Protokoll der Sitzung vom 04.06.2008

Der Kollege Milde hat noch in besonderer Weise auf die Qualität der hessischen Steuerfahndung hingewiesen.

(Zuruf des Abg. Gottfried Milde (Griesheim) (CDU))

Herr Kollege Milde, haben wir nicht gemeinsam in einem Untersuchungsausschuss UNA 16/1 gesessen? Ich meine, mich daran zu erinnern. Dort wurden die Verhältnisse in der Steuerverwaltung untersucht. Sie erinnern sich an den wunderbaren Begriff LLF, Lenkungs-, Leitungs- und Führungskreis, über den wir mehrfach den Kopf schütteln durften.

(Beifall des Abg. Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Wir mussten damals feststellen, dass die Steuerverwaltung – zumindest für den Untersuchungszeitpunkt und den Zeitraum davor – keineswegs in einem optimalen Zustand war

(Zuruf des Abg. Gottfried Milde (Griesheim) (CDU))

und man sich in erheblichem Maße um Modernisierung kümmern musste. Ich fürchte, in einigen Bereichen ist das heute immer noch der Fall.

Meine Damen und Herren, deswegen ist es nicht richtig, zu sagen, alles sei wunderbar. Deshalb hat die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in der letzten Legislaturperiode, unter anderem, im Dezember 2004 versucht, mit einem Antrag mehr Betriebsprüfer und Steuerfahnder sowie eine Verbesserung der technischen Ausstattung zu bewirken. Damals aber wurde dies alles abgelehnt.

Meine Damen und Herren, heute haben wir von CDU und FDP ein Stück weit eine Begründung dafür gehört, warum sie nach wie vor dagegen sind.Ich sage Ihnen aber: Wir sind im Prinzip für dieses Anliegen.Aber noch einmal

zu den verehrten Kollegen von den LINKEN: Eine kontinuierliche Steigerung der Zahl der Steuerfahnder ist nicht sinnvoll.

Man könnte sagen, wenn wir am Ende mit einer Hauruckaktion einmal 33.000 Steuerprüfer neu einstellen, dann könnten wir mit den dadurch erzielten Jahreseinnahmen die gesamten hessischen Schulden in Höhe von 33 Milliarden c beseitigen.

(Zuruf von der FDP)

Das wird nicht funktionieren. Eine Aufstockung des Personals, eine gleichzeitige Verbesserung der organisatorischen und technischen Möglichkeiten ja, aber keine kontinuierliche Erweiterung.

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Es geht um 100!)

Und wenn ich schon kritisiere, dann kann ich auch noch sagen: Auch Ihr Angriff, die Leute könne man nicht vom Arbeitsamt holen, ist nicht ganz richtig.

(Zuruf des Abg. Leif Blum (FDP))

Denn man sollte schon genau lesen. Genau heißt es, wir wollen die Zahl der Planstellen erhöhen. Das ist wieder eine typisch bürokratische Formulierung.Dahinter steckt, dass man zunächst einmal Stellen haben muss, um z. B. auf diese dann Leute abzuordnen, die man dann weiter ausbilden kann. Insoweit dauert dieser Prozess, bis man die fertigen Steuerfahnder und -prüfer hat, sicher etwas länger.

(Leif Blum (FDP): 100 neue Planstellen, steht drin!)

Dort steht: 100 neue Planstellen für Steuerprüfer und -fahnder. 100 neue Planstellen heißt, man muss im Steuersystem insgesamt 100 Personen mehr einstellen.Lesen Sie es doch wenigstens richtig.

(Leif Blum (FDP): Sollen die unbesetzt bleiben? – Gottfried Milde (Griesheim) (CDU): Unbesetzte Planstellen?)

Es müssen Schritt für Schritt mehr eingestellt werden, entsprechend der Haushaltslage. Dann sind wir uns ja einig, und Sie müssen nicht so herumschreien. Das ist ja wunderbar.

Es ist auch schon gesagt worden, dieser Antrag gehört im Prinzip zu den Haushaltsberatungen.Denn er bezieht sich auf das Jahr 2009. Dass wir heute bei so schönem Wetter und mit knurrendem Magen schon einen Haushaltsantrag beraten,über den wir erst in Monaten abstimmen werden, vielleicht erst zu Anfang des nächsten Jahres, das müssen wir heute nicht vertiefen.

Meine Damen und Herren, es ist schon viel über den Aspekt Steuervollzug gesagt worden. Deshalb nur noch einige wenige Bemerkungen zur Kritik der FDP und den steuerlichen Vorhaltungen insgesamt.

Herr Kollege Blum, an einem Punkt gebe ich Ihnen recht.

(Leif Blum (FDP): Das macht mir Angst!)

Die pauschale Bewertung, die im Antrag der LINKEN darüber steht, wer Steuern verkürzt, ist sicherlich ohne Beleg.

(Leif Blum (FDP): Das ist vorsichtig ausgedrückt!)

Das muss man einräumen. Den Begriff beleidigende Unverschämtheit dafür würde ich jetzt für etwas übertrieben halten.

(Leif Blum (FDP): Genau das ist es aber!)

Denn immerhin können das Statistische Bundesamt und alle Steuerstatistiker immer wieder nachweisen, dass Prüfung und Fahndung zusätzliche Einnahmen erbringen. Das heißt, wenn man prüft, findet man etwas. In der Tat ist das ein Bereich, in dem man verkürzen kann.

(Zuruf des Abg. Leif Blum (FDP))

Aber wir leben – ich meine: bedauerlicherweise – in einem Land, in dem Steuerhinterziehungsversuche allgegenwärtig sind. Das betrifft nicht nur die Selbstständigen.

Der Arbeitnehmer, der bei sich die Fahrgemeinschaft zur Fahrt am Arbeitsplatz einsetzt, hat im Prinzip auch schon einen Versuch der Steuerhinterziehung begangen,und das hat gar nichts mit der Höhe des Einkommens zu tun. Das wird von Großen vorgemacht und von Kleinen nachgeahmt – oder umgekehrt, ganz wie Sie wollen –, und das ist das Problem. Jeder denkt, er hätte einen Vorteil, wenn er der Gemeinschaft die Abgabe von ein paar Euro verweigern kann.

Der Vorwurf ist, dass Sie mit der Art und Weise, in der Sie argumentieren, diese Haltung unterstützen. Richtig wäre es, wenn wir alle in etwas größerer Gelassenheit sagten, wir wollen, dass alle entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit zu dieser Gemeinschaft beitragen, anstatt zu versuchen, den letzten Zwickel noch abzuschneiden. Wie gesagt, das betrifft nicht nur die Großverdiener und die Selbstständigen, sondern auch die Arbeitnehmer, und das muss man ehrlicherweise sagen. Im Einzelbetrag ist das dann wenig, aber Sie kennen den alten Finanzerspruch: Nur die Masse bringt die Kasse. – Wenn 1 Million Leute jeweils 10 c abziehen, ist das im Zweifel genauso viel, wie wenn einer auf einmal 10 Millionen c abzwackt. Daher muss man dieses Phänomen schon in der Breite betrachten.

Meine Damen und Herren, ich fasse zusammen:Wir werden den Antrag im Ausschuss noch einmal beraten – zumindest wünsche ich mir das. Ich denke, dass am Ende auch etwas Sinnvolles herauskommen kann. Wir werden im Ausschuss vorschlagen, diesen für die Haushaltsberatungen zurückzustellen, weil es Sinn macht, alles im Gesamten einzubeziehen.Aus unserer Sicht ist aber eine Verstärkung der Kontrollinstrumentarien der Steuerverwaltung durchaus sinnvoll. Wir haben Sie nicht dazu gebraucht, auf diese Idee zu kommen, wie dies gesagt worden ist. Diese Idee steht schon länger im Raum. Es schadet nun wirklich nicht, einmal mehr daran zu erinnern. – Danke schön.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,der SPD und der LINKEN)

Meine Damen und Herren, es liegen zwei Wünsche für eine Kurzintervention vor. Zunächst erhält Herr Kollege Rentsch das Wort.

Ich will auf das eingehen, was Sie gerade während Ihrer leider nicht so überzeugenden Rede gesagt haben. Sie haben soeben erwähnt und den Eindruck erweckt – das haben Sie in der vergangenen Legislaturperiode schon einmal gemacht –, dass einer der Ehrenvorsitzenden der Freien Demokraten in einer besonderen Form strafrecht

lich verurteilt worden sei. Ich muss Ihnen ehrlich sagen, dass ich mir von Ihnen mehr Niveau gewünscht und erhofft hätte, Herr Kollege Kaufmann.

(Beifall bei der FDP)

Ich habe dies aber nicht wirklich erwartet, weil Sie bereits in der vergangenen Legislaturperiode unter Beweis gestellt haben, dass es nicht Ihre Art ist, in Debatten vorzutragen, sondern dass Sie gern über das Ziel hinausschießen, sofern Sie denn eines erkennen.

Herr Kollege Kaufmann, wir sollten uns nicht auf eine Debatte nach dem Motto: „Welche Partei hat welche Probleme?“ einlassen, sondern ich muss Ihnen ehrlich sagen, dass mir Herr Otto Graf Lambsdorff als Ehrenvorsitzender der Freien Demokraten deutlich lieber ist als Herr Joschka Fischer, der mit seiner sehr bewegten Vergangenheit im Bundesland Hessen nicht nur Zeitungen gefüllt, sondern auch Steine geworfen hat. Wissen Sie, es ist fraglich, ob dies eine Niveaufrage ist und den neuen Landtag kennzeichnen sollte. Daher sollten wir auch nicht darüber reden, ob Cem Özdemir als neuer Bundesvorsitzender von den Bundes-GRÜNEN eine Miles-and-More-Karte erhält oder ob diese Rezzo Schlauch bekommt. Diese Debatten sollten wir einfach lassen.

(Beifall bei der FDP)

Herr Kaufmann, was wir allerdings machen sollten, ist, über die Frage zu diskutieren, wie die Steuergerechtigkeit in Deutschland über ein Steuersystem ausgestaltet werden kann, sodass wir ein Steuersystem bekommen, von dem die Leute einerseits sagen, sie zahlen gerne Steuern, weil sie diese Gesellschaft unterstützen wollen, und bei dem sie auf der anderen Seite erkennen, dass es transparent und fair ist. Dafür setzen wir Liberale uns ein. Wir wollen ein transparentes und faires Steuersystem – nicht eines, bei dem, wenn er eine Steuererklärung abgibt, keiner mehr weiß, was er denn unterschreibt.

(Beifall bei der FDP)

Lieber Herr Kollege Kaufmann, wenn Sie noch einmal in sich gehen und Ihre Gedanken, die für den Bereich Populismus verantwortlich sind,beiseite schieben – ich gestehe, hierzu braucht man sicherlich viel Kraft, aber man sollte es probieren –,

Herr Kollege, Ihre Redezeit ist vorüber.

dann sollten wir, wie gesagt, über das Steuersystem diskutieren, nicht aber über ehemalige Bundesvorsitzende und Ehrenvorsitzende von Parteien, denn auch in diesem Zusammenhang sollten die GRÜNEN ganz kleine Brötchen backen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Herr Kollege Reif hat sich ebenfall zu einer Kurzintervention zu Wort gemeldet.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, wir sollten eines machen, und zwar sollten wir zwischen Steuerfahndern und Betriebsprüfern unterscheiden.Es ist ganz klar,dass ein Steuerfahnder nur dann kommt, wenn ein begründeter Anfangsverdacht für ein ernsthaftes Steuervergehen vorhanden ist. Ich denke, dass uns klar ist, dass wir durch die Multiplikation von Steuerfahndern nicht gleichzeitig ernsthafte Vergehen von Steuerdelikten multiplizieren können. Es ist vollkommen klar, dass wir unterscheiden müssen: Mit der Einstellung von Fahndern wird es nicht auch mehr Vergehen geben, sondern das Gegenteil ist der Fall.