadurch überhaupt nicht überwälzen, Frau Kollegin Erfurth. Das können wir nicht. Das dürfen wir nicht. Es wäre feige, wenn wir das wollten. Wir als Abgeordnete möchten jedoch Sicherheit für unsere Überlegung gewinnen und eine zweite Meinung einholen. Das ist legitim. Wir wollen erreichen, dass diese Transaktionen, die in der Öffentlichkeit natürlich immer sehr stark beleuchtet und kritisch hinterfragt werden, dadurch stärker akzeptiert werden, dass der Rechnungshof als unabhängige Instanz per se einen Blick darauf wirft.

Ferner erhoffen wir uns, dass zumindest mittelfristig Entscheidungen der Landesregierung stärker abgesichert zustande kommen werden.

Ich fasse die Stellungnahme der FDP-Fraktion zu dem Projekt „Leo“ – das ist ein schöner Name – wie folgt zusammen:

(Zurufe von der CDU)

Der Name „Leo“ ist doch wunderschön. Welchen schöneren Namen könnten wir für ein hessisches Projekt überhaupt finden, Herr Kollege?

Erstens.Wir sagen Ja zu diesem Verkauf, zu Sale and rent back. Für Frau Kollegin Wagner, auch wenn sie jetzt nicht im Saal ist:Verkauf und Rückanmietung.

Zweitens bitten wir Sie, dem FDP-Antrag zuzustimmen, dass künftig für ähnliche Verfahren eine zweite Meinung eingeholt wird, sodass wir auf der Basis von zwei Meinungen, die hoffentlich übereinstimmen, eine gesicherte Entscheidung treffen können. Ich glaube, mit dem zweiten umfangreichen Projekt, das hier vorgelegt wurde, leveln wir uns auf ein Prozedere ein, das künftig Bestand haben kann. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP)