Protokoll der Sitzung vom 24.09.2008

Herr van Ooyen, lassen Sie Zwischenfragen zu?

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Ja!)

Herr Kollege Hahn, bitte schön.

Herr Kollege van Ooyen, Sie haben eben die Schießwütigkeit der anderen Parteien angesprochen, also auch die Schießwütigkeit des Kollegen Dr. Wagner und von mir. Darüber hinaus haben Sie gesagt, dass die anderen Parteien – ich personifiziere das wieder auf meine Person – Schreibtischtäter sind.

Sind Sie gewillt, sich unverzüglich von dieser Aussage nicht nur zu distanzieren, sondern sich auch unverzüglich bei uns allen persönlich zu entschuldigen?

Wenn Sie sich persönlich getroffen fühlten, dann wäre ich bereit, mich zu entschuldigen.

(Lebhafte Zurufe)

Aber – –

Meine Damen und Herren!

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Wer gegen die Mehrheit in diesem Land Entscheidungen für eine Kriegspolitik trifft, der ist mitschuldig daran – – Fortgesetzte lebhafte Zurufe)

Herr van Ooyen!

(Wortmeldung des Abg.Axel Wintermeyer (CDU))

Eine weitere Zwischenfrage?

(Axel Wintermeyer (CDU): Zur Geschäftsordnung! Meine Damen und Herren!)

Erst einmal bin ich dran.

(An den vorigen Redner, Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE), gewandt)

Bitte, gehen Sie hier vorne weg, denn ich muss die Sitzung kontrollieren. – Danke schön.

So, jetzt gebe ich Ihnen das Wort.

Herr Präsident, ich beantrage die unverzügliche Einberufung des Ältestenrates.

Hier hat ein Mitglied,der Fraktionsvorsitzende der Linkspartei im Hessischen Landtag, die anderen Parteien als „schießwütig“ bezeichnet und auch noch zusätzlich Abgeordnete wie Herrn Dr. Wagner und Herrn Hahn von der FDP beleidigt. Das können wir nicht auf uns sitzen lassen. Deswegen wollen wir die sofortige Einberufung des Ältestenrates.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, dem Antrag auf Einberufung des Ältestenrates ist stattzugeben.

Ich berufe den Ältestenrat in den Raum 103 A ein. Aber wir sollten erst in zehn Minuten beginnen,damit wir einen Protokollauszug zur Verfügung haben.Ich berufe also den Ältestenrat für 11.25 Uhr ein.

(Unterbrechung von 11.15 bis 12.25 Uhr)

Ich eröffne die unterbrochene Sitzung wieder.Wir fahren fort.

Ich will Ihnen zunächst mitteilen,dass der Ältestenrat den Beschluss gefasst hat, die Äußerungen des Herrn Abg. van Ooyen, die uns bekannt geworden sind, auf das Schärfste zu verurteilen.

(Zurufe von der SPD)

Okay, die deutsche Sprache ist, juristisch gesehen, kompliziert: zu missbilligen. – Der Ältestenrat hat ihn aufgefordert, sich für das, was er gesagt hat, zu entschuldigen, und zwar ohne Wenn und Aber.

Formal ist es so, dass wir uns in der Debatte zu einem Tagesordnungspunkt befinden und Herr van Ooyen gerade eine Rede hielt. Er hat jetzt noch eine Redezeit von 2 Minuten 30 Sekunden, und deshalb erteile ich ihm jetzt wieder das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach der Diskussion im Ältestenrat nehme ich das von mir Gesagte hinsichtlich der Schießwütigkeit der CDU, der Parteien und hinsichtlich der Schreibtischtäter im Zusammenhang mit den Kriegen in Afghanistan und im Irak und in aller Welt mit dem Ausdruck des Bedauerns zurück und entschuldige mich dafür.

Meine Damen und Herren, ich habe im Ältestenrat mitgeteilt, dass ich die Entscheidung, welche in diesem Haus vorgesehene Ordnungsmaßnahme ich ergreife, von dieser Erklärung abhängig machen werde. Gemäß § 75 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Hessischen Landtags rufe ich Herrn Abg. van Ooyen wegen seiner hier gemachten Aussagen zur Ordnung.

Meine Damen und Herren, jetzt setzen wir die Debatte fort. Das Wort hat der Herr Ministerpräsident.

Ich hatte mich schon vorher zu Wort gemeldet. Wie Herr Vizepräsident Quanz bestätigen kann, hat sich die Reihenfolge der Wortmeldungen nicht geändert. Das sollte ich vielleicht angesichts der Konstellation sagen, die sich ergeben hat. Denn natürlich hat die Debatte durch das, was hier im Parlament stattgefunden hat und im Ältestenrat besprochen wurde, eine andere Qualität erhalten.

Meine Damen und Herren, ich denke, trotzdem darf diese Frage nicht untergehen. Die Emotionalität hat den Begriff Deeskalation vielleicht jetzt in besonderer Weise untermalt. Es geht um die Frage, die hinter dieser Diskussion steht und die uns in den nächsten Wochen mit dem Hüttendorf beschäftigen wird.

Das, was Herr Kollege van Ooyen hier gesagt hat, war inakzeptabel. Wir haben ihm das klargemacht. Er hat sich dafür entschuldigt.

Aber ich muss auch sagen: Die Diskussion darüber, dass es ein Büro seiner Fraktion in einem rechtswidrig errich

teten Hüttendorf gibt, besteht ebenso wie die Frage, in welcher Weise die Polizei dadurch belastet wird, fort. Es handelt sich nach wie vor um eine Diskussion, die Anlass zur Sorge, wenn nicht zu mehr, gibt. Deshalb glaube ich, dass wir gut beraten sind, wenn wir hier im Parlament das, was Herr Abg. Al-Wazir hinsichtlich des Phänomens der Deeskalation als eines der Elemente,das man aus den Debatten gelernt hat, sehr präzise ansprechen.

Herr Kollege Al-Wazir, die Sitzungsunterbrechung hat mir die Zeit und die Möglichkeit gegeben, die Rede des ehemaligen Innenministers Gottfried Milde zu lesen – ich kann nur empfehlen, das zu tun –, der der Verantwortliche für die hessische Polizei war, als die zwei Beamten Opfer wurden. Sie beschäftigt sich gerade auch sehr mit dem Begriff der Deeskalation.

Wir wollen nicht, dass in einem freiheitlichen Rechtsstaat Polizeibeamte Menschen in ihrer Freiheit einschränken. Herr van Ooyen, deshalb waren die Worte, die Sie gebraucht haben,so infam.Vielmehr wollen wir,dass die Polizeibeamten aus fester Überzeugung die Mittel der Autorität und der Gewalt einsetzen, um die Freiheit der Menschen zu sichern und zu verfestigen.

(Beifall bei der CDU, der FDP und des Ministers Volker Hoff)

Ein Polizeibeamter dieses Landes wird nicht ausgebildet und wird nicht Polizist, um andere Menschen zu drangsalieren.Ich habe seit nahezu einem Jahrzehnt jedes Jahr gemeinsam mit dem Innenminister die Gelegenheit, die neuen Beamtinnen und Beamten dieses Landes zu vereidigen. Dabei habe ich sehr viele von ihnen kennengelernt. Das ist so der Fall, wenn man eine solche Rolle und diese Führungsverantwortung hat.

Deshalb weiß ich: Sie wollen keinen Einsatz in der Stärke von Hundertschaften mit martialischer Ausrüstung haben, bei der sie Demonstranten irgendwelcher Provenienz gegenüberstehen und am Ende Gefahr laufen, mit Steinen beworfen oder mit Zwillen beschossen zu werden. Am Ende müssen sie die Demonstranten vielleicht auch noch wegtragen. Der Traum eines deutschen oder eines hessischen Polizeibeamten – jedenfalls derer, die ich kennengelernt habe –, besteht nicht aus einem paramilitärischen Einsatz gegen Demonstranten. Vielmehr wollen sie lieber friedlich eine Demonstration begleiten.

(Beifall bei der CDU und der FDP sowie des Mi- nisters Volker Hoff)

Ich kenne keinen Polizeibeamten, der nicht aus innerer Überzeugung deeskalieren will.

Wir sollten an all das denken, was in den letzten Jahren passiert ist. Man muss schon einmal sagen: In den letzten neuneinhalb Jahren gab es in Hessen viele Herausforderungen. Gerade in den letzten zwei Jahren gab es schwerste Bedrohungen durch Terroristen. Es hat schwierige Einsätze bei Demonstrationen mit links- und rechtsradikalen Gruppen gegeben. Das ganze Frankfurter U-Bahn-System wurde lahmgelegt. Sprengkörper wurden in Papierkörbe gelegt. Es geschah noch einiges mehr.

Sicherlich gab es, gerade auch von den Rechtsradikalen, kleinere Provokationen und Auseinandersetzungen, die ein großes Ganzes werden sollten. Es ist der hessischen Polizei unter Führung dieses Innenministers gelungen,die Problematiken so aufzulösen, dass es nicht zu martialischen Schlachten gekommen ist. Dabei hat der Rechtsstaat immer gewonnen. Genau das ist das Prinzip, das auch in Zukunft gelten muss: Wir wollen keine martiali

schen Schlachten. Wir wollen, dass der Rechtsstaat gewinnt.

(Beifall bei der CDU, der FDP und des Ministers Volker Hoff)

Herr Al-Wazir, sehen Sie: Genau an diesem Punkt wird es spannend. Es geht dabei um die Frage, wer wen wie gefährdet und ob der Rechtsstaat dabei gewinnen kann.

Der Bürgermeister von Kelsterbach sagt, die Einrichtung des Hüttendorfs sei rechtswidrig gewesen. Er sagt – aus Sicht unserer Polizei zu Recht –: Das Hüttendorf kann Gewalttäter aus anderen Bereichen anziehen. Drittens sagt er: Ich will, dass das in absehbarer Zeit beendet ist. – Er hat dazu eine sehr konkrete Frist gesetzt. Das ist die Seite des Rechtsstaats. Ich habe bisher niemanden gehört, der gesagt hat, dass der Bürgermeister von Kelsterbach dabei mit irgendeinem seiner Sätze Unrechtmäßiges oder Unangemessenes mitteilen würde.

Vor diesem Hintergrund muss man sich das Verhalten einer Fraktion ansehen. Natürlich wollen wir uns als Parlamentarier insgesamt vor die Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten stellen, die in unserem Land Dienst tun und die im Dienste dieser Verfassung arbeiten.Was passiert eigentlich, wenn diese Beamten sehen, dass es dort ein rechtswidrig errichtetes Dorf gibt, das in absehbarer Zeit geräumt werden soll und bei dem das Risiko besteht, dass es Gewalttäter anzieht? Nach allgemeiner Übereinstimmung ist das so. Und dann eröffnet eine der Fraktionen dieses Landtags in diesem Dorf ein Büro. Was für eine Botschaft geht davon aus? Herr Al-Wazir, handelt es sich dabei um Deeskalation? Ist das Deeskalation? Ich sage Ihnen: Es handelt sich dabei um eine bewusste Eskalation. Sie passiert genau in diesen Tagen aus all den Gründen, die politisch damit gemeint sind.