Protokoll der Sitzung vom 28.08.2008

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich bin froh, dass ich die Gelegenheit habe, hier noch einmal zu unserem Gesetzentwurf zu sprechen. DIE LINKE bedauert, dass SPD und GRÜNE gemeinsam mit CDU und FDP unseren Gesetzentwurf zur Änderung des Hessischen Hochschulgesetzes abgelehnt haben.

(Axel Wintermeyer (CDU): So ist es eben!)

Worum geht es? – Die Koch-Regierung hat der Stiftungsuniversität Frankfurt freigestellt, Bewerberinnen und Bewerber mit Fachhochschulreife nicht mehr zum Studium zuzulassen. Die Universität Frankfurt hat daraufhin Anfang des Jahres entschieden, zum Wintersemester 2008 keine Bewerberinnen und Bewerber mit Fachhochschulreife mehr aufzunehmen – als einzige Universität in Hessen.

Derzeit haben etwa 5 % der Immatrikulierten an der Frankfurter Universität die Fachhochschulreife. Es gibt keinerlei Belege dafür, dass es bei diesen eine geringere

Leistungsfähigkeit gibt, wie Universitätspräsident Steinberg das behauptet hat.Mit unserem Gesetzentwurf sollte die Ausgrenzung von Bewerberinnen und Bewerbern mit Fachhochschulreife an der Stiftungsuniversität Frankfurt beendet werden.

Die schriftliche Anhörung hat ergeben, dass die Mehrheit der Anzuhörenden unseren Gesetzentwurf befürwortet: Fachhochschulen, ASten und die Gewerkschaften GEW und ver.di haben klar Stellung bezogen, dass Bewerber mit Fachhochschulreife Zugang zu Universitäten haben sollen. Die Voten blieben im Ausschuss leider ungehört.

DIE LINKE will den Hochschulzugang einheitlich regeln und setzt sich generell für die Durchlässigkeit im Bildungssystem ein.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir lehnen die Umwandlung der Frankfurter Universität in eine Stiftungsuniversität grundsätzlich ab. Durch die Gesetzesänderung wollten wir zumindest die Durchlässigkeit an dieser einen kleinen Stelle wiederherstellen und der Ausgrenzung entgegenwirken.Wir treten ein für freie Bildung und Wissenschaft und für eine demokratische Hochschule. Es ist enttäuschend, dass nach der Abschaffung der Studiengebühren nun nicht weitere Verbesserungen für die hessischen Studierenden durchgesetzt werden konnten und Menschen mit Fachhochschulreife weiterhin in ihren Bildungschancen beschnitten werden.

(Zuruf des Abg. Hans-Jürgen Irmer (CDU))

Leider haben SPD und GRÜNE die Möglichkeit vertan, dem ein Ende zu setzen. Dafür gab es ein Glückwunschschreiben von CDU und FDP. Ich finde, das spricht für sich.

Inhaltlich habe ich von SPD und GRÜNEN keine Gegenargumente gehört. Es sei der falsche Zeitpunkt, man müsse evaluieren, hieß es in der Debatte. Ich bin der Meinung, dann hätten wir uns die Anhörung auch sparen können, dann hätten sich die Leute die Arbeit nicht machen müssen, wenn es ohnehin der falsche Zeitpunkt war.

Ich frage mich:Wann, wenn nicht jetzt? Jetzt könnten wir Verbesserungen durchsetzen. Ich weiß auch gar nicht, was es zu evaluieren gibt: ob ein paar Leute mehr oder weniger an der Frankfurter Universität studieren wollen, weil sie keine Zulassung haben? Das leuchtet mir nicht ein. Dazu können Sie noch einmal ausführen.

Ich hatte sehr gehofft, dass es eine Mehrheit für unseren Gesetzentwurf und für mehr Bildungsgerechtigkeit gibt. Das zeigt aber auch: Gesellschaftlicher Druck für Sozialpolitik ist weiterhin nötig und wird weiterhin nötig sein, egal welche Regierung in Hessen dran sein wird. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Nächster Redner ist Herr Dr. Spies für die Fraktion der SPD.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ohne jeden Zweifel braucht dieses Land alle, die studieren können, in einem Studium und mit einem erfolgreichen Studienabschluss. Ohne Zweifel haben wir eine zu niedrige Akade

mikerquote und müssen diese erhöhen.Ohne Zweifel war es deshalb richtig, Studiengebühren als allgemeine Zugangsbeschränkung abzuschaffen, wie wir es gemeinsam mit den GRÜNEN und mit Zustimmung der Linkspartei geschafft haben. Ohne Zweifel ist es deshalb auch in jeder anderen Art und Weise richtig, den Zugang zu den Hochschulen zu verbreitern. Ich verweise nur auf unsere Initiativen für eine Zugangsmöglichkeit für Meister.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Meine Damen und Herren, Selektion im Zugang zu Hochschulen ist sicherlich nicht sinnvoll.

Lassen Sie mich einen zweiten Punkt ansprechen. In der allgemeinen Leuchtturm-Manie sind wir im letzten Jahr zunehmend geneigt, nach Leuchttürmen zu schauen. Die leuchten auch schön in der Ferne. Leider erhellen sie keinerlei Straßen, und im täglichen Leben ist es möglicherweise sinnvoller, helle Straßen zu haben als blinkende Leuchttürme in der Ferne. Da ist auch die eine oder andere Hochschule aufgefordert, das eigene Selbstbild kritisch zu reflektieren. Hochschulen müssten in besonderer Weise in der Lage sein, zu hinterfragen, ob nicht möglicherweise die Selbstidentifikation mit Exzellenzen mehr ein Bedürfnis nach Größe ist.

Hochschulautonomie: ja; aber Beliebigkeit im Handeln: nein. Meine Damen und Herren, deshalb haben wir Initiativen zur Stärkung der Autonomie der Hochschulen unterstützt.Aber

(Janine Wissler (DIE LINKE): Jetzt das „Aber“!)

wir müssen dringend überprüfen, was richtige Autonomie ist und was Autonomie ist, die in Beliebigkeit ausartet.

(Beifall des Abg. Michael Siebel (SPD))

Meines Erachtens gehört zur Frage der Autonomie ganz zentral nicht nur, dass der Steuerzahler des Landes Hessen einen Anspruch an die Hochschulen formulieren darf, was er von ihnen bekommen möchte, sondern auch, dass diese Autonomie in demokratischen Strukturen in der Hochschule gesichert wird.

Deshalb gibt es beim Hochschulzugang, bei der Autonomie der Hochschulen insgesamt eine Menge zu tun. Ein bisschen darüber nachzudenken, wie wir dafür sorgen können, dass Hessen ganz, ganz viele gut ausgebildete Akademiker bekommt, ist auch sinnvoll.

(Beifall des Abg.Torsten Warnecke (SPD))

Das Problem,von dem jetzt die Rede ist,ist überschaubar. Wir reden gerade einmal über 4 % der Studierenden der Universität Frankfurt – die, das bedauere ich, schon in der Vergangenheit nicht in der Lage war, einen nennenswerten Anteil von Studierenden mit einer Fachhochschulreife anzulocken. Die Kasseler bringen es auf über 30 % von Studierenden mit Fachhochschulreife, und auch die anderen Universitäten kommen auf 8 bis 10 %.

Das Problem ist keineswegs so dramatisch, wie es hier gemacht wird. Es führt uns aber in die Gefahr, in den notwendigen Anpassungen und Entwicklungen des Hochschulgesetzes – die sind sehr grundsätzlich und umfangreich – in das zurückzufallen,was wir in den letzten Jahren durch die noch geschäftsführende Landesregierung erlebt haben, nämlich Stückwerk und Petitessen, Unausgegorenes und Unvollendetes an vielen Stellen. Deshalb macht es keinen Sinn, und deswegen muss ich der Dringlichkeit dieser Idee eine Absage erteilen, diesen Trend, hier ein bisschen und da ein bisschen, nachzuvollziehen. Das we

sentliche Selektionshindernis an den Hochschulen haben wir vor den Sommerferien erfolgreich abgeschafft.

Jetzt kommt es darauf an, die Entwicklung der hessischen Hochschulen und die neuen Steuerungsinstrumente zu überprüfen,zu evaluieren,alle dazu zu hören,was sie dazu meinen, und dann ein Hessisches Hochschulgesetz, das der Zukunft des Landes Hessen in äußerstem Maße zuträglich ist, in Gänze zu novellieren. Deswegen lehnen wir heute dieses Teilstück ab. Wir gehen aber davon aus, dass wir in den nächsten ein bis zwei Jahren gemeinsam eine Novelle des Hessischen Hochschulgesetzes hinbekommen, die die Hochschule auf den richtigen Weg führt. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Als nächste Rednerin hat Frau Sorge für die GRÜNEN das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir GRÜNEN sagen immer, wir wollen mehr Autonomie für die Hochschulen. Aber wir wollen insgesamt bei den Fragestellungen zu mehr Chancengerechtigkeit im Bildungssystem, dazu gehört auch die Durchlässigkeit des Bildungssystems,Grenzen einziehen.Gerade die Änderung bei der Universität Frankfurt ist nicht das, was wir uns wünschen. Sie ist, nebenbei bemerkt, nicht nur nicht durchlässig, sie ist auch kontraproduktiv für das, was ohnehin gerade in den Hochschulen läuft.

Wir wollen mehr Durchlässigkeit. Wir haben bei der Fragestellung, ob Meisterinnen und Meister auch zu den Hochschulen zugelassen werden können, Einigkeit in diesem Haus erzielen können – damals war DIE LINKE noch nicht dabei. Insofern kann man sagen, dass wir alle auf demselben Weg sind. Wir haben alle die gleichen Interessen, nämlich dass diejenigen, die geeignet sind, weitere Bildungschancen bekommen und somit einen Zugang zu den Hochschulen und vor allem auch zu den Universitäten erhalten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Deswegen ist uns die Argumentation des Präsidenten der Universität Frankfurt, Herrn Steinberg, bei der schriftlichen Anhörung nicht stichhaltig genug. Er ist Verfechter der Position, allein das Abitur solle Zulassungsvoraussetzung zu den Hochschulen sein. Diese Haltung empfinde ich als überholt, zum einen wegen der fehlenden Chancengerechtigkeit und Durchlässigkeit des Bildungssystems, zum anderen verändern sich die Hochschulen bei der Umstellung auf modularisierte Studiengänge. Es ist absolut unsinnig, dass an vier Universitäten und den fünf Fachhochschulen der Zugang für diejenigen mit Fachhochschulreife gewährt und allein an der Universität Frankfurt nicht gewährt wird.

Insofern kann ich sagen, wir teilen die Intention des Gesetzentwurfs der LINKEN. Wir wollen mehr Studierende an hessischen Hochschulen haben. Das bedeutet auch, dass die Durchlässigkeit erhöht werden sollte. Wie schon erwähnt, bei den Meisterinnen und Meistern haben wir das in diesem Haus einhellig beschlossen.

Ich möchte noch einmal daran erinnern, weil von Frau Kollegin Wissler eine gewisse Vorwurfshaltung zu hören war: Es waren die GRÜNEN, die dieses Problem überhaupt erst an die Öffentlichkeit gebracht haben.Wenn ich dieses Problem nicht an die Öffentlichkeit gebracht hätte, hätten Sie und die Öffentlichkeit es überhaupt nicht mitbekommen, dass die Uni Frankfurt das geändert hat.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Kollege Dr.Spies hat es schon angedeutet,wir haben hier im Haus sowieso schon die Novelle des Hochschulgesetzes anstehen. Diese Novelle müssen wir langfristig vorbereiten, weil es hier um komplexe Sachverhalte geht. Wir müssen uns Gedanken darüber machen, wie wir zu mehr Autonomie an den Hochschulen kommen. Der jetzt schon vorliegende Antrag von CDU und FDP, Drucks. 17/515, ist dabei nicht das absolut Gelbe vom Ei. Da müssen wir noch einmal nachbessern, weil die Fragen der Mitbestimmung, der Durchlässigkeit, der Chancengerechtigkeit im Bildungssystem bei der Autonomie mit berücksichtigt werden müssen. Gerade bei der Frage des Zugangs können wir das nicht allein den Hochschulen überlassen.

Wir GRÜNE wollen ein Hochschulgesetz aus einem Guss. Wir wollen nicht alle Änderungen, die ohne Frage dringend anstehen, einzeln verabschieden. Frau Kollegin Wissler, ich darf Sie noch einmal an Ihre eigene Argumentation erinnern. Bei der Diskussion um die Abschaffung der Studiengebühren haben Sie unsere Regelungen, die ins Hochschulgesetz aufgenommen werden sollten, herausgestimmt,

(Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

und zwar genau mit der Argumentation, die Novelle des Hochschulgesetzes würde ohnehin anstehen und man könne sich zusammensetzen und überlegen, wie man das Gesetz in einem Guss novelliert bekommt.

(Zurufe von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD:Aha!)

Frau Kollegin Wissler, ich lade Sie mit Ihrem eigenen Argument ganz herzlich dazu ein, dass wir uns alle zusammensetzen, nicht einzelne Änderungen am Hochschulgesetz vornehmen, sondern daran arbeiten, ein gutes Gesetz aus einem Guss zu verabschieden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Nächste Wortmeldung, Frau Kollegin Beer für die FDPFraktion.

Herr Präsident, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Unruhe im Haus zeigt mir, dass ich mich an dieser Stelle kurz fassen sollte, um Ihre Geduld nicht überzustrapazieren.

(Demonstrativer Beifall des Abg. Dr.Thomas Spies (SPD))