Protokoll der Sitzung vom 24.04.2008

Meine Damen und Herren,vielleicht bedenken Sie auch – ich möchte das hier noch einmal darstellen –, dass es auf Bundesebene über 1.000 solcher Gremien unter Länderbeteiligung gibt. Man fragt sich, was das für bürokratische Monstren sind und was für ein bürokratischer Aufwand das ist. In den meisten Gremien ist nur ein Vertreter der entsprechenden Länder anwesend. Man fragt sich in der Tat, in welcher Relation diese 1.000 Gremien zu den gewonnenen Erkenntnissen stehen. Das ist absurd.

(Beifall bei der SPD)

Für die SPD-Landtagsfraktion ist es längst überfällig,dass das Land Hessen dieses Verwaltungsabkommen kündigt und damit dem hessischen Steuerzahler viel Geld spart. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Hofmann. – Für die Fraktion der CDU erhält der Kollege Stephan das Wort.

Herr Präsident, meine Damen, meine Herren! Ich habe eben zumindest eines gelernt: Die Qualität einer Arbeit wird von einigen Kollegen nicht nach dem Inhalt, sondern nach der Anzahl der bedruckten Seiten beurteilt. Ich

glaube, man sollte vielleicht einfach größere Buchstaben nehmen oder größere Zeilenabstände wählen.

(Beifall bei der CDU)

Nein, wir müssen eine solche Arbeit nach ihren Inhalten beurteilen. In einem Papier von vier Seiten Länge kann mehr Substanz enthalten sein als in einem von 40 Seiten. – Das nur als Vorbemerkung.

(Zurufe der Abg. Norbert Schmitt und Hildegard Pfaff (SPD))

Wir reden heute darüber, die Mitgliedschaft in der Internationalen Länderkommission Kerntechnik, der ILK, zu kündigen.

Sie haben erwähnt, dass sie 1999 gegründet worden ist. Zum gleichen Zeitpunkt sind in Berlin Kommissionen eingerichtet worden, in denen eigentlich nur Experten gesucht wurden, die gegen die Kernkraft sind. Die drei Südstaaten – wenn Sie sie so nennen wollen – haben sich zur Bildung dieser internationalen Kommission entschlossen, um Expertise zur Verfügung zu haben, wenn es darum geht, für Sicherheit bei der Kernenergie zu sorgen.

(Norbert Schmitt (SPD): Diesen Vorwurf könnte man Ihrer Reaktorsicherheitskommission auf Bundesebene machen!)

Der erste Absatz Ihres Antrags macht Ihre Zielrichtung deutlich: Ausstieg aus der Kernenergie. Aber ich meine, wir müssen über das Thema ILK sachlich diskutieren.

Wir haben kerntechnische Anlagen und werden sie auch noch eine Weile haben. Wir müssen diese Anlagen auf höchstem Sicherheitsniveau betreiben, und wir müssen die Sicherheitsstandards permanent weiterentwickeln. Das, was damals, bei der Einrichtung dieser Kommission, beabsichtigt war, gilt auch heute noch. Es wird noch eine Weile gelten; denn wir werden uns auch in Zukunft mit den Themen Lagerung und Endlagerung beschäftigen müssen.

Dieses Gremium, die ILK, hat sich mit der Sicherheit unserer Kernkraftanlagen, mit der Entsorgung und mit der Risikobewertung befasst.

Wenn Sie sagen, international war sie nicht – jetzt könnte ich sagen, Bayern als Freistaat ist vielleicht Ausland –: Nein, sie war besetzt mit Experten aus Deutschland, aus Finnland, aus Frankreich, aus der Schweiz und aus den USA. Das macht das Internationale aus. Hier ist nicht allein darauf zurückgegriffen worden, was wir in Deutschland an Wissen und Expertisen haben – nein. Die ILK hat das Wissen aus der ganzen Welt zusammengetragen. Aus den Gutachten, die dort erstellt worden sind, zwei Beispiele: das Erkennen möglicher Frühanzeichen nachlassender Sicherheit oder die Frage der sicheren Entsorgung radioaktiver Abfälle.

Das sind alles Punkte, die heute und auch in Zukunft interessant sind. Wir werden Biblis noch eine Reihe von Jahren weiter betreiben und werden auch die Entsorgung sicherzustellen haben. Dann ist uns das Expertenwissen der ILK wichtig.

(Beifall bei der CDU)

Wenn Sie in Ihrem Antrag formulieren, dass diese Kommission nur Lobbyarbeit geleistet hat, dann ist das aus Ihrer Sicht verständlich, denn aus Ihrer Sicht ist jeder, der sich neutral mit dem Thema der Kernenergie auseinandersetzt, ein Lobbyist für die Kernenergie, und das ist ganz einfach falsch.

(Lachen und Widerspruch bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Andererseits – das finde ich das Positive an Ihrem Antrag – sprechen Sie auch die Frage der Kosten an. Nur waren das einmal mehr als 300.000 c. Es sind jetzt 200.000 c, die eingestellt sind.Wir alle sind dankbar um jeden Vorschlag, der uns hilft, den Landeshaushalt bis 2011 wirklich auszugleichen. Insoweit kann man ernsthaft darüber diskutieren.

(Demonstrativer Beifall der Abg. Ursula Ham- mann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Aber wir müssen auch darüber diskutieren und uns die Frage stellen, wo wir das Wissen herbekommen, das uns durch den Austritt aus der ILK verloren geht, und aufpassen,

(Norbert Schmitt (SPD): Das hört überhaupt nicht auf!)

was wir für notwendige Gutachten, für notwendige Expertisen an anderer Stelle ausgeben müssen – Punkte, an die wir denken sollten.

Meine Damen, meine Herren. neun Jahre ist diese ILK nun eingerichtet,arbeitet für das Land Hessen und die anderen Bundesländer. Es macht durchaus Sinn, nach dieser Zeit die Einrichtung dieser Kommission zu überprüfen. Dies sollte zweckmäßigerweise mit den anderen Geberund Empfängerländern, d. h. mit Bayern und BadenWürttemberg, erfolgen. Wir von der CDU-Fraktion stehen der Prüfung der angeschnittenen Fragen und der Prüfung eines möglichen Austritts oder einer Kündigung ergebnisoffen gegenüber.

(Beifall der Abg. Elisabeth Apel (CDU))

Wir werden das Thema Kündigung der Mitgliedschaft in der Internationalen Länderkommission Kerntechnik sachlich und pragmatisch im Ausschuss behandeln. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Heinrich Heidel (FDP))

Vielen Dank, Herr Kollege Stephan. Herr Kollege Stephan, dies war Ihre erste Rede im Hessischen Landtag. Ich darf Sie im Namen des Hauses herzlich beglückwünschen.

(Allgemeiner Beifall)

Für die FDP-Fraktion erhält der Kollege Heidel nun das Wort.

Herr Präsident,meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Mein Vorredner hat vieles an sachlicher Darstellung geliefert, die ich nur unterstützen kann. Ich will zu Beginn einmal zwei Punkte herausgreifen. Zum einen ging es in der ILK um Sicherheitsauflagen.Der Minister hat heute Morgen in einer anderen Debatte schon einmal gesagt, was in den vergangenen Jahren in Biblis nachgerüstet worden ist. Ich glaube, das muss man dann an der Stelle einmal positiv bewerten.

(Beifall bei der FDP)

Als Zweites will ich die unendliche Geschichte der Entsorgung aufgreifen. Hier sind wir in den letzten Jahren durch Nichthandeln der Bundesregierung kein Stück weitergekommen. Diesen Appell kann ich nur an den Bundesumweltminister richten, der mittlerweile über viele Jahre verhindert, dass die Diskussion über ein Endlager nach sachlichen und fachlichen Gesichtspunkten geführt wird.Das wird von der Bundesregierung derzeit verhindert. Das muss man an der Stelle einmal deutlich sagen.

(Beifall bei der FDP)

Die Kosten sind angesprochen worden. Ich denke, dazu wird der Minister etwas sagen. Ich bin schon ein bisschen überrascht, wie schnell sich die Kollegen der GRÜNEN von einem ganz wichtigen Element entfernt haben, Frau Hammann. Kaum ist der Kollege Häusling nicht mehr da, gilt das,was früher bei den GRÜNEN immer galt – Klasse statt Masse –, im Moment einfach nicht mehr. Hier fordern die GRÜNEN einfach Masse statt Klasse, wenn ich die Äußerung von vorhin nehmen darf.

(Beifall bei der FDP)

Ich will einige Beispiele nennen, mit denen sich die ILK auseinandergesetzt und zu denen sie Stellungnahmen abgegeben hat: Förderung von abgebrannten Brennelementen hoch radioaktiver Abfälle, Empfehlung zur Nutzung von Sicherheitsanalysen im atomrechtlichen Genehmigungsaufsichtsverfahren, Empfehlung zur Förderung der internationalen technisch-wissenschaftlichen Kontakte zwischen den deutschen Länderbehörden für nukleare Sicherheit,Stellungnahme zum Umgang mit dem Fragenkatalog der GRS zur Praxis des Sicherheitsmanagements in Kraftwerken in Deutschland,z.B.Empfehlung zur Durchführung von internationalen Überprüfungen im Bereich der nuklearen Sicherheit in Deutschland, die ILK-Empfehlung zur Vermeidung von gemeinsam verursachten Ausfällen bei digitalen Schutzsystemen, die ILK-Stellungnahme zur Bewertung der Nachhaltigkeit der Kernenergie und anderer Technologien in der Stromerzeugung, ein ILK-Bericht zur Harmonisierung von nuklearen Sicherheitsanforderungen, z. B. Stellungnahme zur Aktualisierung des kerntechnischen Regelwerks – um nur einige aufzuführen.

(Beifall bei der FDP)

Ich stelle für mich fest, dass die ILK gute Arbeit geleistet hat. Deshalb schlage ich auch vor, dass sich der Landtag, bevor er endgültig zu einem Beschluss kommt, zu kündigen,erst einmal sachlich und objektiv informiert.Das geht am besten nur, indem wir den Vorsitzenden Herrn Dr. Lindauer zu einer der nächsten Ausschusssitzungen einladen, ihn im Umweltausschuss über die bisherige Arbeit der ILK berichten lassen. Das würde uns allen im Ausschuss die Möglichkeiten zu Nachfragen aller Art bieten.

Ich glaube, dann sind wir alle besser gewappnet, einen Beschluss zu fassen, den wir heute aus dem hohlen Bauch heraus meiner Auffassung nach nicht fassen sollten. Deshalb beantrage ich Überweisung an den dafür zuständigen Umweltausschuss. – Danke.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Heidel. – Für die Landesregierung erhält Herr Staatsminister Dietzel das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben diese Internationale Länderkommission Kerntechnik Anfang Oktober 1999 ins Leben gerufen. Es war dringend notwendig, dass wir dieses Wissen für uns ausschöpfen konnten.Wir haben neun Experten aus – wie Herr Stephan eben sagte – Deutschland, Frankreich, den USA, Finnland und der Schweiz bei uns zusammenbekommen, um uns zu beraten.

Ich glaube, dass es für uns deshalb wichtig war, da die Reaktorsicherheitskommission – weil wir eine rot-grüne Bundesregierung hatten – mit ausstiegsorientierten Wissenschaftlern aufgefüllt wurde. Wir waren davon ausgegangen, dass dann die Beratung nicht mehr neutral ist, weil wir eindeutig gesagt haben, wie ich vorhin in einer Rede angemerkt habe, dass wir für die Kerntechnik sind, aber auf höchstem Sicherheitsniveau.

Meine Damen und Herren, Frau Hammann, ich denke, dass es auch keine Altlast ist. Aber interessant ist es natürlich, wenn hier Politik und Wissenschaft gegeneinandergestellt werden. Für die Politik scheint es nur dann richtig und gut zu sein,wenn ein Gutachten 100 Seiten hat. Ich glaube, dass Wissenschaftler in der Lage sind, das auf zehn Seiten zusammenzubringen und trotzdem damit eine hohe Leistung zu dokumentieren.

Für uns war wichtig, dass wir Wissen auf hohem Niveau in dieser ILK zusammengeholt haben, da wir dieses internationale Wissen auch nutzen wollten, indem wir über den deutschen Tellerrand hinausgeschaut haben und sich diese anerkannten Wissenschaftler zusammengesetzt haben, um uns zu beraten, wie Kerntechnik zukunftssicher gehandhabt werden kann.

Meine Damen und Herren, es wurde eben angesprochen: Dies ist das einzige Gremium in Deutschland zu dieser Thematik, das international besetzt ist. Deswegen ist es für uns auch wichtig, dieses Wissen mit hineinzunehmen. Nach meiner Meinung ist der Vorwurf der Parallelarbeit nicht zu halten.

In den Jahren von 1999 bis heute sind 30 Stellungnahmen und Empfehlungen veröffentlicht worden. Heinrich Heidel hat es eben gerade angesprochen: Bei der Sicherheitsproblematik des Endlagers hätten wir schon längst weiter sein können, wenn ich an Schacht Konrad denke.