Protokoll der Sitzung vom 05.02.2009

(Allgemeiner Beifall)

Wir kommen damit zu Tagesordnungspunkt 2:

Beschlussfassung über eine Geschäftsordnung (Art. 99 HV)

Die Geschäftsordnung des Hessischen Landtags in der vorläufigen Ausgabe vom Februar 2009 liegt auf Ihren Plätzen aus.Ebenso befindet sich dort der – ist das richtig? – interfraktionelle Antrag Drucks. 18/1. Hierzu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE, Drucks. 18/20, vor. Er wurde ebenfalls auf Ihren Plätzen verteilt.

(Günter Rudolph (SPD): Nein, das wurde er noch nicht! – Zuruf: Er wird gerade verteilt!)

Er wird gerade verteilt. – Herr van Ooyen, wir werden also noch einen kleinen Moment warten, bis der Änderungsantrag verteilt ist. Sie werden sich jetzt ordnungsgemäß zu Wort melden. – Diese Wortmeldung wurde angenommen.

(Der Änderungsantrag wird im Plenarsaal verteilt.)

Ich gehe davon aus, dass fünf Minuten Redezeit ausreichend sind. Ist das richtig?

(Günter Rudolph (SPD): Ja!)

Jawohl, das ist so, wunderbar. – Ich möchte jetzt gerne Folgendes sagen:Ich eröffne jetzt die Aussprache und darf Herrn van Ooyen für die Fraktion DIE LINKE das Wort erteilen. – Herr van Ooyen, bitte schön.

Herr Alterspräsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Gestern hat DIE LINKE einen Änderungsantrag zu dem Antrag betreffend die Geschäftsordnung eingereicht, nachdem erkennbar wurde, dass die Ausgrenzung der LINKEN von der FDP und der CDU nunmehr systematisch betrieben wird.Ausgrenzung ist immer auch ein Signal für mangelnde Souveränität und ein Zeichen der Schwäche.

Mit diesem Änderungsantrag geht es uns nicht darum, die Anzahl der Vizepräsidenten und damit die Kosten zu erhöhen, also mehr Geld auszugeben. Das haben wir klargestellt, indem wir den gemeinsamen Antrag aller fünf Fraktionen mit eingebracht haben, dem zufolge die Anzahl der Vizepräsidenten auf vier begrenzt werden soll. Vielmehr geht es uns darum, dass die positiven Erfahrungen der letzten Legislaturperiode nicht beiseitegeschoben werden. Denn der Präsident und die Vizepräsidenten spiegelten die unterschiedlichen Positionen und die durchaus streitigen Situationen, die es im Landesparlament gab, wider. Die Menschen in Hessen, auch unsere 140.000 Wählerinnen und Wähler, erwarten, dass sich diese unterschiedlichen Positionen auch in der Repräsentanz der Volksvertretung zeigen. Dieser Anspruch ergibt sich aus unserem demokratischen Grundverständnis heraus.

Angesichts der von den Fraktionen der FDP und der CDU geplanten Zusammensetzung des Präsidiums steht zu befürchten, dass bereits in der Spitze des Parlaments die Mentalität des Durchregierens,wie es sie in Zeiten der absoluten Mehrheit der CDU-Fraktion gab, sichergestellt werden soll. Die Vorlagen dazu kamen aus der Staatskanzlei und wurden im Landtag nur durchgewinkt.

(Zuruf von der CDU: Das ist eine Frechheit!)

Dagegen sollten wir ein Zeichen der demokratischen Kultur setzen, wie es das in der vergangenen Legislaturperiode gab. Wir sollten das aufrechterhalten und durch die

Benennung der Vizepräsidenten auch symbolisch ausdrücken. Das wäre ein Ausdruck dafür, dass die Souveränität des Parlaments gegenüber der Exekutive gestärkt werden soll.

Es entspricht den demokratischen Gepflogenheiten – auch denen des Hessischen Landtags –, dass die Präsidentin oder der Präsident der stärksten Fraktion angehört und die übrigen Fraktionen durch eine Vizepräsidentin oder einen Vizepräsidenten in die Leitung der Verhandlungen des Landtags einbezogen werden. So war das auch in der vergangenen Legislaturperiode. Es ist sachdienlich, diese beiden Grundsätze der parlamentarischen Fairness in der Geschäftsordnung zu verankern.

Mit dem vorliegenden Änderungsantrag soll die parlamentarisch übliche Einbeziehung der übrigen Fraktionen in die Leitung der Verhandlungen geregelt werden. Ich bitte Sie, unserem Änderungsantrag zuzustimmen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Schönen Dank. – Die nächste Wortmeldung stammt von Herrn Kollegen Wintermeyer. Er spricht für die CDUFraktion.

Herr Alterspräsident, meine Damen und Herren! Herr van Ooyen, seit vielen Legislaturperioden besteht das Präsidium aus neun Mitgliedern. Das, was Sie mit dem Änderungsantrag hier eingebracht haben, ist an und für sich nichts anderes als Augenwischerei. Die versuchen sie zu betreiben. Herr van Ooyen, Sie wissen, dass die Fraktion DIE LINKE wie jede andere Fraktion im Präsidium mitreden kann. Denn sowohl der Fraktionsvorsitzende – Sie müssen sich dann entscheiden,welchen von beiden Sie nehmen – als auch der parlamentarische Geschäftsführer haben Zutritt zu den Sitzungen des Präsidiums.

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Es geht um Mitsprache!)

Er hat dort Rederecht und kann Anträge stellen. Er kann aber nicht mit abstimmen.

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Danke!)

Ich will Ihnen das noch einmal sagen, damit das bei Ihnen vielleicht auch ankommt: Es geht um ein Gremium mit neun Personen. Da gibt es parlamentarische Gepflogenheiten.Wir besetzen die Gremien nach Hare-Niemeyer.

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Das wissen wir schon!)

Dabei handelt sich um ein Rechensystem, das einmal eingeführt wurde.Früher wurde das einmal nach d’Hondt berechnet. Danach wurde dann das Verfahren nach HareNiemeyer genommen. Demnach ist es so, dass sich das Präsidium wie folgt zusammensetzt: Vier Mitglieder entsendet die CDU-Fraktion, die SPD-Fraktion zwei, die FDP-Fraktion zwei, die GRÜNEN entsenden ein Mitglied und DIE LINKE keines. Das ist also der Fall.

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Es geht um Politik, nicht um Arithmetik!)

Sie können hier natürlich diesen Änderungsantrag stellen. Ich sage Ihnen:Wir bleiben dabei, dass das Gremium

neun Personen haben soll. Es gibt auch keine Begründung, weshalb es aufgeweitet werden sollte,

(Dr. Ulrich Wilken (DIE LINKE): Verringern wir es doch auf acht Personen! – Willi van Ooyen (DIE LINKE): Herr Wintermeyer, verringern wir es doch auf acht Personen!)

denn es ist arbeitsfähig. Sie haben als Fraktion DIE LINKE in diesem Gremium Mitspracherecht. Das Mitspracherecht wird also nicht abgeschnitten.

Ich darf mir einen Hinweis erlauben. Auch Sie haben auf die letzte Legislaturperiode zurückgeblickt. Ich erinnere mich sehr gut daran, dass wir auch letztes Jahr an den Punkt gelangt sind, bei dem es dann um die Frage der Erweiterung des Präsidiums gegangen ist.

Herr van Ooyen, Sie waren einer der größten Verfechter, das nicht zu machen. Ich kann mich daran erinnern, dass damals die CDU – Ihnen geht es nur um die Vizepräsidentenposition – auf den Vizepräsidenten verzichtet hat, und Sie haben einen Vizepräsidenten bekommen. Darüber sollten Sie als Mensch, der über viele Jahre hinweg Demokratie gepredigt hat, einmal nachdenken, wenn Sie sich hierhin stellen und über positive Erfahrungen reden, die wir in der letzten Legislaturperiode gemacht hätten.

Mit Ihnen – damit meine ich nicht nur Sie persönlich,Herr von Ooyen, sondern auch die Mitglieder Ihrer Fraktion – haben wir,das darf ich für die CDU-Fraktion sagen,in der letzten Legislaturperiode, wenn ich an die Aussage Ihres damaligen Vizepräsidenten denke, der hier dieses gesamte Plenum, den gesamten Hessischen Landtag zu vertreten hat, der Abgeordnete als „hinterlistige Schweine“ bezeichnet hat, keine guten Erfahrungen gemacht.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Ich sage noch einmal: Es gibt keine Begründung, das Präsidium von neun aufzufächern. Deswegen werden wir Ihrem Antrag aus den genannten Gründen nicht zustimmen. – Danke.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Schönen Dank. – Für die FDP-Fraktion der parlamentarische Geschäftsführer Leif Blum.

Herr Alterspräsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr van Ooyen, am 18. Januar hat der hessische Souverän mit seiner Entscheidung über die Zusammensetzung dieses Hauses befunden. Er hat mit seiner Stimmabgabe zugunsten der Parteien,die hier vertreten sind,die Grundlage dafür gelegt, in einem ordnungsgemäßen und festgeschriebenen Berechnungsverfahren die Sitzungsverteilung in diesem Haus festzulegen, daran anknüpfend die Größe der Fraktionen und darauf aufbauend die Abbildung einer Mehrheit in diesem Hause.Deswegen bildet genau diese Zusammensetzung auch in ihrer rechnerischen Darstellung den Wählerwillen ab. Es ist an dieser Stelle urdemokratisch.

Die Grundlage, die an dieser Stelle gelegt wurde, ist eben auch die Grundlage für die Zusammensetzung aller weiteren Gremien in diesem Hause; denn auch dort soll sich der Wählerwille, soll sich der Proporz zwischen den Frak

tionen und sollen sich die Mehrheitsverhältnisse in diesem Hause widerspiegeln. Das gilt für die Fachausschüsse, die wir einsetzen werden, für die Unterausschüsse, für die sonstigen Gremien, aber eben auch für das Präsidium des Hessischen Landtags.

Es gibt überhaupt keinen Grund, an dieser Stelle das bestehende System zu verändern. Sie haben den Einzug in den Landtag geschafft. Aber Sie haben eben nicht genug Wählerstimmen auf sich vereinen können, dass Sie in Gremien bestimmter Größenordnung nach den Berechnungsgrundlagen, die wir haben, vertreten sind. Das mag für Sie bedauerlich sein. Aber es ist weder unsachlich, noch ist es undemokratisch.

(Norbert Kartmann (CDU): Richtig!)

Sie können sich darauf verlassen – wir haben das schon zu Beginn der letzten Legislaturperiode klar herausgehoben –, dass sich die FDP bei allen Unterschiedlichkeiten in der Sache, die wir auch in dieser Legislaturperiode sicher wieder in den Debatten deutlich zu spüren bekommen, dafür einsetzen wird, dass Sie in Ihren parlamentarischen Mitwirkungsmöglichkeiten, in der Mitarbeit in den Fachausschüssen und in sonstigen Gremien nicht behindert sein werden.

Aber was Sie nicht erwarten können – heute und auch in Zukunft nicht, Kollege Wintermeyer hat es schon gesagt –, ist, dass wir nach den Erfahrungen der letzten Legislaturperiode, wie Sie mit den Ihnen zugewiesenen Ämtern umgegangen sind,

(Dr. Ulrich Wilken (DIE LINKE): Zugewiesene Ämter?)

Dinge verändern, damit Sie etwas bekommen, was Ihnen rechnerisch, sachlich und auf ordnungsgemäßer Grundlage nicht zusteht. Das können Sie von uns, den Freien Demokraten, nicht erwarten. Wir werden nichts tun, um mit unserer Gestaltungsmehrheit zu verhindern, dass Sie Ihre Teilhaberechte in diesem Hause ordnungsgemäß ausüben können.Aber wir werden mit Sicherheit auch nichts tun, um Ihnen in irgendeiner Form Hilfestellung oder Positionen zu geben, die Ihnen nicht zustehen. Deswegen wird Ihr Antrag heute von uns auch geschlossen abgelehnt.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Schönen Dank. – Das Wort hat der Kollege Wagner, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Alterspräsident, meine Damen und Herren! Es ist ein ungewöhnlicher Vorgang, wenn eine Fraktion, nachdem es lange Gespräche aller Fraktionen darüber gab,wie die Geschäftsordnung des Hessischen Landtags zu gestalten ist,einen Änderungsantrag stellt.Wir haben einen Antrag betreffend die Geschäftsordnung des Landtags vorliegen, den alle Fraktionen tragen. Daran haben die Fraktionen in den vergangenen Wochen intensiv gearbeitet. Herzlichen Dank an alle für die vertrauensvolle Zusammenarbeit über die Fraktionsgrenzen hinweg.