Protokoll der Sitzung vom 29.03.2012

(Beifall bei der FDP – Günter Rudolph (SPD): Die Wahrheit darf man sagen!)

ist die recht unverschämte Wortwahl mit „Integrationsverweigerer“ und „schäbig“ der Debatte überhaupt nicht angemessen. Das zeigt auch, dass Sie aus der Sache nur parteipolitischen Klamauk machen wollen. Sie haben hier dieselbe Rede gehalten, die Sie schon gefühlte hundertmal in diesem Parlament gehalten haben.

Deswegen möchte ich die Gelegenheit nutzen, unsere Argumente noch einmal vorzutragen. Wir wollen einen islamischen Religionsunterricht auf der Basis des Grundgesetzes, so wie ihn alle anderen Religionsgemeinschaften schon seit Jahren erfolgreich in diesem Lande anbieten. Das sind nicht nur die großen christlichen Kirchen, das sind auch viele kleine Religionsgemeinschaften: Mennoniten, Unitarier, Aleviten usw. Alle diese Religionsgemeinschaften bieten schon seit Jahren erfolgreich Religionsunterricht an. Wir wollen, dass auch der Islam auf der Basis dieses Modells islamischen Religionsunterricht in diesem Lande anbieten kann.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, das ist für uns auch keine Frage juristischer Spitzfindigkeiten, sondern es ist für uns eine Notwendigkeit; denn wir wollen, dass der Islam auf Augenhöhe mit anderen Religionsgemeinschaften behandelt wird. Wir wollen keine Sonderrechte für den Islam. Wir wollen gelebte, normale Integrationspolitik. Wir wollen, dass die Normalität und die gesellschaftliche Vielfalt in diesem Lande als Realität anerkannt werden. Dazu gehört auch, dass der Islam genauso behandelt wird wie alle anderen Religionsgemeinschaften. Wir wollen auch nicht, dass der Staat durch ein wie auch immer geartetes Beiratsmodell die Religionsgemeinschaft quasi fingiert. Das ist mit unserem Staatsverständnis und auch unserem Verständnis von Religionsgemeinschaften nicht zu vereinbaren.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Es ist klar, und das möchte ich nicht verhehlen, wir haben immer gesagt, dass es ein schwieriger Weg ist, dass es ein langer Weg ist. Es ist auch klar, dass dieser Weg vielleicht auch unbequemer ist als der andere Weg. Aber wir sind überzeugt davon, dass aus staatspolitischer Sicht am Ende daraus ein besseres Ergebnis folgen wird.

Es macht an dieser Stelle auch keinen Sinn, wo wir uns vor drei Jahren auf diesen schwierigen Weg gemacht haben,

wo wir seit drei Jahren intensiv an diesem Prozess arbeiten und wo wir kurz davor stehen, die Früchte dieses schwierigen Prozesses zu ernten, jetzt umzuschwenken auf das andere Modell. Das können Sie nicht von uns erwarten.

Im Gegenteil, ich bin davon überzeugt, dass sich die harte, lange Arbeit letzten Endes auszahlen wird und dass wir dann einen Religionsunterricht werden anbieten können, der den Islam auf Augenhöhe mit anderen Religionsgemeinschaften positioniert. Nichts anderes hat der Integrationsminister letzte Woche noch einmal klargestellt. Bei diesem Weg werden wir ihn auch weiterhin nachdrücklich unterstützen. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Vielen Dank, Kollege Mick. – Das Wort hat Frau Abg. Cárdenas, DIE LINKE.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Name Hahn ist hier im Landtag ein Qualitätssiegel,

(Holger Bellino (CDU): Jawohl!)

allerdings weniger für eine erfolgreiche Integrationspolitik, als vielmehr für eine gewisse Realsatire.

(Holger Bellino (CDU): Das ist falsch!)

Noch im Herbst letzten Jahres haben Sie, Herr Minister, in einem Interview mit der „Frankfurter Rundschau“ gesagt, Sie seien für christlichen Religionsunterricht und für Religionsunterricht für andere anerkannte Religionsgemeinschaften. – Die katholische und die evangelische Kirche als anerkannte Religionsgemeinschaften zu betiteln, das hatte schon etwas.

Herr Minister, ich nehme stark an, dass Sie mit Ihrer Aussage vor allem Ihren Koalitionspartner der Christlich Demokratischen Union in Person von Herrn Kollegen Irmer ärgern wollten, der den Islamunterricht abgelehnt hat. Jetzt steht Ihre Kritik an Frau Kraft in NRW sogar auf den Seiten solcher obskuren und islamhetzerischen Seiten wie „Jihad Watch Deutschland“, die über den heimlichen Orientalismus Deutschlands berichten, und „Deutschelobby“, die sich als Lobby für die deutschen, österreichischen, Südtiroler, Schweizer Kulturen und Lebensarten, gegen Linksextremismus und Islamismus versteht.

Ich weiß nicht, ob Sie sich über ein Lob von dieser Seite freuen sollten. Eigentlich kann ich mir Ihre dreiste Einmischung in Form dieses Briefes an Frau Kraft auch gar nicht erklären. Nicht nur, dass Sie die flexible und schnelle Reaktion unserer Kolleginnen und Kollegen in anderen Bundesländern damit boykottieren, Sie vergreifen sich auch wieder einmal im Ton. Als falsches Signal kann man die Bemühungen, endlich einen Islamunterricht praktisch wirksam werden zu lassen, wohl kaum bezeichnen.

Sie wollten wahrscheinlich von Ihrem eigenen Versagen ablenken. Denn ist es nicht Fakt, dass wir hier in Hessen nach drei Jahren Schwarz-Gelb noch immer keinen Islamunterricht eingeführt haben, und das trotz der breiten Unterstützung in diesem Hause? Wie in so vielen bildungspolitischen Punkten bewegt sich hier nichts, weder mit noch ohne die FDP.

Der Versuch, von der eigenen Unfähigkeit abzulenken, ist nach hinten losgegangen. Vielmehr sind Sie wieder einmal zu weit gegangen. Da kritisieren Sie doch allen Ernstes den Versuch, eine Übergangslösung in den Bundesländern zu finden, die sich nun sofort und ohne mindestens dreijährige Wartezeit auf den Weg zu einer Einführung von islamischem Religionsunterricht machen – Sie, der in dieser Frage noch nichts Reales bewegt hat.

Wir haben hier im Landtag schon äußerst differenziert und kontrovers über dieses Thema diskutiert. Daher will ich inhaltlich auch nur zwei Sätze dazu verlieren. Als LINKE würden wir es nach wie vor vorziehen, einen gemeinsamen und verpflichtenden Ethikunterricht einzuführen, wie es beispielsweise in Berlin und Brandenburg der Fall ist.

(Beifall bei der LINKEN – Holger Bellino (CDU): Schlechtes Beispiel!)

Gleichzeitig sollte ein freiwilliger Religionsunterricht angeboten werden. Wie schon oft ausgeführt, Herr Bellino, muss unseres Erachtens jedoch auch in Hessen gelten: Kein religiös oder weltanschaulich gebundenes Kind gleich welcher Religion oder Weltanschauung darf eine Benachteiligung wegen seines Glaubens oder seiner Weltanschauung erfahren.

(Beifall bei der LINKEN)

Das heißt: Wenn in Hessen wie in den meisten anderen Bundesländern ein verpflichtender bekenntnisorientierter Religionsunterricht garantiert ist, dann bitte für alle, egal welcher Religion und Weltanschauung.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Minister, die Kritik an Ihrer NRW-Kollegin ist unberechtigt und schlechter Stil. Ich kann Ihre Verbitterung und Frustration über den Millimeterfortschritt in Hessen nachvollziehen. Aber ganz unschuldig sind Sie daran auch nicht, und das wissen Sie selbst. Manche halten Sie sogar für den Hauptverantwortlichen. Vielleicht sollten Sie auf den erhobenen Zeigefinger verzichten und ein wenig auf dem Vulkan tanzen. Schlechter kann es nicht werden, und vielleicht bewegt sich dann doch noch etwas bis Ende 2013. – Danke schön.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank. – Das Wort hat der Kollege Beuth, CDUFraktion.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir werden dem Drängen der GRÜNEN auf die Umgehung der Verfassung beim islamischen Religionsunterricht nicht nachgeben.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Zuruf der Abg. Mürvet Öztürk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Integration ist wichtig, aber sie steht nicht über dem Grundgesetz.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Sehr gut!)

Die Integrationspolitik in diesem Lande verwirklichen wir im Rahmen des Grundgesetzes.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Meine Damen und Herren, weil wir das so machen, ist die Position unseres Integrationsministers außerordentlich richtig gewesen. Wir halten die Verankerung einer Sonderstellung des Islam, was hier von den GRÜNEN im Grunde insinuiert wird, für einen unangemessenen Vorstoß. Wir werden die Einführung eines bekenntnisorientierten islamischen Religionsunterrichts in Hessen nicht ohne eine ausreichende Überprüfung der verfassungsrechtlichen Vorgaben machen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Wir folgen damit dem klaren Auftrag unseres Koalitionsvertrages, den wir uns selbst gegeben haben und den Sie gerne noch einmal nachlesen können. Ich finde, auch hier geht Gründlichkeit vor Schnelligkeit.

Zu Beginn der Wahlperiode haben wir in einer klaren Vereinbarung festgelegt, dass wir die Einführung eines islamischen Religionsunterrichts an öffentlichen Schulen, erstens, in deutscher Sprache und, zweitens, durch in deutscher Sprache ausgebildete Lehrkräfte prüfen werden.

(Zuruf der Abg. Mürvet Öztürk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Wir werden das prüfen, und wir werden es einführen, wenn die Prüfung positiv verlaufen ist.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP)

Wir werden es auch ergebnisoffen prüfen – wie Sie das an allen bisherigen Bemühungen des Integrationsministers sehen können. Es ist doch völlig richtig, dass wir bei der Ausgestaltung der Religionsfreiheit in unseren Bemühungen, islamischen Religionsunterricht einzuführen, nicht überstürzt vorgehen – wie das vielleicht an anderen Orten dieser Republik geschieht.

Meine Damen und Herren, ich darf das hier einmal ganz vorsichtig und freundlich sagen: Die Position der GRÜNEN hierzu ist außerordentlich bedenklich und kaum nachvollziehbar. An der einen Stelle – hier in Hessen – geht es ihnen bei der Einführung des islamischen Religionsunterrichts nicht schnell genug; an einer anderen Stelle – in Berlin – geht es ihnen nicht schnell genug mit der Abschaffung des christlichen Religionsunterrichts.

(Florian Rentsch (FDP): So ist es!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das, was Sie hier vorführen, ist in keiner Weise nachvollziehbar.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Die Einführung des islamischen Religionsunterrichts wird nur dann erfolgen, wenn die Regeln des Grundgesetzes vollständig beachtet werden. Das gebietet der Respekt vor dem Grundgesetz, aber auch der Respekt vor dem Recht auf Religionsfreiheit und der Respekt vor einem säkularen Staat. Wir können den islamischen Religionsunterricht nur dann glaubhaft einführen, wenn wir ihn gründlich und korrekt geprüft haben, wenn wir die Errungenschaft der Trennung von Staat und Kirche tatsächlich ernst nehmen wollen.

Diese Regeln sollten wir beherzigen. Denn die Trennung von Kirche und Staat ist eine Errungenschaft in unserem Land, die mittlerweile sogar ein Merkmal unserer modernen Demokratie geworden ist. Die Säkularität verdient eine besondere Achtung, damit wir auch in Zukunft die Freiheit der Religionsausübung garantieren können.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir müssen Partner finden. Diese Partner werden gesucht. Diese Partner müssen den Islam repräsentativ und verbindlich vertreten können. Sie müssen selbst die Trennung von Staat und Religion glaubhaft verinnerlicht haben – nicht nur vom deutschen Staat, um auch das deutlich zu sagen. Und sie müssen sich in die Rechtsordnung unseres Grundgesetzes einfügen.