Ich will an dieser Stelle auch noch einmal auf das eingehen, was Sie vorgeschlagen haben, nämlich mit unabhängigen Moderatoren und mit externem Sachverstand zu arbeiten. Wissen Sie, das Versprechen der geschäftsführenden Landesregierung, dass den Landtagsfraktionen der Sachverstand der Ministerien helfend zur Verfügung gestellt werde, macht das Problem in Wirklichkeit nicht kleiner. Herr Koch, das gilt auch für Ihre Ankündigung, dass Sie mit unabhängigen Moderatoren arbeiten wollen. Hier sollten wir uns nicht in die Tasche lügen. Wir alle wissen, es gibt in Wahrheit keinen wert- und interessenneutralen und somit auch keinen politikneutralen Sachverstand. Das würde Menschen ohne Werte und Interessen voraussetzen, die es aber nicht gibt. Deshalb unterscheiden sich auch die Parteien in ihren Wertvorstellungen, Interessen und Prioritäten.
An dieser Stelle sollte man auch noch einmal darauf hinweisen, dass Sie in der Vergangenheit externen Sachverstand hatten. Sie haben sich Herrn Borchert in die Staatskanzlei geholt. Herr Borchert hat seinen externen Sachverstand dort sehr lange eingebracht.Nachdem er ihn eingebracht hatte, haben Sie ihn ignoriert, sodass Herr Borchert hinterher gesagt hat: Ich war Hofnarr der Landesregierung. – So weit zum externen Sachverstand.
Oder reden wir über die Mediation; Sie wollen schließlich auch Moderatoren haben. Reden wir über die Mediation im Zusammenhang mit dem Ausbau des Flughafens. Sie erfolgte überparteilich und hat lange gewährt. Sehen Sie sich einmal an, was Sie aus diesem Mediationsergebnis hinterher gemacht haben.
Deshalb sind wir an dieser Stelle wirklich skeptisch. Ich möchte den Mitarbeitern in den Ministerien nicht zu nahe treten. Aber auch deren Sachverstand kann eine politische Entscheidung über die strittigen politischen Fragen nicht ersetzen.
Jedenfalls kann ich hier schon einmal sagen,dass wir nicht auf Moderatoren warten, sondern unsere politischen Initiativen im direkten Dialog mit den Fraktionen vorantreiben werden, mit denen es an diesen Punkten inhaltliche Schnittmengen und Übereinstimmungen gibt.
Ich finde, es muss auch in dieser Sondersituation darum gehen, dass wir die unterschiedlichen Ziele darstellen und Meinungsverschiedenheiten offen austragen, sodass die Bürgerinnen und Bürger nachvollziehen können, für welche politischen Inhalte die jeweiligen Fraktionen und Parteien stehen, um sich dann ihr eigenes Urteil zu bilden.
Es wäre schon viel gewonnen – das ist der versöhnliche Teil –, wenn dabei auf Zerrbilder, Entstellungen und persönliche Verunglimpfungen verzichtet würde. Die haben hier die politische Atmosphäre in der Vergangenheit in der Tat des Öfteren vergiftet. Ich glaube, wir alle können uns ins Stammbuch schreiben, dass wir in Zukunft etwas vorsichtiger miteinander umgehen.
Sie darauf hinzuweisen, dass schon viel gewonnen wäre, wenn der Landtag im Sinne der angebotenen offenen Türen künftig die Informationen bekäme,die er für seine Arbeit wirklich braucht. Ich denke an Informationen, die in der Vergangenheit selbst den Untersuchungsausschüssen nicht zur Verfügung gestellt worden sind.
Ich erinnere auch an die periodischen Sicherheitsüberprüfungen der Atomkraftwerke in Biblis, deren Ergebnisse der Öffentlichkeit bis heute vorenthalten werden. Ich denke, ein Vorgehen im Sinne einer Politik der offenen Türen könnte auch dazu beitragen, die Bevölkerung an dieser Stelle besser zu informieren. Auch da können wir die Probe aufs Exempel machen.
Herr Koch, auch angesichts der schwierigen Situation lassen wir Ihnen nicht ohne Weiteres durchgehen – Sie haben gemerkt,dass das an einigen Punkten,die Sie genannt haben, bei manchen unserer Kollegen doch zu erheblichem Kopfschütteln geführt hat –, dass Sie jetzt die Rolle des Kreide fressenden Wolfs im Schafspelz angenommen haben. Das war zu heftig. Der Sprung war zu groß.
Herr Boddenberg, an Ihrer Stelle hätte ich die alte Agentur auch gefeuert. Nach diesem Wahlkampf hätte ich die alte Agentur auch entlassen. Schauen wir einmal.
Wissen Sie, es kam so unvermittelt: gestern noch haltlose Unterstellungen,heute ein differenzierter Gesprächspartner; gestern Ausgrenzungskampagne, heute staatsmännische Gesten;gestern Grünenverleumder,heute Brautwerber.All das ging heute Morgen ein bisschen schnell.
Herr Koch, meine Damen und Herren von der CDU, ich glaube,dass Sie,wenn Sie auch nur eine Stimme mehr hätten und die parlamentarische Mehrheit stellen könnten, genau die gleiche Politik machen würden wie vor neun Jahren.
Sie, wir und auch die Bürgerinnen und Bürger Hessens wissen: Sie wollen den Machterhalt für sich selbst und für die CDU.
Dieser Versuch ist legitim, natürlich. – Aber nach außen eine Charmeoffensive zu starten und nach innen den beinharten Konservativen zu geben, dem die Idee der sozialen Gerechtigkeit doch eher fremd ist:
Ich denke, dass Politikerinnen und Politiker lernfähig sein müssen. Das glaube ich, und ich spreche es auch dem Herrn Ministerpräsidenten nicht ab. Aber die Wandlung kam zu schnell.
Ich will an einem Punkt klarmachen, warum wir dem Braten noch nicht trauen. Ich finde, es ist kein Zufall, dass Sie Ihre aktuelle Werbung um die GRÜNEN damit begründet haben, dass deren Wähler in der Regel finanziell bessergestellt und überdurchschnittlich gut gebildet seien und dass die GRÜNEN angesichts der gutbürgerlichen Herkunft ihrer Klientel eigentlich ein natürlicher Partner von CDU und FDP seien.
Sie sind quasi mit einem Regierungsauftrag geboren, wie Sie ihn eigentlich für die bürgerlichen Parteien beanspruchen.
Meine Damen und Herren, ich weiß nicht, ob Sie es selbst gemerkt haben: Sie haben wieder eine Ausgrenzungsstrategie gefahren. Die zweite Ausgrenzungsstrategie fahren Sie, indem Sie sagen, die LINKE sei für Sie kein Gesprächspartner; sie komme für Kooperationsgespräche in diesem Parlament nicht infrage. Das ist eine Ausgrenzungsstrategie, und deshalb glaube ich, dass Sie nach wie vor jemand bleiben, der gern an einer Spaltung arbeitet.
Natürlich wollen Sie über das Zwischenstadium einer geschäftsführenden Regierung Ihre Regierungsmacht wieder dauerhaft sichern: entweder über Neuwahlen zu einem für Sie günstigen Zeitpunkt – daran arbeiten Sie – oder auch über eine Jamaikakoalition, was dann, nach Ihrem Buch, sozusagen ein legitimer Wortbruch wäre. Ein solcher Wortbruch unterscheidet sich offenbar von anderen Wortbrüchen.
Ich plädiere dafür, die tatsächlich vorhandenen politischen Differenzen in der Sache nicht zu verschleiern, son
dern auszutragen. Wir werden die politisch-inhaltlichen Ziele, für die wir gewählt worden sind, unverwässert in Landtagsinitiativen umsetzen und uns um Mehrheiten dafür bemühen. Die Bürgerinnen und Bürger haben ein Recht darauf, dass die Inhalte, für die wir gewählt worden sind, auch nach der Wahl noch gelten.
Zu den Inhalten meiner Politik, die ich im Wahlkampf vertreten habe, stehe ich heute nach wie vor. Genauso ist es bei meiner Partei und meiner gesamten Fraktion.
Ich glaube, die Bürgerinnen und Bürger verstehen, dass auch Kompromisse gemacht werden müssen, wenn die jeweils erforderliche Mehrheit nicht ausreicht – solange, inhaltlich gesehen, nicht das Gegenteil dessen herauskommt, was sie gewählt haben. Die Mehrheit in Hessen hat den Politikwechsel gewählt, und dafür steht meine Fraktion nach wie vor.
Da das immer wieder im Gespräch war und wir alle uns um Mehrheiten bemühen: Ich kann mit Sicherheit sagen, dass wir – und auch Sie, meine Damen und Herren von der Union – unsere politischen Inhalte in einer Großen Koalition nicht wiederfinden würden. Es gibt manchmal Situationen, in denen das die Ultima Ratio sein kann. Große Koalitionen verfügen meistens über satte Mehrheiten, dafür aber über geringe Schnittmengen.
Sie lähmen sich oft wechselseitig und unterdrücken die parlamentarische Willensbildung mehr als alles andere. Ich bin davon überzeugt, dass sie zu Wahl- und Demokratiemüdigkeit führen.
Wählen heißt, unterscheiden zu können zwischen verschiedenen politischen Inhalten und Zielen.Ich bin davon überzeugt,nur das motiviert die Menschen zur politischen Teilhabe und im Endeffekt auch dazu, zur Wahl zu gehen.