Protokoll der Sitzung vom 08.03.2012

Vielen Dank, Frau Kollegin Wissler. – Das Wort hat die Frau Abg. Lannert, CDU-Fraktion.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist für die Beschäftigten des Schlecker-Konzerns – und das sind vielfach Frauen – sowie die Angehörigen eine dramatische Entwicklung, dass ihr Unternehmen in die Insolvenz geht. Für die Sorgen, für die persönliche Verunsicherung um die weitere berufliche Zukunft und die persönliche Existenz haben wir großes Verständnis, und nicht nur heute am Internationalen Frauentag.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Ich habe aber die Befürchtung – insbesondere hat mich der Wortbeitrag der LINKEN hierin leider bestätigt –, dass es Ihnen in erster Linie darum geht, diese Ängste zu schüren und aus kurzsichtigen politischen Erwägungen heraus heute Morgen zu instrumentalisieren.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Zuruf des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE))

Verstaatlichen, verbieten oder zerschlagen – das sind doch Ihre wirtschaftspolitischen Grundkonzepte, konstruktive Vorschläge hingegen Fehlanzeige. Mit den alten Parolen aus der Klassenkampfmottenkiste, wie Sie dies heute Morgen hier vorgetragen haben,

(Zurufe von der LINKEN)

schüren Sie doch nur noch mehr Verunsicherung, indem Sie suggerieren, Politik könne Einfluss nehmen, ja sogar Druck auf das Insolvenzverfahren ausüben. Frau Kollegin Wissler, Sie können heute am Frauentag hier sprechen, weil Sie eine Frau sind, aber sicherlich nicht wegen Ihrer wirtschaftspolitischen Kompetenz.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des Abg. Jürgen Lenders (FDP) – Lachen bei der LINKEN)

Frau Wissler, haben Sie denn je eigene Erfahrungen gemacht? Waren Sie jemals für Beschäftigte verantwortlich? Haben Sie jemals in der freien Wirtschaft gearbeitet, außer der kurzfristigen Zeit Ihrer sogenannten Verkäufertätigkeit?

(Zurufe von der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Oder waren Sie einmal arbeitslos? Von allem, was Sie heute hier vorgetragen haben, haben Sie nicht die gerings te Erfahrung.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Angesichts der Vorgeschichte und des unternehmerischen Kurses dieses Unternehmens bietet ein geordnetes Insolvenzverfahren für die Beschäftigten mehr Chancen als Risiken. Die Politik hat nach unserem Verständnis dabei die Aufgabe, Gesprächsfäden nicht abreißen zu lassen, um Vertrauen zu werben, insbesondere bei den Gläubigern und Investoren.

(Zuruf des Abg. Dr. Thomas Spies (SPD))

Meine sehr geehrten Damen und Herren, erst als letztes Mittel dürfen später Gelder in die Hand genommen werden, um einen Betriebsübergang oder einen Neustart abzusichern. Ziel eines Insolvenzverfahrens ist es doch, das Unternehmen mit seinen Arbeitsplätzen, mit seinen Tarifverträgen und seinen Lieferbindungen möglichst zu erhalten und fortzuführen.

Wenn das Unternehmen fortbestehen soll, wenn die Lieferanten weiter liefern sollen, wenn es Investoren geben soll, die das Unternehmen wieder auf eine solide Finanzbasis stellen, und wenn das Unternehmen wieder an Image gewinnen will, dann sind ein tragfähiges Zukunftskonzept und neues Vertrauen notwendig. Es ist doch Tatsache, dass die Drogeriekette Schlecker in den letzten Jahren mehrere Millionen Kunden verloren hat. Woran liegt das?

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Wer ist daran schuld? – Gegenruf des Abg. Holger Bellino (CDU): Wer denn?)

Notwendige Umstrukturierungen haben gefehlt. Es ist bekannt, dass mit negativen Schlagzeilen der Vergangenheit, der Personalpolitik, der Standortentscheidungen und fehlendem Qualitätsmanagement das Image und schließlich auch die wirtschaftliche Basis des Unternehmens gelitten haben. Das bestreitet niemand. Aber Schlecker als eingetragener Kaufmann haftet persönlich.

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Aber nur mit dem Geld, das er selber hat!)

Das ist natürlich für diejenigen, die bei jeder Gelegenheit nach dem Staat rufen, ein ungewohnter Gedanke. Im Rahmen des Insolvenzverfahrens wird der Insolvenzverwalter prüfen, ob und wie viel privates Vermögen vorhanden ist. Er hat dann die Möglichkeit, auch Vermögenswerte wieder zurückzuführen, damit sie in die Insolvenzmasse einfließen. Die Verhandlungen über einen Sozialplan für den Stellenabbau bei Schlecker haben mit dem Ziel begonnen, möglichst viele Arbeitsplätze zu sichern.

Der von Ihnen geforderten Staatshilfe stehen wir sehr skeptisch gegenüber.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Wo ist der Unterschied zu Opel?)

Dann hätten alle Drogeriemarktketten, die in Schwierigkeiten sind, irgendwann einmal Anspruch auf Subventionen. So kann das gar nicht gehen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Weiterbildung und zusätzliche Qualifikation für Arbeitnehmer, Übernahme von Marktanteilen von Mitbewerbern, damit zusätzliches Wachstum herrscht und die Schaffung neuer Arbeitsplätze möglich ist – das sind doch Lösungswege für die Zukunft. Die Arbeitsagenturen sind hierzu das Scharnier. Sie ermöglichen Weiterbildung, und sie kümmern sich um die Vermittlung von Schlecker-Beschäftigten in neue Arbeitsverhältnisse, zumal man weiß, dass für Einzelhandelskaufleute derzeit 20.000 offene Stellen vorhanden sind.

Jetzt kommt es darauf an, die von Entlassung bedrohten Menschen schnell wieder in eine Perspektive zu bringen. Sie wollen um ihren Arbeitsplatz kämpfen, und sie erfahren alle Unterstützung.

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Am Samstag ist wieder eine Demonstration in Frankfurt!)

Die von den LINKEN in ihrem Antrag geforderte Meinung, politischen Druck ausüben zu wollen, können wir nur zurückweisen. Sie selbst wollen politischen Druck ausüben, und zwar auf die Beschäftigen, weil Sie soziale Unruhe schüren wollen. Das ist Ihr Hintergrund.

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Du lieber Gott, meine Güte!)

Sie wollen die Mechanismen der sozialen Marktwirtschaft schädigen. Sie wollen eine Staatswirtschaft ohne Risiko und ohne Eigeninitiative. Das werden wir Ihnen nicht durchgehen lassen, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Frau Kollegin Lannert, Sie müssen zum Schluss kommen.

Herr Präsident, ich komme zum Schluss. – Was den Frauentag angeht, den Sie unter anderem heute auch hier instrumentalisieren und den Sie sogar schon einmal zum Feiertag machen wollten, kann ich nur sagen: Machen wir aus einem Frauentag im Jahr 365 Tage für Menschen, Männer wie Frauen. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Vielen Dank. – Das Wort hat der Abg. Klose, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Ganz starke Rede! – Gegenruf der Abg. Judith Lannert (CDU): Mindestens so stark wie Ihre!)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Vor etwas mehr als zwei Jahren haben wir uns im Landtag schon einmal mit der Firma Schlecker beschäftigt. Damals haben wir festgestellt, dass keine andere Marke in Deutschland so als Synonym für Tarifflucht, für miserable Arbeitsbedingungen, für die Unterdrückung ihrer Angestellten steht wie die Marke und die Familie Schlecker. Daran hat sich wenig geändert.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Was sich aber geändert hat, ist, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher genau dieses Verhalten und dieses Geschäftsgebaren der Familie Schlecker sanktioniert haben. Die Beschäftigten haben sich dagegen gewehrt, und die Verbraucherinnen und Verbraucher sind dann eben woanders hingegangen, um die entsprechenden Artikel zu kaufen. Die Reaktion von Schlecker auf diesen Marktdruck war, den Druck nach innen noch weiter zu erhöhen. Knüppeln, knausern, kontrollieren – das hat sogar das „manager magazin“ über die Firma geschrieben. Genau so war es. Es ist aber auch wahr, dass diese Methoden ohne die viele Jahre herrschende „Geiz ist geil“-Mentalität der Kundschaft undenkbar gewesen wären. Auch das gehört an der Stelle gesagt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das heißt, die Verbraucherinnen und Verbraucher haben ihre Marktmacht genutzt und mit den Füßen abgestimmt. Die Insolvenz von Schlecker ist deshalb neben einer Vielzahl unternehmerischer Fehler auch ein Beleg dafür, dass sich Unternehmen mit solch miesen Methoden dauerhaft nicht durchsetzen. Ich hoffe sehr, dass dieses Exempel seine Wirkung hinterlässt, meine Damen und Herren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Das Drama allerdings, vor dem wir jetzt stehen, ist: Die Beschäftigten, die jahrelang unter den Methoden arbeiten mussten, sind nun auch noch mit nackten Existenzängsten konfrontiert. Es darf nicht sein, dass die Schlecker-Angestellten die Folgen der verfehlten Unternehmenspolitik ausbaden müssen. Wir GRÜNE stehen uneingeschränkt an der Seite der Schlecker-Mitarbeiterinnen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Seit der entsprechende Antrag Mitte Februar eingebracht wurde, ist schon wieder einiges geschehen, Frau Wissler. Die Verhandlungen über den Sozialplan haben begonnen. Das Land Baden-Württemberg, in dem sich die Schlecker-Zentrale befindet, hat Bürgschaften in Aussicht gestellt. Wir stehen hinter dem Vorschlag, Transfergesellschaften zu gründen. Auch das Bundesarbeitsministerium

hat seine Bereitschaft erklärt, deren Gründung zu fördern. Richtig so, wir unterstützen das ausdrücklich.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Gleichzeitig haben Konkurrenten signalisiert, Personal, aber auch Teile des Filialnetzes zu übernehmen. Auch das ist ein gutes Signal, weil es nämlich zeigt, dass in der Branche nach wie vor ein Bedarf an Arbeitskräften besteht.

Allerdings unterscheidet die Dezentralität einer Einzelhandelskette deren Insolvenz natürlich von der eines großen Industrieunternehmens, Frau Wissler. Bei Schlecker muss für jede einzelne Filiale bewertet werden, ob sich die Fortführung lohnt und, wenn ja, wie und durch wen. Die Politik kann unserer Überzeugung nach helfende Rahmenbedingungen schaffen, die notwendigen unternehmerischen Entscheidungen trifft sie aber richtigerweise nicht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)