Im Zusammenhang mit dem Skandal um Brustimplantate, mit dem wir es gerade zu tun hatten, sind Fragen offen geblieben, die zu stellen sind: wie die Abläufe waren, wie es über so lange Zeiträume zu solchem kriminellen Vertrieb von Implantaten kommen konnte. Das muss meiner Meinung nach aber auf der Bundesebene geregelt werden.
Herr Dr. Bartelt, in einem Punkt möchte ich Ihnen ausdrücklich widersprechen. Ja, die hessische Wirtschaft ist bei Medizinprodukten sehr engagiert, und es sind sehr viele Arbeitsplätze damit verbunden. Trotzdem finde ich, dass es eine Abwägung zwischen dem, was für die Patientinnen und Patienten wichtig ist, und den wirtschaftlichen Interessen in der Form, wie Sie es hier dargestellt haben, nicht geben kann. Ja, wir wollen Arbeitsplätze erhalten. Ja, Hessen ist ein wichtiger Standort sowohl der Arzneimittel- als auch der Medizinprodukteindustrie. Aber letztendlich müssen für uns die Interessen der Patientinnen und Patienten im Vordergrund stehen. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Kollegin Schulz-Asche, da besteht gar kein Dissens. Ich kann vieles von dem unterstreichen, was Sie gesagt haben. Ich glaube, es besteht keine grundsätzlich unterschiedliche Sichtweise im Landtag und auch bei den Menschen, die uns heute zusehen.
Wenn es um die Frage geht, medizintechnische Produkte zuzulassen, dann muss der Patientenschutz an vorderster Front gewährleistet sein. Wir erleben in den letzten Jahren, dass viele ausländische Produkte in den deutschen Markt kommen, die ganz anderen rechtlichen Voraussetzungen und Qualitätsmaßstäben unterliegen. Wir wollen
erreichen, dass es einen verbindlichen einheitlichen Rechtsrahmen zur Akkreditierung dieser Produkte gibt, dass diejenigen, die ein Produkt in Deutschland beziehen, genauso sicher sein können, wenn z. B. ein italienisches Produkt verwendet wird, dass es die gleichen Sicherheitsstandards erfüllt. Das Ziel muss sein, Qualität für alle zu gewährleisten.
Deshalb ist der Staatsvertrag notwendig und richtig. Da gibt es keinen Dissens hier im Haus, das ist sehr einheitlich diskutiert worden.
Kollege Dr. Bartelt hat aus meiner Sicht recht, dass für Hessen das Thema Wirtschaftsstandort ein wichtiges Thema ist. Wir haben eine ganze Reihe von großen Unternehmen, zum Teil Weltmarktführer, im Bereich der Medizintechnikprodukte. Insofern müssen wir darauf schauen, was dort passiert. Aber ich will es einmal andersherum formulieren: Wir haben aus hessischer Sicht ein Interesse daran, dass solche Qualitätsmaßstäbe gelten, die wir in der Regel ohne Weiteres erfüllen, und dass andere, die diese Maßstäbe nicht erfüllen, nicht mehr am Markt agieren können. Möglicherweise kann das sogar ein Wettbewerbsvorteil sein. Aber wir müssen darauf schauen, dass das nicht so gemacht wird, dass zum Schluss wir die rote Laterne haben, weil wir die Einzigen sind, die diese Standards erfüllen.
Das Ziel ist, und da will ich den Gesundheitsminister unterstützen, dass wir im Rahmen der Umsetzung der EG-Verordnung, über die wir heute reden, einen einheitlichen Rechtsrahmen in Europa schaffen, sodass für alle die gleichen Spielregeln gelten. Das muss das Ziel des Landtags sein, und wenn wir das erreichen, haben wir insgesamt viel erreicht. – Vielen Dank.
Wir überweisen diesen Gesetzentwurf vereinbarungsgemäß zur Vorbereitung der zweiten Lesung an den Sozialpolitischen Ausschuss. – Kein Widerspruch, so beschlossen.
Erste Lesung des Gesetzentwurfs der Landesregierung für ein Gesetz zum Abkommen zur Änderung des Abkommens über die Zentralstelle der Länder für Sicherheitstechnik und über die Akkreditierungsstelle der Länder für Mess- und Prüfstellen zum Vollzug des Gefahrstoffrechts – Drucks. 18/5446 –
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Genau den Gesetzentwurf, den Sie eben aufgerufen haben, bringe ich nun seitens der Landesregierung in den Hessischen Landtag ein.
Nur damit man den praktischen Bezug sieht: Vor dem Hintergrund weitreichender Rückrufaktionen von giftigem Spielzeug in Europa und den USA sowie der Diskus
sionen mit der Spielzeugindustrie hatte die Wirtschaftsministerkonferenz im November 2007 gebeten, geeignete Maßnahmen zu treffen, um den Marktüberwachungsbehörden eine effizientere Arbeitsweise zu ermöglichen. Ebenso sollte der Informationsfluss europaweit zwischen den nationalen Marktüberwachungsbehörden verbessert werden.
Eine Arbeitsgruppe unter Federführung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales analysierte im Jahr 2008 das deutsche Marktüberwachungssystem im Bereich des Gesetzes über technische Arbeitsmittel und Verbraucherprodukte. Als Ergebnis wurden im Juni 2009 Eckpunkte für eine gemeinsame Strategie des Bundes und der Länder zur Stärkung der Marktüberwachung im Bereich des Geräte- und Produktsicherheitsgesetzes veröffentlicht.
Entsprechend diesen Eckpunkten sollen der Zentralstelle der Länder für Sicherheitstechnik in bestimmten Fällen Entscheidungs- und Vollzugskompetenzen übertragen werden, um ein schnelleres Eingreifen zu ermöglichen, wenn von Produkten eine ernste Gefahr für die Gesundheit und Sicherheit der Verbraucher ausgeht. Bei länderübergreifenden Produktproblemen mit überregionaler Bedeutung soll damit auch vom Grundsatz der Zuständigkeit der Länder im Einzelfall abgewichen werden.
Weiter wird durch die Umsetzung der EG-Verordnung, die schon bei dem vorher aufgerufenen Punkt eine Rolle gespielt hat, eine einheitliche Akkreditierung geschaffen. Damit entfielen Aufgaben, die bisher bei der Zentralstelle der Länder für Sicherheitstechnik angesiedelt waren; darüber hinaus sind Aufgaben in die ZLG überführt worden. Das ist der Inhalt des Staatsvertrages, den wir gerade besprochen haben.
Schließlich müssen noch einige redaktionelle Anpassungen an die europarechtlich geprägte Terminologie wie auch an aktuelle tatsächliche und rechtliche Gegebenheiten erfolgen. Die vorgenannten Änderungen im Aufgabenzuschnitt der ZLS müssen in den bestehenden Staatsvertrag übernommen werden. Dies erfolgt mit dem Abkommen in der Drucksache, welches schon in der Ministerpräsidentenkonferenz am 15.12. unterschrieben wurde.
Insofern erbitte ich zu diesem Zustimmungsgesetz auch die Zustimmung des Hessischen Landtags. – Danke schön.
Vielen Dank, Herr Staatsminister. – Meine Damen und Herren, es wird keine Aussprache gewünscht. Damit ist die erste Lesung vollzogen.
Wir überweisen den Gesetzentwurf zur Vorbereitung der zweiten Lesung an den Sozialpolitischen Ausschuss. – Dem widerspricht niemand. Dann ist das so beschlossen.
Erste Lesung des Gesetzentwurfs der Landesregierung für ein Gesetz zur Änderung des Hessischen Hochschulgesetzes und anderer Vorschriften – Drucks. 18/5447 –
Die Redezeit von 7,5 Minuten pro Fraktion ist auch Orientierungszeit für die Frau Staatsministerin. Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bringe heute den Gesetzentwurf der Landesregierung für ein Gesetz zur Änderung des Hessischen Hochschulgesetzes und anderer Vorschriften ein. Das ist ein Gesetzentwurf, der nicht alltäglich ist; denn es geht um die Gründung einer Hochschule eigener Art. Wir haben zwölf staatliche Hochschulen. Dieser Gesetzentwurf und die Änderungen, die heute eingebracht werden, sollen am Ende zur Gründung einer 13. staatlichen Hochschule führen. Deswegen ist das ein ganz besonderer Anlass: die positive Entwicklung des Standorts Geisenheim sowie die Umwandlung der dortigen Forschungsanstalt und des Fachbereichs der Hochschule Rhein-Main in eine eigenständige Hochschule.
Die Forschungsanstalt Geisenheim hat eine lange Tradition und viele Erfolge vorzuweisen: Sie wurde 1872 gegründet, ist bundesweit tätig und hat europaweite Kontakte im Wein- und Gartenbau sowie in der Önologie und in der Getränkeforschung. Bis 2010 gab es auf der Grundlage eines Staatsvertrags, der sich bewährt hatte, eine außerordentlich gute Zusammenarbeit mit RheinlandPfalz. Jedenfalls sagen das alle Nutzer. Über Nacht hat Rheinland-Pfalz, aus welchen Gründen auch immer – wahrscheinlich auch aus fiskalischen –, diesen Staatsvertrag aufgekündigt, und wir machen heute aus der Forschungsanstalt Geisenheim eine Hochschule eigener Art, da sie ein solches Alleinstellungsmerkmal besitzt.
Mit diesem Gesetzentwurf werden die rechtlichen Rahmenbedingungen dafür gesetzt, dass eine optimale Struktur für Forschung und Lehre geschaffen werden kann. Dabei will ich auch erwähnen, dass die Diskussionen so geführt werden müssen, dass Geisenheim mit dem Namen und der Marke, die es längst hat, am Ende noch erfolgreicher punkten kann. Es werden in diesem Konzept auch die Vorkehrungen dafür getroffen, dass alle inhaltlichen Vorstellungen vom Wissenschaftsrat begutachtet werden. Die Begutachtung wird zeitnah durchgeführt, und wir hoffen, dass wir im Herbst das Ergebnis vorliegen haben, sodass mögliche Anregungen des Wissenschaftsrates noch vor der Errichtung der neuen Hochschule eingebracht werden können.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Hochschule eigener Art und mit eigenem Profil in Geisenheim soll auch das Promotionsrecht mit der Maßgabe erhalten, dass sie es zunächst in Kooperation mit einer anderen Hochschule ausübt. Ich bin davon überzeugt, dass wir mit den beschriebenen Maßnahmen einen soliden Grundstein dafür gelegt haben, das nicht alltägliche Vorhaben einer Hochschulgründung zu einem Erfolg zu führen. Ich freue mich auf die Beratung in den Ausschüssen.
Vielen Dank. – Ich eröffne die Aussprache. Zunächst hat Herr Abg. May für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben eben die Einbringung des Gesetzent
wurfs durch die Frau Ministerin gehört und erfahren, wieso wir in Geisenheim eine neue Hochschule brauchen. Wir haben eine kurze Begründung gehört. Für uns ist diese Begründung nicht schlüssig.
Wir haben in Geisenheim eine über Jahre gewachsene Struktur: eine Zusammenarbeit der Hochschule RheinMain mit der Forschungsanstalt Geisenheim, die bisher gut funktioniert hat. Sicherlich können aufgrund der geänderten hochschulpolitischen Rahmenbedingungen in Geisenheim Forschung und Lehre, die lange Zeit getrennt sein mussten, jetzt endlich zusammengeführt werden. An diesem Punkt sind wir mit Ihnen völlig einer Meinung. Es ist sinnvoll, Forschung und Lehre in Geisenheim zusammenzufassen.
Aber Sie haben uns nicht erklärt, wieso das ausgerechnet im Rahmen einer ausgelagerten neuen Hochschule, also nach der Trennung von der Hochschule Rhein-Main, erfolgen muss. Die Verbesserungen, die Sie durch die Errichtung der neuen Hochschule in Geisenheim erreichen wollen, bestehen darin, dass man in Zukunft dort promovieren kann und dass Forschung und Lehre zusammengefasst werden. Beide Ziele werden von uns unterstützt. Allerdings ist uns nicht klar, wieso man diese Ziele nicht auch unter dem Dach der Hochschule Rhein-Main erreichen kann.
Uns ist nicht klar geworden, wieso ein funktionierendes System aufgebrochen wird, obwohl man nicht genau absehen kann, welche Nebenwirkungen durch dieses Aufbrechen zu erwarten sind.
Zudem schreiben Sie im Gesetzesvorblatt, dass es einmalige Kosten von etwa 0,5 Millionen € und laufende zusätzliche Kosten von 1,5 Millionen € geben wird. Selbst wenn diese optimistischen Schätzungen zutreffen sollten, müssen Sie sich die Frage stellen lassen: Zu welchem Nutzen wird dieser finanzielle Mehraufwand betrieben? Zu welchem Nutzen werden zusätzliche Bürokratiekosten erzeugt, wenn doch das Geld angesichts steigender Studierendenzahlen in Forschung und Lehre allemal besser eingesetzt wäre?
Darauf liefern Sie keine befriedigende Antwort. Ihr einziges Argument ist: Wenn wir dort eine Hochschule neu gründen, haben wir eine bessere Sichtbarkeit von Forschung und Lehre. – Dieses Argument läuft aber ins Leere; denn damit behaupten Sie, dass, wenn wir an der Struktur nichts ändern würden, Forschung und Lehre, die dort, wie Sie beschrieben haben – da sind wir einer Meinung –, gut funktionieren, nicht sichtbar wären. Das ist aber ein Zirkelschluss, den wir so nicht ziehen. Wir sind der Meinung, Forschung und Lehre können sich dort, auch unter dem Dach der Hochschule Rhein-Main, sehr wohl sehen lassen.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Witzenhausen ist ja auch sichtbar!)
Zudem würde in Geisenheim eine ganz punktuelle Ausbildung stattfinden. Es wäre keine Vernetzung mit anderen Fachbereichen an der Hochschule Rhein-Main mehr möglich. Zum Beispiel für den Fachbereich Landschaftsarchitektur wäre das aber durchaus wünschenswert. Von daher sehen wir an dieser Stelle auch keinen Gewinn für die Studierenden oder für die Lehrenden. Es ist deshalb für uns klar: Mit dem Geld, das Sie für die Begleichung zusätzlicher Bürokratiekosten ausgeben wollen, die dadurch
entstehen, dass Sie dort eine neue Verwaltung aufbauen, sollte man besser Forschung und Lehre finanzieren.
Uns ist auch nicht klar geworden, wieso diese Neugründung ausgerechnet jetzt und so schnell vorgenommen werden muss. Sie wollen die Hochschule schon zum 1. Januar nächsten Jahres einrichten. Das wird dazu führen, dass die Übertragung der Verwaltung der Studierenden in einem unglaublichen Tempo erfolgen muss, wobei, wie man der Regierungsanhörung entnehmen kann, erhebliche Probleme gesehen werden.
Für uns GRÜNE ist klar: Wieso sollten wir uns diese Probleme – auch zeitlicher Art – bei der Organisation der neuen Hochschule Geisenheim ans Bein binden, wenn wir dort ein vernünftiges System haben? Für uns GRÜNE hat sich die Organisation durch die Hochschule Rhein-Main am Standort Geisenheim bewährt. Die Zusammenlegung von Forschung und Lehre unter dem Dach der Hochschule Rhein-Main ist möglich. Am Standort der Hochschule Rhein-Main kann genauso gut wie in Geisenheim allein eine Hochschule neuen Typs installiert werden. Die Ausgründung ergibt nach unserem derzeitigen Informationsstand keinen Sinn.