Protokoll der Sitzung vom 24.04.2008

(Zuruf der Abg. Hildegard Pfaff (SPD))

Am Ende wird das nämlich dazu führen, dass sich der Gesamtkonzernvorstand Gedanken machen muss – natürlich muss das jeder Vorstand –:Wie kann ich ein möglichst gutes Ergebnis erzielen? – Dann wird er ganz zwangsläufig die Gesellschaften, wo sie selbst, sein Großaktionär Bund und die anderen beteiligt sind, unter dem Gesamtdach des Konzerns ein Stück weit bevorteilen müssen.Mir kann niemand erzählen, dass die Netzagentur oder wer auch immer das alles verhindern wird.Das sehen wir doch schon jetzt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,der CDU und der FDP)

Möglicherweise sind wir auch nicht in allen Details einer Meinung mit der CDU, wahrscheinlich nicht. Aber der Kern ist uns so wichtig. Wir GRÜNE sagen: Zu der Infrastrukturgesellschaft gehören auch die Bahnhöfe und letztendlich auch der Fahrkartenverkauf und die Fahrplanauskunft, weil es an der Stelle für den Kunden relevant wird. Das erleben wir täglich: ob die Verbindung von Connect gleichrangig genannt wird oder mit Umsteigeverbindung DB empfohlen wird. Das ist die Praxis vielleicht nicht in Hessen,aber in der übrigen Bundesrepublik schon. Meine Damen und Herren, darauf muss man achten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der FDP)

Insoweit, an die Kolleginnen und Kollegen von den LINKEN gerichtet: Die Presserklärung von bahn.de, die vom Kollegen Schaus vorgelesen wurde,habe ich auch gelesen. Es ist nicht von ungefähr, dass sich Private auch darüber hinaus bereits teilweise erfolgreich auf dem Markt durchgesetzt haben. Nur weil das Angebot der DB AG nicht auf allen Ebenen so wunderbar und kritikfrei ist, sind Verbesserungen durch private Aktivitäten entstanden. Deswegen können wir private Transportgesellschaften keineswegs total verteufeln. Deswegen sind z. B. die Vergleiche mit Großbritannien auch völlig daneben. Denn da ist es ganz anders gelaufen.Am Ende fallen da die Züge noch von den Schienen, weil die Schieneninfrastruktur aufgrund privater Gewinninteressen nicht mehr anständig in Schuss gehalten wird. Genau das ist das Problem.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie bei Abgeordneten der CDU und der FDP)

Da, wo es um die Sicherheit geht, und da, wo es um die Möglichkeit geht, für alle unter gleichen Bedingungen teilzunehmen, muss die öffentliche Hand ihr Eigentum schützen und weiter verantwortlich sein. Das ist unsere Aussage. Deswegen kann da auch kein indirekter privater Einfluss möglich sein.

Meine Damen und Herren, feste Netze fördern bedauerlicherweise – das ist ihre Eigenschaft – Monopolstrukturen. Das haben wir beim Strom. Das hatten wir beim Telefon. Das haben wir auch beim Wasser, auch noch ein interessantes Thema. Denn logischerweise wird nicht jeder ein Netz neben ein anderes bauen, sondern ein Netz muss, wenn man fairen Wettbewerb haben will, von allen Wettbewerbern mit gleichen Konditionen benutzt werden können; sonst funktioniert der Wettbewerb nicht.

Ich habe es Ihnen schon erläutert: 75,1 % DB und 24,9 % Private beim Verkehr,100 % DB bei der Infrastruktur.An den Worten merken Sie schon, dass am Ende der Verkehr der DB bevorzugt werden würde.Meine Damen und Herren, ich finde es gut – deswegen rechtfertigt es auch die Gelben und die GRÜNEN auf der schwarzen Lok –, dass die hessische CDU sehr klar sagt: Eine eigenständige Schieneninfrastrukturgesellschaft im öffentlichen Besitz ist bei der Bahnprivatisierung notwendig.

Das halten wir für politisch sehr viel erfolgreicher und sehr viel richtiger als zu sagen, mit der Verklammerung dieser Konstruktion, die die SPD hochhält, kommen wir weiter. Eine echte eigentumsrechtliche Trennung liegt nämlich in Ihrem Modell – ich denke, das ist unstrittig – nicht vor. Genau das würde fehlen.

Vor diesem Hintergrund sollten Sie alle mehr über die Sache reden und nachdenken und nicht meinen: Ach, guck doch mal, wir begeben uns doch in die Karibik, hier findet

sozusagen der erste Beschluss statt. – Das ist der Beschluss, den wir heute hoffentlich noch fassen werden. Natürlich werden zwei von den drei Anträgen nicht die Mehrheit finden können. Der Beschluss richtet sich daran aus, dass wir in der Bahnreformfrage erreichen wollen, dass die Bedingungen, die im Antrag genannt sind – Sie haben ihn vor sich liegen, aber ich kann es Ihnen auch gern noch einmal vortragen –, insbesondere auch für Hessen als ein Transitland natürlich so sind, dass bei den Ausschreibungen nicht nur die Rosinen gepickt werden, sondern dass ein Gesamtverkehrsangebot sichergestellt wird. Wenn das alles läuft, dann kommen wir mit einem solchen Weg sehr viel besser weiter.

Um was geht es? – Es geht doch darum, für alle Kunden – das fängt an bei den Bürgerinnen und Bürgern,die zur Arbeit wollen, das sind die Fernreisenden, und das ist auch die Güter versendende Wirtschaft – das Angebot der Bahn so attraktiv zu machen, dass dort zusätzliche Kunden teilnehmen werden.Wir wollen den Schienenverkehr verbessern. Wir wollen mehr Transportleistung auf der Schiene abwickeln. Deswegen muss man einfach gut sein. Das kann man erreichen, indem man Konkurrenz unter den Transporteuren sowie Sicherheit und Stabilität bei den Verkehrswegen miteinander verbindet. Genau das besagt der Antrag. Deswegen werden wir ihm so, wie wir ihn gestellt haben, am Ende auch zustimmen.

Im Übrigen kann man noch einmal auf Art. 87e des Grundgesetzes verweisen – Kollegin Pfaff hat das auch getan. Das steht ganz eindeutig mit dem in Übereinstimmung, nämlich die Schieneninfrastrukturgesellschaft als bundeseigene Gesellschaft zu 100 % und nicht in eine Konzernstruktur eingeschlossen, wo auch Private mitmischen, wo aber insbesondere Verkehrsinteressen und Infrastrukturbereitstellung miteinander verwischt und verwoben werden. Das ist genau der rechte Weg.

Kollege Schaus hat ein bisschen so getan,als wäre das eine glückliche Stunde, wenn man nur den Vorstellungen der LINKEN folgen würde. Herr Kollege, dort, wo der Sozialismus die Eisenbahn betreibt, sind die Transportleistung, der Komfort und die Qualität des Angebots deutlich geringer als das, was Sie erreichen wollen. – Vielen Dank.

(Lebhafter Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,der CDU und der FDP – Beifall bei Ab- geordneten der SPD)

Das Wort hat der Verkehrsminister, Dr. Rhiel.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Hessische Landesregierung ist den Fraktionen von GRÜNEN, FDP und CDU ausdrücklich dankbar dafür, dass dieser Antrag eingebracht und – so hoffe ich, und so haben uns die Erklärungen eben zu dieser Hoffnung berechtigt – dann auch verabschiedet wird. Dieser Antrag und diese inhaltliche Position bestätigen die Linie der Hessischen Landesregierung so, wie sie – Herr Posch hat es gesagt – seit dem Jahr 1999 verfolgt wird, nämlich im Interesse der Verbesserung der Mobilität für die Bevölkerung, aber auch im Interesse der Transporte zunehmender Logistikvolumina die Bahn- und Schienenverkehre – also den Transport auf den Schienen – zu verbessern.

Herr Kaufmann, Sie haben gerade mustergültig ordnungspolitisch dargelegt,

(Allgemeine Zurufe: Ui!)

warum dieser Antrag von so grundlegender Bedeutung ist.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der FDP)

Allerdings möchte ich doch noch einmal auf Ihre einleitenden Bemerkungen zurückkommen, Herr Kaufmann, in denen Sie fast verschämt gesagt haben, dass man mit der Bahn nicht auf eine Insel, in diesem Fall Jamaika, kommt – mit dem Hinweis, dass das vielleicht eine etwas vorschnelle Aussage war, denn generell gilt das so nicht, dass man nicht mit dem Zug zu einer Insel kommt. England ist auch eine Insel, und wir können sehr wohl mit der Bahn von hier,von dem europäischen Festland,nach England fahren.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Michael Bod- denberg (CDU):Auf Sylt geht das auch!)

Manchmal ist das nur eine Frage der Zeit.

Aber ich will mich jetzt nicht in politische Spekulationen versteigen, sondern ich will noch einmal sehr deutlich auf die Inhalte zu sprechen kommen. Sie sagen auch, dass Brücken über Inhalte gebaut werden.

Es geht um die Bahnreform. Sie befindet sich in ihrer dritten Stufe. Die Bahnreform läuft Gefahr, dass die dritte Stufe, wie sie jetzt wohl vereinbart ist, wir sie aber als falsche Vereinbarung ansehen, nicht in der Konsequenz geschieht, wie die ersten Stufen der Bahnreform richtig aufgesetzt waren.

Das, was die SPD vorgelegt hat, zeigt auch, um was es der SPD – oder muss man eigentlich sagen: Herrn Mehdorn und der Erfüllungsgehilfin SPD? – im Wesentlichen geht.

(Zuruf des Abg. Reinhard Kahl (SPD))

Ihnen geht es um eine Stärkung und die Verhärtung der Monopolsituation der Deutschen Bahn AG. Uns geht es um die Verbesserung des Bahnverkehrs und des Systems Schiene.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Dafür brauchen wir keine Vertriebsmonopole, sondern wir wollen dafür sorgen – deswegen die Trennung von Schiene und Verkehr –, dass dieses natürliche Monopol Schiene ausschließlich in der Verantwortung des Bundes bleibt und allen zur Verfügung gestellt wird, die auf diesem System Schiene im Interesse der Kunden in Wettbewerb zueinander treten wollen.

(Beifall bei der CDU, der FDP und bei Abgeordne- ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das ist bei diesem Reformprojekt à la Vorschlag Mehdorn, über die SPD scheinbar so beschlossen, jetzt nicht der Fall.

Das geht zutiefst gegen Länderinteressen. Deswegen ist es wichtig, dass sich die Länder mit einem starken Votum einbringen. Denn wir sehen, dass die Situation in den Regionalverkehren und in den regionalen Netzen von Jahr zu Jahr unbefriedigender wird.

Sie können sich alle davon anhand des Stichworts Langsamfahrstelle überzeugen. Das sind die Situationen im Schienennetz, wo die Normalgeschwindigkeiten deshalb

nicht gefahren werden können und damit Verspätungen vorprogrammiert sind sowie die Unattraktivität der Bahn heraufbeschworen wird, weil die nötigen Investitionen durch die DB AG im Regionalnetz ausbleiben und weil die DB AG in ihrer ganzheitlichen Verantwortung derzeit für Netz und Fernverkehr ihre knappen Mittel dorthin bringt, wo sie dem Schienenfernverkehr den höchsten Nutzen zuspricht. Gerade dort finden noch Investitionen statt – zulasten der Investitionen im Regionalbereich.

Das führt dann zu einer schleichenden Stilllegung mit all den Konsequenzen, die wir in den Regionen und im Ballungsraum nicht akzeptieren können. Deswegen ist dieses Modell falsch.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Dieses Modell lässt das Schieneneigentum nicht in der Verantwortung des Bundes, sondern gibt es operational verantwortlich in die Holding DB AG. Frau Pfaff, wenn man sich dieses Modell genauer anschaut, dann ist das nichts anderes als das Modell, das Sie in der Vorzeit gefordert und gefördert haben, das aber durch die Länder abgelehnt worden ist, nämlich ein tatsächliches Integrationsmodell, wo die DB AG in der Holding darüber bestimmt – unterstützt durch einen Beherrschungsvertrag und, wie es vorgesehen ist, durch eine Doppelfunktion im Vorstand der Holding und in den Verkehrsbetrieben –, dass eine Quersubventionierung immer zugunsten des Unternehmens erfolgen kann, das man an die Börse bringt.

Deswegen haben Sie sich letztlich widersprochen, indem Sie gesagt haben:Wir wollen nicht, dass die Kapitaleigner das bestimmen, was in der Schieneninfrastruktur läuft. – Genau das wird der Fall sein, weil Herr Mehdorn, wenn er Investoren bekommen will, dafür sorgen muss, dass die Gewinne dieser Transportgesellschaften gut sind.Aber er wird das nur leisten können, indem er das Geld aus der Schieneninfrastruktur absaugt. Das geht zulasten der Bevölkerungsgruppen, die in den Regionen auf eine florierende Bahn angewiesen sind.

(Beifall bei der CDU)

Ein Weiteres: Es behindert den Wettbewerb. Sie sagen – das ist sicherlich gut gemeint –, die Bundesnetzagentur könne darüber wachen, dass die Bahn AG nicht diskriminierend tätig ist in der Frage, ob sie nun einem Unternehmen der Bahn AG oder einem Wettbewerber, der nicht zum Konzern gehört, den Zuschlag gibt.

Ich könnte Ihnen jetzt anderthalb Seiten lang den letzten Bericht aus der letzten Sitzung der Bundesnetzagentur vorlesen – ich hatte das Vergnügen,Vorsitzender des Beirates zu sein –, wie die Bundesnetzagentur aufgrund ihrer Vorortprüfung festgestellt hat, wie unglaublich hoch die Diskriminierung gegenüber Dritten durch die DB AG ist.

Die einfachste Art und Weise, eine solche Diskriminierung auszuschließen, ist nicht der Aufbau einer großen Kontrollorganisation, die immer hinterherhecheln muss, ob denn Missbrauch passiert, also wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist. Die beste Kontrolle ist und bleibt die Trennung von Netz und Betrieb. Deswegen bin ich dankbar, dass die drei Fraktionen das in ihrem Antrag so unmissverständlich deutlich geschrieben haben.

Das ist nicht zufällig. Die GRÜNEN verhalten sich im Landtag genauso wie im Bundestag. Der verkehrspolitische Sprecher und der Experte, der von mir sehr geschätzte Bundestagsabgeordnete Hermann aus Tübingen, hat dies noch einmal in unserer gemeinsamen Sitzung der

Netzagentur deutlich gemacht, genauso wie Herr Friedrich, in Franken beheimatet, von der FDP. So habe ich es auch für die Union deutlich gemacht.

Dass die Union in Berlin diesem Kompromiss nun zustimmt – Herr Boddenberg hat es als Generalsekretär schon deutlich gemacht; Herr Kauder ist zitiert worden –, ist vielleicht eher dem Umstand geschuldet, dass ein weiteres Vorhaben der Großen Koalition mit einem Haken versehen wird.Aber es ist nicht der große Wurf und nicht der Schritt, den wir uns im Interesse der Bahnkunden gewünscht haben. Das aber beschreibt dieser gemeinsame Antrag. Ich bedanke mich, dass Sie damit die Position der Hessischen Landesregierung unterstützen. Alles, was Sie uns mit auf den Weg gegeben haben, werden wir im Bundesrat mit diesem Rückenwind weiter so tatkräftig vertreten. – Danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDUund der FDP sowie des Abg. Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Vielen Dank. – Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.