Protokoll der Sitzung vom 05.06.2008

Denn die Wahrheit ist doch, und deswegen ist auch der Bezug zu Hessen so deutlich: Für die SPD-Linken ist die Kandidatur von Frau Schwan ein eindeutiger Testlauf für neue mögliche Allianzen nach der Bundestagswahl.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Auch das ist kein Argument, um in einen Wahlkampf um das höchste Staatsamt in der Bundesrepublik Deutschland einzutreten. Ich sage es deutlich: Das Amt des Bundespräsidenten ist weder dazu geeignet, Führungslosigkeit eines Parteivorsitzenden, der sich gegenwärtig auf demoskopischem Tiefflug befindet, zu kaschieren,

(Lachen bei Abgeordneten der SPD)

noch der SPD in ihrem aktuellen Zustand möglicherweise wieder Selbstbewusstsein und Profil zu geben.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Und das Amt des Bundespräsidenten ist nicht dazu geeignet, als Spielball eines internen Kräftemessens in der SPD herzuhalten. Für all das ist dieses Amt zu wertvoll.

(Beifall bei der CDU – Zurufe von der SPD)

Über die Fragen hinaus, die in erster Linie die SPD, aber auch die politische Kultur unseres Landes berühren, gibt es noch etwas anderes.

Herr Kollege Dr. Müller, ich darf Sie bitten, zum Schluss zu kommen.

Ich glaube, es kann niemandem klargemacht werden, warum die SPD zwar um die Stimmen der LINKEN buhlt, wenn es um die Wahl des Bundespräsidenten geht, warum

aber nicht der gleiche Vorgang dann eintreten soll, wenn es um die Wahl des Bundeskanzlers geht.

(Zuruf von der CDU: So ist es!)

Hier liegt ein großer Teil politischer Schizophrenie und des gewollten Versuchs, die politischen Koordinaten in unserem Land ganz bewusst nach links außen zu verschieben. Deswegen sage ich: Dieser Vorgang hat eine fatale Botschaft nach innen für die SPD, aber auch nach außen für die Kultur in unserem Lande.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Zurufe des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Müller. – Nächste Rednerin ist Frau Kollegin Ypsilanti für die SPD-Fraktion.

(Lothar Quanz (SPD): Was ein demokratisches Verständnis!)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Als ich die Überschrift der Aktuellen Stunde von der CDU gelesen habe – „Amt des Bundespräsidenten nicht zum Spielball parteipolitischer Interessen machen“ –, habe ich mich eigentlich über den feinsinnigen Humor gewundert, den Sie heute auf die Tagesordnung gebracht haben. Das hätte ich Ihnen gar nicht zugetraut.

(Beifall bei der SPD)

Sie wollen die Debatte um den Bundespräsidenten aus parteitaktischen Spielchen herauslassen, beantragen eine Aktuelle Stunde und bringen ihn damit gerade in den Parteienstreit hinein.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Michael Boddenberg (CDU): Sie haben das nicht so gern, dass wir darüber reden!)

Ich habe mir überlegt, ob das jetzt eine besondere Art von Dialektik ist oder einfach nur Heuchelei. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich entscheide mich für das Zweite.

(Beifall bei der SPD)

Von was reden Sie eigentlich? – Wir erinnern uns alle noch an die legendäre SMS, die hieß: Köhler ist raus.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie haben damals die Wahl zum Bundespräsidenten nicht nur parteipolitisch instrumentalisiert, Sie haben auch innerparteiliche Spielchen innerhalb Ihrer Truppe gemacht. Sie wollten Frau Merkel damals damit schaden.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Axel Wintermeyer (CDU))

Gucken Sie einmal in den Spiegel, bevor Sie eine solche Aktuelle Stunde beantragen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es ist für die SPD als große Volkspartei eine Selbstverständlichkeit, eine eigene Kandidatin zur Wahl zu stellen,

insbesondere eine so herausragende Persönlichkeit wie Gesine Schwan.Wir sind stolz darauf.

(Beifall bei der SPD – Zurufe von der CDU)

Herr Müller, Sie haben recht, wenn Sie sagen, Herr Beck habe gesagt, Herr Köhler sei ein guter Präsident.

(Zurufe von der CDU)

Wir haben überhaupt keinen Anlass, über den Bundespräsidenten oder über die Amtsführung ein schlechtes Wort zu verlieren.Wenn aber unsere Zurückhaltung dafür missbraucht wird, dass Herr Koch sich dafür hergibt, gerade in Bezug auf Gesine Schwan zu polarisieren, dann ist das schädlich.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Sie missbrauchen im Moment die Kandidatur von Gesine Schwan für parteitaktische Spielchen. Ich wage mir nicht auszudenken, was Sie plakatieren würden, wenn Herr Beck und Gesine Schwan ausländische Namen hätten, um das auch einmal klar zu sagen. Die CDU ist noch die CDU, und Koch ist noch Koch.

(Beifall bei der SPD – Zurufe von der CDU:Ah!)

Meine Damen und Herren, Gesine Schwan kann eine ganz beeindruckende Biografie vorweisen. Sie war vor der letzten Wahl in der hessischen SPD-Fraktion zu Gast und hat sich vorgestellt.Wir waren beeindruckt von ihr als Person, wir waren beeindruckt von ihrer Offenheit, wir waren beeindruckt von ihrem klaren Denken, ihren klaren Wertvorstellungen und auch von ihrem Humor, wenn ich das einmal sagen darf.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie steht als Präsidentin der Europa-Universität Viadrina wie keine andere Person für die Versöhnung zwischen Deutschland und Polen. Frau Schwan stammt von einer Familie ab, die in Gegnerschaft zu den Nationalsozialisten stand. Die Grausamkeit des Nationalsozialismus hat sie genauso geprägt wie die menschenrechtsverachtenden Erfahrungen aus der DDR. Aus diesem Grund ist sie mit Vehemenz und ohne jegliche Nachsicht im Umgang mit dem Unrechtsregime und heute mit der Linkspartei.

(Zurufe von der CDU: Sie will sich mit den Stim- men der LINKEN wählen lassen!)

Gesine Schwans großes Anliegen ist, für das Gemeinwohl in diesem Land eine Bahn zu brechen. Gesine Schwans großes Anliegen ist, mit einer klaren Wertvorstellung für das Gemeinwohl gegen Politikverdrossenheit und gegen Demokratieverdrossenheit anzukämpfen.

(Zuruf des Abg. Michael Boddenberg (CDU))

Meine Damen und Herren, gerade wir Parlamentarier sollten stolz auf eine Person wie Gesine Schwan sein, die es sich nicht einfach macht, in Politikschelte aufzubrechen, sondern für Demokratie zu werben.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Warum ist Herr Schwan aus der SPD ausgetreten? – Gegenruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD): Das ist unglaublich!)

Sie ist ein Gewinn für uns alle.

(Zurufe von der CDU)

Gesine Schwan ist ein ganz kritischer Geist. Sie hat uns auch in der eigenen Partei oft auf die Füße getreten. Ich erinnere einmal an die Ostpolitik von Willy Brandt. Da war ihre Position sehr kritisch.Sie ist auch heute noch eine sehr kritische Person, wenn wir beispielsweise sehen, wie sie sich im „Spiegel“ mit der Partei DIE LINKE auseinandergesetzt hat, obwohl sie um ihre Stimmen wirbt.

(Zurufe von der CDU)