Protokoll der Sitzung vom 24.09.2008

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Das sind Sie heute noch!)

Ich praktiziere diese Tätigkeit nicht mehr.

(Zurufe)

In der Physik wird seit Jahrhunderten immer das Perpetuum mobile diskutiert und mit neuen Formen und Ideen angereichert – obwohl längst bewiesen ist, dass es ein solches Gerät nicht geben kann, nämlich ein Gerät, das bei Bewegung keine Energie verbraucht.

Herr Boddenberg, genauso verhält es sich mit dem Fluglärm. Immer mehr Flugzeuge produzieren immer mehr Fluglärm,

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Nein! – Michael Boddenberg (CDU): Falsch!)

egal, mit welchen Umrechnungsfaktoren und Bewertungsformeln Sie dies behandeln. Immer mehr Flugzeuge produzieren immer mehr Fluglärm.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Michael Boddenberg (CDU): Sie wissen, dass das falsch ist!)

Deswegen ist es ausgeschlossen, dass der Lärmindex eine Chance ist – wie Sie schreiben –, „zukunftsorientiert Lärmminderung für Anwohner in der Flughafenregion zu erreichen“.

(Michael Boddenberg (CDU): Sie wissen, dass das falsch ist! – Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Sie sind doch nicht mehr Physiker!)

Das werden Sie nur erreichen,wenn Sie die Zahl der Flugbewegungen reduzieren.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Nein! – Widerspruch des Abg. Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU))

Darüber muss man nicht streiten. Aber Sie wollen das Gegenteil machen.

Meine Damen und Herren, auch ein Beschluss darüber würde die Wahrheit nicht ändern. Denn Sie wissen ja: Mehrheit ist noch lange nicht Wahrheit.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Aber Sie sind nicht die Wahrheit, Herr Kaufmann!)

Wirksam ist ein Lärmindex nach dem Willen seiner Erfinder allenfalls als ein Instrument zur Abwehr von Beschwerden gegen die wachsenden Fluglärmbelastungen und zur Beruhigung der Beschwerdeführer.

Nein, in aller Ernsthaftigkeit sage ich zum Schluss nochmals sehr deutlich: Anträge wie der vorliegende helfen den Menschen, die rund um den Flughafen leben, nicht einen einzigen Millimeter weiter. Sie sind vollständig überflüssig,und wenn sie so formuliert sind wie Drucks.17/658, dann sind sie obendrein nichts als ärgerlich.

Ich erinnere daran, dass seit Februar 2000, seit dem Ende der Mediation, bis heute, dem 24. September 2008, das sind rund achteinhalb Jahre, von den damaligen Versprechen zur Reduzierung der Lärmbelastung der Bevölkerung nichts, aber rein gar nichts tatsächlich umgesetzt wurde.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Statt weniger Krach ist es mehr Krach geworden. Vielleicht fragen sich die Landesregierung und die Antragsteller von CDU und FDP endlich einmal ernsthaft, wer nach alledem Ihnen eigentlich in Sachen Flughafen noch irgendetwas glauben soll. Ich meine, darüber sollten Sie nachdenken – Herr Boddenberg und die Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP –, dann kämen Sie vielleicht endlich einen Schritt weiter. – Vielen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg.Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Erster Vizepräsident Lothar Quanz:

Danke, Herr Kaufmann. – Herr Hahn, Sie haben sich zu einer Kurzintervention gemeldet. Bitte – endlich.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bedanke mich für die schöne Begrüßung.

Herr Kollege Kaufmann, ich möchte zwei Bereiche kurz ansprechen.

Der eine Bereich ist: Sie haben eben gesagt, dass Sie kein Physiker mehr sind. Christean Wagner und ich haben widersprochen, weil wir beachten, dass man immer Physiker ist, wenn man einmal Physik studiert hat.Aber mit Ihrer Aussage, dass immer mehr Flugzeuge auch mehr Fluglärm hervorbringen, haben Sie bewiesen, dass Sie tatsächlich kein Physiker mehr sind.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Es ist sogar für Juristen wie mich und Herrn Dr. Christean Wagner erkennbar, dass man allein dann feststellt, wenn man sich die Karten der Lärmverursachung am Frankfurter Flughafen anschaut, dass das Lärmfeld in den letzten 20 Jahren auf ein Viertel reduziert worden ist,obwohl dort mehr Flugzeuge – nämlich wiederum mal vier – starten und landen. Lieber Herr Physiker, das hat etwas damit zu tun, dass die Geräte um Längen leiser geworden sind. Das erhoffen wir uns von der Technik auch weiterhin.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Ich habe mich nicht deshalb gemeldet, weil ich Jurist bin, sondern weil ich durch und durch ein Liberaler bin.

Herr Kollege Kaufmann, Sie haben vorhin die Äußerung getätigt – leider haben Sie meine Zwischenfrage nicht zugelassen –, dass Freiheit immer vor Regeln gehe. Als eingefleischter Liberaler muss ich Ihnen sagen:Das ist falsch. Freiheit ist kein absoluter Wert. Freiheit steht nicht über irgendetwas, sondern Freiheit ist im Rahmen anderer Werte zu beachten. Freiheit ist der eine Wert; Gleichheit ist der andere. Manche setzen hier noch dritte Werte hinzu.

(Zurufe von der LINKEN: Oh!)

Meine Damen und Herren, ich kann nicht akzeptieren, dass gerade ein GRÜNER, der ansonsten immer wieder Regeln setzt und uns Liberalen häufig vorwirft, dass wir regellos seien, nunmehr während einer Debatte wie an diesem Tage sagt, dass Freiheit vor Regeln gehe. Das ist der Freiheitsbegriff eines politischen Systems des 18. und 19. Jahrhunderts. Das haben wir – –

Erster Vizepräsident Lothar Quanz:

Herr Hahn, die Redezeit ist um. Kommen Sie bitte zum Schluss.

Ich komme zu meinem letzten Satz. – Das kann man mit dem Begriff „Manchesterliberalismus“ umschreiben. Lieber Herr Kollege Kaufmann, seien Sie sich bitte über das im Klaren, was Sie gerade gesagt haben; denn Freiheit ist in Regeln eingebettet, nur dann können Freiheit und Liberalismus überhaupt existieren. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Erster Vizepräsident Lothar Quanz:

Für die FDP-Fraktion hat sich Herr Posch zu Wort gemeldet. Herr Posch, bitte.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich gehöre zu jenen Mitgliedern des Hessischen Landtags, die die Diskussion um den Ausbau der Startbahn West innerhalb der hessischen FDP gemeinsam mit Heinz Herbert Karry und Ekkehard Gries sehr intensiv diskutiert haben.

Wenn ich diese beiden Namen nenne, dann wissen wir alle, wovon ich spreche. Beide Namen haben etwas damit zu tun, dass wir aus der Diskussion über die damaligen Vorkommnisse die Schlussfolgerung gezogen haben: Das, was damals passiert ist, darf es in diesem Lande nie mehr geben.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Meine Damen und Herren, ich betone das deshalb, weil ich eigentlich bis vor Kurzem noch guten Mutes war, da ich uns auf dem Wege glaubte, eine solche Situation tatsächlich nicht herbeizuführen.

Der eine oder andere wird sich noch daran erinnern, dass es damals, als wir zu Zeiten der rot-grünen Koalition das Thema Mediation diskutiert haben, nicht deswegen umstritten gewesen ist, weil man keine Deeskalation wollte, sondern weil wir uns damals die Frage gestellt haben: In welchem Verhältnis steht die Mediation künftig zu den üblichen Genehmigungsverfahren? Das ist im Übrigen ein Konflikt, den wir bis heute nicht gelöst haben, weil nämlich die Mediation und deren Ergebnisse im öffentlichen Bewusstsein natürlich häufig den Eindruck erwecken, als ersetzten sie das Genehmigungsverfahren. Mit diesem Konflikt, dem Dualismus beider Verfahren, haben wir in den letzten zehn Jahren permanent zu tun gehabt.

Herr Kollege Kaufmann und Herr Kollege Frankenberger, ich frage Sie daher: Wissen Sie, worin wir uns bei der Diskussion der letzten zehn Jahre immer unterschieden haben? – Die FDP-Fraktion hat immer gesagt, was sie politisch möchte. Ich stehe auch dazu, dass wir gesagt haben: Wir wollen ein absolutes Nachtflugverbot. Im gleichen Atemzug haben wir aber auch gesagt, dass dies keine Frage sei, die im Hessischen Landtag bzw. vom Parlament entschieden wird, sondern dass wir zwischen politischem Wollen einerseits und den genehmigungsrechtlichen Verfahren im Rechtsstaat andererseits unterscheiden müssen.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Herr Frankenberger, da Sie soeben fast wörtlich gesagt haben, Sie hätten sich als Genehmigungsbehörde an die Beschlüsse des Parlaments gehalten, darf ich Sie daran erinnern,

(Zuruf des Abg. Uwe Frankenberger (SPD))

lassen Sie mich bitte ausreden, dass wir gemeinsam – Sozialdemokraten, Christdemokraten und Liberale – Anträge eingebracht und beschlossen haben, in welchen wir – Herr Kollege Walter hat damals zu Recht immer hierauf hingewiesen – zwischen dem differenziert haben, was wir einerseits politisch wollen, und dem, was nach einer Überprüfung im Planfeststellungsbeschluss andererseits herauskommen kann.Tun Sie bitte nicht so, als hätte es diese Differenzierung nicht gegeben.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Wir haben es mit einem unglaublichen Problem zu tun, weil hier 110 Abgeordnete über etwas diskutieren, dessen rechtliche Relevanz – wenn wir die gerichtlichen Entscheidungen lesen, werden wir dies ebenfalls feststellen müssen – nur bedingt von Bedeutung ist. Das ist unser Problem. Wir haben es aber gemacht, weil wir den Menschen gegenüber deutlich machen wollten, dass wir ihre Probleme ernst nehmen.