Protokoll der Sitzung vom 04.06.2008

(Horst Klee (CDU): So ein Blödsinn!)

Nur etwa die Hälfte der Einkommen aus Unternehmenstätigkeit wird versteuert.

(Zuruf des Abg. Leif Blum (FDP))

Hier gibt es die größten Steuerrückstände. Hier finden Steuerprüfer und Steuerfahnderinnen und -fahnder regelmäßig Milliardenbeträge, die vor der Steuer versteckt oder ins Ausland geschafft werden.

(Beifall des Abg.Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Der Präsident des Bundesrechnungshofs erklärte dazu in seinem Bericht 2006 – –

(Michael Boddenberg (CDU): Ich glaube, der ist nicht einverstanden mit Ihrer Darstellung, Herr Schaus!)

Hören Sie einmal zu, Herr Boddenberg. Eines wollte ich an dieser Stelle einmal loswerden.

(Michael Boddenberg (CDU): Ja, bitte!)

Vielleicht können wir uns darauf verständigen – –

(Michael Boddenberg (CDU): Nein, sicher nicht, egal was kommt, weil es von Ihnen kommt!)

Okay, gut. Ich hatte gedacht, wir könnten uns vielleicht darauf verständigen, dass wir nach dem Wahlergebnis auf Ihrem Landesparteitag mit 14 % weniger Zwischenrufen von Ihnen rechnen können. Das wäre doch schon etwas.

Meine Damen und Herren, der Präsident des Bundesrechnungshofs erklärte 2006 dazu – ich zitiere –:

Die Steuererklärungen werden häufig nur noch im Schnellverfahren bearbeitet. Den Bearbeitern... bleibt nichts anderes übrig, als die Angaben... ganz überwiegend zu übernehmen und „abzuhaken“

Der Bundesrechnungshof...ist der Auffassung,dass der gesetzmäßige und gleichmäßige Vollzug der Steuergesetze nicht mehr gewährleistet ist.

(Leif Blum (FDP):Weil sie keiner mehr versteht!)

So viel zu Ihren Einwürfen.

Im Jahr 2006 erzielten bundesweit 13.500 Betriebsprüfer – in Hessen haben wir nach dem Bericht der Oberfinanzdirektion 1.052 – zusätzliche Steuern in Höhe von 14 Milliarden c. Die Unternehmensteuersonderprüfung erzielte mit 1.500 Prüfern bundesweit zusätzlich 1,4 Milliarden c, also knapp 1 Million c pro Prüfer und Jahr.

Mit 17,7 % sind in Deutschland die tatsächlich gezahlten Steuern auf Gewinne der großen Unternehmen nach einer Statistik der EU-Kommission für 2006 noch weit unter dem Durchschnitt. Ich könnte jetzt alle Länder aufzählen, die darüber liegen. Ich lasse es einmal. Das sind

alle westlichen Industrieländer. Selbst Luxemburg hat einen höheren Steuersatz als Deutschland.

(Michael Boddenberg (CDU): Steuerparadies Deutschland?)

Ja, das ist in der Tat so, Herr Boddenberg. Das müssen Sie vielleicht auch einmal zur Kenntnis nehmen.

(Zuruf des Abg. Michael Boddenberg (CDU))

Das gilt für die Unternehmensteuern, aber nicht für die Steuern, die die Arbeitnehmer zahlen und die die Bevölkerung als Mehrwertsteuer zahlt. Da sind wir in einer ganz anderen Situation im europäischen Vergleich.

Meine Damen und Herren, zwischen den einzelnen Bundesländern bestehen große Unterschiede im Vollzug. So liegt der Anteil der Betriebsprüfungen in Hessen unter dem Bundesdurchschnitt. Mit unserem Antrag sprechen wir auch die Vorgänge um die Steuerfahndung in Hessen an,die im Februar dieses Jahres erneut in den Medien aufgegriffen wurden.

(Florian Rentsch (FDP): Respekt! Wir sind jetzt schon beim Antrag! Das hat ja nur eine halbe Stunde gedauert!)

Die Steuerfahndung ist sozusagen die Kriminalpolizei für Steuerdelikte, so wie es die Kripo für Diebstahl und Betrug ist. Doch Steuerhinterziehung ist weit mehr verbreitet, und sie wird weniger verfolgt und geahndet. Sie ist sozusagen die Massenkriminalität der Reichen.

(Beifall bei der LINKEN)

Nur ein kleiner Teil der Betrugsdelikte wird aufgedeckt. Die Dunkelziffer ist riesig, sagen die Experten. Die Steuerfahndung in Hessen ist personell massiv unterbesetzt. Aus dem Jahresbericht der Oberfinanzdirektion von 2007 ergibt sich, dass die Zahl der Steuerpflichtigen mit bedeutenden Einkünften, wie das heißt, vom 18. auf den 19. Prüfturnus – hier wäre zu klären, wie lang dieser Zeitraum ist; das würde mich sehr interessieren – von 2.676 auf 1.860, also um 40 %, gesunken ist.

Dies kann ich gar nicht glauben; denn das würde bedeuten, dass die Einkommensmillionäre zu verarmen drohen oder fluchtartig das Bundesland Hessen verlassen haben.

(Michael Boddenberg (CDU):Haben Sie eine neue Zielgruppe ausgemacht?)

Vielleicht gibt es dafür aber auch eine ganz andere Erklärung, nämlich dass über 1.100 Einkommensmillionäre in Hessen steuerpolitisch sozusagen abgestuft wurden. Diese Veränderung halten wir für dringend erklärungsbedürftig.

Wir halten es ebenso für erklärungsbedürftig, wieso lediglich bei 10 % der Personen dieses Kreises eine Außenprüfung durchgeführt wurde. Der Sprecher des hessischen Finanzministeriums erklärte im Februar dieses Jahres der Presse, mit 214 Fahndern sei Hessen auskömmlich ausgestattet. Dies klingt so, als ob das Ministerium an Mehreinnahmen gar nicht interessiert sei.

Herr Kollege, die Redezeit ist zu Ende.

Ich komme zum Schluss, Herr Präsident. – Wir meinen, es ist notwendig, die Zahl der Steuerfahnder und auch der Betriebsprüfer zu erhöhen, und wir wollen mit diesem Antrag die Haushaltsdebatte einleiten, wo wir das konsequent weiterverfolgen werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Wort hat der Kollege Kahl für die Fraktion der SPD.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Begriff Steuergerechtigkeit bezieht sich auf zwei Ebenen. Zum einen geht es um Steuergerechtigkeit durch Gesetze und zum anderen um Steuergerechtigkeit im Vollzug der Gesetze durch die Steuerverwaltung.

Zur Steuergerechtigkeit auf der Ebene der Gesetzgebung ließe sich viel sagen. Das ist nicht Thema dieser Debatte, aber im Hinblick auf das aktuelle Steuerkonzept der FDP möchte ich an dieser Stelle Folgendes bemerken. Für uns Sozialdemokraten ist klar: Politisch muss zuerst die Leitfrage beantwortet werden, was die Aufgaben des Staates sind und welches Steueraufkommen der Staat braucht, um eben diese Aufgaben zu erfüllen, ohne weitere Schuldenberge anzuhäufen.

(Beifall bei der SPD – Zurufe von der FDP)

Danach stellt sich die Frage, wie das notwendige Steueraufkommen unter klarer Beachtung der Leistungsfähigkeit des Einzelnen zu erbringen ist. Das sind die entscheidenden Fragen.

Von diesen Prämissen ausgehend ist das Steuerkonzept der FDP schlicht ungeeignet. Einerseits führt es zu enormen Einnahmeausfällen des Staates, andererseits bringt es keine Entlastung der mittleren Einkommen,sondern es führt durch das Drei-Stufen-Modell in erster Linie zu einer gigantischen Entlastung der oberen Einkommen. Daher ist es alles andere als sozial und gerecht.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN – Lebhafte Zurufe von der FDP)

Man könnte auch von Klientelpolitik sprechen.

(Zurufe von der FDP)

Kommen wir nun zu dem eigentlichen Thema: Steuergerechtigkeit im Vollzug. Dazu von unserer Seite folgende Vorbemerkung. Wir haben in Hessen eine kompetente und leistungsfähige Steuerverwaltung. Unter den geltenden Rahmenbedingungen können sich die Leistungen der hessischen Steuerverwaltung sehen lassen. Durch eine verbesserte Personalausstattung können die Ergebnisse der Steuerverwaltung aber weiter verbessert werden. Mehr Steuerprüfer und eine entsprechende Ausstattung des Innendienstes führen zu mehr Steuergerechtigkeit und zu höheren Einnahmen des Staates. Deshalb haben wir uns wiederholt für mehr Stellen in der Steuerverwaltung eingesetzt und werden dies auch weiterhin tun.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Steuergerechtigkeit in der korrekten Anwendung der Steuergesetze ist ein sehr wichtiges Thema. Das Gerechtigkeitsempfinden ist in der Bevölkerung nur dann im

Lot,wenn die Menschen den Eindruck haben,dass alle ihrer Steuerpflicht nachkommen, dass der, der mehr verdient, mehr Steuern zahlt – nicht weniger! –, dass legale Steuerumgehungsmöglichkeiten weitestgehend ausgeschlossen werden und dass Steuerbetrug schnell und umfassend bekämpft wird. Doch dieser Eindruck besteht in der Öffentlichkeit leider nicht. Es besteht eher das Empfinden, dass wir uns in einem Zwei-Klassen-Steuersystem befinden, in dem Gewinne und Vermögenseinkünfte begünstigt werden.

Nach Angaben der Deutschen Steuer-Gewerkschaft erwirtschafteten in Hessen 125 Steuerfahnder 175 Millionen c. Das ist eine großartige Leistung. Das ergibt einen Durchschnitt von etwa 0,65 Millionen c pro Fahnder. Die Betriebs- und Umsatzsteuerprüfer erzielen bundesweit durchschnittlich 1 Million c pro Jahr an Mehrsteuern. Der Rechnungshof Baden-Württemberg schrieb der Politik bereits 2002 ins Stammbuch, dass jeder im Veranlagungsbereich Beschäftigte mehr als das Doppelte dessen einbringt, was er kostet. Das sind klare Zahlen.

Ich will aber auch deutlich sagen, dass es in dieser Frage nicht nur um mehr Geld geht. Es geht ganz besonders um die Herstellung von Steuergerechtigkeit im Vollzug. Eine einheitliche Besteuerung ist ein wahrhaft erstrebenswertes Ziel, nicht nur unter den 16 Bundesländern, sondern auch innerhalb der Bundesländer.