Protokoll der Sitzung vom 04.06.2008

Ich will aber auch deutlich sagen, dass es in dieser Frage nicht nur um mehr Geld geht. Es geht ganz besonders um die Herstellung von Steuergerechtigkeit im Vollzug. Eine einheitliche Besteuerung ist ein wahrhaft erstrebenswertes Ziel, nicht nur unter den 16 Bundesländern, sondern auch innerhalb der Bundesländer.

In Hessen werden Großbetriebe im Durchschnitt nur etwa alle vier Jahre geprüft. Bei mittelständischen Unternehmen beträgt der Abstand derzeit fast 16 Jahre und bei kleinen Unternehmen fast 40 Jahre. Dabei hat sich der Turnus für Großbetriebe in den letzten Jahren etwas verbessert. Bei mittleren Betrieben ist er deutlich schlechter geworden. Bei den kleinen Betrieben hat sich ein Zeitsprung vollzogen, denn 2001 wurden die Prüfungen durchschnittlich alle 26 Jahre durchgeführt. Diese Zahlen nannte der Finanzminister im Jahr 2005 auf eine entsprechende Anfrage der SPD-Fraktion. Nach neueren Zahlen von ver.di werden bundesweit Mittelbetriebe alle 13 Jahre, Kleinbetriebe alle 24 Jahre und Kleinstbetriebe alle 76 Jahre geprüft.Sie sehen also,auch wenn sich die Zahlen in Hessen positiver gestalten, was wir anerkennen wollen, es muss etwas passieren, denn mit Steuergerechtigkeit hat ein solcher Prüfungszyklus wirklich nichts mehr zu tun.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Jedem Arbeitnehmer wird regelmäßig der dem Staat geschuldete Anteil vom Einkommen abgezogen, und er hat nahezu keine Gestaltungsmöglichkeiten bei seiner Steuerschuld. Zu viele Gestaltungsmöglichkeiten bei ihrer Steuerschuld haben allerdings viele Unternehmen und die Bezieher sehr hoher Einkommen. Sie müssen nicht noch durch ausbleibende Kontrollen besser gestellt werden, um es klar und deutlich zu sagen.

Ein weiteres Thema für eine effektive Steuerverwaltung ist die Bekämpfung des Umsatzsteuerbetrugs. Die Einschätzungen, wie hoch der Schaden ist, der pro Jahr in Deutschland allein durch Umsatzsteuerbetrug entsteht, gehen auseinander: 2001 hat das Ifo-Institut einen Betrag von 14 Milliarden c genannt,2003 war es schon 17,6 Milliarden c.

Bei der Umsatzsteuerprüfung weisen nach Aussagen des Bundesrechnungshofs vom Jahr 2006 gerade die besonders wirtschaftsstarken Bundesländer die geringste Prüfungsdichte auf. Die Prüfungszyklen schwanken hier von „35 Jahre“ bis „alle 77 Jahre“. Vor wenigen Tagen kündigte Bundesfinanzminister Steinbrück an, national

tätig zu werden, nachdem sich die europäischen Wirtschafts- und Finanzminister auf die Durchführung eines gemeinsamen Pilotprojekts nicht verständigen konnten. Im Koalitionsvertrag der Berliner Koalition haben sich die Regierungsparteien das Ziel gesetzt, gegen den ausufernden Umsatzsteuerbetrug vorzugehen. Der Finanzminister wird dazu in Kürze Vorschläge vorlegen.

(Beifall bei der SPD)

Was auf europäischer oder nationaler Ebene geschieht,ist die eine Seite; was wir in Hessen bereits tun können, die andere.Wir müssen dafür sorgen, dass die personelle und technische Ausstattung der Steuerverwaltung stetig weiterentwickelt wird.

(Beifall bei der SPD, der LINKEN und bei Abge- ordneten der CDU)

Ein besonderes Augenmerk legen wir dabei auf die Fortsetzung des Betriebsprüfungsprogrammes in der Steuerverwaltung, die aber nur bei gleichzeitiger Stärkung des Innendienstes sinnvoll ist, denn das, was draußen erwirtschaftet wird, muss auch nach innen umgesetzt werden. Sonst laufen alle Anstrengungen ins Leere. Die Steuerverwaltung unterliegt einem besonderen Stellenschlüssel. Diesen wollen wir beibehalten. Er ist eine wichtige Voraussetzung für die Motivation, denn Aufstiegsmöglichkeiten und eine leistungsgerechte Entlohnung sind wichtige Elemente einer guten Verwaltung.

In diesem Zusammenhang kommt immer das Argument, dass der Löwenanteil dessen, was die Steuerprüfer hereinholen, sowieso in den Ländenfinanzausgleich abgeführt werden müsse. Das ist erst einmal richtig.

(Zurufe von der FDP)

Aber die Konsequenzen, die wir ziehen, sind nicht die Ihrigen, um das klar zu sagen.

(Zurufe von der FDP)

Trotz allem bleibt jedoch bereits jetzt ein ordentlicher Betrag in Hessen, beispielsweise auch aus anfallenden Gebühren. Es ist nicht so, dass wir von den Erlösen der Steuerprüfer und Steuerfahnder nichts hätten.

(Leif Blum (FDP): Die anderen haben mehr davon!)

Es muss sich aber im System des Länderfinanzausgleichs einiges ändern.Wir halten eine Verbesserung des LFA an diesem Punkt für letztlich unumgänglich. Gegenwärtig ist es so, dass der Anreiz für die Länder, die ihre Steuerverwaltung stärken und wirkliche Steuergerechtigkeit herstellen, zu gering ist.

(Beifall bei der SPD – Michael Boddenberg (CDU): Ja!)

Was die Nehmerländer auf dem Wege der Betriebsprüfung in den Landeshaushalt holen, wird ihnen bei den Zuweisungen aus dem Länderfinanzausgleich abgezogen. Was die Geberländer hereinholen, geht zum größten Teil über den LFA an die Nehmerländer. Genau das ist der Punkt. Einen Anreiz, selbst etwas zu tun, schaffen wir nur dann, wenn den Ländern von dem, was ihre Verwaltung erarbeitet, viel verbleibt, wenn sie also die Einnahmen deutlich erhöhen können.

Daraus resultiert unsere klare Forderung: Eine personelle Ausstattung der Steuerverwaltung über dem Länderdurchschnitt muss beim LFA positiv berücksichtigt werden. Eine unterdurchschnittliche personelle Ausstattung

führt dagegen für das betroffene Land zu Belastungen im LFA. Damit schaffen wir sowohl für die Geber- als auch für die Nehmerländer ein Anreizsystem.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Deshalb sagen wir lieber klar: Wir sind für eine Stärkung unserer Steuerverwaltung. Das ist ein ganz wesentlicher Schritt, um eigene Verantwortung zu übernehmen.

Die Änderung der Systematik des Länderfinanzausgleichs gehört allerdings auch zu dem, was Hessen machen kann. Hier ist die Landesregierung gefordert, in den Verhandlungen zur Föderalismusreform II tätig zu werden. Einheitliche Verwaltungsgrundsätze und Vollzugsziele für die Steuerverwaltung in allen Bundesländern wären ein großer Schritt nach vorne. Ich betone: Eine Aufstockung der Steuerverwaltung rechnet sich und muss sich noch besser rechnen. Sie trägt zu mehr Steuergerechtigkeit bei.

Deswegen sage ich sehr klar – das ist auch an alle Fachpolitikerinnen und -politiker in diesem Raum gerichtet –: Die Ausgaben für eine Verbesserung der Steuerverwaltung sind kein Geschenk an die Steuerverwaltung, sondern sie führen zu mehr Steuergerechtigkeit und dazu, dass die Mittel für das Land Hessen auch für Programme eingesetzt werden können, die für die Zukunftsfähigkeit dieses Landes von ganz entscheidender Bedeutung sind. – Schönen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank. – Das Wort hat Herr Kollege Milde für die CDU-Fraktion.

(Norbert Schmitt (SPD): Er schließt sich den Ausführungen des Vorredners an!)

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! In der Tat kann man sich zwar einigen Ausführungen des Vorredners anschließen, jedoch keiner der Ausführungen des Vorvorredners. Das will ich hier deutlich sagen.

(Beifall bei der CDU – Zuruf des Abg. Mark Wein- meister (CDU))

Herr Kollege Weinmeister hat verstanden, weswegen das so ist. – Man muss sagen, es ist für den Finanzminister wirklich eine Sauerei, wenn als Erstes nach seiner Genesung ein solcher Antrag behandelt wird. In diesem Antrag wird davon ausgegangen, dass die Unternehmer und überhaupt alle Bürger des Landes diesen Staat systematisch betrügen wollen. Genau das schreiben Sie in Ihrem Antrag. In der Begründung steht das wörtlich.

(Beifall bei der CDU – Mark Weinmeister (CDU): Eigene Erfahrungen!)

Zu dem, was Sie wirklich wollen: Sie misstrauen jedem Bürger dieses Staates.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Sie doch auch!)

Sie wollen jeden Bürger dieses Staates überwachen.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Das wollen Sie doch!)

Meine Damen und Herren, Überwachung hat Methode in der Geschichte der Linkspartei in Deutschland.

(Beifall bei der CDU)

Ich glaube, das ist der Kern der Debatte, die wir hier führen.Wir diskutieren doch nicht darüber, dass es gerechter ist, wenn wir in einer Steuerverwaltung genügend Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben, die in der Lage sind, ihren Aufgaben nachzukommen.Vielmehr misstrauen Sie den Menschen und wollen sie überwachen. Sie wollen Bankgeheimnisse abschaffen und am Ende an das kleine Sparbuch der normalen Bürger gehen. Sie misstrauen allen. Das ist die Kernaussage dessen, was in Ihrem Antrag steht.

(Beifall bei der CDU – Hermann Schaus (DIE LINKE): Dann haben Sie nichts verstanden oder nicht zugehört!)

Herr Schaus, da Sie den Kollegen Boddenberg angesprochen und einen Rückgang um 14 % erwähnt haben: Ich kann mir vorstellen, dass für die Linkspartei ein Ergebnis von unter 99 % eine Bankrotterklärung ist und quasi den Untergang der Demokratie bedeutet. Ich muss sagen, wir haben ein anderes Demokratieverständnis. Bei uns dürfen die Menschen frei wählen, und wir freuen uns auch über 75 % Zustimmung.

(Beifall bei der CDU – Norbert Schmitt (SPD): 95 % für Koch!)

Man muss sagen, dass mehr Steuerfahnder und mehr Betriebsprüfer nicht auch gleich mehr Einnahmen bedeuten. Herr Kollege Kahl hatte nicht ganz recht. Das kann man, systematisch gesehen, so nicht sagen.

Zunächst einmal erhöhen wir die Kosten. 100 Mitarbeiter in dem Bereich bedeuten Kosten von etwa 8 Millionen c.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Die finanzieren sich!)

Was zusätzlich an Geld hereinkommt, ist in der Tat eine spannende Frage.– Sie haben die Zahlen statistisch auf einen Steuerfahnder heruntergebrochen und behaupten, ein Steuerfahnder nehme ungefähr 1,6 Millionen c ein. Wenn wir 100 Leute einstellten, hätten wir also 160 Millionen c mehr. Meine Damen und Herren, wenn das so leicht ist, warum verlangen Sie dann nicht 1.000, 10.000 oder sogar 100.000 zusätzliche Steuerfahnder?

(Beifall bei der CDU und der FDP – Reinhard Kahl (SPD): Sie malen mal wieder schwarz-weiß, Herr Kollege!)

Wenn das wirklich ein Lösungsweg wäre, um in Deutschland mehr Steuereinahmen zu haben, wären schon andere auf diese Idee gekommen. Dann stellt sich immer die Frage, ob mehr zugleich auch besser bedeutet. Wenn wir hier nicht 110, sondern 210 Abgeordnete hätten – also 100 mehr –, würden wir dann eine dieser Zahl entsprechend bessere Politik machen?

(Michael Boddenberg (CDU):Wir schon!)

Oder trauen wir es uns nicht zu, dass wir für das zahlenmäßige Verhältnis zwischen Abgeordneten und Bürgern das richtige Mittelmaß gefunden haben? Das ist doch eine Entscheidung. Oder bedeuten zehn Minister mehr gleich eine doppelt so gute Regierung?