Protokoll der Sitzung vom 28.08.2008

Frau Präsidentin, ich komme gleich zum Schluss. – Das ist ein großer Erfolg unserer Arbeit. Darauf sollten wir stolz sein, und das dürfen wir nicht kleinreden.Aber das ist natürlich auch keine Begründung dafür, sich jetzt zurückzulehnen. Ich darf mir erlauben, Sie auf Folgendes hinzuweisen.Wenn ich die Halbjahreszahlen für 2008 anschaue – bei aller Zurückhaltung –, dann stelle ich fest, wir haben bei den rechtsextremistisch motivierten Straftaten in der Bundesrepublik Deutschland eine zweistellige Steigerung,während es in Hessen ein zweistelliger Rückgang ist. Ich will das alles nicht überbewerten. Aber wir befinden uns in einer guten Verfassung.

Was bleibt, wenn Sie diesem Treiben mit Erfolg gegenübertreten wollen? – Sie werden sich vielleicht daran erinnern, dass die Rechtsextremisten versucht haben, Gladenbach als einen Teil ihres Bewegungsnetzes zu etablieren. Dort sind wir mit einer sehr großen Polizeimacht erschienen. Ich habe mich gelegentlich des Vorwurfs aus Gewerkschaftskreisen erwehren müssen, wir würden dort mit zu viel Personal erscheinen. Damit Sie wissen, wie das gelaufen ist, darf ich Ihnen das einmal schildern. Im Internet wurde angekündigt, dass sich alle Rechtsextremisten

treffen sollen. Die Voraufklärung hat ergeben, dass man nicht genau weiß, wie viele das sein werden, aber dass wir vielleicht mit 50 rechnen müssen. Dann kam die Gegenbewegung von den Linksextremen und Autonomen. Das würden wahrscheinlich 200 sein. Wir sind mit 800 Polizisten dort erschienen, um von vornherein zu verhindern, dass sich dort Rechtsbrecher und Extremisten austoben können. Das war ein großer Personaleinsatz. Die Beamtinnen und Beamten, die ihn leisteten und die Samstag für Samstag dort gefordert waren,waren auch nicht glücklich. Aber das war richtig. Das war der erste Schritt. Deshalb gehören Repression und frühzeitiges staatliches Einschreiten gegen jede Form des Extremismus zur unverzichtbaren Kulisse dessen, was wir tun müssen.

Dann kam ein zweiter Punkt. Das will ich sehr deutlich machen. Dann haben alle Bürgerinnen und Bürger in dieser Stadt sich zusammengetan und deutlich gemacht, dass sie einen solchen Spuk in ihrer Stadt nicht dulden wollen. Das haben sie friedlich, aber sehr überzeugend gemacht. Genau das ist der Weg. Wir werden hier noch bis zum Gehtnichtmehr diskutieren können.Wenn wir nicht in die Köpfe kommen und nicht die Bereitschaft von Menschen finden, die dann auch aufstehen und sagen: „Wir verniedlichen nichts, und wir wollen auch nicht relativieren aber wir haben keinerlei Anlass, dass Extremisten irgendwelcher Art in unserem Land unbehelligt ihr Unwesen treiben“, dann genügt das nicht. Deshalb seien Sie versichert: Wir werden genauso engagiert wie in der Vergangenheit gegen jede Form des Extremismus antreten, und das gilt insbesondere auch für den Rechtsextremismus. Hessen kann sich in dieser Situation sehr gut sehen lassen. Das ist kein Grund zum Zurücklehnen, sondern das spornt uns an, damit diese gute Situation so bleibt. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Minister. – Damit ist auch diese Aktuelle Stunde abgehalten, und wir kommen zu den Abstimmungen.

Zur Geschäftsordnung, Herr Kollege Wintermeyer.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich wollte getrennte Abstimmung des Tagesordnungspunktes 90 beantragen.Das ist der Dringliche Entschließungsantrag der CDU und der FDP.Wir hätten uns gewünscht, dass wir einen gemeinsamen Antrag heute Morgen noch zusammengekriegt hätten. Das ist nicht der Fall. Wir wissen, dass eine Fraktion nicht alle Punkte unseres Antrages mittragen kann. Um eine größtmögliche Einigkeit zu erreichen, beantragen wir daher, wie gesagt, getrennte Abstimmung.

Vielen Dank. – Frau Kollegin Schott, zur Geschäftsordnung.

Ich möchte beantragen, dass wir alle Anträge in einzelnen Punkten abstimmen.

Wir kommen zur Abstimmung über Tageordnungspunkt 56:

Entschließungsantrag der Abgeordneten Cárdenas, Schaus, Schott, van Ooyen, Dr. Wilken und Wissler (DIE LINKE) betreffend Verurteilung aller Formen von Rechtsextremismus in Hessen – Drucks. 17/523 –

Wer Punkt 1 die Zustimmung geben möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. – Das sind die SPD, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und DIE LINKE.Gegenstimmen? – Enthaltungen? – CDU und FDP. Damit ist dieser Punkt angenommen.

Wer Punkt 2 die Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE. Gegenstimmen? – Enthaltungen? – CDU und FDP. Damit ist auch dieser Punkt angenommen. Somit ist der Entschließungsantrag in Gänze angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 90.

Wer dem Antrag unter Punkt 1 die Zustimmung geben möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. – Das ist das gesamte Haus.

Wer Punkt 2 die Zustimmung geben möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. – Das sind CDU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Die Fraktion DIE LINKE. Damit ist auch dieser Punkt angenommen.

Wer Punkt 3 die Zustimmung geben möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. – CDU und FDP. Gegenstimmen? – DIE LINKE. Enthaltungen? – SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Damit ist dieser Punkt angenommen.

Wer Punkt 4 die Zustimmung geben möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. – Das sind CDU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Gegenstimmen? – Die Fraktion DIE LINKE. Damit ist auch dieser Punkt angenommen. Der Entschließungsantrag ist also in Gänze angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 92:

Dringlicher Entschließungsantrag der Fraktion der SPD betreffend Verurteilung von Extremismus in Hessen – Drucks. 17/580 –

Wer Punkt 1 die Zustimmung geben möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. – Das ist das gesamte Haus.

Wer Punkt 2 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. – Das sind CDU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Die Fraktion DIE LINKE. Dann ist dieser Punkt ebenfalls angenommen.

Wer Punkt 3 die Zustimmung geben möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. – Das ist das gesamte Haus.

Wer Punkt 4 die Zustimmung geben möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. – Ebenfalls das gesamte Haus.

Wer Punkt 5 die Zustimmung geben möchte, den bitte ich nun um ein Handzeichen. – Das sind CDU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Gegenstimmen? – Die Fraktion DIE LINKE. Damit ist auch dieser Punkt angenommen, und der Entschließungsantrag ist in Gänze angenommen.

Ich rufe nun die Tagesordnungspunkte 11, 12, 13 und 14 auf:

Erste Lesung des Gesetzentwurfs der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN für ein Gesetz zur Ergänzung der Verfassung des Landes Hessen (Einführung der Volksin- itiative) – Drucks. 17/479 –

Erste Lesung des Gesetzentwurfs der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN für ein Gesetz zur Änderung der Verfassung des Landes Hessen (Volksbegehren) – Druck. 17/480 –

Erste Lesung des Gesetzentwurfs der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN für ein Gesetz zur Änderung der Verfassung des Landes Hessen (Verfassungsänderung durch Volksbegehren und Volksentscheid) – Drucks. 17/481 –

Erste Lesung des Gesetzentwurfs der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN für ein Gesetz zur Erleichterung von Volksbegehen – Drucks. 17/482 –

Es wurden 15 Minuten Redezeit vereinbart. Herr Kollege Dr. Jürgens, Sie haben zur Einbringung der Gesetzentwürfe für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Es ist an der Zeit, den Menschen in Hessen bessere Möglichkeiten politischer Mitwirkung zu verschaffen. Es ist an der Zeit, mehr direkte Demokratie zu wagen,und es ist an der Zeit, die Hessische Verfassung, die seit mehr als 60 Jahren die Möglichkeit der Volksgesetzgebung vorsieht, endlich mit Leben zu füllen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Fraktion legt Ihnen deswegen vier Gesetzentwürfe vor, die wir als eine Paketlösung für mehr Bürgerbeteiligung verstehen. Mit drei Gesetzentwürfen soll die Hessische Verfassung geändert werden, ein vierter Gesetzentwurf sieht die Änderung des Gesetzes über Volksbegehren und Volksentscheid vor.Wir wollen durch unsere Gesetzentwürfe eine bessere Chance für Plebiszite,mehr Gelegenheit für aktive Bürgerbeteiligung eröffnen und damit mehr Gemeinsinn und Zusammengehörigkeitsgefühl durch die Möglichkeit der Mitwirkung schaffen.

(Unruhe)

Herr Kollege Dr. Jürgens, bitte entschuldigen Sie. – Es ist nach den Aktuellen Stunden immer ein bisschen schwierig, aber ich darf Sie bitten, die Unruhe hier im Saal einzustellen, Ihre Gespräche draußen fortzuführen und dem Redner bei der Einbringung der Gesetzentwürfe zu lauschen. Herzlichen Dank.

Frau Präsidentin, ich hoffe, Sie rechnen meinen Redebeitrag nicht zur Unruhe.

Die Hessische Verfassung ist eine Volksverfassung im besten Sinne.Sie räumt,das haben wir schon mehrfach in diesem Hause erörtert, dem hessischen Volk weiter gehende Mitwirkungsmöglichkeiten ein, als es in vielen anderen Bundesländern der Fall ist.Wir haben die Möglichkeit der

Volksgesetzgebung durch Volksbegehren und Volksentscheid, wir haben die obligatorische Volksabstimmung zu einer Verfassungsänderung, und wir haben etwas, was es in kaum einem anderen Land gibt, nämlich die sogenannte Volksklage vor dem Staatsgerichtshof.

Wenn man sich aber die Verfassungswirklichkeit der letzten mehr als 60 Jahre einmal anschaut,dann bringt dies einen ernüchternden Befund. Diese Volksrechte bestehen weitestgehend nur auf dem Papier. Nur ganz selten, man kann es an einer Hand abzählen, wurde überhaupt ein Anlauf für ein Volksbegehren gestartet. Nicht ein einziges Mal in der mehr als 60-jährigen Geschichte des Landes Hessen ist es gelungen, über ein Volksbegehren dem Landtag einen Gesetzentwurf vorzulegen – von einem abschließenden Volksentscheid ganz zu schweigen.

Das hat seine Ursache vor allem in den exorbitant hohen Hürden, die Verfassung und Gesetz vor einem solchen Volksbegehren aufbauen. Ich möchte Ihnen das kurz anhand des Verfahrens erläutern, wie es im Gesetz bzw. in der Verfassung geregelt ist.

Die Einleitung eines Volksbegehrens beginnt nach dem Gesetz mit einem Antrag auf Zulassung. Bereits dieser Zulassungsantrag beim Landeswahlleiter muss von 3 % der bei der letzten Landtagswahl Stimmberechtigten unterstützt werden. Stimmberechtigt waren im Januar dieses Jahres bei der letzten Landtagswahl rund 4,37 Millionen Bürger. Das bedeutet, mehr als 131.000 Menschen müssen eine Unterschrift leisten, um das Verfahren überhaupt in Gang zu setzen. An dieser Hürde ist zuletzt ein von der evangelischen Kirche beabsichtigtes Volksbegehren zur Wiedereinführung des Buß- und Bettages gescheitert.

Hierzu sieht unser Gesetzentwurf als erste Maßnahme vor, diese Hürde, diesen prozentualen Anteil von 3 % auf 1 % zu senken. Das wären immer noch 43.700 Menschen. Es wäre also immer noch gewährleistet, dass nicht – sozusagen beiläufig – eine kleine Gruppe von Menschen irgendetwas starten kann, was dann den Landtag beschäftigt. Im Vergleich der Bundesländer lägen wir nach einer solchen Senkung im Übrigen ungefähr im Mittelfeld. In Nordrhein-Westfalen reichen z. B. 5.000 Unterschriften aus; das sind 0,02 % der wahlberechtigten Bevölkerung. Wir wollten aber nicht so vermessen sein, gleich diese Zahl anzustreben, denn wir wollen die eher skeptischen Fraktionen in diesem Hause nicht überfordern. Wir meinen aber, 1 % wäre durchaus gangbar.

Als ich das in einer Pressekonferenz vorgestellt habe, musste ich mit Erstaunen feststellen, dass die FDP-Fraktion mit einer Presseerklärung darauf reagiert und gesagt hat: Das Quorum sollte von 3 % auf 2 % gesenkt werden, nicht auf 1 %. – Herr Hahn, Sie schauen kritisch, aber Sie haben diese Presseerklärung abgesetzt. – Ich habe mir daraufhin einmal angeschaut, was Ihr Kollege Posch in der Plenardebatte gesagt hat, als wir in der letzten Wahlperiode einen Gesetzentwurf einbrachten, der ebenfalls den Vorschlag der Absenkung auf 1 % enthielt. Ich zitiere aus dem Plenarprotokoll vom 12. Juli 2005. Herr Posch sagte:

Ich bin in der Sache bei Ihnen. Ich habe überhaupt kein Problem, als Mitglied der FDP zu sagen: Ich mache das mit 1 %. Dafür benötigt man etwa 40.000 Unterschriften. Ich bin sofort bei Ihnen.

Die FDP-Fraktion war also schon einmal weiter, und ich bin guten Mutes, dass wir uns im Laufe der Diskussion an dem Punkt noch einigen können.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der CDU und der FDP)

Immerhin wurde aber das Zulassungsquorum von 3 % in zwei Fällen in Hessen schon einmal erreicht.Das eine Mal war das beim Volksbegehren gegen die Startbahn West, das daran scheiterte, dass es nicht zulässig war, weil es in die Bundeskompetenzen eingriff – so lautete zumindest die damalige Entscheidung des Staatsgerichtshofs. Das andere Mal war das Volksbegehren zur Einführung der Briefwahl im Jahre 1966. Damals ist es tatsächlich gelungen, 3 % der Stimmberechtigten zu einer Unterstützung zu veranlassen. Allerdings folgte dann die eigentliche Hürde.

Die Verfassung sieht nämlich vor, dass das Volksbegehren von 20 % der Stimmberechtigten unterstützt werden muss. Innerhalb von zwei Wochen müssen sie auf den Kommunalbehörden, in denen diese Unterschriftslisten ausliegen, ihre Unterschrift leisten. Innerhalb von zwei Wochen müssen also 20 % der Stimmberechtigten auf ihre Rathäuser gehen, um das zu unterstützen.

Das eben von mir genannte Volksbegehren ist an dieser Hürde gescheitert. Es haben bei dieser Form der Zustimmung weniger mitgewirkt als bei dem ursprünglichen Antrag,obwohl die damalige Initiative von einer Volkspartei, nämlich der CDU, getragen war. Man sieht, es ist sogar für Volksparteien außerordentlich schwer, diese Hürde zu nehmen.