Lieber Herr Kollege Wagner, Sie haben den Philologenverband mit einem Beschluss der Vollversammlung zitiert. Darf ich Sie daran erinnern, dass der Philologenverband auf der Vollversammlung 1998 einstimmig beschlossen hat, den damaligen Hessischen Kultusminister Hartmut Holzapfel wegen völliger Unzulänglichkeit und völligen Versagens in der Schulpolitik nach Europa wegzuexpedieren? Meine Damen und Herren, das war ein einstimmiger Beschluss des Philologenverbandes Hessen im Jahre 1998,
(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Damit begründen Sie Ihre Fehler? Das kann nicht wahr sein!)
Zweitens zur Schulzeitverkürzung. Ich glaube, Sie haben nicht richtig gerechnet. Der Kollege Kaufmann ist derjenige, der gelegentlich über das Rechnen spricht.
Meine Damen und Herren, wir haben die Schulzeit verlängert, denn wenn Sie die Unterrichtszeit, die Sie den Schülerinnen und Schülern dadurch gestohlen haben, dass Sie ihnen den Unterricht, der ihnen geschuldet wurde, nicht erteilt haben – jedes Jahr, jede Woche sind 10 % des Unterrichts ausgefallen –, und das hochrechnen auf eine Schulzeit von 13 Jahren bis zum Abitur, dann heißt das im Klartext: Ein hessischer Schüler war zwar 13 Jahre lang physisch in der Schule, hatte aber den Unterricht von 11,5 Jahren genossen. Wir haben durch unsere Unterrichtsverlängerung, sprich: die Erfüllung der Unterrichtsgarantie, dafür gesorgt, dass hessische Schüler trotz G 8 heute mehr Unterricht haben als unter Ihrer Regierungszeit in 13 Schuljahren.
Herr Kollege Irmer, ich bin Ihnen für die Kurzintervention dankbar. Ich habe mit ihr gerechnet. Ich habe extra vorher nachgeschaut, ob Sie Geschichte unterrichtet haben; denn mir war klar, dass es einen Ausflug in die Geschichte des letzten Jahrhunderts geben würde. Sie sind nicht Geschichtslehrer. Dennoch machen Sie immer Ausflüge in die Vergangenheit.
Ich bin Ihnen für Ihren Hinweis dankbar. Wenn Sie die Zeit von 1995 bis 1999 so sehen, wie Sie sie sehen – auch wir sehen sie im Nachhinein kritisch und wissen, dass wir damals Fehler gemacht haben –, frage ich mich, Herr Kollege Irmer: Wieso machen Sie jetzt die gleichen Fehler? Das ist die Frage, die Sie beantworten müssen.
Vergleichen wir doch die beiden Legislaturperioden miteinander. In der ersten Legislaturperiode unter RotGrün, d. h. zwischen 1991 und 1995, haben wir 3.000 neue Lehrer eingestellt. Das war richtig. Während der ersten Legislaturperiode,in der Frau Wolff Kultusministerin war, also zwischen 1999 und 2003, wurden 3.000 Lehrer eingestellt. Das war völlig richtig. Wir haben das auch nie bestritten. In der zweiten Legislaturperiode unter Rot-Grün haben wir, da die Haushaltsmittel knapp waren, ohne Geld versucht,Reformen im Schulsystem zu organisieren. Das geschah nicht, ohne dass wir dem Schulsystem und den Lehrerinnen und Lehrern manches zumuten mussten. Es ist uns nicht gelungen, diese Reformen durchzusetzen.
Was machen Sie in Ihrer zweiten Legislaturperiode? Sie versuchen genau dasselbe. Sie versuchen, Reformen an den Schulen durchzudrücken, ohne Haushaltsmittel zur
Verfügung zu stellen. Sie versuchen, die Verwaltung des Mangels auf die Schulen zu übertragen. Sie machen exakt die Fehler, die wir gemacht haben. Ich frage mich:Warum haben Sie eigentlich nichts gelernt?
Herr Kollege Irmer, Sie machen noch etwas. Auf diese Idee ist Rot-Grün in den acht Jahren, die es dieses Land regiert hat, nun wirklich nicht gekommen. Sie streichen in einer Zeit, in der alle über die Bedeutung von Bildung reden, 1.000 Lehrerstellen.
Herr Kollege Irmer, Sie sollten sich nicht mit der Geschichte des letzten Jahrhunderts beschäftigen, sondern Ihre bildungspolitischen Hausaufgaben hier und jetzt machen. – Vielen Dank.
(Zuruf von der CDU: Das war dümmlich gelogen, was er gesagt hat! – Gegenruf des Abg. Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ach du lieber Gott, Herr Kollege! „Dümmlich gelogen“ hat er gesagt!)
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es ist immer wieder spannend, zu erleben, wie hoch die Wogen gehen, sobald wir in diesem Haus über Schulpolitik reden. Dabei ist es schade,dass immer wieder die gleichen Debatten geführt werden.
Ich gebe zu, dass Ideologie in der Schulpolitik den Damen und Herren von der SPD nicht fremd ist.Aber sie ist auch den Damen und Herren von der CDU nicht fremd. Die Rolle der FDP in Hessen war immer bedeutend, weil wir einerseits verhindert haben, dass eine integrierte Einheitsgesamtschule eingeführt wurde,andererseits aber dafür gesorgt haben, dass man die Gesamtschulen nicht komplett abgeschafft hat.
Das Wichtigste in diesem Land – in dieser Hinsicht ist Hessen wirklich die Nummer eins in der Bundesrepublik – ist die Vielfalt im Schulangebot. Es gibt kein anderes Bundesland, das so viele unterschiedliche Schulen anbietet. Ich denke, das ist für die Kinder sehr wichtig.
(Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP): Das ist seine Stärke! – Zuruf von der CDU: Die wollen zur Einheitsschule zurück!)
Ja, damit hätte ich genauso viele Probleme wie mit der Einführung des dreigliedrigen Schulsystems nach bayerischem Vorbild. Nur, wir machen das gar nicht. Vor allem geht das alles über die Köpfe der Eltern hinweg.
Schauen Sie sich doch an, was die Eltern machen. Wer nicht will, dass sein Kind einen G-8-Zweig besucht, schickt es mittlerweile auf eine integrierte Gesamtschule. Deshalb haben die integrierten Gesamtschulen an bestimmten Orten einen hohen Zulauf. Das beweist eben nur, wie wichtig und richtig es ist, dass es zwei – oder noch mehr – verschiedene Formen von Schulen gibt. Es gibt Kinder, die sehr leistungsbereit sind und hinter denen die Eltern stehen. Die können sehr gut auf einem Gymnasium, auf einem G-8-Zweig, Abitur machen. Aber es gibt auch Kinder, die etwas länger brauchen. Diese Kinder haben das Recht dazu, etwas länger zu brauchen. Das ist kein Problem.
Schade ist nur, dass die kooperativen Gesamtschulen ein bisschen auf der Strecke bleiben, da man sich jetzt sehr stark auf das dreigliedrige Schulsystem einerseits und die integrierte Gesamtschule fokussiert.Aber das ist nun einmal der Lauf der Welt. Die Eltern entscheiden für sich und ihre Kinder genau das Richtige.
Eine kurze Bemerkung zu Finnland. Sie sollten die Pressespiegel genau lesen. Eine Bildungsexpertin hat klipp und klar gesagt, die finnischen Erfolge hätten mit dem Schulsystem und den Schulformen überhaupt nichts zu tun.Sie hingen mit der Personalausstattung der finnischen Schulen zusammen.
Jede finnische Schule hat einen Sozialpädagogen. Jede finnische Schule hat eine Krankenschwester. Jede finnische Schule hat Hilfspersonal und Schulassistenten.Wenn wir an unseren Schulen eine solche Ausstattung hätten, wären die Schulformen völlig Wurscht. Dann könnte die individuelle Förderung von Kindern an jeder Schule durchgeführt werden.
Jetzt kommen wir zu den Haushaltsberatungen. Ich muss ganz ehrlich sagen, dass ich eine andere Auffassung von Oppositionsarbeit habe. Es hat keinen Zweck, sich nur hierhin zu stellen und zu jammern und zu schimpfen,ohne mitzuteilen,was gemacht worden ist und was gut daran ist.
Das will ich für die FDP machen. Ich will sagen, was hier gut gemacht worden ist. Ich will allerdings auch erwähnen, was wir besser machen würden bzw. was mit uns besser gemacht worden wäre.Wir sind auf dem Weg, das Bildungsland Nummer eins zu werden.Wir haben ganz unten im Keller angefangen. Jetzt sind wir im dritten Stock.Wir werden auch noch den Gipfel erreichen.
Ja, der Weg von ganz unten nach ganz oben ist sehr weit. Aber die einzelnen Schritte, die wir machen, sind im Grunde richtig. Es könnten mehr Schritte sein. Als Mitglied der FDP-Fraktion sage ich jedoch klipp und klar: Wenn man einen haushaltspolitischen Sprecher hat, der immer, wenn es um Schulden geht, mahnend den Finger hebt, kann man als schulpolitische Sprecherin nicht ständig sagen, dass wir mehr Geld brauchen. Deswegen werden wir zu diesem Haushaltsplanentwurf keine Anträge stellen, in denen es um die Finanzen geht, sondern wir werden nur inhaltliche Anträge stellen.
Es gibt 130 neue Stellen für Ganztagsangebote und SchuB-Klassen.All das könnte mehr sein.Aber es ist gut, und es ist ein Schritt in die richtige Richtung. Es ist sehr erfreulich, dass 500 BAT-Stellen in Beamtenstellen umgewandelt werden. Aber ich bitte, darauf hinzuwirken, dass dies nicht nach der Rangliste geht, sondern dass man die Schulen befragt, die die Lehrer, die eine BAT-Stelle haben, beschäftigen. Manche Lehrer werden nämlich von Schule zu Schule durchgereicht, weil man sie nicht länger als ein halbes Jahr an einer Schule ertragen kann. Ich bitte Sie also, nicht nach der Rangliste zu gehen, sondern die Schulen, in denen diese Lehrer bereits unterrichten, zu fragen, ob sie sie für immer behalten möchten.
Die Erhöhung der Mittel für Vertretungsstunden in Verbindung mit der Unterrichtsgarantie Plus ist sehr erfreulich. Unterrichtsgarantie Plus wurde unter der CDU/FDP-Regierung als Modellversuch gestartet. Aber ich sage auch: Nehmen Sie den Schulen das Geld hinterher nicht wieder weg, überlassen Sie ihnen nicht nur 70 % des Geldes, und überlassen Sie es ihnen nicht nur an die Mittel für Vertretungen gebunden.
Diese Mittel sollen einen Anreiz für Schulen sein, zu sagen: Bei uns wird nach Möglichkeit keiner krank. Wir schaffen ein Klima, das das Entstehen von Krankheiten verhindert. Unsere Lehrer gehen nur nachmittags, also in der unterrichtsfreien Zeit, auf Fortbildung. Wir machen unsere pädagogischen Tage an einem Samstag,nicht an einem Freitag. – Die Schulen sagen: All das machen wir, wenn wir Geld bekommen und auch behalten können,um dafür beispielsweise Schulassistenten einzustellen oder Sachmittel anzuschaffen. – Ich bitte Sie also, das Geld den Schulen nicht nur zum Teil zu überlassen und es auch nicht an bestimmte Zwecke zu binden.
Unterrichtsgarantie Plus ist für die Schulen etwas völlig Neues, das ist klar. Sie müssen sich auf den Weg machen und Listen mit den Telefonnummern von Leuten besorgen, die Vertretungsstunden geben können.Aber ich habe schon immer gesagt, dass ich es z. B. für sinnvoll halte, wenn eine Hauswirtschafterin in eine Schule kommt und mit den Kindern häkelt, strickt oder stickt.All das gibt es an den Schulen so gut wie nicht mehr. Das halte ich für sinnvoll.
Allerdings halte ich es für verkehrt, zu versprechen, dass am dritten Tag des Fehlens eine Vertretung für den Fachunterricht kommt. Das kann eine Schule nicht leisten.Wir haben schon jetzt nur wenige Lehrer für Musik und Naturwissenschaften. Woher sollen sie kommen? Sollen sie auf Abruf bereitstehen, um in die Schule zu kommen?
Mit diesen Äußerungen weckt man bei den Eltern Hoffnungen.Die Eltern werden die Hoffnungen auf die Schule übertragen und diese Forderung dort stellen. Das heißt, mit diesem Versprechen schafft man in den Schulen ein Klima der Unruhe und der Unzufriedenheit.
Ich halte es nach wie vor für sinnvoll, dass auch Menschen aus anderen Berufen an die Schulen kommen. Unterrichtsgarantie Plus sollte ein Programm sein, das feste Schulzeiten garantiert. Damit tun Sie den Eltern und den Kindern einen großen Gefallen. Aber man sollte nichts versprechen, was man nicht wirklich halten kann.
Das Fortbildungsbudget für Schulen ist sehr sinnvoll. Die Schulen sollen direkt darüber verfügen können. Auch da möchte ich eine Mahnung an Sie richten: Es handelt sich um – nageln Sie mich bitte nicht auf die genaue Zahl fest – 40 c pro Lehrerstelle. Diese 40 c sollten aber nicht pro Lehrerstelle, sondern sozusagen pro Lehrerkopf ausgezahlt werden. Die teilzeitbeschäftigten Lehrer müssen nämlich pro Jahr in den Fortbildungsveranstaltungen genauso viele Punkte erbringen wie die Vollzeitbeschäftigten. Dafür steht ihnen aber nur die halbe Zeit zur Verfügung, und sie werden auch nur zur Hälfte bezahlt. Das Fortbildungsbudget muss also auf die Köpfe bezogen werden, nicht auf die Stellen.