Protokoll der Sitzung vom 14.12.2005

(Clemens Reif (CDU):Was ist Ihr Vorschlag für die Fraspa?)

Ich war gerade bei Herrn Banzer. Herr Banzer hat eine Schonfrist von 100 Tagen. Herr Banzer, es wäre unredlich, wenn ich Sie für die Politik Ihres Vorgängers verantwortlich machen würde.Sie haben mit der Inbetriebnahme der JVA in Hünfeld ein schweres Erbe übernommen. Auch das ist wieder so ein Punkt. Alle Beschäftigten im Justizvollzugsdienst tragen vor, dass die Justizvollzugsanstalt ohne die Schaffung von ausreichenden Planstellen im gesamten Justizvollzug in Betrieb genommen wurde.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): So ein Unsinn!)

Insgesamt fehlen über 200 Planstellen im Justizvollzug. Das ist eine riesige Herausforderung, und ich wünsche Herrn Banzer, dass er diese Herausforderung bewältigt.

(Zuruf von der CDU: Keine Ahnung!)

Ich wünsche mir allerdings auch, Herr Kollege Banzer, dass bei Ihnen der Standortwechsel nicht auch gleich wieder zu einem Wechsel in den Standpunkten führt. Sie waren d e r Kommunalpolitiker der Union in der Region. Sie und Herr Grandke waren d i e Gesichter der beiden großen Parteien in der Regionalpolitik. Sie haben in der Region Rhein-Main bei den Sparkassen, beim Ballungsraumgesetz und beim Kulturzwangsverband stets eine regierungskritische Position vertreten. Herr Banzer, wenn Sie diese kritische Position beibehalten,wird niemand von Ihnen sagen, dass Sie unser Bundesland Hessen nicht verstehen. Ich wünsche Ihnen dabei viel Kraft und Erfolg, Herr Banzer.

(Beifall bei der SPD – Zurufe)

Herr Ministerpräsident, man kann doch Vernunft auch einmal loben.

Ich würde kurz etwas über Frau Lautenschläger sagen; aber aus dem Bereich der Sozialpolitik gibt es ja nicht allzu viel zu vermelden. Frau Lautenschläger hat sich nun mit den Problemen herumzuschlagen, die Petra Fuhrmann bereits vor eineinhalb Jahren angekündigt hat, nämlich dass es mit der „Operation düstere Zukunft“ viele Initiativen durch Selbstausbeutung schaffen, gerade noch ein Jahr weiterzuarbeiten.Mittlerweile sind diese Initiativen am Ende angelangt.Entweder springen die Kommunen ein, oder die Initiativen müssen aufgeben. Was wegfällt, meine sehr verehrten Damen und Herren, sind dann die Initiativen;was aber nicht wegfällt,sind die Menschen, die Hilfe brauchen.

(Beifall bei der SPD)

Sozialpolitik darf diese Art von Politik nicht genannt werden.

In diesem Jahr gab es ein weiteres großes politisches Thema in Ihrem Bereich, Frau Lautenschläger, das wir nicht vergessen sollten, nämlich die ganz große Reform des Landeswohlfahrtsverbandes. Das ist bisher eine wirklich ganz große Geschichte.

Die Union hat vor ziemlich genau einem Jahr die Koalition mit der SPD aufgekündigt. Schwups war die so genannte Jamaika-Koalition im Amt. Ich benutze diesen Ausdruck sehr ungern. Ich habe es schon einmal gesagt: Die Menschen in Jamaika haben uns nichts Böses getan. Sie haben es nicht verdient, dass man sie für so etwas in Mitleidenschaft zieht.

(Heiterkeit bei der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die neue Koalition hat es sehr, sehr schnell geschafft, die beiden Spitzenpositionen zu besetzen. Bisher haben wir allerdings keinen Ansatz für irgendeine Art von Reform gesehen. Der gute Herr Kramer, seines Zeichens Fraktionsvorsitzender der CDU in der Verbandsversammlung, hat laut „FAZ“ vom 3. Dezember gesagt: „Die neue Kooperation hat sich dadurch bewiesen, weil sie ihre Personalvorstellungen durchgesetzt hat.“

(Heiterkeit bei der SPD)

Es kommt noch besser. – Es heißt weiter: „Der Reformkurs selbst ist jedoch noch nicht bestimmt.“

(Große Heiterkeit bei der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn das die neue Politik für Hessen ist, wenn es nicht mehr um das Bestimmen von Positionen, sondern nur noch um das Besetzen von Positionen geht, dann muss man wirklich sagen: armes Hessen.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD)

Herr Corts, ich wollte Sie eigentlich ausführlich berücksichtigen, aber die Redezeit geht zu Ende. Ich möchte mit Ihnen nicht über die Unterfinanzierung der Hochschulen reden; das tut morgen der Kollege Siebel. Mir fällt aber Folgendes auf: Wir streiten hier sehr intensiv über einen Kulturzwangsverband in der Rhein-Main-Region. Von dem zuständigen Minister habe ich aber zu der Frage,welche Perspektiven die Kultur im Rhein-Main-Raum hat, noch nicht ein einziges Wort gehört.

(Norbert Schmitt (SPD): Die Kultur des Schweigens!)

Sie haben morgen Gelegenheit, dazu Stellung zu nehmen. Ich bin gespannt. Sie unterscheidet von Rest dieser Regierung eine gewisse persönliche Noblesse. Diese Noblesse darf aber doch nicht dazu führen, dass Sie bei den schwierigen Themen ganz einfach schweigen.

Ich verstehe Ihr Problem, Herr Corts. Als Vorsitzender der CDU in Frankfurt müssten Sie eigentlich gegen den Kulturzwangsverband sein. Als Mitglied des Kabinetts müssen Sie aufgrund der Kabinettsdisziplin für den Zwangsverband sein. Als Ressortminister, der doch nicht sehenden Auges zulassen kann, dass die kleinteilige Kultur in der Region Rhein-Main komplett zerschlagen wird, dass die wichtigsten Einrichtungen auf einen bürokratischen Verband übertragen werden, müssten Sie ebenfalls gegen den Kulturzwangsverband sein. Herr Corts, ich bin sehr gespannt, wie Sie morgen über dieses Thema premierenhaft in diesem Landtag reden.

(Beifall bei der SPD)

Auch Herrn Bouffier wollte ich mit mehr Zeit bedenken. Herr Bouffier, nur wenige Sätze zu Ihnen. Sie waren im vergangenen Jahr öfter in der „Bild“-Zeitung als in der „Hessischen Polizeirundschau“ – und zwar immer mit Meldungen, die höchst peinlich waren.

(Heiterkeit bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Geschichte mit dem Präsidium wird im Untersuchungsausschuss geklärt. Es ist ganz großes Kino, wenn man einen Mitarbeiter an verantwortungsvoller Stelle sitzen hat, der schon einmal wegen Untreue strafrechtlich belastet worden ist, ihn aber einfach weiter werkeln lässt, damit er richtig große Summen veruntreuen kann.

Auch die Razzia in diesem Jahr fand ich schön. Sie haben sich bezüglich der berühmten Frankfurter Razzia hier mit der Aussage verteidigt: Razzien müssen für die Sicherheit in diesem Lande gemacht werden. – Herr Kollege Bouffier, ich bestreite das gar nicht. Razzien sind wichtig.Aber aus meiner Sicht, aus der Sicht des kleinen Landanwalts, wäre es aber sinnvoller, dass eine Razzia nicht vorher angekündigt wird. Wenn die Leute nämlich wissen, dass die Polizei kommt, dann sind sie nicht mehr da.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD)

Ich kann wirklich nicht feststellen, dass Ihre Organisation der Polizei besonders vorteilhaft für die innere Sicherheit ist.

Jetzt kommen wir zu einem harten Punkt.Wenn ein Wirtschaftsinstitut die deutlich gestiegene Kriminalität in unserem Bundesland Hessen als einen „wirtschaftlichen Standortnachteil“ darstellt, dann ist das nicht mehr zum Lachen. Ein Minister, der einmal angetreten ist, gegen jeden kleinen Gesetzesverstoß mit brutalster Härte vorzugehen, für den ist dieses Zeugnis eines Wirtschaftsinstituts die allerschlimmste denkbare Kritik.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der CDU)

Ich hätte mit Ihnen gern noch über den Ballungsraum diskutiert, Herr Bouffier. Gestern haben Sie noch sehr defensiv dargestellt, die SPD habe nichts Besseres zu bieten. Das klang für mich so: „Ich sehe mittlerweile selbst, dass mein Ballungsraumgesetz Schrott ist, aber die Opposition hat auch nichts Besseres.“ Das war der Kern dessen, was sie gestern gesagt haben.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD)

So ist es nicht, lieber Herr Bouffier. Die SPD-Fraktion hat den Vorschlag gemacht,einen Regionalkreis einzurichten. Sie sagen immer, die Vorschläge der SPD-Fraktion würden die kommunale Selbstverwaltung weitaus mehr tangieren als Ihre Vorschläge.Das stimmt zum Teil sogar:Unser Vorschlag tangiert die kommunale Selbstverwaltung mehr, denn wir wollen die Landkreise im Ballungsraum Rhein-Main abschaffen. Ein härterer Eingriff ist für die Landkreise überhaupt nicht denkbar. Was Sie an der Stelle aber nicht darstellen:Wir wollen die Landkreise abschaffen, um die Kommunen zu stärken.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Etwas Besseres für die Kommunen zu tun ist überhaupt nicht vorstellbar. Lieber Herr Bouffier, die Schaffung eines Regionalkreises ist ein Teil der Wirtschaftspolitik, denn wenn wir nur noch eine Organisationsebene im Bal

lungsraum Rhein-Main haben, die die Aufgaben der Landkreise mit den Aufgaben des RP zusammenführt, brauchen alle potenziellen Investoren nur noch einen Ansprechpartner. Alle Wirtschaftsinitiativen sagen, das ist genau das,was sich die Wirtschaft wünscht.Genau das machen uns andere Regionen vor.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Dass wir das nicht tun, ist ein Grund dafür, dass wir die höchste Steigerung der Arbeitslosigkeit in unserem Land haben.

Die Schaffung eines Regionalkreises bedeutet aber auch eine Verwaltungsvereinfachung.Sie hingegen schaffen ein Gremium,eine Gesellschaft nach der anderen.Bei diesem Gestrüpp kennen sich selbst diejenigen,die sich tagtäglich mit den Themen beschäftigen, nicht mehr aus. Unser Vorschlag ist relativ klar und einfach: Zwischen den Kommunen und dem Land gibt es nur noch eine Ebene, nämlich den Regionalkreis Rhein-Main.

(Beifall bei der SPD)

Die Schaffung eines Regionalkreises ist natürlich auch kommunalfreundlich. Wir werden nämlich alles, was die Kommunen selbst erledigen können, von der RP- und der Landkreisebene auf die Kommunen herunterzonen. Damit ist der Regionalkreis, lieber Herr Innenminister, letztlich auch bürgerfreundlich. Alle Aufgaben, die von einer Kommune selbst erledigt werden können, werden auf die Kommune übertragen. Für die Menschen werden die Wege kürzer, und das Interesse an der Kommunalpolitik wird wieder größer, weil die Kommunalpolitik dann auch über wichtige Dinge zu entscheiden hat.

(Beifall bei der SPD)

Abschließend ein paar Sätze zu den Vorstellungen der SPD-Fraktion zur Finanzpolitik.

(Zurufe von der CDU: Endlich!)

Der Herr Ministerpräsident hat einmal gesagt – sehr zu Recht –,dass eine Opposition nicht wegen ihrer Schönheit gewählt, sondern dass eine Landesregierung ob ihrer Hässlichkeit abgewählt werde. Ich glaube, zur Hässlichkeit dieser Landesregierung ist mittlerweile sehr viel gesagt worden. Ich möchte etwas zur Schönheit der Opposition sagen.

(Zurufe von der CDU)

Wir haben zu diesem Haushaltsplanentwurf einen Antrag eingebracht, der Sie bittet, etwas zu unterstützen, was Sie selbst schon einmal in den Bundesrat eingebracht haben, nämlich die Abschaffung des Vermögensteuergesetzes auf Bundesebene. Dies würde den Ländern die Möglichkeit eröffnen,selbst Regelungen über eine Vermögensteuer zu treffen, und zwar in eigener Hoheit der Parlamente. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich glaube, dass wäre ein Thema, über das in diesem Parlament zu streiten sich lohnen würde. Der Ministerpräsident hat bereits angekündigt, mit ihm werde es keine Vermögensteuer in Hessen geben.

(Zuruf von der CDU: Sehr gut!)