Protokoll der Sitzung vom 25.09.2008

(Beifall bei der FDP)

Wir brauchen hier Personal für einfache Tätigkeiten. Die Kinder müssen gewickelt werden. Die Kinder müssen aus- und angezogen werden.Es muss ein Erwachsener dabei sein, wenn sie mittags schlafen. Das muss keine ausgebildete Erzieherin sein. Dafür kann ich genauso gut anderes Personal verwenden.

Auf der anderen Seite brauche ich für Bildungsaufgaben in den Kindertagesstätten Grundschullehrerinnen, die die Kinder in Kleingruppen auf die Schule vorbereiten. Ich brauche Kinderpsychologen und Förderschullehrerinnen in den Kindertagesstätten. Denn nur wenn ich sehr, sehr früh feststelle, wo Defizite bei den Kindern sind und dann hoch fachkompetent mit den Eltern reden kann, kann ich solche Defizite früher ausbügeln, bevor die Kinder überhaupt in die Schule kommen,wo sich solche Defizite sonst erst feststellen lassen.

(Beifall bei der FDP)

Die FDP will Kindertagesstätten zu Familienzentren ausbauen,wo Eltern Rat und Hilfe finden,wo sie kompetente Ansprechpartner für kleine, einfache Probleme finden – und sei es, dass die Kinder nicht einschlafen wollen, sei es, dass die Kinder nicht durchschlafen wollen. Dafür brauchen sie Ansprechpartner aus verschiedenen Berufsfeldern, die die Kinder den Tag über in der Einrichtung beobachten können und den Eltern konkrete Hilfestellung leisten können.

Meine Damen und Herren, deshalb fordern wir ein Gesamtkonzept zur vorschulischen Bildung, das folgende Punkte umfasst: Wir wollen die Kindertagesstätten in das Kultusministerium umressortieren.Wir wollen einen Personalmix in den Kindertagesstätten, und wir wollen unsere Kinderschule verpflichtend für alle Fünfjährigen.

(Zuruf des Abg. Frank Gotthardt (CDU))

Wir fordern aber genauso ein Gesamtkonzept für die schulischen Einrichtungen.Wir wollen mehr Eigenverantwortung für die Schule, eine 105-prozentige Lehrerzuweisung, außerdem einen Personalmix nach Entscheidung der Schule und eine Lehrerzuweisung nach der Kinderzahl und nicht nach Klassengröße.

(Beifall bei der FDP)

Wir wollen einen Systemwechsel. Wir wollen neue Dinge für die Schulen. Dieses Problem kann man nicht mit einem Herumdoktern an Klassengrößen und Verordnungen lösen.

(Beifall bei der FDP und des Abg. Hans-Jürgen Ir- mer (CDU))

Vielen Dank, Frau Kollegin Henzler. – Nächster Redner ist Herr Kollege Wagner für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Das Internet ist eine gute Erfindung. Als ich den Antrag gelesen habe, kam mir das Zitat „Politik ist die Kunst des Machbaren“ in den Sinn. Ich wollte schauen, von wem das ist. Ich gebe zu, es war mir entfallen. Auf der Suche stieß ich auf ein Zitat, das noch viel besser zu dem Antrag der LINKEN passt.Es ist von dem kubanischen Revolutionär Che Guevara: Seien wir realistisch, versuchen wir das Unmögliche. – Dieser Gedanke hat wohl bei dem Antrag der LINKEN Pate gestanden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Wer könnte gegen das sein, was die Fraktion DIE LINKE heute beantragt hat? Die Fraktion DIE LINKE sagt: Die Klassen in den Schulen sollen endlich kleiner werden,und die Gruppengrößen in den Kindertagesstätten sollen endlich geringer werden. – Das ist etwas, das alle vier Fraktionen des Hessischen Landtags schon seit Jahren vertreten. Jetzt vertritt es auch noch eine fünfte Fraktion. Ich kann nur sagen: herzlich willkommen. Wir sind uns in dieser Frage in diesem Haus vollkommen einig.

Aber jetzt kommt die Frage: Hilft ein solcher Antrag, der eine einzelne Maßnahme herausgreift, wirklich weiter? Frau Kollegin Cárdenas, ich muss Ihnen sagen, ich will noch viel mehr an unseren Schulen und in unserem Bildungssystem erreichen. Kleinere Klassen und kleinere Gruppengrößen in der Kita sind sicherlich wichtige Veränderungen. Ich hoffe, wir sind uns einig, dass noch sehr viel mehr geschehen muss, damit unser Bildungssystem national und international mithalten kann.

Wir GRÜNE haben immer gesagt: Wir wollen relativ schnell ein Sofortprogramm Schule auf den Weg bringen, wir wollen relativ schnell die personelle und sächliche Ausstattung der Schulen verbessern. – Dazu finde ich in Ihrem Antrag nichts.

Wir haben gesagt: Wir wollen die frühkindliche Bildung insgesamt stärken, nicht nur hinsichtlich der Gruppengrößen, sondern auch für den Bildungs- und Erziehungsplan. – Dazu lese ich in Ihrem Antrag nichts.

Wir wollen – da sind wir uns mit den Kollegen von der SPD einig – die schrittweise Einführung der flexiblen Schuleingangsstufe an den Grundschulen.Wir wollen eine Ausweitung des Ganztagsschulprogramms an den Schulen. Es muss mehr Möglichkeiten für längeres gemeinsames Lernen dort geben, wo Eltern das für ihre Kinder wollen. Wir wollen bessere Arbeitsbedingungen für Leh

rerinnen und Lehrer. Wir wollen eine Ausweitung der Schulsozialarbeit und noch vieles mehr.

(Zuruf des Abg. Dr.Walter Lübcke (CDU))

Herr Kollege Lübcke, ich glaube, es ist auch in Ihrer Fraktion nicht strittig, dass das Maßnahmen sind, die das Bildungssystem verbessern würden. Ich will den ganzen Katalog von notwendigen und wichtigen Maßnahmen einmal aufmachen, um darauf zurückzukommen, dass das mir ursprünglich eingefallene Zitat das Richtige ist, nämlich: Politik ist die Kunst des Machbaren.

Eine verantwortungsvolle Bildungs- und Schulpolitik muss sich anschauen, welche Verbesserungen man für die Schulen und die Kitas benötigt, welches Gesamtkonzept gebraucht wird, welche Maßnahmen besonders prioritär sind und welche Maßnahmen etwas länger warten können.Dann muss man schauen – das ist dann die Politik der Kunst des Machbaren, im Unterschied zu einem Wunschzettel –, wie man das finanzieren und in welchen Schritten man das umsetzen kann. Diese Abwägung und Prioritätensetzung kann und muss man von jeder Fraktion in diesem Hessischen Landtag verlangen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,der CDU und der FDP)

Was ist für die Schülerinnen und Schüler, für die Lehrerinnen und Lehrer und für die Erzieherinnen und Erzieher in diesem Land gewonnen, wenn wir nur aufschreiben, was wünschbar ist? Was ist gewonnen, wo verändert das die Realität?

(Axel Wintermeyer (CDU): Das ist Kommunismus!)

Aus meiner Sicht reicht es nicht, wenn man mit einem Antrag, der noch nicht einmal in die Haushaltsberatungen eingestellt ist, mir nichts, dir nichts 400 Millionen c ausgeben will, ohne sich einer Abwägung zu stellen, welche anderen Maßnahmen vielleicht auch wichtig sind, ohne zu sagen, was man dann nicht machen kann, wenn diese Forderung realisiert wird. Genau dieser Gesamtabwägung stellen Sie sich hier nicht. Unsere Schulen und Kindertagesstätten haben es verdient, dass wir über Gesamtkonzepte reden, für die man vielleicht keinen populistischen Beifall bekommt, die aber tatsächlich an der Situation in unserem Land etwas ändern würden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,der CDU und der FDP)

Wir GRÜNE wollen mehr in Bildung investieren. Frau Cárdenas, Sie haben dankenswerterweise aus unserem Wahlprogramm zitiert.Sie haben dann etwas spöttisch gefragt, auch die Kolleginnen und Kollegen der anderen Fraktionen, warum das noch nicht umgesetzt ist.

(Zuruf des Abg.Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Ich möchte darauf hinweisen, dass die Landtagswahl noch nicht so lange her ist und wir noch keine festen Mehrheitsverhältnisse in diesem Landtag haben.Was ich Ihnen nicht durchgehen lasse, ist, dass Sie die Fraktionen, die sich in ihren Wahlprogrammen mehr oder minder darum bemüht haben, ein Gesamtkonzept zu entwickeln, und sich um die schwierige Abwägung bemüht haben, den Menschen nicht mehr zu versprechen, als in einer Legislaturperiode im Rahmen eines Landeshaushalts realisierbar ist, denunzieren und über diese Mühe spöttisch reden. Das ist nicht richtig. Man kann das machen, man kann „Wünsch dir etwas“ in ein Wahlprogramm schreiben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,der CDU und der FDP – Florian Rentsch (FDP): Endlich sagt es einmal einer!)

Der fairere, der offenere und der ehrlichere Umgang ist, so haben zumindest wir GRÜNE das in unserem Wahlprogramm gemacht – –

(Michael Boddenberg (CDU):Wir auch!)

Herr Kollege Boddenberg, ich wollte Sie jetzt nicht vereinnahmen.Ich weiß,Sie hätten es gern,dass wir uns mehr vereinnahmen lassen. Es tut mir leid, das ist heute nicht drin.

(Florian Rentsch (FDP): Von wem lasst ihr euch denn vereinnahmen? – Zuruf des Abg. Michael Boddenberg (CDU))

Ich spreche für unser Programm. Wir haben uns diese Mühe gemacht. – Frau Präsidentin, Herr Kollege Rentsch hat sich zu Wort gemeldet.

Herzlichen Dank, ich habe es diesmal gesehen. – Herr Kollege Rentsch möchte eine Zwischenfrage stellen, lassen Sie sie zu?

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Selbstverständlich!)

Frau Präsidentin,vielen Dank.– Herr Kollege Wagner,Sie haben gerade gesagt, Sie lassen sich nicht von der CDU vereinnahmen. Lassen Sie sich sonst von irgendwelchen Parteien in diesem Haus vereinnahmen?

Auch wenn das eine freundliche Aufforderung war, uns von der FDP vereinnahmen zu lassen – nein,Herr Kollege Rentsch,wir sind von Inhalten beseelt und machen unsere Politik davon abhängig.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Hans-Jürgen Irmer (CDU): Darauf bauen wir in den nächsten Wochen, Herr Kollege!)

Weil es um diese Inhalte geht, haben wir GRÜNE in unserem Programm sehr präzise beschrieben, was innerhalb einer Legislaturperiode mit den begrenzten Möglichkeiten eines Landeshaushalts für die Bildung möglich ist.Wir wollen eine Menge umschichten.Wir wollen, dass Bildung in diesem Landeshaushalt Priorität bekommt und dass wir deutlich mehr in Bildung investieren.Ja,wir reden in einer Perspektive von fünf Jahren über einen dreistelligen Millionenbetrag, den wir in Bildung investieren müssen.

Dann müssen wir sagen, dieser finanzpolitische Kraftakt wird in einer Legislaturperiode nicht ausreichen, alle Probleme des Bildungswesens zu lösen.Wenn man das einmal akzeptiert, muss man eine Prioritätensetzung vornehmen. Dann muss man sagen, was besonders wichtig ist und was als Erstes und was als Zweites angegangen werden soll. Das haben wir in unserem Wahlprogramm sehr präzise beschrieben, indem wir gesagt haben, wir wollen zuerst ein Sofortprogramm für die Schulen, damit die finanzielle und personelle Situation an den Schulen verbessert wird und sich die Lage an unseren Schulen entspannt. Darauf

bauen weitere Reformen auf, die wir Schritt für Schritt verwirklichen wollen.

Das ist der ehrlichere Ansatz. Das ist der Ansatz, von dem die Lehrerinnen und Lehrer, die Schülerinnen und Schüler sowie die Eltern etwas haben. Es bringt überhaupt nichts, wenn man sich jede Plenarsitzung ein Thema herausgreift, das gerade in der Zeitung gestanden hat, es zur Forderung erhebt und sich nicht die Mühe macht, es in ein bildungspolitisches Gesamtkonzept einzubinden und schließlich die Antwort schuldig bleibt, wie das finanziert werden soll.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der LINKEN, wir können uns vieles wünschen, was der Deutsche Bundestag an Steuergesetzen entscheidet oder nicht. Wir GRÜNE haben da auch viele Wünsche. Herr Kollege Kaufmann hat dafür viele extrem gute Vorschläge. Als Landespolitiker müssen wir uns auch mit der Situation auseinandersetzen, was wir in unserer Verantwortung tun, wenn der Deutsche Bundestag das, was wir vielleicht wollen, steuerpolitisch nicht beschließt. Das müssen wir beschreiben.Das müssen wir den Schulen sagen.Das ist eine verantwortungsvolle Politik.

Es ist aber keine verantwortungsvolle Politik, Pressemitteilungen – von wem auch immer, in denen was auch immer gefordert wird – 1 : 1 in den Hessischen Landtag einzubringen,ohne Gesamtkonzept und ohne Finanzierungsvorschlag. Das ist zumindest nicht der Ansatz für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. – Herzlichen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,der FDP und des Abg. Hans-Jürgen Irmer (CDU))

Vielen Dank,Herr Kollege Wagner.– Der nächste Redner ist Herr Kollege Irmer von der CDU-Fraktion.

Verehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist eben sinngemäß formuliert worden, wir müssten endlich einmal Geld in die Bildung stecken, es müsse mehr hinein. – Ich möchte mit einer Mär aufräumen, nach dem Motto, in der Vergangenheit sei nichts geschehen. Ich sage nur einige wenige Kernzahlen zu Ihrer Erinnerung.