Protokoll der Sitzung vom 27.08.2008

Werte Frau Kollegin, diese Form von Sozialismus wollen wir in diesem Lande nicht mehr haben. Einmal Sozialismus reicht.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Lassen Sie mich abschließend – deswegen hatte ich mich gemeldet – eine persönliche Erklärung abgeben, Herr

Präsident, wenn ich das an dieser Stelle darf. Es ist unterstellt, insinuiert worden: Na ja, ob er die Verbrechen der Nazizeit wirklich so schade findet, ob er das wirklich so sieht. – Wissen Sie, ich halte das schon für starken Tobak, ganz zurückhaltend gesagt. Ich bin seit 30 Jahren für diesen Staat tätig, in aller Regel – –

(Die Mikrofonanlage fällt kurzfristig aus. – Eva Kühne-Hörmann und Michael Boddenberg (CDU): Herr Präsident!)

Ich habe nichts gemacht.

Ich glaube Ihnen. Die Anlage hat einen leichten Wackelkontakt.

Ich bin seit 30 Jahren ehrenamtlich, teilweise hauptberuflich für die Christlich Demokratische Union tätig, setze mich für die Menschen in diesem Staat und für die freiheitlich-demokratische Grundordnung ein. Als jemand, der Diktatur in der Familie erlebt hat, muss ich mir von niemandem sagen lassen, dass ich klammheimliche Sympathie für irgendeine Form von Diktatur hätte.

Ich bin als einer von wenigen Kollegen während meiner beruflichen Tätigkeit im Fach Gesellschaftslehre in der Klasse 10, im Fach Gemeinschaftskunde in der Oberstufe, Klasse 12, mit meinen Schülern regelmäßig in Konzentrationslager gefahren. Ich habe das Thema Nationalsozialismus inhaltlich vorbereitet, aufbereitet. Der Abschluss dieser Unterrichtseinheit war immer, in Konzentrationslager zu fahren.

Wenn Sie mit jungen, fröhlichen Menschen auf Klassenfahrt unterwegs sind, morgens z. B. nach Dachau, nach Plötzensee, nach Struthof im Elsass fahren, hineingehen und nach zwei Stunden Führung herauskommen, dann haben diese jungen Menschen Tränen in den Augen. Das ist praktische Politik. Mir muss niemand sagen, was Nationalsozialismus heißt.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und der FDP – Axel Wintermeyer (CDU): Frau Schott, hören Sie genau hin!)

Vielen Dank, Herr Irmer. – Für die Fraktion DIE GRÜNEN erhält Herr Wagner das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich habe mich noch einmal zu Wort gemeldet, um auf den Antrag zurückzukommen, über den wir heute beraten.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Er ist von CDU und FDP eingebracht und trägt den Titel „betreffend DDR-Unrechtsregime durch Handreichung für Hessens Lehrerinnen und Lehrer aufarbeiten“. Ich habe in der Debatte gehört, dass es für diesen Antrag, kombiniert mit den Änderungen meiner Fraktion, eine sehr breite Mehrheit in diesem Hause gibt. Ich glaube so

gar gehört zu haben, dass wir diesen Antrag einstimmig verabschieden könnten. Manche Debatte, die aus Anlass dieses Antrages geführt wurde, hat mit dem Wesen dieses Antrages nicht sehr viel zu tun gehabt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD sowie bei Abgeordneten der LIN- KEN)

Umso wichtiger ist es, auf diesen Antrag zurückzukommen. Denn er enthält wichtige Punkte. Wir wollen die Lehrerinnen und Lehrer an unseren Schulen besser bei der Vermittlung über das DDR-Unrecht unterstützen. Ich möchte deshalb noch einmal den Appell und die Bitte an die anderen Fraktionen dieses Hauses richten, dass wir jetzt gleich über die vorliegenden Anträge abstimmen. Dann verlieren wir keine Zeit. Dann könnte sich das Kultusministerium endlich an die Arbeit für diese Handreichung machen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,der SPD und der LINKEN)

Ich glaube, die Argumente sind hinreichend ausgetauscht, sodass wir den Antrag nicht noch an den Ausschuss überweisen müssten. Wir fänden es sehr gut, wenn wir heute als Landtag das Signal setzen könnten, dass wir unsere Schulen bei der Aufarbeitung von DDR-Unrecht sehr schnell und sehr zügig unterstützen.

Ich formuliere eine Bitte. Ich stelle keinen Geschäftsordnungsantrag, sondern stelle es den beiden antragstellenden Fraktionen CDU und FDP anheim, ob sie diesem Vorschlag folgen wollen. Im Sinne der Sache wäre es gut, wenn wir es heute, hier und jetzt, beschließen würden und uns dann gleich an die Arbeit machen könnten. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,der SPD und der LINKEN)

Schönen Dank, Herr Wagner. – Jetzt klären wir es untereinander. Herr Rentsch, Sie haben das Wort.

Herr Präsident,die Antragsteller beantragen,dass die Debatte im Ausschuss fortgesetzt wird.

(Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dort ist der richtige Ort, um diese Debatte sachlich weiter zu führen und über beide Anträge zu beraten. Wir beantragen nach § 27 GOHLT die Überweisung an den Ausschuss.

(Unruhe)

Der Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP betreffend DDR-Unrechtsregime durch Handreichung für Hessens Lehrerinnen und Lehrer aufarbeiten und der Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN werden an den Kulturpolitischen Ausschuss überwiesen. – Darüber besteht Einvernehmen, dann sind sie hiermit überwiesen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 6 auf:

Erste Lesung des Gesetzentwurfs der Fraktion DIE LINKE für ein Hessisches Gesetz zur Bekämpfung der Zweckentfremdung von Wohnraum (HWoZBG) – Drucks. 17/289 –

Frau Abg. Wissler hat das Wort zur Einbringung des Gesetzentwurfs.

(Unruhe)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich fange einfach schon einmal an, auch wenn hier noch etwas Unruhe herrscht. – Das Gesetz zur Bekämpfung der Zweckentfremdung von Wohnraum stand in diesem Haus in den vergangenen Jahren schon mehrmals zur Debatte. Die Regelungen dienen dazu, bezahlbaren Wohnraum verfügbar zu machen und zu halten. Sie haben sich bewährt, auch wenn das Zweckentfremdungsgesetz allein kein ausreichendes Mittel ist, der Wohnungsnot in den Ballungsgebieten zu begegnen.

Die Landesregierung hat das Gesetz auslaufen lassen.An der Tatsache, dass gerade im Ballungsgebiet Rhein-Main Wohnraum eine Mangelware ist, hat sich in den vergangenen Jahren aber nichts geändert. Jede Regelung, die dem entgegenwirkt, ist für Tausende Familien und andere Wohnungssuchenden eine Erleichterung.

(Unruhe auf der Regierungsbank)

Meine Herren, es ist sehr irritierend, wenn Sie sich so laut unterhalten.

(Minister Volker Bouffier: Ich habe Sie nur ange- schaut, ich habe gar nichts gesagt!)

Herr Bouffier, ich habe aber Ihre Stimme gehört. Vielleicht bilde ich mir das aber ein.

(Anhaltende Unruhe)

Ich möchte gerne die Drastik des Problems darstellen. Es wohnt nicht jeder zur Miete, vielleicht stelle ich das doch noch einmal kurz dar. In Frankfurt besteht nach den Schätzungen des zuständigen Dezernats ein Wohnungsdefizit von 25.000 Wohnungen.Bei einer Einwohnerzahl von gegenwärtig 643.000 Personen bevölkern unter der Woche rund 1 Million Menschen die Stadt. Das Verkehrsaufkommen, das durch die Pendler verursacht wird, ist eine Plage für die Stadt,ist volkswirtschaftlicher Wahnsinn und umweltpolitisch nicht vertretbar.

In Frankfurt eine Wohnung zu finden,die man von den stagnierenden Lohneinkommen bezahlen kann, ist für viele Menschen einfach nicht möglich. Die Mieten für eine Einbis Zweizimmerwohnung bei einer Größe von bis zu 60 m2 sind in den vergangenen 15 Jahren um durchschnittlich 50 % gestiegen. Bruttokaltmieten machen für viele Haushalte ein Drittel ihres Einkommens aus, die steigenden Neben- und Energiekosten noch gar nicht mit eingerechnet.

Das Wohnraumzweckentfremdungsgesetz war ein wichtiges Instrument.Allein in Frankfurt gingen jährlich 400 bis 600 Hinweise auf illegale Zweckentfremdung von Wohnraum ein.

(Michael Boddenberg (CDU):Wann war das?)

Das Problem ist nicht auf Frankfurt beschränkt, sondern stellt sich in ähnlicher Form auch in Wiesbaden, Darmstadt oder Offenbach.

(Beifall bei der LINKEN)

Preiswerte Wohnungen werden nach dem aktuellen Konjunkturbericht des Verbands der Südwestdeutschen Wohnungswirtschaft knapp. Das Rhein-Main-Forum der Industrie- und Handelskammer sieht die gesamte Region vor einer „einkommensabhängigen großräumigen Umschichtung und Neusortierung der Bevölkerung.... Die Gefahr der Gettoisierung wird deutlich zunehmen.“ Menschen mit unterem Einkommen werden in die immer weniger werdenden Randgebiete abgedrängt, wo sie sich die Mieten noch leisten können.

Die Wohnungsfrage ist ein zentrales Problem der Sozialpolitik. Unter der gewollten Knappheit an Wohnraum leiden besonders die sozial Schwachen. Überdurchschnittlich leiden darunter Frauen und Kinder sowie ältere Menschen. In Frankfurt stehen derweil 1 Million m2 Büro- und Gewerbeflächen frei. Diese Zahl hat sich seit Mitte der Neunzigerjahre um rund ein Viertel erhöht.

(Zuruf von der CDU: Durch Neubauten!)

Wir haben also Wohnungsnot und einen absurden Überschuss an gewerblichen Flächen nebeneinander.

(Unruhe bei der CDU)

Schon allein dieses Missverhältnis spricht eindeutig dafür, die weitere Umwandlung und den Leerstand von Wohnraum zu beenden. Das Hauptargument für die Umwidmung von Wohnraum kommt vonseiten der Grundstücksund Wohnungseigentümer und steht dem Interesse der Wohnungssuchenden diametral entgegen. Gewerbemieten liegen über Wohnmieten, und die Verknappung des Wohnangebots lässt die Preise der Ware Wohnraum steigen.