Protokoll der Sitzung vom 24.09.2008

Wir haben es mit einem unglaublichen Problem zu tun, weil hier 110 Abgeordnete über etwas diskutieren, dessen rechtliche Relevanz – wenn wir die gerichtlichen Entscheidungen lesen, werden wir dies ebenfalls feststellen müssen – nur bedingt von Bedeutung ist. Das ist unser Problem. Wir haben es aber gemacht, weil wir den Menschen gegenüber deutlich machen wollten, dass wir ihre Probleme ernst nehmen.

Glauben Sie denn im Ernst, wir würden der Auffassung sein, Fliegen sei ohne Lärm möglich? – Wir wissen natürlich, dass dem nicht so ist. Tun Sie aber bitte nicht so, als hätten wir in den letzten 10 bis 15 Jahren auf diesen Gebieten nichts erreicht. – Wir haben Deckelungen, unterschiedliche Kategorien, fluglärmbezogene Entgelte und Ähnliches mehr. In Bezug auf das subjektive Empfinden ist es natürlich so,dass der eine oder andere sagen wird,da hat sich keine Verbesserung ergeben. Das liegt natürlich daran, dass wir gleichzeitig einen Anstieg haben. Da es diesen gibt, brauchen wir auch eine neue Landebahn.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Herr Kollege Kaufmann, wenn die CDU und die FDP heute einen Antrag einbringen, der sich auch mit dem Thema Rechtsstaat befasst, dann sollten Sie diesen bitte richtig lesen; und Sie sollten diesen bitte nicht nur bis zur Hälfte vorlesen, denn dem Betreff „Rechtsstaat duldet keinen Rechtsbruch“ ist hinzuzufügen: „Weg des regionalen Dialogs war und ist erfolgreich“.

Die FDP-Fraktion war neben anderen eine Fraktion, die gesagt hat: Es darf nach der Mediation und dem Regionalen Dialogforum nicht sein,dass im Anschluss kein Dialog mehr mit der Region geführt wird. Wir waren diejenigen, die gleich während der Sommerpause gesagt haben: Wir wollen eine Nachfolgeorganisation für das Regionale Dialogforum.

Herr Kaufmann, wir haben auch gesagt, dass wir darüber diskutieren wollen, ob künftig beispielsweise der Lärmindex eine Möglichkeit sein könnte. Sie wissen ganz genau, dass sich der Lärmindex gemäß der gegenwärtigen Rechtslage im Planfeststellungsbeschluss nicht wiederfinden kann, sondern ausschließlich – ich füge hinzu: leider – in der Begründung des Planfeststellungsbeschlusses erwähnt wird. Daher haben wir gesagt und an Sie appelliert, zu dieser Gemeinsamkeit zurückzukommen und darüber nachzudenken, wie wir das Regelwerk insgesamt, also nicht nur für Frankfurt, sondern deutschland- und europaweit, so verändern können, dass wir in der Tat zu einem

Regelwerk kommen werden, das dem Gedanken des Lärmschutzes noch mehr Rechnung trägt.

Meine Damen und Herren, wenn ich soeben gesagt habe, dass ich dies heute mit tiefer Betroffenheit feststellte, weil ich geglaubt hätte, dass wir nicht mehr zu solchen Diskussionen kommen würden, dann hat das etwas mit dem Verhalten der neuen Fraktion in diesem Hause zu tun. – Herr Kaufmann, wir sind in der Frage der Notwendigkeit des Ausbaus unterschiedlicher Auffassung. Dennoch gab es in Bezug auf das Regionale Dialogforum und die Mediation einen Kosens. DIE LINKE schließt sich aber diesem Konsens zum Dialog nicht an, sondern unterstützt das Hüttendorf aktiv.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der LINKEN)

Meine Damen und Herren, wer wie DIE LINKE ein sogenanntes Fraktionsbüro zur Unterstützung eines rechtswidrig errichteten Camps im Kelsterbacher Wald einrichtet und damit rechtswidriges Verhalten der Initiatoren aktiv unterstützt, stellt sich außerhalb des bisher im Hessischen Landtag vorhandenen verfassungspolitischen Grundsatzes, sich als Teil des Verfassungsorgans Landtag an Recht und Gesetz zu halten. Dieser Grundkonsens wird von dieser Fraktion aufgegeben, wenn sie auf diese Art und Weise ein rechtswidriges Verhalten Dritter im Kelsterbacher Wald unterstützt.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Darüber sollten sich die Fraktionen von SPD und GRÜNEN einig sein. Sie müssten von einer Fraktion, mit der Sie gemeinsam arbeiten wollen, erwarten, dass dieser verfassungspolitische Konsens nicht infrage gestellt wird. Ich kann von dem Bürger nicht verlangen, dass er sich an Recht und Gesetz hält, ich kann von der Verwaltung nicht verlangen, dass der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung ein tragender Grundsatz des Rechtsstaates ist,und es gleichzeitig verharmlosen,wie Sie es eben getan haben, dass die Linksfraktion rechtswidriges Tun im Kelsterbacher Wald nicht nur toleriert, sondern aktiv unterstützt.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Das hat etwas mit sehr prinzipiellen Fragen zu tun. Ich kenne die Diskussion aus den Sechziger-, Siebzigerjahren mit der Doppelstrategie, außerparlamentarisch tätig zu sein und gleichzeitig parlamentarisch mitagieren zu wollen.Wenn man in diesem Parlament ist,dann ist es die verdammte Pflicht und Schuldigkeit,selbst Recht und Gesetz zu beachten. Das wird durch eine Fraktion nicht gemacht.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Herr Kollege Kaufmann, dann ist es kein vernünftiger Stil, so zu tun, als würden wir krampfhaft ein Problem hochblasen. Ich bin davon betroffen, weil wir jetzt eine ähnliche Situation haben, wie sie damals begonnen hat. Herr Frankenberger, ich bin bei Ihnen, wenn Sie sagen, man solle Deeskalation praktizieren.Aber machen Sie es sich bitte nicht so einfach,wie Sie es eben getan haben.Sie haben fälschlicherweise gesagt, das sei eine Sache von Kelsterbach und des dortigen Bürgermeisters. Wenn die Frage der Besitzeinweisung rechtlich relevant wird – wenn Sie es nicht wissen, lassen Sie sich von Ihrem Kollegen Walter aufklären; der kennt sich in der Materie bestens aus –, dann ist das keine Frage mehr des Bürgermeisters von Kelsterbach. Haben Sie völlig vergessen, dass wir Anteilseigner von Fraport sind?

(Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Wir sind Mehrheitseigentümer. Letztendlich muss Fraport den Antrag auf vorläufige Besitzeinweisung stellen. Dann haben wir den Konflikt. Dann tun Sie doch nicht so, und bagatellisieren dies und sagen, damit hätten wir als Hessischer Landtag nichts zu tun. Herr Kollege Frankenberger, so doof kann man doch gar nicht sein.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Lebhafte Zu- rufe von der SPD)

Entschuldigung, wenn ich das in dieser Art und Weise ausdrücke. Ein bisschen mehr Behutsamkeit in der Recherche. – Ich habe mich dafür entschuldigt. Ich glaube, damit ist es gut.

Erster Vizepräsident Lothar Quanz:

Herr Kollege Posch,ich glaube,das Wort „doof“ war überzogen.

(Jörg-Uwe Hahn und Florian Rentsch (FDP): Er hat sich schon entschuldigt!)

Sie haben sich entschuldigt, damit ist das geklärt.

(Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Herr Präsident, ich nehme das gerne zur Kenntnis. Darüber werden wir uns bei Gelegenheit noch auf andere Art und Weise unterhalten.

Herr Kollege Frankenberger, ich will deshalb noch einmal auf das eingehen, was Sie in einem anderem Zusammenhang hier gesagt haben. Sie haben erneut die Position vertreten, der Planfeststellungsbeschluss könne aus dem Parlament heraus nicht geändert werden. Da haben Sie Recht.Das ist richtig.Das ist völlig unstreitig.Aber Sie haben wieder die These vertreten, man hätte das vertraglich regeln können.Der Ministerpräsident hat Herrn Walter in einer der Debatten ein Kolloquium privatissime et gratis gegeben, indem er dargestellt hat, dass die vertragliche Regelung nicht geht.Tun Sie auch bitte nicht so, als könne man im gerichtlichen Verfahren einen Vergleich abschließen, nach dem Motto: Wir handeln gerade eben ein paar Nachtflüge aus. – Das ist ein völlig falsches Verständnis eines solchen Verfahrens.

Wir befinden uns nicht in einem Zivilprozess, wo wir befugt sind, über bestimmte Dinge zu verfügen und dementsprechende Vergleiche zu schließen. In einem gerichtlichen Verfahren wird entschieden, ob der Abwägungsprozess, den die Genehmigungsbehörde vorgenommen hat, richtig ist oder nicht. Das kann man nicht einfach verhandeln.

(Zuruf der Abg. Hildegard Pfaff (SPD))

Sie versuchen, damit den Eindruck zu erwecken, als sei das disponibel. Das ist nicht der Fall.

Herr Kaufmann hat moniert, dass wir uns innerhalb von fünf Plenarwochen das dritte Mal des Themas Frankfurter Flughafen annehmen. Ich meine, aus gutem Grund. Die Fortsetzung des Regionalen Dialogforums mit anderen Mitteln ist, glaube ich, ein politisches Anliegen, das im Hessischen Landtag diskutiert werden muss. Die Tatsache, dass es erste Ansätze gibt, dass sich das Hüttendorf oder Camp verfestigt, ist ebenfalls ein Grund dafür, dass sich der Hessische Landtag über diese Frage auseinandersetzt. Meine Damen und Herren, deswegen ist unser An

trag hier gestellt worden. Wir wollen damit dokumentieren, welche Bedeutung der Frankfurter Flughafen für uns hat und mit welchen Mechanismen wir versuchen wollen, einen Ausgleich in der Region, zwischen den betroffenen Menschen einerseits und der wirtschaftlichen Bedeutung des Frankfurter Flughafens andererseits, herzustellen. Das ist der Sinn unseres Antrages.Wir wären Ihnen dankbar, wenn Sie uns unterstützen können. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Erster Vizepräsident Lothar Quanz:

Vielen Dank, Herr Kollege Posch. – Für die Fraktion DIE LINKE hat sich Frau Wissler zu Wort gemeldet. Frau Wissler, bitte.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Das ist die Richtige! – Gegenruf der Abg. Marjana Schott (DIE LINKE): Ja!)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Auch heute Morgen ist der Flughafenausbau wieder Thema im Hessischen Landtag.Da scheint es bei der CDU noch einiges an Diskussionsbedarf zu geben. Dafür, dass der Landtag oder die Politik zum Flughafenausbau eigentlich gar nichts mehr zu sagen hätte, wie es immer heißt, sagen Sie doch relativ viel dazu.Das bestätigt mich in der Annahme, dass Herr Minister Rhiel im Unrecht ist,was die Frage des Nichtkönnens angeht, was den Planfeststellungsbeschluss angeht, sondern es geht vielmehr um das Nichtwollen. Das letzte Wort liegt bei der Politik. Deswegen ist es gut, dass wir heute wieder darüber reden und dass wir die wichtigen Argumente der Ausbaugegner vortragen und unsere Position darstellen können.

(Beifall bei der LINKEN – Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Wir wollen über Ihre APO-Methoden sprechen! Das ist der Punkt!)

Ich möchte zu verschiedenen Punkten Ihres Antrages etwas sagen. Ich fange oben an. Zum Regionalen Dialogforum möchte ich bemerken, dass ich denke, dass man mit überschwänglichen Entschließungsanträgen zum Erfolg des Regionalen Dialogforums angesichts der Kritik,die es daran von allen Seiten gibt, doch zumindest sehr vorsichtig sein sollte. Verschiedene Beteiligte haben festgestellt, dass hier kein Dialog auf Augenhöhe stattgefunden hat. Bei den abschließenden Veranstaltungen des RDF waren Verärgerung und Wut aufseiten der Vertreter der Kommunen groß. Das haben Sie alle mitbekommen. Wichtige Dialogpartner, wie das Bündnis der Bürgerinitiativen gegen den Flughafenausbau, aber auch die Umweltverbände, wurden mit inakzeptablen Festlegungen oder durch Tatsachen schaffendes Handeln der Landesregierung aus dem Dialog herausgedrängt. Der Dialog hatte einzig und allein die Funktion, einem erklärten und vorab festgelegten Ziel, nämlich dem weiteren Ausbau des Rhein-Main-Flughafens, zumindest ein wenig Akzeptanz in der Bevölkerung zu verschaffen. Es besteht auch kein Anlass, zu hoffen, dass das neu geschaffene Forum Flughafen und Region, weiter unter der Führung von JohannDietrich Wörner, der bereits das Dialogforum zum Misserfolg geführt hat, einen wesentlich anderen Charakter haben wird.

(Beifall des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE) – Mark Weinmeister (CDU): Blödsinn!)

Oder, um es mit den Worten des Offenbacher Stadtrates Paul-Gerhard Weiß, der der FDP angehört, zu sagen, der es auf den Punkt gebracht hat:

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Guter Mann!)

„Ein neues Gremium, das die Region nur chloroformiert, brauchen wir nicht.“

(Beifall bei der LINKEN)

Die Mediation war misslungen. Wesentliche gesellschaftliche Gruppen und große Teile der Bevölkerung fühlen sich nicht gehört.Aber selbst die dürftigen Ergebnisse der Mediation wurden von der Landesregierung eben nicht im Planfeststellungsbeschluss umgesetzt. Dieser wurde viel zu hastig und ohne ausreichende Prüfung erlassen. Damit wurden Tatsachen geschaffen.

Nach der Vielzahl gebrochener Versprechen der verschiedenen Landesregierungen zum Thema Flughafenausbau – beispielsweise, für den Flughafen werde kein Baum mehr fallen – hat nun der geschäftsführende Ministerpräsident

(Ministerpräsident Roland Koch: Hier!)

hier ist er – noch eins draufgesetzt: von dem nicht verhandelbaren Nachtflugverbot ohne Interpretationsspielräume zu regelmäßigen Nachtflügen im 20-Minuten-Abstand. Sie stehen nicht zu Ihren eigenen Zusagen. Das war ein klares Versprechen an die Menschen in der Region. Das haben Sie gebrochen.

(Beifall bei der LINKEN – Zuruf des Abg. Frank Gotthardt (CDU))

Der Antilärmpakt, der in Ihrem Antrag auch angesprochen ist, enthält nichts Substanzielles für die Städte und Gemeinden im Großraum Rhein-Main. Er enthält keine belastbaren und konkreten Verbesserungen für die Menschen,die vom Fluglärm geplagt sind.Er enthält nicht einmal ein Nachtflugverbot in der sogenannten Mediationsnacht – ein aberwitziger Begriff –, also in der reduzierten Nacht zwischen 23 und 5 Uhr. Stattdessen ist er eine Sammlung von vagen Versprechungen und Absichtserklärungen der Beteiligten, die keinerlei verbindliche und nachprüfbare Vereinbarungen enthält.

(Michael Boddenberg (CDU): Und jetzt kommen Sie zum Hüttendorf!)